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Schillers 


Sämtliche Werke 


Säkular⸗Ausgabe in 16 Bänden 


In Verbindung mit Richard Feſter, Guſtav Kettner, 

Albert Köſter, Jakob Minor, Julius Peterſen, 

Erich Schmidt, Oskar Walzel, Richard Weißenfels 
herausgegeben von Eduard von der Hellen 


Stuttgart und Berlin 
J. G. Cotta'ſche Buchhandlung Nachfolger 


Schillers 


Sämtliche Werke 


Säkular⸗Ausgabe 


Fünfter Band 


Wallenſtein 


Mit Einleitung und Anmerkungen von Jakob Minor 


Stuttgart und Berlin 
J. G. Cotta'ſche Buchhandlung Nachfolger 


Druck der Unton Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart 


Einleitung 


Wie Schiller durch den Stoff des „Don Carlos“ von 
der Dichtung auf die Geſchichte geführt wurde, ſo führte 
ihn umgekehrt die „Geſchichte des Dreißigjährigen Kriegs“ 
von der Geſchichte auf die Dichtung zurück. Denn ſchon 
während er an dieſem letzten Geſchichtswerk arbeitete, 
trat ihm der Tod Wallenſteins als ein nbegeifternded 
Sujet“ für eine hiſtoriſche Tragödie nahe. Das war zu 


— Anfang des Jahres 1791, auf der Er iſe. Daß 
ihm die Haußtidee von vornherein klar vor Augen ge⸗ 


ſtanden ſei, ja die eigentliche Aufforderung zu dem Werk 
gebildet habe, hat Schiller noch ſpäter ſtark betont; im 
Gegenſatz zu früheren Dichtungen wie „Die Künſtler“ 
oder „Don Carlos“, wo er das, was ihm anfangs als 
das Wichtigſte erſchienen war, am Ende weggeſtrichen 
habe. Vorläufig war der Stoff, den er nach langem 
Suchen gefunden hatte, freilich bloß ein Gegenſtand 
für abgeriſſene dichteriſche Augenblicke, in denen er ſich 
nach ſeiner gewohnten Arbeitsweiſe zuerſt mit dem Plan 
beſchäftigte. Denn gleich anfangs trat noch in Erfurt 
die ſchwere Erkrankung als Störung dazwiſchen; ſeine 
Reiſe nach Karlsbad im Sommer 1791 benutzte Schiller 
auch dazu, um in Eger den Spuren Wallenſteins nach⸗ 
zugehn. Aber auch uachbem die „Geſchichte des Dreißig⸗ 
jährigen Kriegs“ beendet war, fürchtete ſich der der Poeſie 


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VI Einleitung 


ſeit fünf Jahren entfremdete Dichter vor einer ſo großen 
Arbeit. Faſt gleichzeitig mit dem Gedanken des „Wallen⸗ 
ſtein“ ſetzt ja auch das Studium Kants ein; und in der 
folgenden ſpekulativen Periode bleibt die Dichtung noch 
immer im Hintergrund. Erſt während ſeines ſchwäbiſchen 
Aufenthaltes unterbricht Schiller die philoſophiſche Korre⸗ 
ſpondenz mit dem Auguſtenburger, um den Plan weiter 
auszuarbeiten, der ihm wiederum als die Hauptſache er⸗ 
ſcheint und den er dann in drei Wochen auszuführen hofft. 
Nebenher muß er wohl einzelne Szenen in Proſa ent⸗ 
worfen und ſeinem Freunde Hoven mitgeteilt haben. Nach 
achtwöchentlicher Arbeit glaubt er den Plan ſchon ſeiner 
Vollendung entgegenreifen zu ſehen, der gar nicht ſtreng 
genug berechnet werden könne und den er mit kaltem 
Verſtande zu Papier bringen will, um ſich dann bei der 
Ausführung ganz der Imagination und der augenblick— 
lichen Empfindung zu überlaſſen. Aber nach der Rück⸗ 
kehr in die Heimat war dieſer Plan immer noch nicht 
fertig; nun traten die „Malteſer“ dazwiſchen, und der 
Dichter überlegte ernſtlich, ob er nicht dieſer leichteren 
Arbeit den Vortritt laſſen ſollte. Es waren Gründe ganz 
beſonderer Art, die ihn zwei Jahre ſpäter beſtimmten, ſich 
dennoch für den „Wallenſtein“ zu entſcheiden. 

Der „Wallenſtein“ war Schiller im Jahre 1791 als 
ein „begeiſterndes Sujet“ entgegengetreten; und wenn er 
in dem Brief an Körner vom 12. Januar 1791 auch keinen 
Namen nennt, ſo läßt doch der Brief Dalbergs an Schiller 
vom 22. März 1791 keinen Zweifel, daß nur der „Wallen⸗ 
ſtein“ gemeint ſein kann. Als aber Schiller ſich im März 
1796 endgültig für dieſen Helden entſchied, war er für ihn 
kein „begeiſterndes Sujet“ mehr, und eben deshalb, weil 
er es nicht war, zog ihn Schiller den „Malteſern“ vor. 


Einleitung VII 


Schon in dieſer Begründung ſeiner Stoffwahl finden 
wir Schiller auf einem ganz neuen Standpunkt. Seit 
ſeinen Jugendwerken hatte er im Poetiſchen einen völlig 
neuen Menſchen angezogen; der Gedanke an ſie, ſogar 
an den „Don Carlos“, ſpornte ihn nicht, er ſchreckte ihn 
vielmehr zurück. Die Furcht, nach monatelanger Arbeit 
ein verunglücktes Werk zu erzeugen, wenn Einbildungs⸗ 
kraft und Empfindung ihn bei der Ausführung im Stiche 
ließen, hatte auf die Anfänge des „Wallenſtein“ lähmend 
gewirkt; und umſonſt hatte er auch ſeinen Freund Körner 
aufgerufen, ihm ſeine poetiſche Sendung und ſeinen dra⸗ 
matiſchen Beruf klarzumachen. Daß er ſeinen Jugend⸗ 
werken nur mehr einzelne Schönheiten, nicht aber den 
Anſpruch auf ein ſchönes Ganze zuerkannte, war der 
Hauptgrund dafür, daß er jetzt dem Plane noch mehr 
Arbeit widmete, als ſonſt ohnedies ſeine Gewohnheit war. 
Dazu kam aber noch ein anderes. Sogar noch im „Don 
Carlos“ hatte Schiller, indem der Marquis dem Helden 
über den Kopf wuchs, ſeine ſubjektiven Ideen und Emp⸗ 
findungen anſtatt des Gegenſtandes gegeben. Nun aber 
ſtand ihm ein anderes Ideal, die objektive Gegenſtänd⸗ 
lichkeit der Darſtellung, vor Augen. Sie iſt am wenig⸗ 
ſten eine Frucht der zunehmenden Jahre, die, wie er an 
Humboldt ſchreibt, erſtaunlich viel Realiſtiſches mit ſich 
brachten. Gewiß mehr noch des Studiums der Alten, die 
er erſt ſeit dem „Don Carlos“ kennen gelernt hatte und die 
ſeine Arbeit bis ans Ende begleiteten. Sie iſt aber am 
meiſten eine Frucht ſeines Umganges mit Goethe! Im 
Hinblick auf ihn hatte Schiller in ſeiner philoſophiſchen 
Schlußabhandlung das Bild eines naiven Dichters ent⸗ 
worfen und es als die Aufgabe des ſentimentaliſchen be⸗ 
zeichnet, daß er zu dem naiven und objektiven hinſtrebe. 


VIII Einleitung 


Gerade ein Gegenſtand nun, der ſeinem Gefühle fern- 
ſtand, mußte ihm am geeignetſten erſcheinen, ſich vor jedem 
Rückfall in die alte ſubjektive Manier zu bewahren und 
ſich zur objektiven Darſtellung gewiſſermaßen zu zwingen. 
Er kam bei einem ihn nur kühl berührenden Stoffe wee 
niger in Gefahr, ſeine Gedanken und Gefühle über den 
Gegenſtand anſtatt des Gegenſtandes ſelbſt zu geben. Seine 
praktiſche Beſchäftigung mit dem Goethiſchen „Egmont“ war 
auch in dieſem Sinne keine unnützliche Vorbereitung für 
den „Wallenſtein“, von dem Schiller ausdrücklich geſagt 
hat, daß er das ganze Syſtem desjenigen in concreto 
zeigen und enthalten ſollte, was bei ſeinem Verkehr mit 
Goethe in ſeine Natur hätte übergehen können. Er war 
ſich zwar bewußt, daß er auf dieſem Wege in Goethes 
Gebiet geraten und ſich mit ihm werde meſſen müſſen; 
er hielt es ſogar für ausgemacht, daß er hierin neben 
Goethe verlieren werde. Er hoffte aber doch, daß ihm 
daneben noch etwas übrig bleiben werde, was fein Cigen- 
tum wäre und was Goethe nicht erreichen könnte, und 
daß ſich ſo die Rechnung ziemlich aufheben werde. „Man 
wird uns, wie ich in meinen mutwilligſten Augenblicken 
mir verſpreche, verſchieden ſpezifizieren, aber unſere Arten 
einander nicht unterordnen, ſondern einem höheren Gate 
tungsbegriffe ſubordinieren.“ 

Mit dem Jahre 1796 beginnt eine neue Phaſe in der 
Entſtehungsgeſchichte des „Wallenſtein“. Als Schiller im 
März 1796 ſeine Aufzeichnungen über den Plan wieder 
zur Hand nahm, meinte er, daß der Fund freilich nicht 
groß, aber doch auch nicht ganz unwichtig ſei: in dem 
Vorhandenen ſteckten die Keime zu einem höheren und 
echteren dramatiſchen Intereſſe, als er je einem Stück 
habe geben können. Immer noch ijt er mit dem Knochen⸗ 


Einleitung IX 


gebäude beſchäftigt, von dem ebenſo wie in der menſchlichen 
Struktur alles abhänge. Und als er nach der Unter⸗ 
brechung durch die Almanachsarbeiten am 22. Oktober 
wirklich an die Arbeit geht, hofft er in drei Monaten Herr 
des ganzen Planes zu ſein, den er als die eigentliche 
poetiſche Aufgabe betrachtet, während er die Ausführung 
als eine Arbeit von wenigen Monaten auf die leichte 
Achſel nimmt. Hatte er ſchon im April geſchichtliche 
Quellen (die Parteiſchrift Le soldat suedois 1634 und 
Merians Topographie von Böhmen 1650) aus der weima⸗ 
riſchen Bibliothek entlehnt, ſo finden wir den Geſchicht⸗ 
ſchreiber des Dreißigjährigen Krieges jetzt neuerdings 
fleißig und ausſchließlich mit dem Studium der Quellen 
beſchäftigt. Denn der realiſtiſche Dichter weiß nun, daß 
er dem Gegenſtand nicht anders als durch das genaue 
Studium der Zeitgeſchichte beikommen kann. Was er früher 
darüber gedacht und daran gebildet hat, hilft ihm nicht 
ſonderlich viel; denn er iſt erſt jetzt mit den Anforderungen 
an dieſen Stoff und mit den Schwierigkeiten bekannt ge⸗ 
worden. Noch iſt der rohe Stoff nicht ganz beiſammen; 
und er erſcheint ihm um ſo ungeheurer, je mehr er mit 
ſeiner Geſtaltung ringt, je weitere Fortſchritte er in der 
Okonomie und Form zu machen glaubt. In Bezug auf 
die dramatiſche Handlung, die dem Dichter ſtets als die 
Hauptſache erſcheint, will er noch nicht parieren; es finden 
ſich noch Lücken im Ganzen, und manches will ſich gar 
nicht in die engen Grenzen ſeiner Tragödienökonomie hin⸗ 
einfinden. Aber auch innerlich iſt die tragiſche Fabel noch 
nicht ſo weit ausgereift, daß der Dichter ihrer Qualifi⸗ 
kation zur Tragödie vollkommen gewiß iſt. Nach Schillers 
Meinung war die geſchichtliche Form der Kataſtrophe, wo 
Wallenſteins Unternehmung durch ſein Ungeſchick und 


x Einleitung 


einen bloßen Zufall mißlinge, für eine tragiſche Ent⸗ 
wicklung unbrauchbar. Auch in ſeinem bisherigen Plane tat 
der Fehler des Helden (wie in Shakeſpeares „Macbeth“ 
noch zu viel und das eigentliche Schickſal zu wenig. Aber 
ſo weit war Schiller nun doch, daß er wußte, was er 
wollte und ſollte; und auch was er hatte, um das Wollen 
und Sollen zu beſtreiten. Klar war er ſich auch über 
den „Geiſt“, in dem er arbeitete und den er mit den 
Worten erklärte: Goethe werde mit ihm zufrieden ſein. 
Gerade an einem ſolchen Stoffe, wo er nur durch die 
innere Wahrheit, Notwendigkeit, Stetigkeit und Beſtimmt⸗ 
heit ſeinen Zweck erreichen könne, müſſe die entſcheidende 
Kriſis mit ſeinem poetiſchen Charakter erfolgen. „Es will 
mir ganz gut gelingen, meinen Stoff außer mir zu halten 
und nur den Gegenſtand zu geben. Beinahe möchte ich 
ſagen, das Sujet intereſſiert mich gar nicht, und ich 
habe nie eine ſolche Kälte für meinen Gegenſtand mit 
einer ſolchen Wärme für die Arbeit in mir vereinigt. 
Den Hauptcharakter ſowie die meiſten Nebencharaktere 
traktiere ich wirklich bis jetzt mit der reinen Liebe des 
Künſtlers.“ 

Da, es war Mitte Dezember 1796, ſtand die Arbeit 
wieder an einem Wendepunkte. Bisher hatte Schiller 
nur an dem Plan gearbeitet und die Abſicht gehabt, dieſes 
Geſchäft ganz von der eigentlichen Ausführung zu trennen. 
Nachdem aber einmal ein feſter Punkt gegeben und ein 
ſicherer Blick über das Ganze gewonnen war, wandelte 
ihn unverſehens die Luſt an, zur Ausführung zu ſchreiten. 
Er ließ ſich gehen, und ſo entſtanden, ohne daß er es 
eigentlich vorhatte, viele Szenen im erſten Akt gleichſam 
von ſelbſt. Der Dichter wollte nun auch finden, daß 
der Plan ſelbſt „bis auf einen gewiſſen Punkt“ nur durch 


Einleitung XI 


die Ausführung reif werden könne; er fürchtete ſich, ſonſt 
trocken und ſteif zu werden, da doch der Plan ſelbſt aus 
dem Leben entſpringen müſſe! Und wirklich iſt Schiller 
erſt von da ab ganz bei der Sache und ſo wenig mehr 
aus der Stimmung zu bringen als an dem Gelingen 
des Werkes irre zu machen. An Stockungen hat es der 
Arbeit zwar auch ſpäter nicht gefehlt; aber ſie kamen nicht 
von innen, ſondern von außen durch Krankheiten, Beſuche, 
Almanachsgeſchäfte u. ſ. w. Eine Reihe fördernder Mo⸗ 
mente kamen umgekehrt der Dichtung zu ſtatten: die an 
Goethes „Hermann und Dorothea“ anknüpfenden Unter⸗ 
haltungen mit dieſem über das Weſen des Epos und 
des Drama; das Studium der Ariſtoteliſchen Poetik, mit 
der ſich der Dichter des „Wallenſtein“ ganz im Einklang 
wußte; die Lektüre der Shakeſpeareſchen Hiſtorien und 
des „Oedipus“ von Sophokles. Am 22. Februar des fol⸗ 
genden Jahres 1797 erzählte Schiller Goethen den aus⸗ 
führlichen Plan der erſten drei Akte, und Anfangs April 
entwarf er ganz mechaniſch, bloß zur Unterſtützung ſeines 
Gedächtniſſes, ein detaillierteres Szenarium, während in⸗ 
zwiſchen ſchon an neuen Szenen, den Liebes- und Picco⸗ 
lominiſzenen, gearbeitet worden war. Die erſten fertigen 
ſchienen dem Dichter bei ſpäterem Wiederleſen den Eindruck 
der Trockenheit zu machen, die er ſich aus der Furcht, in 
ſeine frühere rhetoriſche Manier zu verfallen, erklärte und 
durch eine poetiſche Stimmung leicht zu beheben hielt. 
Aus der weimariſchen Bibliothek entlieh er am 2. Juli 
neue Quellenſchriften: außer den drei erſten Bänden des 
Theatrum Europaeum und dem zweiten Teil des „Schwedi⸗ 
ſchen Krieges“ von Chemnitz, die er ſchon für fein Geſchichts⸗ 
werk benutzt hatte, auch den „Weimariſchen Feldzug“ von 
Engelſüß und Pelzels „Geſchichte von Böhmen“. Und ſo 


XII Einleitung 


war, ehe ihn die Almanachsarbeiten unterbrachen, endlich 
auch das Ganze poetiſch organiſiert und in eine rein tra⸗ 
giſche Fabel verwandelt: jetzt erſt taten die Umſtände 
alles zu dem Fall des Helden. 

Inzwiſchen aber hatte ſich auch ein Teil von dem 
Ganzen losgelöſt und ſelbſtändig entwickelt. Schon am 
1. Februar 1797 teilt der Dichter ſeinem Verleger mit, 
daß dem Trauerſpiel ein dramatiſches Vorſpiel voraus⸗ 
gehen werde. Am 22. Mai beſprach er mit Goethe ,,ver- 
ſchiedenes über die Teilung des Wallenſtein“; und hier 
hat er wohl auch den Gedanken geäußert, auf den Goethe 
ſpäter zurückkam: nämlich die Zeit des Dreißigjährigen 
Krieges in einem ganzen Zyklus von Stücken zu be⸗ 
handeln, zu denen die Darſtellung der rohen Soldateska 
der Zeit ein für allemal als Expoſition dienen ſollte. 
Am 27. Mai hat er dann einen Teil und am 7. Juni das 
ganze Vorſpiel dem Freunde vorgeleſen, das in Goethes 
Briefen den Titel „Die Wallenſteiner“ führt und 
ſpäter „Wallenſteins Lager“ benannt wurde. Es iſt 
das am früheſten vollendete Stück der Dichtung, das 
aber freilich ſpäter noch viel reicher ausgeſtaltet wurde. 
Schiller hat es im Sommer 1797 im vertrauten Kreiſe 
öfters vorgeleſen und überall Beifall geerntet. Noch am 
21. März 1796 hatte er an Humboldt geſchrieben, daß 
er von dem Reim auf eine Zeitlang Abſchied genom- 
men habe: „es müßte denn ſein, daß ich in meinem Schau⸗ 
ſpiel gereimte Szenen nach Shakeſpeares Beiſpiel ein- 
miſche, wozu es jetzt noch keinen Anſchein hat.“ Ein Jahr 
ſpäter hat er dann die einleitenden Szenen, das Vorſpiel, 
doch in den kurzen gereimten Verſen geſchrieben, für die 
ihm Goethes Puppenſpiele und das Fauſtfragment als 
Muſter vor Augen ſtanden und die er irrtümlich dem 


Einleitung XIII 


„Geiſt des Jahrhunderts, in dem die Geſchichte ſpielt,“ ent⸗ 
ſprechend fand. Das eigentliche Stück hatte er bisher 
in Proſa geſchrieben, obwohl ſeine Freunde Hoven und 
Körner die Jamben des „Don Carlos“ ſchmerzlich ver- 
mißten. Schiller hielt ſich an Humboldts Rat, der mit 
Rückſicht auf die Bühnen die Proſa empfahl. Seitdem 
die Alexandrinertragödien ausgeſtorben waren, herrſchte 
auf dem deutſchen Theater die Proſa der bürgerlichen 
Trauerſpiele und der Ritterſtücke, bei der es die Schau⸗ 
ſpieler auch mit dem Memorieren nicht ſo genau nehmen 
mußten; vor dem Verſe hatte man geradezu Furcht, und 
auch der Dichter der „Iphigenie“ und des „Taſſo“ war der 
Meinung, dem Dichter bleibe nichts übrig, als ſich zu 
akkommodieren. Es war eine vielbemerkte Ausnahme, 
wenn Iffland, der ſelber in der Proſa beſſer als im 
Verſe zu Hauſe war, gelegentlich ſeines erſten, eine Woche 
nach jenem Briefe Schillers beginnenden Gaſtſpieles 
in Weimar auch in einigen Versdramen ſpielte. In der 
Literatur freilich war die Forderung des Verſes für das 
hohe Trauerſpiel nie eingeſchlafen. Der Lobredner der 
vergangenen Zeit, Wieland, deſſen Merkurbriefe einſtmals 
den Dichter des „Don Carlos“ zum Verſe bekehrt hatten, 
legte auch ſpäter noch („Merkur“ 1792) ſeine gewichtige 
Stimme für die rhythmiſche Sprache ein. Am unermüd⸗ 
lichſten aber wiederholte W. Schlegel ſowohl in ſeinen 
Horenaufſätzen als auch in den Rezenſionen der Jenaer 
Literaturzeitung, daß nicht bloß die Tragödie, ſondern 
die Dichtung überhaupt an den Rhythmus und das Vers⸗ 
maß gebunden ſei. Jetzt meinte auch Goethe: „alles 
Poetiſche ſollte rhythmiſch behandelt werden, beſonders 
alle dramatiſchen Arbeiten.“ Und Schiller begriff kaum 
mehr, wie er das Stück in Proſa habe anfangen können: 


XIV Einleitung 


„es iſt unmöglich, ein Gedicht in Proſa zu ſchreiben.“ 
Als er die Arbeit am 3. Oktober 1797 nach den Alma⸗ 
nachsgeſchäften wieder aufnahm, entſchloß er ſich ſchon eine 
Woche ſpäter, dieſe letzte Forderung zu erfüllen, die an 
eine vollkommene Tragödie gemacht wurde. Die Proſa, 
die ihm noch vor neun Monaten dieſem Stoff viel mehr 
zuzuſagen ſchien, würde ja auch von den Reimverſen des 
„Lagers“ noch mehr abgeſtochen haben. Anfangs dachte er 
daran, das Stück vorderhand für die Bühnen in Proſa 
auszuführen und es dann für den Druck metriſch zu be⸗ 
arbeiten; aber ſchon am 4. November begann er die Aus⸗ 
arbeitung in fünffüßigen Jamben, die wie bei Shakeſpeare 
an nachdrücklichen Stellen, beſonders am Aktſchluß und 
bei Abgängen, gereimt wurden. Nach Humboldts Be- 
richt war die Liebesſzene zwiſchen Max und Thekla die 
erſte, die Schiller in Verſen ſchrieb, weil ſie der Proſa 
widerſtrebte; und wirklich finden wir den Dichter mit 
dieſen Partien, die ihm im Februar 1797 zu trocken aus 
der Feder kamen, ſchon am 12. Dezember neuerdings be⸗ 
ſchäftigt. Die alten Szenen gewannen in der neuen Ge- 
ſtalt ein ganz anderes Anſehen, und das Stück war erſt jetzt 
eine Tragödie zu nennen. Schiller fühlte ſich nun unter 
einer ganz anderen Gerichtsbarkeit als vorher: viele Mo⸗ 
tive, die dem gewöhnlichen Hausverſtand, deſſen Organ 
die Proſa iſt, wohl anſtanden, konnte er nicht mehr brau— 
chen, er mußte auch in den Motiven poetiſcher werden. 
Er empfand die nivellierende Kraft des Rhythmus, der 
den noch ſo verſchiedenen Charakteren und Situationen 
ein Geſetz unterlegt und ſie alle in ein allgemeines, 
rein menſchliches Element bringt. Freilich ſah ſich der 
Dichter auch in eine bequeme Breite getrieben, die er 
aber nur als geringen Nachteil empfand. Das Stück 


Einleitung XV 


wuchs ihm unter den Händen von 15 Bogen erſt mit, 
dann ohne das Vorſpiel auf 23 Bogen und zuletzt auf 
mehr als 30 Bogen an. Immer erſchienen ihm die fer⸗ 
tigen Akte als die längſten, und immer wuchſen die un⸗ 
fertigen auf denſelben Umfang an. | 

Am Weihnachtstag 1797 waren die zwei erſten Akte 
(= „Piccolomini“ I—IV) in der neuen Geſtalt zum Ab⸗ 
ſchreiben reif; es fehlten nur noch einige Szenen, offen⸗ 
bar die Liebesſzenen, die auch in Verſen nicht ſogleich 
befriedigten. Im Lauf des Februar 1798 ſollte es 
ihm auch gelingen, den dritten Akt (= „Piccolomini“ V 
+ „Tod“ J) in Ordnung zu bringen, bis auf eine Szene 
(die aſtrologiſche im Turm), die für dieſes Mal zurück⸗ 
gelegt wurde. Noch im Februar (27.) finden wir Schiller 
mit der Szene zwiſchen Gordon und Buttler beſchäftigt, 
und ſchon am 9. März hatte er drei Viertel der ganzen 
Arbeit hinter ſich und das trügeriſche Gefühl, daß nun 
das Schwerſte hinter ihm liege. Die Lücken, die noch 
vorhanden waren, ſchienen ihm keinen weſentlichen Teil 
der Handlung zu betreffen und bei rechter Stimmung 
leicht auszufüllen. Am 20. und 21. März las er dann 
Goethe die drei erſten Akte vor, die am 22. einzeln vor⸗ 
genommen und am 24. wiederholt wurden. Goethe war 
über den Umfang ſehr erſtaunt und meinte, daß ſich das 
Stück nur mit grauſamer Schere auf die Beſchränktheit 
des deutſchen Theaters werde reduzieren laſſen. Ende 
März finden wir Schiller dann mit dem vierten Akt 
(= „Tod“ II + III und Anfangs Mai mit dem fünften 
(= „Tod“ IV T beſchäftigt, über deſſen Okonomie er ſich 
am 15. Juni mit Goethe beſprach; am 13. Auguſt las 
er ihm die beiden letzten Akte, ſoweit fie fertig waren, 
vor und fand ihn von dem Gehörten lebhaft bewegt. Die 


XVI Einleitung 


Arbeit zog ſich aber doch noch in die Länge; es waren 
ſchon Mitte Juni neue Lücken ſichtbar geworden, die Schil⸗ 
ler früher nicht geahnt hatte. Wir finden ihn nun wieder 
an den erſten Akten beſchäftigt, bis er im Auguſt die Arbeit 
zurücklegen mußte. Nach der Erledigung der Almanachs⸗ 
geſchäfte wollte er den letzten Schritt zum „Wallenſtein“ 
tun, der ihm nun doch wieder als der ſchwerſte erſchien. 

Am 8. September nahm Schiller die Arbeit wieder 
auf und reiſte zwei Tage ſpäter nach Weimar, wo am 
13. und 14. der „Wallenſtein“ gemeinſchaftlich geleſen und 
über deſſen Aufführung beratſchlagt wurde. Es ſtand die 
Eröffnung des Theaters bevor, das im Laufe des Som⸗ 
mers im Inneren umgebaut und neu dekoriert worden 
war. Goethe verlangte von Schiller für die erſte Vor⸗ 
ſtellung das „Lager“ und überredete ihn auch, das Ganze 
zuerſt „im Theaterſinn“ zu vollenden, wofür er geeignete 
Ratſchläge gab. Es wurde ferner auch die Abteilung in 
drei zuſammenhängende Stücke beſchloſſen, die als Luſt⸗ 
ſpiel, Schauſpiel und Trauerſpiel aufeinander folgen joll- 
ten und von denen das erſte nun den Titel ,Wallen- 
ſteins Lager“, das zweite „Die Piccolomini“, das dritte 
zuerſt „Wallenſtein“ ſchlechtweg, dann (weil dieſer Titel 
die ganze Dichtung bezeichnen ſollte) „Wallenſteins Ab⸗ 
fall und Tod“, zuletzt aber bloß „Wallenſteins Tod“ er⸗ 
halten ſollte. So wurde das alte umfangreiche Stück in 
zwei Stücke von je fünf Akten zerlegt und innerhalb der 
zehn Akte in der damaligen Faſſung, die unter anderem 
die Mörderſzene nicht kannte, jeder Szenenwechſel ver— 
mieden. Nach Schillers Rückkehr fanden in Jena am 
23. September neue Beſprechungen über die Dispoſition 
und Einteilung des „Wallenſtein“ ſtatt. Namentlich aber 
war der Dichter damit beſchäftigt, das erſte Stück zu 


Einleitung XVII 


einem ſelbſtändigen Ganzen zu erweitern, ſo daß es ohne 
die Fortſetzung für ſich allein aufgeführt werden konnte. 
Die Zuhörer ſollten den Faden der Handlung, der ja 
nicht fortgeſponnen wurde, über dem Reichtum und 
der Vollſtändigkeit der Charaktere aus den Augen ver⸗ 
lieren; deshalb wurde das Stück durch neue Situationen, 
Motive und Charaktere um die Hälfte vermehrt. Zu 
dieſen neu hinzugekommenen Figuren gehört auch ein. 
Kapuziner, der den Kroaten predigt und den Schiller 
erſt in allerletzter Stunde, als Goethe ihm ein Werk des 
Paters Abraham a Santa Clara ſchickte, nach dieſem 
„köſtlichen Original“ ausgeſtaltet hat. Für den Anfang 
dichtete Goethe ein Soldatenlied, dem Schiller ein paar 
Strophen anflickte, weil es ihm zu kurz erſchien. Um⸗ 
gekehrt hat wieder Goethe zu dem „Prolog“, den Schiller 
nach einer früheren Beſprechung mit Goethe (30. Sep⸗ 
tember) Anfangs Oktober dichtete und den der Schauſpieler 
Vohs im Koſtüm des Max Piccolomini ſprach, einige 
Verſe beigeſteuert. Nachdem Schiller am 29. September 
1798 das Manuſkript abgeliefert hatte, fand am 12. Ok⸗ 
tober die erſte Aufführung von „Wallenſteins Lager“ 
ſtatt. Die Schauſpieler ſprachen, nachdem ſie einmal die 
faſt allgemeine Rhythmophobie, die Reim⸗ und Taktſcheu, 
überwunden hatten, die Verſe mit großer Leichtigkeit; 
und das Publikum nahm an der Neuerung keinen Anſtoß, 
es ergötzte ſich an den Reimen und verlangte nach mehr. 

Während Iffland das Stück für das Berliner Theater 
erwartete und bald darauf auch von Stuttgart, Hamburg 
und ſogar von Wien Anfragen kamen, ging Schiller eifrig 
an die Bearbeitung des erſten Stückes, der „Piecolomini“, 
über die er am 21. Oktober mit Goethe eine Unterredung 


hatte. Er arbeitete nun auf den „deutlichen Theaterzweck“ 
Schillers Werke. v. II 


XVIII Einleitung 


hin und hatte zunächſt jede Szene der zehn Akte zu re⸗ 
touchieren und in eine angemeſſene, deutliche und maul⸗ 
rechte Theaterſprache zu überſetzen. So aufhaltend ihm 
dieſe Arbeit ſchien, ſo ergaben ſich doch aus der Rückſicht 
auf die Bühne einige weſentliche Zuſätze und Verände⸗ 
rungen, die dem Ganzen zuträglich waren. Die Aus⸗ 
dehnung auf zehn Akte zwang ihn ohnedies zur Aufnahme 
neuer Szenen und Motive, und er ſchätzte das, was ganz 
neu zu machen war, auf einige Bogen. Schon am 9. No⸗ 
vember 1798 konnte er die beiden erſten Akte der „Picco— 
lomini“ an Goethe ſenden, in denen nur die myſtiſche 
Geſchichte zwiſchen Octavio und Wallenſtein (I, 3, 
V. 355 ff.) und die Präſentation Queſtenbergs an die 
Generale (I, 2, V. 98 ff.), die noch etwas Steifes hatte, 
fehlten. Und noch vor dem Ende des Monates waren 
auch die beiden letzten Akte fertig, während von dem 
dritten nur der Anfang abgeſchrieben war, weil die Thekla⸗ 
ſzenen noch immer nicht nach Wunſch gelungen waren. 
Noch ehe Schiller mit dieſen ins reine kam, hatte er ſich 
ſelbſt wieder die Arbeit vermehrt. Die „Piccolomini“ 
ſollten urſprünglich, wie das ſpäter auch im Druck der 
Fall war, mit der erſten Szene zwiſchen Max und Octavio 
ſchließen. Schiller kannte und fürchtete aber die Neugier 
des Publikums, namentlich in Bezug auf die Handlung: 
man wollte gern mehr davon wiſſen und erfahren. Dieſer 
Forderung hatte er anfangs dadurch genügen zu können 
geglaubt, daß er dem jungen Piecolomini einen Epilog in 
den Mund legte (jetzt V, 3, V. 2632 ff.), der auf das Ende 
des Ganzen hinweiſt. Bald darauf aber entſchloß er ſich 
doch (4. Dezember 1798), die Handlung ſchon in den 
„Piccolomini“ weiterzuführen und die beiden erſten Akte 
des eigentlichen Trauerſpieles zu ihnen zu ſchlagen, und 


Einleitung XIX 


jetzt gelang es ihm auch, die bedeutenden Lücken in der 
Handlung des früheren dritten Aktes auszufüllen; denn 
unter den verſchiedenen ganz neuen Szenen, die damals 
entſtanden und nach des Dichters Meinung „dem Ganzen 
ſehr gut tun“, ſind die Theklaſzenen verſtanden, deren 
Text in der Handſchrift ganz verſtümmelt vorlag und 
nur mit Mühe zuſammengeſucht werden konnte, ſo daß 
Schiller fie ſpäter noch einmal abſchreiben laſſen mußte. 
Und nun näherte ſich die Arbeit mit großen Schritten 
dem Ende; der Dichter konnte die Bühnenfaſſung zum 
Chriſtgeſchenk verſprechen, jedenfalls wollte er ſie nicht 
unvollendet in das neue Jahr hinübernehmen. Und er 
hielt dieſes Mal Wort: trotzdem er noch beim Korrigieren 
der letzten Akte auf Schwierigkeiten geſtoßen war, gingen 
die „Piccolomini“ am heiligen Abend an Iffland ab; es 
fehlte nur eine Szene, die ein paar Tage ſpäter (am 28.) 
nachfolgte. Es war die kurze aſtrologiſche (jetzt „Tod“ 
I, 1), die zugleich mit der korreſpondierenden Stelle der 
Theklaſzenen (jetzt „Piccolomini“ III, 4, V. 1594 ff.) erſt 
gelang, nachdem Schiller auf Goethes Rat das aſtro— 
logiſche Moment ernſthafter genommen und eine Parallel- 
ſzene, in welcher es ſich, anſtatt um den Stand der Ge- 
ſtirne, um ein trügeriſches Buchſtabenrätſel handelte, zu 
Gunſten der erſten Faſſung wieder verworfen hatte. Als 
er aber die fertige Handſchrift durchſah, erſchrak er ſelber 
über die Länge; und ehe er fie zu Silveſter an Goethe ſchickte, 
wurden noch 400 Verſe geſtrichen. Goethe, der insgeheim 
ſchon an der Vollendung verzweifelt hatte, empfing die 
Handſchrift am Neujahrstag und machte ſich ſofort an die 
Einſtudierung, an welcher Schiller, der zu Anfang des 
neuen Jahres auf fünf Wochen nach Weimar kam, einen 
entſchiedenen Anteil nahm. Am Geburtstag der Herzogin 


xx Einleitung 


(30. Januar 1799) wurden die „Piccolomini“ zum erſten 
Male gegeben. Die Schauſpieler leiſteten, was ſie bei 
ihren beſcheidenen Kräften leiſten konnten, und bei der 
zweiten Aufführung (am 2. Februar) noch etwas mehr. 
Wie nach der erſten Aufführung des „Lagers“, ſo erſtattete 
Goethe auch dieſes Mal den offiziellen Bericht über Stück 
und Aufführung in der „Allgemeinen Zeitung“, wobei ihm 
Schiller in Bezug auf die hiſtoriſchen Vorausſetzungen 
und die Kritik der Schauſpieler die gewünſchten Notizen 
zur Verfügung ſtellte (ſ. Bd. 16, S. 115 ff.). 

Sogleich nach ſeiner Rückkehr von Weimar nahm 
Schiller in der zweiten Februarwoche 1799 das dritte 
Stück vor, über das er am 19. mit Goethe eine Unter- 
redung hatte. Er fand noch ſehr viel zu tun; denn die 
drei noch übrigen Akte ſollten nun gleichfalls auf fünf 
ausgedehnt werden. Zu dieſem Zwecke ſuchte Schiller 
namentlich den Anſtalten zur Ermordung Wallenſteins 
eine größere Breite und theatraliſche Bedeutſamkeit zu 
geben, indem er zwei reſolute Hauptleute als Mörder 
im Shakeſpeareſchen Stil einführte, wodurch er zugleich 
Buttler um eine Stufe höher rücken wollte. Am 6. März 
waren die beiden erſten Akte beendigt und gingen am fol— 
genden Tage an Goethe ab; am 15. lag das Ganze fertig 
vor, der Dichter hatte nur noch zu beſſern und zu feilen 
und beendigte auch dieſe Arbeit am 17. März 1799, nach⸗ 
dem er an dem ganzen Werk nicht weniger als 29 Mo— 
nate gearbeitet hatte. Für den nächſten Zweck, den thea- 
traliſch⸗tragiſchen, ſchien ihm die Arbeit ausgeführt genug, 
wenn auch einige lückenhafte Jamben ſtehen geblieben 
waren. Am 21. las er Goethe die vier erſten Akte, am 
folgenden Tag den letzten vor. „Wenn Sie davon ur— 
teilen, daß es nun wirklich eine Tragödie iſt, daß die Haupt⸗ 


Einleitung XXI 


forderungen der Empfindung erfüllt, die Hauptfragen des 
Verſtandes und der Neugierde befriedigt, die Schickſale 
aufgelöſt und die Einheit der Hauptempfindung erhalten 
ſei, ſo will ich höchlich zufrieden ſein,“ ſo ſchrieb er an 
Goethe, der noch gegenüber Eckermann das Werk ſo groß 
nennt, daß in ſeiner Art zum zweitenmal nicht etwas 
Ahnliches vorhanden ſei. Die Aufführung wurde ſo 
ſchnell ins Werk geſetzt, daß, nachdem drei Tage früher 
die „Piccolomini“ wiederholt worden waren, am 20. April 
die Vorſtellung ſtattfinden konnte, die am 22. wiederholt 
wurde. Auch die Unempfindlichſten wurden, wie Schiller 
an Körner ſchreibt, mit fortgeriſſen, und die erſten acht 
Tage lang war von nichts anderem die Rede. Dem erſten 
Darſteller des Wallenſtein, dem Schauſpieler Graff, dem 
ſeine tiefe und warme Stimme, ſowie ſeine geheimnis- 
volle Perſönlichkeit zu ſtatten kamen, hatte Schiller ſchon 
nach der zweiten Aufführung der „Piccolomini“ ſeinen 
Dank in einem Briefe ausgeſprochen. 

Wegen der mit einigen Bühnen getroffenen Überein⸗ 
kommen und weil ein gedrucktes Stück damals ohne jedes 
Honorar geſpielt werden konnte, hat Schiller den Druck 
der Dichtung über ein Jahr hinausgeſchoben. Die Bühnen⸗ 
redaktion enthielt noch manche Lücken, und bedeutende 
Züge waren der Schere zum Opfer gefallen. Bei der Re⸗ 
viſion des Textes hat Schiller von Körners Ausſtellungen, 
mehr als er ſelber zugeben wollte, Nutzen gezogen. Auf 
Goethes Rat hin, der wünſchte, daß Schiller den „Picco— 
lomini“ künftig wieder etwas von ihrer Maſſe abnehme, 
iſt der Dichter zu der urſprünglichen Teilung zurück⸗ 
gekehrt und hat die Grenze wieder nach der erſten Szene 
zwiſchen Max und Octavio angeſetzt. Dagegen hat er den 
Gedanken, im Druck eine Abhandlung und hiſtoriſche An⸗ 


XXII Einleitung 


merkungen beizugeben, ſehr bald wieder fallen gelaſſen. 
Die letzte Bearbeitung (Böttiger weiß im ganzen von 
dreien zu berichten) geſchah um die Jahrhundertwende 
und wurde wiederholt durch Krankheit geſtört. Zu einer 
eingreifenden Bearbeitung für den Druck iſt es alſo nicht 
gekommen, und die Buchausgabe weiſt manche Verſehen 
und Nachläſſigkeiten auf, die bloß auf Grund der Theater⸗ 
manuſkripte erklärt werden können; nicht einmal die zu 
kurzen oder zu langen Verſe ſind immer beſeitigt und 
Auslaſſungen nicht wiederhergeſtellt, auf die an ſpäteren 
Stellen deutlich Bezug genommen wird. Der Buchdrucker 
Gädicke in Jena begann den Druck im Februar 1800 und 
vollendete ihn im Juni. Noch im Lauf des Sommers 
iſt dann „Wallenſtein. Ein dramatiſches Gedicht von 
Schiller“ in der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung erſchie⸗ 
nen; und eine Auflage von 3500 Exemplaren war im 
September ſo vergriffen, daß noch im ſelben Jahre eine 
zweite veranſtaltet wurde, trotzdem in Bamberg und in 
Wien ſofort Nachdrucke erſchienen. Bis zu Schillers Tod 
ſind noch zwei, im ganzen alſo vier rechtmäßige Aus⸗ 
gaben, ohne Anderungen, erſchienen. 


Die Entſtehungsgeſchichte des „Wallenſtein“ lehrt, 
daß Schiller in zweifacher Hinſicht mit dem ſpröden und 
ungefügen Stoff zu ringen hatte: erſtens bereitete ihm 
der Charakter des Helden Schwierigkeiten, und zweitens 
die ungeheure Maſſe des Stoffes, der in eine künſt⸗ 
leriſche Form zu bringen war. In beiden Punkten ſind 
wir durch die eigenen Außerungen des Dichters über das, 
was er wollte, nicht im unklaren. Seine Abſichten und 
die Mittel, mit denen er ſie auszuführen geſucht hat, 
haben wir nun zu ergründen. 


Einleitung XXIII 


Dem „Wallenſtein“ hatte Schiller, wie wir wiſſen, 
vor den „Malteſern“ den Vorzug gegeben, weil er in ihm 
auf rein objektivem Wege einen „dramatiſch großen“ 
Charakter aufſtellen wollte, der ein echtes Lebensprinzip 
in ſich habe. Glaubte er vordem in Don Carlos und 
Poſa die fehlende Wahrheit der Charaktere durch ſchöne 
Idealität erſetzt zu haben, ſo wollte er jetzt umgekehrt 
durch die bloße Wahrheit für die fehlende Idealität („die 
ſentimentaliſche nämlich“) entſchädigen. In der Tat ſtimmt 
der Charakter des Wallenſtein, wie er ihn nach den über⸗ 
einſtimmenden Briefen an Humboldt, Körner und Böttiger 
darſtellen wollte, ganz mit dem Bilde überein, das Schil⸗ 
ler in der Abhandlung „Über naive und ſentimentaliſche 
Dichtung“ von dem Realiſten entworfen hatte, deſſen Züge 
er in dem geſchichtlichen Wallenſtein wiederfand. Er nennt 
dieſen auch geradezu einen Realiſten, der nichts Edles an 
ſich habe und nur wenig Würde, der in keinem Lebens⸗ 
akte groß ſei u. ſ. w. Und wie es in jener Abhandlung 
heißt, daß man den Realiſten nicht nach einzelnen hervor⸗ 
ſtechenden Momenten beurteilen dürfe (denn in dieſen ſei 
nur der Idealiſt groß), ſondern daß man ihn im großen 
Ganzen nehmen, die Summe ſeines ganzen Wirkens ziehen 
müſſe, ſo tritt auch der Charakter von Schillers Wallen⸗ 
ſtein weniger in einzelnen großen Momenten als in 
einer Menge von kleinen und individuellen Zügen her⸗ 
vor. Er iſt auf dieſem Wege der mannigfaltigſte, mit 
den reichſten Detailzügen ausgeſtattete und am meiſten 
individualiſierte, der unberechenbarſte und widerſpruchs⸗ 
vollſte, ebendeshalb aber auch der intereſſanteſte Charakter 
geworden, den Schiller jemals geſchaffen hat. 

Aber Wallenſtein iſt auch im Punkte der Moral ein 
Realiſt; nicht ohne Opfer hat er ſich die finſtern Mächte 


XXIV Einleitung 


geneigt gemacht, die unterm Tage ſchlimm geartet hauſen. 
Er wird zum Verräter an ſeinem Herrn und Kaiſer; er 
iſt, wie die Helden der beiden erſten Dramen Schillers, 
ein erhabener Verbrecher. Seit den „Räubern“ und dem 
„Fiesco“ hatte ſich Schiller aber auch theoretiſch mit der 
Frage beſchäftigt, wie und warum ſolche Charaktere äſthe⸗ 
tiſch möglich ſeien. In dem Aufſatze „über den Grund 
des Vergnügens an tragiſchen Gegenſtänden“ hatte er 
Richard III. gelten laſſen: weil in ihm die Naturzweck⸗ 
mäßigkeit (d. h. der phyſiſche Erfolg) für die Verletzung 
der moraliſchen Zweckmäßigkeit (d. h. des ſittlichen Ge⸗ 
fühles) entſchädige. Und in ſeinen philoſophiſchen Schriften 
unterſcheidet er die moraliſche Wertſchätzung von der 
äſthetiſchen: bei der erſteren kommt es auf die Geſetz⸗ 
mäßigkeit, bei der letzteren aber auf die bloße Kraft 
an; nach dem äſthetiſchen Maßſtabe kann nur das Ge⸗ 
lingen für die mangelnde Geſetzmäßigkeit entſchädigen. 

Hier aber ſchien ihm nun eben beim „Wallenſtein“ 
der Übelſtand zu liegen. Der Realismus hat den Er⸗ 
folg nötig, den nur der Idealiſt entbehren kann. Wallen⸗ 
ſtein aber hat den Erfolg gegen ſich; ſeine Unternehmung 
iſt moraliſch ſchlecht, und ſie verunglückt phyſiſch. Als 
Realiſt iſt er im Einzelnen nie groß; und im Ganzen 
kommt er um ſeinen Zweck. Er berechnet alles auf die 
Wirkung, und dieſe mißlingt. Er kann ſich nicht wie der 
Idealiſt über die Materie erheben, ſondern er will ſich die 
Materie unterwerfen und erreicht es nicht. Der hiſtoriſche 
Wallenſtein erſchien Schiller nicht groß, aber auch ſein 
poetiſcher ſollte es nicht fein. Was an dem hiſtoriſchen 
groß erſcheinen, aber eben nur ſcheinen konnte, war das 
Rohe, Ungeheure, alſo gerade das, was ihn nach Schillers 
Meinung zum tragiſchen Helden ſchlecht qualifizierte. 


Einleitung XXV 


Das mußte ihm Schiller nehmen; und er hoffte ihn durch 
den Ideenſchwung, den er ihm dafür gab, entſchädigt zu 
haben. Das ſprechen die Worte des Prologes aus: 
„Doch euren Augen ſoll ihn jetzt die Kunſt, 
Auch eurem Herzen menſchlich näher bringen. 
Denn jedes Außerſte führt ſie, die alles 
Begrenzt und bindet, zur Natur zurück.“ 

So ftattet der Dichter ſeinen Helden mit dem hohen 
Sinn für die Ideen der Freiheit, der Glaubenstoleranz 
und des Friedens aus. Wallenſtein will dem Reich, dem 
er als Diener des Kaiſers auf verbrecheriſche Weiſe ge— 
ſchadet hat, als ſein eigener Herr wieder aufhelfen. Sein 
Blick iſt nicht bloß auf den eigenen Vorteil, ſondern auch 
auf das Ganze gerichtet. Er iſt nicht abgeneigt, dem ver⸗ 
wüſteten Deutſchland durch Beendigung des Krieges wieder 
zur Ruhe und zum Wohlſtand zu verhelfen. Ihm liegt 
auch die Einheit Deutſchlands am Herzen; und er ver⸗ 
hehlt nicht, daß er den Schweden keinen Beſitz in Deutſch⸗ 
land gönnen wird. Er hat nicht bloß ein fühlendes Herz 
für ſeine Truppen, deren Beſtes ihm nahe liegt; es ſind 
ihm auch die ſanfteren Tugenden des Menſchen nicht 
fremd: die Liebe zu Weib und Kind und das Gefühl der 
Freundſchaft, wenn ſie auch auf ſeine Handlungen ohne 
Einfluß bleiben und den eiſernen Schritt ſeines Ehr⸗ 
geizes nicht zu hemmen vermögen. Ja der Dichter ſtellt 
ihn zuletzt ſogar als leidenden, durch den Verluſt des 
Freundes tief bewegten Mann hin, dem die „Blume“ aus 
ſeinem Leben entſchwunden iſt. 

Mag ſein, daß dieſe Familienſzenen, die doch Goethe 
ſehr glücklich und rührend fand, eine Konzeſſion an den 
Geſchmack der Ifflandiſchen Zeit bedeuten, der Schiller mit 
ſeinem „Wallenſtein“ eben das Ende bereitete. Mag auch 


XXVI Einleitung 


fein, daß ſich das Gefühl einer faſt ſchwärmeriſchen Freund⸗ 
ſchaft, und noch dazu mit einem ſo viel jüngeren und 
ungleichen Mann mehr für den Wallenſtein des 18. Jahr⸗ 
hunderts, in dem nicht bloß Fiesco und Verrina, ſondern 
auch Götz und Weislingen, Egmont und Ferdinand, Taſſo 
und Antonio ebenſo ungleiche Paare bilden, als für den 
hiſtoriſchen eignet. Alle die übrigen Züge aber, die 
Schiller ſeinem Helden verliehen hat, widerſprechen dem 
hiſtoriſchen Wallenſtein keineswegs. Der Dichter fand 
ſie zum Teile in ſeinen Quellen angedeutet, oder er hat 
ſie mit genialer Intuition erraten; und der Wallenſtein 
ſeiner Dichtung kommt der Wahrheit, ſoweit wir ſie heute 
erkennen, weit näher als der Wallenſtein ſeines Geſchichts⸗ 
werkes. Man würde dem Dichter Unrecht tun mit der 
Behauptung, daß er auf dem Umwege des Zirkels endlich 
doch wieder zu ſeiner ſubjektiven, idealiſierenden Manier 
zurückgekehrt ſei; und man hat ihm Unrecht getan, indem 
man ſeine Kunſt gerade an den gefährlichſten Stellen 
verkannt hat, nämlich in Wallenſteins Verhalten gegen— 
über ſeinen Feinden Octavio und Buttler. 

Wallenſtein gilt als ein großer Menſchenkenner auch 
in der Dichtung. Eine geheime Stimme warnt ihn vor 
Buttler — er überhört ſie zu ſeinem Schaden; dieſelbe 
Stimme und das gleiche Horoſkop ziehen ihn zu Octavio 
— er folgt ihnen, wieder zu ſeinem Schaden. Wie der 
überkluge Böſewicht Franz Moor von dem einfältigen 
Hermann übertrumpft wird, wie Fiesco in ſeiner ſchlauen 
Rechnung allein den Patrioten ausläßt, wie der Präſi⸗ 
dent von dem eigenen Sohn in Schach gehalten wird, 
wie der große Menſchenkenner Philipp vor dem Scharf— 
ſinn eines Jünglings die Waffen ſtrecken muß — ſo findet 
der Verräter Wallenſtein in dem Verräter Octavio ſeinen 


Einleitung XXVII. 


Meiſter, den doch die Illo und Terzky durchſchauen und 
dem gegenüber nur er allein blind iſt. Zweimal treten 
die beiden zuſammen auf, ohne daß ſich zwiſchen ihnen ein 
Geſpräch entwickelt. Oetavio empfängt ſtumm die Befehle 
Wallenſteins: das erſte Mal ſoll er für Queſtenbergs 
Sicherheit ſorgen, das zweite Mal die Gegner Wallen⸗ 
ſteins feſtnehmen. Beide Stellen ſind von abſichtlicher 
Ironie auf die Menſchenkenntnis Wallenſteins eingegeben; 
beſonders die zweite, wo Wallenſtein ſeinem Gegner die 
eigenen Pferde anbietet — zur Flucht. Gerade ſo wie in 
der Geſchichte! Nur daß der hiſtoriſche Wallenſtein, der 
doch gewiß ein Menſchenkenner war, dieſelbe „Dumm⸗ 
heit“ zweimal begangen und auch dem Gallas mit ſeiner 
eigenen Kutſche zur Flucht verholfen hat. In ſeinem Ge⸗ 
ſchichtswerk motiviert Schiller die verhängnisvolle Blind⸗ 
heit des Helden gegenüber Octavio aus zwei Gründen: 
aus dem aſtrologiſchen und aus dem Stolz auf ſeine un⸗ 
fehlbare Menſchenkenntnis. Das erſte Motiv hat Schiller 
glücklich verſtärkt, indem er zu dem gleichen Horoſkop den 
Traum vor der Lützener Aktion hinzuerfand. Den Un⸗ 
fehlbarkeitsdünkel Wallenſteins aber hat er auf eine andere, 
eine Kantiſche Baſis geſtellt, wenn ſein Held aus dem 
„Kern des Menſchen“ auf ſein ganzes Wollen und Handeln 
ſchließen zu können glaubt. Nach Kant hat jede menſch⸗ 
liche Handlung in der Kette von Urſachen und Wirkungen, 
welche die Welt der Erſcheinungen oder die Natur aus- 
macht, ihre Urſache, durch welche ſie in der Zeit entſtanden 
iſt; es gibt alſo für ihn wie für Wallenſtein keinen Zu⸗ 
fall. Der Zuſammenhang aller Handlungen aber bildet 
den empiriſchen Charakter des Menſchen; vermöchten wir 
dieſen empiriſchen Charakter bis auf ſeinen Grund zu 
erforſchen, ſo gäbe es nicht eine einzige menſchliche Hand⸗ 


XXVIII Einleitung 


lung, deren Eintreten wir nicht mit Gewißheit vorher- 
ſagen, deren Notwendigkeit wir nicht aus ihren Be— 
dingungen ableiten könnten. Soweit innere Beobachtung 
und Zergliederung dringt, find auch die menſchlichen Hand- 
lungen der allgemeinen Geſetzmäßigkeit der Natur unter⸗ 
worfen. Aus dieſer Kantiſchen Lehre heraus wird man 
nun auch die Worte beſſer verſtehen, mit denen ſich Wallen⸗ 
ſtein über den Verrat des Octavio tröſtet: „Das iſt ge- 
ſchehen wider Sternenlauf und Schickſal!“ Handlungen, 
die der allgemeinen Geſetzmäßigkeit der Natur widerſpre⸗ 
chen, widerſprechen natürlich auch dem Lauf der Geſtirne, 
der auf dieſen Geſetzen beruht. Es iſt freilich ein logiſcher 
Zirkel, in dem ſich Wallenſtein bewegt; aber es iſt eine 
tiefe Ironie darin enthalten, daß der Realiſt, wo er ſich 
zur Idee zu erheben verſucht, gerade mit der Idee ſcheitert. 

Viel einfacher und deutlicher liegt das Verhältnis zu 
Buttler. Wallenſtein, den eine innere Stimme vor Buttler 
warnt, hat es für wünſchenswert erachtet, ihn feſter an 
ſich zu ketten und mit dem Hof völlig zu entzweien. Als 
echter Realiſt iſt er in ſeinen Mitteln nicht wähleriſch; er 
bedient ſich desſelben Mittels, deſſen ſich der geſchichtliche 
Wallenſtein gegenüber Illo bediente, um dieſen an ſich 
zu feſſeln. Den Grafentitel, deſſen Verleihung er in Wien 
hintertreibt, ſollte er über kurz oder lang Wallenſtein ſelber 
verdanken; zum Generalmajor und Regimentsinhaber hat 
er ihn vorläufig ja ſchon gemacht. Es geht nach und nach; 
er will den Offizier, dem er mißtraut, in der Hand be— 
halten. Ganz folgerichtig iſt es auch, wenn er den Mann, 
dem er ſchon früher ſein heimliches Mißtrauen abgebeten 
hat, nach dem Verrat des Octavio als alten Waffen— 
gefährten ans Herz drückt: jetzt, nachdem die innere 
Stimme für Octavio ihm gelogen, hat er doppelten Grund, 


Einleitung XXIX 


die andere gegen Buttler zu verleugnen und zu übertönen. 
Aber es liegt wiederum eine tiefe Ironie darin, wenn der 
Mann, der ſich Buttler gegenüber fo falſcher Mittel be- 
dient hat, nun den Octavio der Falſchheit anklagt; oder 
wenn der Mann, der ſein ganzes Unternehmen auf Ver⸗ 
pflichtung anderer geſetzt hat, ſich nun ſelber einreden 
will, er habe nie auf Dank gerechnet. Solche Wider— 
ſprüche machen das eigentliche Weſen des Helden aus; ſie 
bilden das unheimliche Zwielicht, in dem ſeine indefinible 
Natur erſcheint. 
Aber noch ein weiteres ſchien Schiller notwendig, um 
ſeinen problematiſchen Helden, wie er ſich ausdrückt, auf 
der gehörigen Höhe zu halten. Er hatte nicht umſonſt 
während der Arbeit die Poetik des Ariſtoteles geleſen; er 
wußte ſich eins mit Leſſings Auslegung der tragiſchen 
Empfindungen. Um das rechte Mitleid zu empfinden, 
müſſen wir fürchten, unter ähnlichen Umſtänden ebenſo 
gefehlt zu haben. Das Verbrechen, das Wallenſtein be- 
geht, iſt nach Max Piccolomini ſchwarz wie die Hölle. Es 
mußte ein Drang der Umſtände, eine Lage geſchaffen 
werden, in der auch der Zuhörer dieſes Verbrechen nicht 
mehr für unmöglich hält. Das iſt es, was Schiller in 
den Briefen an Goethe mit den Worten meint, „das 
Schickſal tue noch zu wenig, der Fehler des Helden zu 
viel zu ſeinem Unglück“; und in dem Prolog heißt es: 
„die Kunſt, 
Sie ſieht den Menſchen in des Lebens Drang 
Und wälzt die größre Hälfte ſeiner Schuld 
Den unglückſeligen Geſtirnen zu.“ 
Weit hat Schiller zu dieſem Zwecke, bis auf die Kind— 
heit ſeines Helden hat er zurückgegriffen, um zu zeigen, 
wie er zu dieſem hochſtrebenden und unbändigen Charakter 


XXX Einleitung 


geworden iſt. Nachdem er bei einem Sturz aus dem 
Fenſter unverſehrt davongekommen iſt, glaubt er ſich von 
Jugend an unter der Führung einer Gottheit geborgen. 
Zweimal als Unentbehrlicher an die Spitze ſelbſtgeſchaffe⸗ 
ner Heere geſtellt, ſieht er die höchſte Macht in ſeine Hände 
gegeben, die ſein Herz verführt. Geboren zum Herrſchen 
und durch die faſt abſolute Gewalt aus den Reihen der 
Gehorchenden herausgehoben, hat er den Gehorſam ver- 
lernt. Er hat dem Kaiſer auf des Reiches Koſten gedient 
— und der Kaiſer hat ihn ſeinen Feinden, den Fürſten, 
preisgegeben. Seine Abſetzung zu Regensburg hat den 
Keim zur Rache in ſeine Bruſt geworfen. Und nun ſehen 
wir ihn vor uns: die ganze Handlung der beiden erſten 
Teile, die Schürzung des Knotens bis zur Gefangen⸗ 
nahme des Seſin, iſt darauf angelegt, uns zu zeigen, wie 
Wallenſtein Schritt für Schritt in das Verbrechen hinein⸗ 
gezogen wird. Im „Lager“ wird uns die Armee vorgeführt, 
die der Feldherr nicht vom Kaiſer empfangen, ſondern 
ihm gegeben hat, die alſo auch mehr an Wallenſtein als 
an dem Kaiſer hängt — die Baſis ſeines ganzen Unter⸗ 
nehmens. Im zweiten Stück lernen wir die Generale 
kennen, die nicht vom Kaiſer den Wallenſtein zum Feld⸗ 
herrn, ſondern von Wallenſtein den Kaiſer zum Herrn 
erhalten haben; die ebenſo bereit ſind, ihn dem Kaiſer 
zum Trotz in ſeiner Stellung zu erhalten. Wir erfahren 
von dem Argwohn des Hofes und einer in Wien geplanten 
zweiten ſchimpflicheren Abſetzung, der vorbeugend ſich Wal⸗ 
lenſtein die Verſchreibung der Offiziere verſchafft. Die Ge⸗ 
fangennahme des Seſin mit kompromittierenden Papieren 
verſchärft die Lage. Illo und Terzky, die der hiſtoriſche 
Wallenſtein erſt für den Verrat gewinnen muß, erſcheinen 
im Drama als dienſtbefliſſene Verſucher. Den guten Engel, 


Einleitung XXCXI 


der ihm in Max zur Seite ſteht, hört Wallenſtein durch einen 
Zufall zu ſpät; als böſer Engel leiht die Gräfin Terzky, 
eine andere Lady Macbeth, ſeinen eigenen ehrgeizigen Ge⸗ 
danken ihre ſcharfe Zunge. Wallenſtein unterhandelt mit 
dem Schweden, der flugs zur Stelle iſt und ſchnell wie der 
Teufel verſchwindet — und hat den Verrat begangen. 
Die meiſterhafte Vergegenwärtigung des Dranges 
der äußeren Umſtände hat den Anlaß gegeben, daß man 
Schillers „Wallenſtein“ mit der antiken Schickſalstragödie 
in Zuſammenhang gebracht hat; zuerſt hat das ein Zeit⸗ 
genoſſe, der Schulmann Süvern, am ausführlichſten hat 
es Hoffmeiſter getan. Von dem „Schickſal“ iſt freilich 
im „Wallenſtein“ viel die Rede, faſt alle Perſonen haben 
die von Ahnungen bewegte prophetiſche Seele Hamlets, 
alle führen das Wort „Schickſal“ im Munde. Es wäre 
aber unmöglich, aus ihren Worten klug zu werden, ob 
das „Herz“ (das im „Wallenſtein“ eine ebenſo große Rolle 
ſpielt) bloß der gebieteriſche Vollzieher des Schickſals ſei 
oder ob das Schickſal, wie ſchon der alte Heraklit von 
Epheſus und neuerdings Herder in ſeinem Horenaufſatz 
„Das eigene Schickſal“ geſagt hatte, in dem „Herzen“ 
ſelber gelegen ſei. Wie bei jedem echten Dichter, ſo hüllt 
ſich auch bei Schiller das Schickſal in einen undurchdring⸗ 
lichen Schleier, der jeder begrifflichen Klarheit ſpottet; 
vielmehr das „Schickſal“ iſt eben der Schleier, der die 
wahre Geſtalt der Dinge umhüllt. Sehen wir die Dinge 
ſelbſt genauer an, ſo ſchwindet das Geheimnis. Hinter 
den Ahnungen und den warnenden Stimmen, denen der 
Held gehorcht, verbirgt ſich keine höhere Führung und 
Leitung: denn dieſelbe Stimme, die ihn zu Octavio zieht 
und der er leider gehorcht, warnt ihn vor Buttler, leider 
ohne Erfolg; und derſelbe Octavio, der ihm in der Lützener 


XXXII Einleitung 


Schlacht das Leben rettet, beſiegelt ſpäter ſeinen Unter⸗ 
gang. Namentlich gegen das Ende hin hat Schiller die 
warnenden Stimmen gehäuft. Daß er ſogleich beim erſten 
Schritt auf der Bahn des Verrates den Freund verliert, 
die „Blume“ ſeines Lebens, wird von dem Helden aber 
nicht als Warnung empfunden, ſondern als ein Opfer, 
das er dem Neid der Götter bringen mußte, um ſein 
Glück wieder flott zu machen. Und noch in letzter Stunde 
reißt die goldene Kette, des Kaiſers erſte Gunſt, entzwei; 
der Kämmerling, Gordon und Seni erſcheinen nachein⸗ 
ander als Unglücksraben — ſie werden aber nicht gehört. 
Am allerwenigſten hat die Aſtrologie in dem „Wallen⸗ 
ſtein“ Einfluß auf die Handlung. Denn den Glauben 
Wallenſteins an die Geſtirne fand Schiller in der Ge— 
ſchichte vor, und er hat ihn als rechtes Kind des Auf— 
klärungszeitalters lang' als bloße „Fratze“ betrachtet, bis 
er ihn, erſt in allerletzter Stunde, auf Goethes Rat hin 
ernſter nahm. Aber auch dann noch hat er ihn in den 
Worten des jungen Piccolomini mehr von der äſthetiſchen 
Seite, als ein Beiſpiel für die Lehre vom ſchönen Schein 
im Leben, als im Sinne der antiken Vorherbeſtimmung des 
Schickſals aufgefaßt. In der Tat fragt Wallenſtein nie— 
mals die Sterne, ob oder wie er handeln ſoll, nur den 
günſtigen Zeitpunkt will er aus dem Aſpekt erkennen; und 
nicht ein objektives Orakel, ſondern nur ſein ſubjektiver 
Glaube an die Geſtirne wird ihm zum Verhängnis. Sein 
Wort: „Lügt er, ſo iſt die ganze Sternkunſt Lüge!“ wird 
zwar durch den eigenmächtigen logiſchen Zirkel: „Das iſt 
geſchehen wider Sternenlauf und Schickſal“ aufgehoben; 
aber Wallenſteins Geſtirnglaube iſt doch erſchüttert, und 
er dankt die Aſtrologie wie Maebeth die Hexen ab. 

Aus dem Widerſtreit der Freiheit des Helden mit 


Einleitung XXXIII 


dem Drang der Umſtände ergibt ſich das Zaudernde und 
Schwankende in der Haltung Wallenſteins, das man dem 
Schilleriſchen Helden ſo oft zum Vorwurf gemacht hat, 
obwohl der hiſtoriſche Wallenſtein nicht bloß in ſeiner 
ſtets kunktatoriſchen Kriegführung, ſondern auch in ſeinen 
diplomatiſchen Verhandlungen hierin der Dichtung kaum 
etwas nachgibt. Wie ſich allmählich das Netz um ihn zu⸗ 
ſammenzieht, das zu zeigen hat Schiller gerade als ſeine 
eigentliche Aufgabe betrachtet; und daß die letzte Entſchei⸗ 
dung doch von ſeinem freien Willen abhängt, iſt oft genug 
betont. Octavio ſagt ausdrücklich, daß der Fürſt ſein 
Schickſal in der Hand habe; genau ſo wie er ſtellt auch die 
höhnende Gräfin die äußere Möglichkeit eines Rücktrittes 
dar. Wallenſtein ſelber weiß, daß es in ſeiner Wahl 
geſtanden, den Schritt zu tun; und wenn er früher von 
dem Spielen mit dem Teufel redete, ſo vergleicht er, 
als es Ernſt wird, ſein Vorgehen mit dem Ziehen des 
Schwertes. Er beruft ſich nicht zu ſeiner Entſchuldigung 
auf das Schickſal, ſondern nimmt ſeine Schuld von vorn⸗ 
herein auf ſich: er erwartet, daß der Rache Stahl auch 
ſchon für ſeine Bruſt geſchliffen iſt. 

Die angeſtrebte Objektivität wird auch in den übrigen 
Charakteren deutlich, zu denen Schiller in ſeinen Quellen 
gar keine Anſätze fand; denn dieſe kennen bloß Treue und 
Untreue gegenüber dem Kaiſer. Schiller hat ſie nicht 
nur, unter Verſchiebung der hiſtoriſchen Daten, durch das 
Alter, weniger durch die Nationalität differenziert, er 
ſchiebt ihrer Treue und Untreue auch verſchiedene Motive 
unter. Freilich: Realiſten ſind ſie alle oder, wie Schiller 
ſich ausdrückt, einen „Zweck“ haben ſie alle. Schiller rückt 
die Gegenſätze nicht mehr an die feindlichen Pole, er ſtellt 


ſie nicht wie Gute und Böſe einander gegenüber: er läßt 
Schillers Werke. V. III 


XXXIV Cinleitung 


den Verräter Wallenſtein durch den Verräter Octavio zum 
Fall kommen; und wie Wallenſtein ſeinen kaiſerlichen 
Herrn, fo verlaſſen ihn ſeine Generale. Gegen die Auf— 
faſſung des Octavio als eines Schleichers und Böſewichtes 
hat ſich Schiller ausdrücklich erklärt. Nach dem Welt- 
begriff ſei er ſogar ein ziemlich rechtlicher Mann, der von 
Recht und Pflicht ſtrenge Begriffe habe und einen guten 
Zweck, wenn auch mit ſchlechten Mitteln, verfolge. „Er 
will den Staat retten, er will ſeinem Kaiſer dienen, den 
er nächſt Gott als den höchſten Gegenſtand aller Pflichten 
betrachtet. Er verrät einen Freund, der ihm vertraut, 
aber dieſer Freund iſt ein Verräter ſeines Kaiſers und 
in ſeinen Augen zugleich ein Unſinniger.“ Daß er durch 
Wallenſteins Sturz ſteigen und ſein Haus gefürſtet ſehen 
will, dürfen wir dem ſpottſüchtigen Illo wohl glauben 
und ihm zutrauen; er ſelber verrät es natürlich mit 
keiner Silbe. Ganz Schillers Eigentum iſt der leider 
nicht konſequent durchgeführte Charakter Buttlers, der erſt 
durch ihn zu dem Emporkömmling geworden iſt, der ſein 
ganzes Glück Wallenſtein zu verdanken hat, dem es ſauer 
genug geworden iſt, fic) von der Pike auf emporzu— 
arbeiten und der deshalb um jo empfindlicher für Belei⸗ 
digung iſt. Das kochende Gift der Rache macht ihn zu 
einem Seiten⸗ und Gegenſtück zu Wallenſtein, dem er an 
Willensſtärke überlegen iſt und in der zweiten Hälfte des 
Stückes als böſer Dämon zur Seite ſteht. Auch der 
würdige Reitergeneral Iſolani iſt erſt unter Schillers 
Händen zu dem luſtigen alten Knaben und Schulden— 
macher mit leiſem kroatiſchem Anſtrich geworden, den jeder 
hat, der ihn bezahlt. Illo und Terzky vertreten die blin⸗ 
den Anhänger Wallenſteins in dem Kreiſe der Offiziere. 
Auf den nationalen Unterſchied, den er in ſeiner Quelle 


Einleitung XXXV 


fand, die Illo als Polen und Terzky als Tſchechen be⸗ 
zeichnet, hat er ebenſo verzichtet, wie man höchſtens bei 
dem alten Piccolomini italieniſche Züge findet, wäh⸗ 
rend der junge als ein echter deutſcher Jüngling von dem 
Schlage Ferdinands erſcheint. Bedeutender tritt der unge⸗ 
ſtüme und rückſichtsloſe Illo hervor, auf den Schiller auch 
viele rohe Züge, wie das Erzwingen der Unterſchrift mit 
dem Degen und die verzweifelte Gegenwehr beim Tode, 
übertragen hat, die in den Quellen von Terzky und an⸗ 
deren erzählt werden. Dadurch iſt Terzky, der dem Helden 
in den Quellen ſchon durch die Verwandtſchaft näher ſteht, 
und bei Schiller obendrein im Schatten der Frau, etwas 
farblos geraten. Den übermütigen und verwegenen Offi⸗ 
zieren auf der Seite Wallenſteins ſehen wir auf der Seite 
des Kaiſers die Intriganten gegenüber, die ihr Hand⸗ 
werk heimlich und liſtig treiben, wie Octavio und Queſten⸗ 
berg, den Schiller gegen die Quellen als glatten Höfling 
und als Feind des Helden hingeſtellt hat. Das Seiten⸗ 
ſtück zu dieſem Diplomaten bildet wieder der ſchlaue und 
vorſichtige Schwede Wrangel. Die Frauencharaktere treten 
hinter den Männern zurück und ſind noch mehr Schillers 
alleiniges Eigentum. Am beſten iſt dem Dichter die männ⸗ 
liche Gräfin Terzky gelungen, die Frau zu dem Manne 
Wallenſtein, für welche die Lady Macbeth das künſtleriſche 
Vorbild war. Einen vielleicht zu ſchroffen Gegenſatz bildet 
die weinerliche Gattin Wallenſteins, der am wenigſten 
gelungene Charakter der Trilogie. 

Mußte Schiller bei allen dieſen Geſtalten ſein perſön⸗ 
liches Intereſſe dem rein künſtleriſchen unterordnen, ſo er⸗ 
fand er als Träger ſeines perſönlichen Intereſſe erdichtete 
Perſonen, bei denen er mit voller Neigung verweilte. Dem 
unruhigen und planvollen Streben der übrigen wollte er 


XXXVI Einleitung 


nach ſeinen eigenen Worten die Liebe, ihr ruhiges Ve- 
ſtehen und ihre Freiheit von allen „Zwecken“ gegenüber⸗ 
ſtellen, um einen gewiſſen menſchlichen Kreis zu voll⸗ 
enden (vgl. „Piccolomini“ 1685 ff.). Die Tradition der 
franzöſiſchen Tragödie, mit der noble passion die belle 
passion, mit der Staatsaktion die Liebesgeſchichte zu ver- 
binden, zwang auch ihn in ihren Bann; und wie der 
Dichter von „Romeo und Julie“ ſtellte er die Liebe der 
Kinder zwiſchen die feindlichen Häuſer. Die Geſchichte 
bot ihm für ſeinen Max kaum eine Anknüpfung; aber in 
der Dichtung ſeiner Zeit fand er die Freundſchaft zwiſchen 
Männern ungleichen Alters und ungleicher Art oft genug 
verwertet, und in Goethes „Egmont“ außerdem noch die 
enthuſiaſtiſche Begeiſterung des Sohnes des Feindes für 
den Helden. Dieſe Begeiſterung war ihm zugleich ein 
willkommenes Motiv, um den Zuhörer für den Helden 
zu gewinnen; denn, wie ſchon Körner richtig erkannte, 
Wallenſtein verklärt ſich in Max' Enthuſiasmus. Wenn 
er ſich bewußt blieb, daß er dem kleingroßen Helden, um 
ihn nicht zu verdunkeln, nichts Großes gegenüberſtellen 
dürfe, ſo nahm er doch keinen Anſtoß daran, dem Realiſten 
einen jugendlichen Idealiſten gegenüberzuſtellen, der nicht 
nur dem Helden ſelbſt den kategoriſchen Imperativ ent⸗ 
gegenhält, ſondern als lebendige Verkörperung dieſes 
Pflichtbegriffes lebt und ſtirbt. Max iſt die ſchöne Seele 
der philoſophiſchen Schriften Schillers, die im Konflikt 
zwiſchen Pflicht und Neigung zur erhabenen werden muß; 
die Szene, wo er das Problem auch der Geliebten vor— 
legt, iſt zwar keineswegs unwahrſcheinlich, aber etwas 
blutleer und abſtrakt. In Thekla hat Schiller die ſtarke 
Tochter Wallenſteins zu zeichnen geſucht, aber die Züge 
nicht ſicher feſtgehalten: bald verkündigt ſie als moderne 


Einleitung XXXVII 


Kaſſandra den Untergang ihres Hauſes, bald erinnert ſie 
ſchwärmend an die Amalia der „Räuber“. Die Liebes⸗ 
ſzenen, die Schiller getrennt von der Staatsaktion aus⸗ 
führte, ſind ihm keineswegs leicht gelungen: oft aufge⸗ 
ſpart, hat er ſie dreimal in Angriff genommen und nur 
mit großer Mühe zu Ende gebracht. Sie fanden nicht 
bloß den enthuſiaſtiſchen Beifall der Frauen, im Körneri⸗ 
ſchen Kreiſe ſo gut wie bei Karoline v. Humboldt und der 
Schweſter der Königin Luiſe. Auch Goethe rühmte noch 
in ſpäteren Jahren ihre Zartheit und Anmut. In der 
Zeit der Befreiungskriege war jeder Freiwillige ein Max 
Piccolomini; aber auch noch der kühlere Immermann hat 
für Max und Thekla etwas übrig, für die in Frankreich 
Benjamin Conſtant und der junge Guizot ſchwärmten. 
Ein Urteil, wie das Heinſes, der das Liebespaar als 
„regelmäßige Puppen“ bezeichnete, ſtand damals völlig 
vereinzelt. Und wenn heute das Urteil ganz zu Ungunſten 
des Paares umgeſchlagen hat, ſo darf man doch nicht ver⸗ 
geſſen, daß Schiller mit dieſen Geſtalten einen Nerv ſeiner 
Zeit getroffen und daß es noch keinen Dramatiker ge- 
geben hat, der ſich in allem und jedem den Anforde— 
rungen des Zeitgeſchmackes zu entziehen gewußt hätte. 

Auch der zweiten Schwierigkeit aber, die darin lag, 
eine fo breite Stoffmaſſe in die engen Grenzen der dra⸗ 
matiſchen Form zu zwängen, war ſich Schiller von An— 
fang an klar bewußt. Er klagt in den Briefen an Körner 
(28. Nov. 1796) über die Nachteile der dezentrierten Staats⸗ 
aktion mit ihrem unſichtbaren abſtrakten Objekt, ihren 
kleinen und vielen Mitteln, ihren zerſtreuten Handlungen 
und ihrem furchtſamen Schritt. Er kam von der Lektüre 
der Griechen, beſonders des „König Oedipus“, her an dieſen 
ungeheuren Stoff; ihm ſtand jetzt ſchon das Ideal der 


XXX VIII Cinleitung 


analytiſchen Tragödie vor Augen, die aus vorausgeſchickten 
Prämiſſen auf der Szene bloß mehr die Reſultate zieht. 
Es kam ihm nicht darauf an, in dem Stil der Shake⸗ 
ſpeareſchen Hiſtorien das Schickſal ſeines Helden von 
ſeinem Emporſteigen bis zu dem Niedergang zu ver⸗ 
folgen, ſondern unmittelbar vor der Kataſtrophe ſetzt ſeine 
Handlung ein, und ſie eilt mit ſtetiger, beſchleunigter Be— 
wegung dem Ende zu. Die ſchwierige Frage, wie es 
ihm gelingen möchte, erſtens die Baſis des Wallenſteini⸗ 
ſchen Unternehmens, die Armee, dieſe „unendliche Fläche“, 
und zweitens die Stimmung am Kaiſerhofe zu vergegen— 
wärtigen, hat der Dichter auf verſchiedene Weiſe gelöſt: 
die Armee brachte er in einem Vorſpiel wirklich vor das 
Auge, den Kaiſerhof ebenſo lebendig vor die Phantaſie 
des Zuſchauers, ohne wie in ſeinen Jugendwerken nach 
Shakeſpeareſchem Muſter den Schauplatz zwiſchen Partei 
und Gegenpartei abwechſeln zu laſſen. Aus dem Auf⸗ 
treten des kaiſerlichen Geſandten, den Berichten der Her⸗ 
zogin und den Reden der Wallenſteiniſchen Soldaten und 
Offiziere werden wir über die Vorgänge am Wiener Hofe 
aufs genaueſte unterrichtet; die Einflüſſe der pfäffiſchen 
Gegner des Helden werden ebenſo ſtark betont wie die 
feindſelige ſpaniſche Politik, die wie in dem Geſchichtswerk 
dunkel und geheimnisvoll im Hintergrund bleibt, während 
Schiller die diplomatiſchen Fäden zwiſchen Wallenſtein 
und der franzöſiſchen Politik im Drama abgeſchnitten hat. 
Die Geſchloſſenheit der Handlung zwang zunächſt zu 
größerer Sparſamkeit in den Motiven. Es iſt freilich 
die Frage, ob Schiller die beiden Reverſe, durch die 
Wallenſtein ſich ſeine Offiziere verpflichtete, und die beiden 
kaiſerlichen Patente, welche in der Geſchichte die Abſetzung, 
bei Schiller verſtärkt die Achtung Wallenſteins ausſprechen, 


Einleitung XXXIX 


in einen Revers und in ein Patent zuſammengezogen 
hat; denn auch ſein Geſchichtswerk weiß nur von einer 
Verſchreibung und einem Patent, die hier als Urſache 
und Wirkung aufeinander folgen, was im Drama der 
Zeitverkürzung wegen leider nicht möglich war. Aber 
auch in dem Geſchichtswerk unterhandelt Wallenſtein zu⸗ 
letzt mit den Sachſen und mit den Schweden; im Drama 
einfacher nur mit den Schweden, aber auf Grundlage der 
Anerbietungen, die ihm von dieſen noch bei Lebzeiten 
Guſtav Adolfs, alſo lang’ vor Beginn des Stückes, ge— 
macht wurden. Und wie der erfundene Wrangel die zahl⸗ 
reichen Vermittler vertreten muß, durch die Wallenſtein 
mit den Schweden verkehrte, ſo wird Queſtenberg aus 
einem warmen Fürſprecher zu einem Feind des Helden, 
indem er alle die Geſandten vertritt, die der Hof in den 
geſchichtlichen Quellen an Wallenſtein ſendet. Ebenſo 
muß auch Octavio, der allein von den abtrünnigen Offi⸗ 
zieren bis in die letzte Zeit in Pilſen anweſend war, 
die Gegner in Wallenſteins Lager vertreten und die Funk⸗ 
tionen des Gallas übernehmen, an den das kaiſerliche 
Patent in der Geſchichte gerichtet war und der auch 
interimiſtiſch den Oberbefehl über die Truppen über⸗ 
nehmen ſollte. Buttler aber gehört in den Quellen über⸗ 
haupt gar nicht dem Kreiſe der Pilſener Offiziere an, er 
tritt auch in der Mordnacht hinter dem Schotten Leßley 
zurück; Schiller, der ihn in dem Geſchichtswerk als 
Kommandanten von Eger vorſtellt, überträgt ihm im 
Drama die Rolle Leßleys, der nur beiläufig erwähnt 
wird. Und wie das Perſonal, ſo konzentriert der Dichter 
auch energiſch die Zeit und den Ort. Ereigniſſe, die in 
der Wirklichkeit mindeſtens ein Vierteljahr in Anſpruch 
nahmen, läßt er ſich in vier Tagen vor unſeren Augen 


XL Einleitung 


abſpielen, wobei es allerdings, wie unſere Anmerkungen 
zeigen, an gewaltſamen Eingriffen und an Widerſprüchen 
nicht fehlt, aber doch die Methode der perſpektiviſchen 
Behandlung nicht zu verkennen iſt. Die Vorgänge, die 
ſich vor unſeren Augen abſpielen, hängen ſtetig zuſammen; 
was hinter der Szene vorgeht, würde in der Wirklichkeit 
oft einen größeren Zeitraum in Anſpruch nehmen und 
daher mit der ſzeniſchen Zeitfolge für den Nachrechner 
in Widerſpruch ſtehen. Man hat aber kein Recht, den 
Dichter auf eine ſolche Rechnung zu verpflichten oder ihm 
gar die Wochentage oder die hiſtoriſchen Tagesdaten in 
die Dichtung hineinzuſetzen, die ſich zu ihnen nicht be- 
kennt. Ebenſo konzentriert iſt die Handlung in Bezug 
auf den Ort: ſie ſpielt durch acht Akte hindurch in Pilſen 
und in den beiden letzten in Eger; und innerhalb der 
Akte geſtattet ſich der Dichter erſt in der zweiten Hälfte 
einmaligen, höchſtens zweimaligen Szenenwechſel. Dem 
„furchtſamen Gang“ der geſchichtlichen Handlung aber 
hat Schiller in meiſterhafter Weiſe durch die Gefangen— 
nehmung des Seſin, die auf Erfindung beruht, abge— 
holfen: damit hat er einen Moment gekennzeichnet, bis 
zu dem das Stück in lebhafter Bewegung hinaufſteigt, 
um dann ebenſo raſch und ſchnell zu ſinken. Trotzdem 
der „Wallenſtein“ ein echtes Soldatenſtück iſt, iſt doch das 
äußere Geſchehen gering; es wird wenig mit der Fauſt, 
viel mit Ränken gearbeitet. Jede gewaltſame Aktion, auch 
Mord und Totſchlag iſt auf der Szene mit Peinlichkeit 
vermieden. Kriegeriſche Vorgänge beobachten die Perſonen 
vom Fenſter aus, und wir erfahren ſie aus ihren Reden 
oder aus Botenberichten, unter denen der ſchönſte, der des 
ſchwediſchen Hauptmanns, auf das Vorbild der tragédie 
classique verweiſt. Sogar Maſſenſzenen ſind außer dem 


Einleitung XLI 


„Lager“ nur beim Abgang des jungen Piccolomini zu 
finden. Man hat wohl gemeint, daß das Militäriſche in 
dem eigentlichen Stück zu kurz komme; aber auch hier 
ſteht die Dichtung dem Leben näher, als man glaubt: 
der geſchichtliche Wallenſtein hat gichtkrank ſeine Ge— 
nerale vor ſein Bett beſchieden. Und wenn Schillers 
Generaliſſimus auch nicht mit dem Säbel herumfuchtelt, 
ſo erkennt man doch den Feldherrn aus einem Wort 
wie dieſem: „Sein Sold muß dem Soldaten werden, 
darnach heißt er!“ Wie weit ſteht dieſes einfache und 
doch ſo charakteriſtiſche Wort von den Großſprechereien 
ſeiner Jugendhelden ab! 

Wie durch die Einflechtung einer Liebesepiſode, die 
außer Leſſing damals kaum ein Dichter in einer Staats- 
aktion entbehren konnte, hat Schiller dem an den Grie- 
chen und an den Franzoſen gebildeten Geſchmack ſeiner 
Zeit auch dadurch eine Konzeſſion gemacht, daß er die 
komiſchen Elemente faſt ganz aus dem eigentlichen Drama 
in das Vorſpiel verbannte. Thekla und die Guſtel von 
Blaſewitz, Wallenſtein und der Wachtmeiſter durften ſich 
nicht begegnen; ſo verlangte es der reine Stil. Ganz 
hat ihn der Dichter doch nicht feſtgehalten! Nicht bloß 
daß Seni anfangs im Koſtüm eines italieniſchen Doktors 
durch ſeine Gravität eine komiſche Wirkung machen follte; 
nach dem Muſter der Shakeſpeareſchen Mörder nahmen 
auch die Mörder Wallenſteins komiſche Züge an, und ſie 
erinnern dadurch deutlich an die komiſchen Elemente des 
„Lagers“: die Soldaten, die dort der Fortuna, dem Glück, 
dem Geſtirn des Friedländers folgen, kommen hier wieder 
zum Wort, wo ſie ſich dem neuen Herrn zuwenden, nach— 
dem Wallenſteins Geſtirn im Sinken iſt. Wie ſehr dieſe 
komiſche Epiſode unmittelbar vor der Kataſtrophe den 


XLII Einleitung 


Zeitgenoſſen als „Störung“ erſchien, kann man aus dem 
Urteil Körners über die vortreffliche Szene erſehen. 
Frei und ungebunden ſchaltet der Humor in „Wallen⸗ 
ſteins Lager“, und man hat ja oft geſagt, daß Schiller hier 
unter dem Einfluſſe der Goethiſchen Kunſt ſtehe, beſonders 
des „Jahrmarktsfeſtes“ und des „Fauſt“, dem er auch die 
„kurzen gereimten Verſe“ verdankt. Aber ſo wie Schiller 
hätte umgekehrt auch Goethe wieder Maſſen nicht in Be- 
wegung zu ſetzen verſtanden; er hat es immer bloß mit 
gutgeordneten Typen und ſchöngegliederten Gruppen zu 
tun, eine ſo wild wogende Maſſe (die er ſelbſt einmal dem 
Chor der Alten vergleicht) war ſeine Sache nicht. Wie 
aber hat Schiller dieſe Maſſe zu bändigen verſtanden! 
Die Regimenter erſcheinen nach dem höheren oder nied— 
rigeren Begriff, den ſie vom Soldatenleben haben, ab— 
geſtuft: die Kroaten laſſen ſich ſtumpf und tieriſch ſchlachten 
als rechtes Kanonenfutter; die philiſterhaften Tiefenbacher 
bindet bloß die Pflicht an ihren Stand; der Holkiſche 
Jäger, eine leichte, luſtige Natur, ſieht nach Schillers 
eigenen Worten unter dem Soldatenrock mehr die Frei⸗ 
heit des Wilden und des Libertin, der Pappenheimer 
Küraſſier dagegen, eine ernſte und tiefe Natur, die Frei⸗ 
heit des wahren Menſchen. Ebenſo unterſcheidet Schiller 
die Regimenter nach ihren Inhabern, auf die wir hier 
vorbereitet werden: die Tiefenbacher fallen zuerſt ab; 
Iſolanis Leute ſtehlen, wie ihr Führer dem folgt, der ihn 
zahlt; die Leute Terzkys haben vor Wallenſteins Macht 
und Perſon einen blinden Reſpekt; der Pappenheimer 
Küraſſier iſt ein Vorklang des Max Piccolomini, und 
unvermerkt hebt ſich der Ton im Laufe des Vorſpiels: 
aus der rohen und wüſten Soldateska wird ein freies 
und mutiges Reitervolk. Am wenigſten hat Schiller die 


Einleitung XLIII 


Waffengattungen unterſchieden, von denen er kaum eine 
klare und ſichere Vorſtellung gehabt hat; überhaupt ſollte 
man die Jugendeindrücke nicht überſchätzen, die Schiller 
als achtjähriger Knabe im Luſtlager gehabt hat, denn 
dieſem Zeugnis ſeiner Schwägerin ſtehen doch wiederholte 
Außerungen Schillers gegenüber, in denen er das mili⸗ 
täriſche Weſen als eine ihm fremde Welt bezeichnet, die 
er ſich nur aus Büchern vergegenwärtigen müſſe. Unter 
den niedrigen Chargen iſt die gelungenſte ſicher der gravi⸗ 
tätiſche Wachtmeiſter, um den ſich die übrigen wie um 
ihren Mittelpunkt gruppieren: der des Kaiſers Stock führt 
wie dieſer ſein Zepter, der Wallenſtein im kleinen, ebenſo 
geheimnisvoll und auf ſein Anſehen haltend wie dieſer. 
In den Mittelpunkt des Vorſpiels hat Schiller noch in 
letzter Stunde die Predigt des Kapuziners gerückt: einer 
Figur, deren Keim in dem Pater der „Räuber“ zu ſuchen 
iſt, in der aber Schiller zugleich in überaus glücklicher Weiſe 
die gefährlichſten Feinde Wallenſteins unter der Armee 
verkörpert hat, deren ſpäterer Abfall dadurch viel weniger 
überraſcht. Den ihm von Goethe in die Hand geſpielten 
Abraham a Santa Clara hat Schiller in dieſer Predigt 
aufs glücklichſte ausgenutzt und, wo er ſie nicht ſchon in 
der Vorlage fand, die lateiniſchen Bibelſtellen flott in die 
Militärſprache überſetzt. Alles in allem hat Schiller in 
wenig Szenen ein farbenprächtiges Bild des großen Krieges 
entworfen und damit zugleich ein Seiten- und Gegenſtück 
zu dem wilden Heer der „Räuber“, wie auch das Reiter- 
lied, das die ganze Maſſe in einem Enthuſiasmus ver⸗ 
einigt, ein veredeltes Räuberlied iſt. Und ſo wie auf 
dieſes Lied die ganze Lyrik unſerer Befreiungskriege zu⸗ 
rückgeht, ſo haben die Wortſpiele des Kapuziners die 
maſſenhaften, oft recht gequälten Wortwitze bei den Ro⸗ 


XLIV Einleitung 


mantikern hervorgerufen, und auch die Kontrafakturen 
zu dem ganzen Soldatenſtück ſind ſeit den Tagen der 
Befreiungskriege bis in die jüngſte Vergangenheit keine 
Seltenheit. 

Durch die Ausſcheidung der exponierenden Lager- 
ſzenen und durch die Teilung des Hauptſtückes in zwei 
fünfaktige Dramen iſt der „Wallenſtein“ dem Dichter 
unter der Hand zur Trilogie geworden. Aus der Tat⸗ 
ſache, daß die drei Stücke aus dem Plan zu einem ein⸗ 
zigen entſtanden ſind und daß Schiller auch ſpäter noch 
gelegentlich den Gedanken erwog, fie wieder in ein ein- 
ziges zuſammenzuziehen, ergibt ſich zur Genüge, daß ſie 
keine Trilogie im antiken Sinne ſind, wo drei der Form 
nach ganz ſelbſtändige Dramen allein durch den gleichen 
Sagenkreis zuſammengehalten und durch ein komiſches 
Satyrſpiel abgeſchloſſen werden, während Schiller dem 
Humor das erſte Wort gönnt. Auch von den epiſch 
breiten und loſe zuſammenhängenden Shakeſpeareſchen 
Trilogien unterſcheidet ſich dieſe älteſte deutſche Trilogie, 
die auf ein ſelbſtändiges einaktiges Vorſpiel zwei mehr— 
aktige Dramen folgen läßt, von denen wohl das zweite 
ohne das erſte, aber nicht das erſte ohne das zweite ſelb— 
ſtändig für ſich beſtehen kann. Nach dem Vorgang Leſſings 
im „Nathan“ hat Schiller die ganze Trilogie als „Dra— 
matiſches Gedicht“ betitelt. 

Schiller hatte nicht zu viel verſprochen, als er im 
Prolog eine neue Ara der dramatiſchen Kunſt ankündigte. 
Der „Wallenſtein“ hat Epoche gemacht und die hiſtoriſche 
Jambentragödie begründet, die mehr als ſiebzig Jahre 
hindurch als die vornehmſte Gattung des ernſten Dramas 
in Anſehen blieb. 

J. Minor. 


Wallenſtein 


Ein dramatiſches Gedicht 


Schillers Werke. v. 


Wallenſteins Lager 


— — 


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20 


Prolog 


Geſprochen bei Wiedereröffnung der Schaubühne in Weimar 
im Oktober 1798. 

Der ſcherzenden, der ernſten Maske Spiel, 
Dem ihr ſo oft ein willig Ohr und Auge 
Geliehn, die weiche Seele hingegeben, 
Vereinigt uns aufs neu in dieſem Saal — 
Und ſieh! er hat ſich neu verjüngt, ihn hat 
Die Kunſt zum heitern Tempel ausgeſchmückt, 
Und ein harmoniſch hoher Geiſt ſpricht uns 
Aus dieſer edeln Säulenordnung an 
Und regt den Sinn zu feſtlichen Gefühlen. 


Und doch iſt dies der alte Schauplatz noch, 
Die Wiege mancher jugendlichen Kräfte, 
Die Laufbahn manches wachſenden Talents. 
Wir ſind die alten noch, die ſich vor euch 
Mit warmem Trieb und Eifer ausgebildet. 
Ein edler Meiſter ſtand auf dieſem Platz, 
Euch in die heitern Höhen ſeiner Kunſt 
Durch ſeinen Schöpfergenius entzückend. 
O! möge dieſes Raumes neue Würde 
Die Würdigſten in unſre Mitte ziehn, 

Und eine Hoffnung, die wir lang' gehegt, 
Sich uns in glänzender Erfüllung zeigen. 


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59 


Wallenſteins Lager 


Ein großes Muſter weckt Nacheiferung 

Und gibt dem Urteil höhere Geſetze. 

So ſtehe dieſer Kreis, die neue Bühne 

Als Zeugen des vollendeten Talents. 

Wo möcht' es auch die Kräfte lieber prüfen, 
Den alten Ruhm erfriſchen und verjüngen, 
Als hier vor einem auserleſnen Kreis, 

Der, rührbar jedem Zauberſchlag der Kunſt, 
Mit leisbeweglichem Gefühl den Geiſt 

In ſeiner flüchtigſten Erſcheinung haſcht? 


Denn ſchnell und ſpurlos geht des Mimen Kunſt, 
Die wunderbare, an dem Sinn vorüber, 
Wenn das Gebild des Meißels, der Geſang 
Des Dichters nach Jahrtauſenden noch leben. 
Hier ſtirbt der Zauber mit dem Künſtler ab, 
Und wie der Klang verhallet in dem Ohr, 
Verrauſcht des Augenblicks geſchwinde Schöpfung, 
Und ihren Ruhm bewahrt kein dauernd Werk. 


Schwer iſt die Kunſt, vergänglich iſt ihr Preis, 


Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze; 
Drum muß er geizen mit der Gegenwart, 

Den Augenblick, der ſein iſt, ganz erfüllen, 

Muß ſeiner Mitwelt mächtig ſich verſichern 

Und im Gefühl der Würdigſten und Beſten 

Ein lebend Denkmal ſich erbaun — So nimmt er 
Sich ſeines Namens Ewigkeit voraus. 

Denn wer den Beſten ſeiner Zeit genug 

Getan, der hat gelebt für alle Zeiten. 


Die neue Ara, die der Kunſt Thaliens 
Auf dieſer Bühne heut' beginnt, macht auch 
Den Dichter kühn, die alte Bahn verlaſſend, 
Euch aus des Bürgerlebens engem Kreis 


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Prolog 


Auf einen höhern Schauplatz zu verſetzen, 

Nicht unwert des erhabenen Moments 

Der Zeit, in dem wir ſtrebend uns bewegen. 

Denn nur der große Gegenſtand vermag 

Den tiefen Grund der Menſchheit aufzuregen; 
m engen Kreis verengert fic) der Sinn, 

Es wächſt der Menſch mit ſeinen größern Zwecken. 


Und jetzt an des Jahrhunderts ernſtem Ende, 
Wo ſelbſt die Wirklichkeit zur Dichtung wird, 
Wo wir den Kampf gewaltiger Naturen 
Um ein bedeutend Ziel vor Augen ſehn 
Und um der Menſchheit große Gegenſtände, 
Um Herrſchaft und um Freiheit wird gerungen — 
Jetzt darf die Kunſt auf ihrer Schattenbühne 
Auch höhern Flug verſuchen, ja ſie muß, 
Soll nicht des Lebens Bühne ſie beſchämen. 


Zerfallen ſehen wir in dieſen Tagen 
Die alte feſte Form, die einſt vor hundert 
Und funfzig Jahren ein willkommner Friede 
Europens Reichen gab, die teure Frucht 


— Von dreißig jammervollen Kriegesjahren. 


Noch einmal laßt des Dichters Phantaſie 
Die düſtre Zeit an euch vorüberführen, 
Und blicket froher in die Gegenwart 

Und in der Zukunft hoffnungsreiche Ferne. 


In jenes Krieges Mitte ſtellt euch jetzt 
Der Dichter. Sechzehn Jahre der Verwüſtung, 
Des Raubs, des e re 
In trüben Maſſen gäret noch die Welt, 


Und keine Friedenshoffnung ſtrahlt von fern. 
Ein Tummelplatz von Waffen iſt das Reich, 


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Wallenſteins Lager 


Verödet ſind die Städte, Magdeburg 
Iſt Schutt, Gewerb ap Kunſtfleiß liegen nieder, 


Der Bürger gilt nichts mehr, der Krieger alles, 


Strafloſe Frechheit ſpricht den Sitten Hohn, 
Und rohe Horden lagern ſich, verwildert 
Im langen Krieg, auf dem verheerten Boden. 


Auf dieſem finſtern Zeitgrund malet ſich 
Ein Unternehmen kühnen Übermuts 
Und ein verwegener Charakter ab. 
Ihr kennet ihn — den Schöpfer kühner Heere, 
Des Lagers Abgott und der Länder Geißel, 
Die Stütze und den Schrecken ſeines Kaiſers, 
Des Glückes abenteuerlichen Sohn, 
Der, von der Zeiten Gunſt emporgetragen, 


Der Ehre höchſte Staffeln raſch erſtieg 


Und, ungeſättigt immer weiter ſtrebend, 

Der unbezähmten Ehrſucht Opfer fiel. 

Von der Parteien Gunſt und Haß verwirrt 
Schwankt ſein Charakterbild in der Geſchichte; 
Doch euren Augen ſoll ihn jetzt die Kunſt, 
Auch eurem Herzen menſchlich näher bringen. 
Denn jedes Außerſte führt ſie, die alles 
Begrenzt und bindet, zur Natur zurück, 

Sie ſieht den Menſchen in des Lebens Drang 


Und wälzt die größre Hälfte ſeiner Schuld 
Den unglückſeligen Geſtirnen zu. 


Nicht er iſt's, der auf dieſer Bühne heut' 
Erſcheinen wird. Doch in den kühnen Scharen, 
Die ſein Befehl gewaltig lenkt, ſein Geiſt 
Beſeelt, wird euch ſein Schattenbild begegnen, 
Bis ihn die ſcheue Muſe ſelbſt vor euch 
Zu ſtellen wagt in lebender Geſtalt; 


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Prolog 


Denn ſeine Macht iſt's, die ſein Herz verführt, 
Sein Lager nur erkläret ſein Verbrechen. 


Darum verzeiht dem Dichter, wenn er euch 
Nicht raſchen Schritts mit einem Mal ans Ziel 
Der Handlung reißt, den großen Gegenſtand 
In einer Reihe von Gemälden nur 
Vor euren Augen abzurollen wagt. 

Das heut'ge Spiel gewinne euer Ohr 
Und euer Herz den ungewohnten Tönen; 
In jenen Zeitraum führ' es euch zurück, 
Auf jene fremde kriegeriſche Bühne, 
Die unſer Held mit ſeinen Taten bald 
Erfüllen wird. 

Und wenn die Muſe heut', 
Des Tanzes freie Göttin und Geſangs, 
Ihr altes deutſches Recht, des Reimes Spiel, 
Beſcheiden wieder fordert — tadelt's nicht! 
Ja danket ihr's, daß ſie das düſtre Bild 
Der Wahrheit in das heitre Reich der Kunſt 
Hinüberſpielt, die Täuſchung, die ſie ſchafft, 
Aufrichtig ſelbſt zerſtört und ihren Schein 
Der Wahrheit nicht betrüglich unterſchiebt; 
Ernſt iſt das Leben, heiter iſt die Kunſt. 


Perſonen 


Wachtmeiſter, von einem Terzkyſchen Karabinier— 
Trompeter, q Regiment. 
Konſtabler. 

Scharfſchützen. 

Zwei Holkiſche reitende Jäger. 
Buttleriſche Dragoner. 
Arkebuſiere vom Regiment Tiefenbach. 
Küraſſier von einem walloniſchen 
Küraſſier von einem lombardiſchen 
Kroaten. 

Ulanen. 

Rekrut. 

Bürger. 

Bauer. 

Bauerknabe. 

Kapuziner. 
Soldatenſchulmeiſter. 
Marketenderin. 

Eine Aufwärterin. 
Soldatenjungen. 

Hoboiſten. 


Vor der Stadt Pilſen in Böhmen. 


Regiment. 


10 


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Erſter Auftritt 


Marketenderzelte, davor eine Kram- und Trödelbude. Sol⸗ 
daten von allen Farben und Feldzeichen drängen ſich durch 
einander, alle Tiſche ſind beſetzt. Kroaten und Ulanen an 
einem Kohlfeuer kochen, Marketenderin ſchenkt Wein, Sol⸗ 
datenjungen würfeln auf einer Trommel, im Zelt wird ge- 
ſungen. 
Ein Bauer und ſein Sohn. 


Bauerknabe. 
Vater, es wird nicht gut ablaufen, 
Bleiben wir von dem Soldatenhaufen. 
Sind Euch gar trotzige Kameraden; 
Wenn ſie uns nur nichts am Leibe ſchaden. 


Bauer. 
Ei was! Sie werden uns ja nicht freſſen, 
Treiben ſie's auch ein wenig vermeſſen. 
Siehſt du? ſind neue Völker herein, 
Kommen friſch von der Saal' und dem Main, 
Bringen Beut' mit, die rarſten Sachen! 
Unſer iſt's, wenn wir's nur liſtig machen. 
Ein Hauptmann, den ein andrer erſtach, 
Ließ mir ein paar glückliche Würfel nach. 
Die will ich heut' einmal probieren, 
Ob ſie die alte Kraft noch führen. 
Mußt dich nur recht erbärmlich ſtellen, 
Sind dir gar lockere, leichte Geſellen. 
Laſſen ſich gerne ſchön tun und loben, 
So wie gewonnen, ſo iſt's zerſtoben. 


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45 


12 


es 
— 


Wallenſteins Lager 


Nehmen ſie uns das Unſre in Scheffeln, 
Müſſen wir's wieder bekommen in Löffeln; 
Schlagen ſie grob mit dem Schwerte drein, 
So ſind wir pfiffig und treiben's fein. 

(Im Zelt wird geſungen und gejubelt.) 
Wie ſie juchzen — daß Gott erbarm! 
Alles das geht von des Bauern Felle. 
Schon acht Monate legt ſich der Schwarm 
Uns in die Betten und in die Stülle, 
Weit herum iſt in der ganzen Aue 
Keine Feder mehr, keine Klaue, 
Daß wir für Hunger und Elend ſchier 
Nagen müſſen die eignen Knochen. 
War's doch nicht ärger und krauſer hier, 
Als der Sachs noch im Lande tät pochen. 
Und die nennen ſich Kaiſerliche! 

Bauerknabe. 

Vater, da kommen ein paar aus der Küche, 
Sehen nicht aus, als wär' viel zu nehmen. 


Bauer. 
Sind Einheimiſche, geborne Böhmen, 
Von des Terſchkas Karabinieren, 
Liegen ſchon lang' in dieſen Quartieren. 
Unter allen die Schlimmſten juſt, 
Spreizen ſich, werfen ſich in die Bruſt, 
Tun, als wenn ſie zu fürnehm wären, 
Mit dem Bauer ein Glas zu leeren. 
Aber dort ſeh' ich die drei ſcharfe Schützen 
Linker Hand um ein Feuer ſitzen, 
Sehen mir aus wie Tiroler ſchier. 


Emmerich, komm! An die wollen wir, 


Luſtige Vögel, die gerne ſchwatzen, 
Tragen ſich ſauber und führen Batzen. 
(Gehen nach den Zelten.) 


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60 


65 


13 


Zweiter Auftritt 
Vorige. Wachtmeiſter. Trompeter. Ulan. 


Trompeter. 
Was will der Bauer da? Fort, Halunk! 


Bauer. 
Gnädige Herren, einen Biſſen und Trunk! 
Haben heut' noch nichts Warmes gegeſſen. 


Trompeter. 
Ei, das muß immer ſaufen und freſſen. 


Alan (mit einem Glaſe). 
Nichts gefrühſtückt? Da trink, du Hund! 
(Führt den Bauer nach dem Zelte; jene kommen vorwärts.) 
Wachtmeiſter (zum Trompeter). 
Meinſt du, man hab' uns ohne Grund 
Heute die doppelte Löhnung gegeben, 
Nur daß wir flott und luſtig leben? 


Trompeter. 
Die Herzogin kommt ja heute herein 
Mit dem fürſtlichen Fräulein — 

Wachtmeiſter. 

Das iſt nur der Schein. 

Die Truppen, die aus fremden Landen 
Sich hier vor Pilſen zuſammen fanden, 
Die ſollen wir gleich an uns locken 
Mit gutem Schluck und guten Brocken, 
Damit ſie ſich gleich zufrieden finden 
Und feſter ſich mit uns verbinden. 

Trompeter. 
Ja, es iſt wieder was im Werke! 


a Wachtmeiſter. 
Die Herrn Generäle und Kommendanten — 


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80 


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14 


Wallenſteins Lager 

Trompeter. 

Es iſt gar nicht geheuer, wie ich merke. 
Wachtmeiſter. 

Die ſich ſo dick hier zuſammen fanden — 
Trompeter. 

Sind nicht für die Langweil herbemüht. 
Wachtmeiſter. 

Und das Gemunkel und das Geſchicke — 
Trompeter. 

Ja! Ja! 
Wachtmeiſter. 


Und von Wien die alte Perücke, 
Die man ſeit geſtern herum gehn ſieht, 
Mit der guldenen Gnadenkette, 
Das hat was zu bedeuten, ich wette. 


Trompeter. 
Wieder ſo ein Spürhund, gebt nur Acht, 
Der die Jagd auf den Herzog macht. 
Wachtmeiſter. 
Merkſt du wohl? ſie trauen uns nicht, 
Fürchten des Friedländers heimlich Geſicht. 
Er iſt ihnen zu hoch geſtiegen, 
Möchten ihn gern herunter kriegen. 
Trompeter. 
Aber wir halten ihn aufrecht, wir. 
Dächten doch alle wie ich und Ihr! 
Wachtmeiſter. 


Unſer Regiment und die andern vier, 


Die der Terſchka anführt, des Herzogs Schwager, 


Das reſoluteſte Korps im Lager, 
Sind ihm ergeben und gewogen, 
Hat er uns ſelbſt doch herangezogen. 


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95 


100 


Dritter Auftritt 


Alle Hauptleute ſetzt' er ein, 
Sind alle mit Leib und Leben ſein. 


Dritter Auftritt 


Kroat mit einem Halsſchmuck. Scharfſchütze ſolgt. Vorige. 
Scharfſchütz. 

Kroat, wo haſt du das Halsband geſtohlen? 

Handle dir's ab! dir iſt's doch nichts nütz. 

Geb' dir dafür das Paar Terzerolen. 

Kroat. 

Nix, nix! du willſt mich betrügen, Schütz. 
Scharfſchütz. 

Nun! geb' dir auch noch die blaue Mütz, 

Hab' ſie ſoeben im Glücksrad gewonnen. 

Siehſt du? Sie iſt zum höchſten Staat. 


Kroat (läßt das Halsband in der Sonne ſpielen). 
's iſt aber von Perlen und edelm Granat. 
Schau', wie das flinkert in der Sonnen! 


Scharfſchütz (nimmt das Halsband). 
Die Feldflaſche noch geb' ich drein, 
(beſieht es) 
Es iſt mir nur um den ſchönen Schein. 
Trompeter. 
Seht nur, wie der den Kroaten prellt! 
Halbpart, Schütze, ſo will ich ſchweigen. 
Kroat (hat die Mütze aufgeſetzt). 
Deine Mütze mir wohlgefällt. 


Scharfſchütz (wintt dem Trompeter). 
Wir tauſchen hier! Die Herrn ſind Zeugen! 


16 Wallenfteins Lager 


Vierter Auftritt 
Vorige. Konſtabler. 


Konſtabler (tritt zum Wachtmeiſter). 
105 Wie iſt's, Bruder Karabinier? 
Werden wir uns lang' noch die Hände wärmen, 
Da die Feinde ſchon friſch im Feld herum ſchwärmen? 
Wachtmeiſter. 
Tut's Ihm ſo eilig, Herr Konſtabel? 
Die Wege ſind noch nicht praktikabel. 
Konſtabler. 
110 Mir nicht. Ich ſitze gemächlich hier; 
Aber ein Eilbot' iſt angekommen, 
Meldet, Regenſpurg ſei genommen. 
. Trompeter. 
Ei, da werden wir bald aufſitzen. 
Wachtmeiſter. 
Wohl gar! Um dem Bayer ſein Land zu ſchützen? 
us Der dem Fürſten Jo unfreund ijt? 
Werden uns eben nicht ſehr erhitzen. 
Ronſtabler. 
Meint Ihr? — Was Ihr nicht alles wißt! 


Fünfter Auftritt 


Vorige. Zwei Jäger. Dann Marketenderin, Soldatenjungen, 
Schulmeiſter, Aufwärterin. 


Erſter Jäger. 
Sieh! ſieh! 
Da treffen wir luſtige Kompanie. 
Trompeter. 
120 Was für Grünröck' mögen das ſein? 
Treten ganz ſchmuck und ſtattlich ein. 


125 


130 


135 


Fünfter Auftritt 17 


Wachtmeiſter. 
Sind Holkiſche Jäger; die ſilbernen Treſſen 
Holten ſie ſich nicht auf der Leipziger Meſſen. 

Marketenderin (fommt und bringt Wein). 

Glück zur Ankunft, ihr Herrn! 

Erſter Jäger. 

Was? der Blitz! 

Das iſt ja die Guſtel aus Blaſewitz. 


Marketenderin. 
J freilich! Und Er iſt wohl gar, Mußjö, 
Der lange Peter aus Itzehö? 
Der ſeines Vaters goldene Füchſe 
Mit unſerm Regiment hat durchgebracht 
Zu Glücksſtadt in einer luſtigen Nacht — 


Erſter Jäger. 
Und die Feder vertauſcht mit der Kugelbüchſe. 


Marketenderin. 
Ei! da ſind wir alte Bekannte! 


Erſter Jäger. 
Und treffen uns hier im böhmiſchen Lande. 


Marketenderin. 
Heute da, Herr Vetter, und morgen dort — 
Wie einen der rauhe Kriegesbeſen 
Fegt und ſchüttelt von Ort zu Ort; 
Bin indes weit herum geweſen. 
Erſter Jäger. 
Will's Ihr glauben! Das ſtellt ſich dar. 
Marketenderin. 
Bin hinauf bis nach Temeswar 
Gekommen mit den Bagagewagen, 


Als wir den Mansfelder täten jagen. 
Schillers Werke. V. : 


bo 


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18 


Wallenſteins Lager 


Lag mit dem Friedländer vor Stralſund, 

Ging mir dorten die Wirtſchaft zu Grund. 

Zog mit dem Sukkurs vor Mantua, 

Kam wieder heraus mit dem Feria, 

Und mit einem ſpaniſchen Regiment 

Hab' ich einen Abſtecher gemacht nach Gent. 

Jetzt will ich's im böhmiſchen Land probieren, 

Alte Schulden einkaſſieren — 

Ob mir der Fürſt hilft zu meinem Geld. 

Und das dort iſt mein Marketenderzelt. 
Erſter Jäger. 

Nun, da trifft Sie alles beiſammen an! 

Doch wo hat Sie den Schottländer hingetan, 

Mit dem Sie damals herumgezogen? 
Marketenderin. 

Der Spitzbub! der hat mich ſchön betrogen. 

Fort iſt er! Mit allem davon gefahren, 

Was ich mir tät am Leibe erſparen. 

Ließ mir nichts als den Schlingel da! 

Soldatenjunge (kommt geſprungen). 

Mutter! ſprichſt du von meinem Papa? 
Erſter Jäger. 

Nun, nun! das muß der Kaiſer ernähren, 

Die Armee ſich immer muß neu gebären. 


Soldatenſchulmeiſter (kommt). 
Fort in die Feldſchule! Marſch, ihr Buben! 
Grifter Jäger. 
Das fürcht ſich auch vor der engen Stuben! 
Aufwürterin (kommt). 
Baſe, ſie wollen fort. 


Marketenderin. 
Gleich! gleich! 


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Sechſter Auftritt 


Erſter Jäger. 
Ei, wer iſt denn das kleine Schelmengeſichte? 


Marketenderin. 
's iſt meiner Schweſter Kind — aus dem Reich. 


Erſter Jäger. 
Ei, alſo eine liebe Nichte? 
(Marketenderin geht.) 
Zweiter Jäger (das Mädchen haltend). 
Bleib' Sie bei uns doch, artiges Kind. 


Aufwürterin. 
Gäſte dort zu bedienen ſind. 
(Macht ſich los und geht.) 
Erſter Jäger. 
Das Mädchen iſt kein übler Biſſen! — 
Und die Muhme! beim Element! 
Was haben die Herrn vom Regiment 
Sich um das niedliche Lärvchen geriſſen! — 
Was man nicht alles für Leute kennt, 
Und wie die Zeit von dannen rennt. — 
Was werd' ich noch alles erleben müſſen! 
(Zum Wachtmeiſter und Trompeter.) 
Euch zur Geſundheit, meine Herrn! — 
Laßt uns hier auch ein Plätzchen nehmen. 


Sechſter Auftritt 


Jäger. Wachtmeiſter. Trompeter. 


Wachtmeiſter. 
Wir danken ſchön. Von Herzen gern. 
Wir rücken zu. Willkommen in Böhmen! 


Erſter Jäger. 
Ihr ſitzt hier warm. Wir, in Feindes Land, 
Mußten derweil uns ſchlecht bequemen. 


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195 


20 


Wallenſteins Lager 


Trompeter. 
Man ſollt's euch nicht anſehn, ihr ſeid galant. 


Wachtmeiſter. 
Ja, ja, im Saalkreis und auch in Meißen 
Hört man euch Herrn nicht beſonders preiſen. 


Zweiter Züger. 
Seid mir doch ſtill! Was will das heißen? 
Der Kroat es ganz anders trieb, 
Uns nur die Nachleſ' übrig blieb. 


Trompeter. 
Ihr habt da einen ſaubern Spitzen 
Am Kragen, und wie euch die Hoſen ſitzen! 
Die feine Wäſche, der Federhut! 
Was das alles für Wirkung tut! 
Daß doch den Burſchen das Glück ſoll ſcheinen, 
Und ſo was kommt nie an unſer einen! 


Wachtmeiſter. 
Dafür ſind wir des Friedländers Regiment, 


Man muß uns ehren und reſpektieren. 


Erſter Jäger. 

Das iſt für uns andre kein Kompliment, 

Wir ebenſo gut ſeinen Namen führen. 
Wachtmeiſter. 

Ja, ihr gehört auch ſo zur ganzen Maſſe. 
Erſter Jäger. 

Ihr ſeid wohl von einer beſondern Raſſe? 


Der ganze Unterſchied iſt in den Röcken, 
Und ich ganz gern mag in meinem ſtecken. 


Wachtmeiſter. 
Herr Jäger, ich muß Euch nur bedauern, 
Ihr lebt ſo draußen bei den Bauern; 


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Sechſter Auftritt 21 


Der feine Griff und der rechte Ton, 
Das lernt ſich nur um des Feldherrn Perſon. 


Erſter Jäger. 
Sie bekam Euch übel, die Lektion. 
Wie er räuſpert und wie er ſpuckt, 
Das habt Ihr ihm glücklich abgeguckt; 
Aber ſein Schenie, ich meine ſein Geiſt, 
Sich nicht auf der Wachparade weiſt. 


Zweiter Jäger. 
Wetter auch! wo Ihr nach uns fragt, 
Wir heißen des Friedländers wilde Jagd 
Und machen dem Namen keine Schande — 
Ziehen frech durch Feindes und Freundes Lande, 
Querfeldein durch die Saat, durch das gelbe Korn — 
In einem Augenblick fern und sabe 
Schnell wie die Sündflut, fo find wir da — 
Wie die Feuerflamme bei dunkler Nacht 
In die Häuſer fähret, wenn niemand wacht — 
Da hilft keine Gegenwehr, keine Flucht, 
Keine Ordnung gilt mehr und keine Zucht. — 
Es ſträubt ſich — der Krieg hat kein Erbarmen — 
Das Mägdlein in unſern ſennigten Armen — 
Fragt nach, ich ſag's nicht, um zu prahlen; 
In Bayreuth, im Voigtland, in Weſtfalen, 
Wo wir nur durchgekommen ſind — 
Erzählen Kinder und Kindeskind 
Nach hundert und aber hundert Jahren 
Von dem Holk noch und ſeinen Scharen. 


Wachtmeiſter. 
Nun da ſieht man's! Der Saus und Braus, 
Macht denn der den Soldaten aus? 


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260 


22 Wallenſteins Lager 


Das Tempo macht ihn, der Sinn und Schick, 


235 Der Begriff, die Bedeutung, der feine Blick. 


/ Erſter Jäger. 

4 Die Freiheit macht ihn! Mit Euren Fratzen! 
Daß ich mit Euch ſoll darüber ſchwatzen. — 
Lief ich darum aus der Schul' und der Lehre, 
Daß ich die Fron und die Galeere, 

Die Schreibſtub' und ihre engen Wände 

In dem Feldlager wiederfände? — 

Flott will ich leben und müßig gehn, 

Alle Tage was Neues ſehn, 

Mich dem Augenblick friſch vertrauen, 

Nicht zurück, auch nicht vorwärts ſchauen — 
Drum hab' ich meine Haut dem Kaiſer verhandelt, 
Daß keine Sorg' mich mehr anwandelt. 
Führt mich ins Feuer friſch hinein, 

Über den reißenden, tiefen Rhein, 

Der dritte Mann ſoll verloren ſein; 

Werde mich nicht lang' ſperren und zieren. — 
Sonſt muß man mich aber, ich bitte ſehr, 
Mit nichts weiter inkommodieren. 


Wachtmeiſter. 
Nu, nu, verlangt Ihr ſonſt nichts mehr? 
Das ließ ſich unter dem Wams da finden. 


Erſter Jäger. 
Was war das nicht für ein Placken und Schinden 
Bei Guſtav dem Schweden, dem Leuteplager! 
Der machte eine Kirch' aus ſeinem Lager, 
Ließ Betſtunde halten, des Morgens, gleich 
Bei der Reveille, und beim Zapfenſtreich. 
Und wurden wir manchmal ein wenig munter, 
Er kanzelt' uns ſelbſt wohl vom Gaul herunter. 


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Sechſter Auftritt 23 


Wachtmeiſter. 

Ja, es war ein gottesfürchtiger Herr. 
Erſter Jäger. 

Dirnen, die ließ er gar nicht paſſieren, 

Mußten ſie gleich zur Kirche führen. 

Da lief ich, konnt's nicht ertragen mehr. 
Wachtmeiſter. 

Jetzt geht's dort auch wohl anders her. 
Erſter Jäger. 

So ritt ich hinüber zu den Ligiſten, 

Sie täten ſich juſt gegen Magdeburg rüſten. 

Ja, das war ſchon ein ander Ding! 

Alles da luſtiger, loſer ging, 

Soff und Spiel und Mädels die Menge! 

Wahrhaftig, der Spaß war nicht gering, 

Denn der Tilly verſtand ſich aufs Kommandieren. 

Dem eigenen Körper war er ſtrenge, 

Dem Soldaten ließ er vieles paſſieren, 

Und ging's nur nicht aus ſeiner Kaſſen, 

Sein Spruch war: leben und leben laſſen. 

Aber das Glück blieb ihm nicht ſtet — 

Seit der Leipziger Fatalität 

Wollt' es eben nirgends mehr flecken, 

Alles bei uns geriet ins Stecken; 

Wo wir erſchienen und pochten an, 

Ward nicht gegrüßt noch aufgetan. 

Wir mußten uns drücken von Ort zu Ort, 

Der alte Reſpekt war eben fort. — 

Da nahm ich Handgeld von den Sachſen, 

Meinte, da müßte mein Glück recht wachſen. 


Wachtmeiſter. 
Nun, da kamt Ihr ja eben recht 
Zur böhmiſchen Beute. 


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24 Wallenſteins Lager 


Erſter Jäger. 
Es ging mir ſchlecht. 

Sollten da ſtrenge Mannszucht halten, 
Durften nicht recht als Feinde walten, 
Mußten des Kaiſers Schlöſſer bewachen, 
Viel Umſtänd' und Komplimente machen, 
Führten den Krieg, als wär's nur Scherz, 
Hatten für die Sach' nur ein halbes Herz, 
Wollten's mit niemand ganz verderben, 
Kurz, da war wenig Ehr zu erwerben, 
Und ich wär' bald für Ungeduld 
Wieder heim gelaufen zum Schreibepult, 
Wenn nicht eben auf allen Straßen 
Der Friedländer hätte werben laſſen. 


Wachtmeiſter. 
Und wie lang' denkt Ihr's hier auszuhalten? 


Erſter Jäger. 
Spaßt nur! ſo lange der tut walten, 
Denk' ich Euch, mein Seel! an kein Entlaufen. 
Kann's der Soldat wo beſſer kaufen? — 
Da geht alles nach Kriegesſitt', 
Hat alles 'nen großen Schnitt. 
Und der Geiſt, der im ganzen Korps tut leben, 
Reißet gewaltig, wie Windesweben, 
Auch den unterſten Reiter mit. 


Da tret' ich auf mit beherztem Schritt, 


Darf über den Bürger kühn wegſchreiten, 


Wie der Feldherr über der Fürſten Haupt. 


Es iſt hier wie in den alten Zeiten, 

Wo die Klinge noch alles tät bedeuten; 

Da gibt's nur ein Vergehn und Verbrechen: 
Der Ordre fürwitzig widerſprechen! 

Was nicht verboten ijt, ijt erlaubt; 


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Sechſter Auftritt 


Da fragt niemand, was einer glaubt. 
Es gibt nur zwei Ding überhaupt: 
Was zur Armee gehört und nicht; 
Und nur der Fahne bin ich verpflicht. 


Wachtmeiſter. 
Jetzt gefallt Ihr mir, Jäger! Ihr ſprecht 
Wie ein Friedländiſcher Reitersknecht. 


Erſter Jäger. 


Der führt 's Kommando nicht wie ein Amt, 


Wie eine Gewalt, die vom Kaiſer ſtammt! 
Es iſt ihm nicht um des Kaiſers Dienſt — 
Was bracht' er dem Kaiſer für Gewinſt? 
Was hat er mit ſeiner großen Macht 


Zu des Landes Schirm und Schutz vollbracht? 


Ein Reich von Soldaten wollt' er gründen, 
Die Welt anſtecken und entzünden, 
Sich alles vermeſſen und unterwinden — 


Trompeter. 
Still! Wer wird ſolche Worte wagen! 
Erſter Jäger. 
Was ich denke, das darf ich ſagen. 


„Das Wort ijt fret, ſagt der General. 


Wachtmeiſter. 
So ſagt er, ich hört's wohl einigemal, 
Ich ſtand Nabel „Das Wort iſt frei, 


Die Tat iſt ſtumm, der Gehoörſam blind, 4 
Dies urkundlich ſeine Worte ſind. 1 


Erſter Jäger. 
Ob's juſt ſeine Wort' ſind, weiß ich nicht; 
Aber die Sach' iſt ſo, wie er ſpricht. 
Zweiter Jäger. 
Ihm ſchlägt das Kriegsglück nimmer um, 


25 


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26 


Wallenſteins Lager 


Wie's wohl bei andern pflegt zu geſchehen. 
Der Tilly überlebte ſeinen Ruhm. 

Doch unter des Friedländers Kriegspanieren, 
Da bin ich gewiß zu victoriſieren. 

(Er bannet das Glück, es muß ihm ſtehen. 
Wer unter ſeinem Zeichen tut fechten, 


Der ſteht unter beſondern Mächten. 


Denn das weiß ja die ganze Welt, 
Daß der Friedländer einen Teufel 


Aus der Hölle im Solde hält. 


Wachtmeiſter. 
Ja, daß er feſt iſt, das iſt kein Zweifel. 
Denn in der blut'gen Affär bei Lützen 
Ritt er euch unter des Feuers Blitzen 
Auf und nieder mit kühlem Blut. 
Durchlöchert von Kugeln war ſein Hut, 
Durch den Stiefel und Koller fuhren 
Die Ballen, man ſah die deutlichen Spuren; 
Konnt' ihm keine die Haut nur ritzen, 
Weil ihn die hölliſche Salbe tät ſchützen. 


Erſter Jäger. 
Was wollt Ihr da für Wunder bringen! 
Er trägt ein Koller von Elendshaut, 
Das keine Kugel kann durchdringen. 


Wachtmeiſter. a 
Nein, es iſt die Salbe von Hexenkraut, 
Unter Zauberſprüchen gekocht und gebraut. 


Trompeter. 
Es geht nicht zu mit rechten Dingen! 


Wachtmeiſter. 
Sie ſagen, er leſ' auch in den Sternen 
Die künftigen Dinge, die nahen und fernen; 


Siebenter Auftritt 27 


Ich weiß aber beſſer, wie's damit iſt. 

Ein graues Männlein pflegt bei nächtlicher Friſt 

Durch verſchloſſene Türen zu ihm einzugehen; 
375 Die Schildwachen haben's oft angeſchrien, 

Und immer was Großes iſt drauf geſchehen, 

Wenn je das graue Röcklein kam und erſchien. 


Zweiter Jäger. 
Ja, er hat ſich dem Teufel übergeben, 
Drum führen wir auch das luſtige Leben. 


Siebenter Auftritt 
Vorige. Ein Rekrut. Ein Bürger. Dragoner. 


Rekrut 


(tritt aus dem Zelt, eine Blechhaube auf dem Kopfe, eine Weinflaſche in 
der Hand). 


380 Grüß' den Vater und des Vaters Brüder! 
Bin Soldat, komme nimmer wieder. 


Erſter Jäger. 
Sieh, da bringen ſie einen Neuen! 
Bürger. 
O! gib Acht, Franz! Es wird dich reuen. 
Rekrut (singt). 
Trommeln und Pfeifen, 
885 Kriegriſcher Klang! 
Wandern und ſtreifen 
Die Welt entlang, 
Roſſe gelenkt, 
Mutig geſchwenkt, 
390 Schwert an der Seite, 
Friſch in die Weite, 
Flüchtig und flink, 
Frei, wie der Fink 


28 


395 


400 


405 


410 


Wallenſteins Lager 


Auf Sträuchern und Bäumen, 
In Himmels Räumen! 
Heiſa! ich folge des Friedländers Fahn! 
Zweiter Jäger. 
Seht mir! das iſt ein wackrer Kumpan! 
(Sie begrüßen ihn.) 
Bürger. 
O! laßt ihn! Er iſt guter Leute Kind. 


Erſter Jäger. 
Wir auch nicht auf der Straße gefunden ſind. 
Bürger. 
Ich ſag' euch, er hat Vermögen und Mittel. 
Fühlt her, das feine Tüchlein am Kittel! 
Trompeter. 
Des Kaiſers Rock iſt der höchſte Titel. 
Bürger. 
Er erbt eine kleine Mützenfabrik. 


Zweiter Jäger. 


Des Menſchen Wille, das iſt ſein Glück. 


Bürger. 
Von der Großmutter einen Kram und Laden. 
Erſter Jäger. 
Pfui! wer handelt mit Schwefelfaden! 
Bürger. 
Einen Weinſchank dazu von ſeiner Paten, 
Ein Gewölbe mit zwanzig Stückfaß Wein. 
Trompeter. 
Den teilt er mit ſeinen Kameraden. 
Zweiter Jäger. 
Hör' du! Wir müſſen Zeltbrüder ſein. 


Siebenter Auftritt 29 


Bürger. 
Eine Braut läßt er ſitzen in Tränen und Schmerz. 
Erſter Jäger. 
Recht ſo, da zeigt er ein eiſernes Herz. 
Bürger. 
Die Großmutter wird für Kummer ſterben. 


Zweiter Jäger. 
Deſto beſſer, ſo kann er ſie gleich beerben. 
Wachtmeiſter 
(tritt gravitätiſch herzu, dem Rekruten die Hand auf die Blechhaube legend). 
ais Sieht Er! das hat Er wohl erwogen. 
Einen neuen Menſchen hat Er angezogen, 
Mit dem Helm da und Wehrgehäng 
Schließt Er ſich an eine würdige Meng. 
Muß ein fürnehmer Geiſt jetzt in Ihn fahren — 


Erſter Jäger. 
420 Muß beſonders das Geld nicht ſparen. 


Wachtmeiſter. 

Auf der Fortuna ihrem Schiff 

Iſt Er zu ſegeln im Begriff; 

Die Weltkugel liegt vor Ihm offen, 

Wer nichts waget, der darf nichts hoffen. 

425 Es treibt ſich der Bürgersmann, träg und dumm, 
Wie des Färbers Gaul, nur im Ring herum. 
Aus dem Soldaten kann alles werden, 
Denn Krieg iſt jetzt die Loſung auf Erden. 
Seh' Er mal mich an! In dieſem Rock 
430 Führ' ich, ſieht Er, des Kaiſers Stock. 

Alles Weltregiment, muß Er wiſſen, 

Von dem Stock hat ausgehen müſſen; 

Und das Zepter in Königs Hand 

Iſt ein Stock nur, das iſt bekannt. 


435 


440 


445 


450 


455 


<60 


30 


Wallenſteins Lager 


Und wer's zum Korporal erſt hat gebracht, 
Der ſteht auf der Leiter zur höchſten Macht, 
Und ſo weit kann Er's auch noch treiben. 


Erſter Jäger. 
Wenn Er nur leſen kann und ſchreiben. 


Wachtmeiſter. 
Da will ich Ihm gleich ein Exempel geben, 
Ich tät's vor kurzem ſelbſt erleben. 
Da iſt der Schef vom Dragonerkorps, 
Heißt Buttler, wir ſtanden als Gemeine 


Noch vor dreißig Jahren bei Köln am Rheine, 


Jetzt nennt man ihn Generalmajor. 

Das macht, er tät ſich baß hervor, 

Tät die Welt mit ſeinem Kriegsruhm füllen, 

Doch meine Verdienſte, die blieben im ſtillen. 

Ja, und der Friedländer ſelbſt, ſieht Er, 

Unſer Hauptmann und hochgebietender Herr, 

Der jetzt alles vermag und kann, 

War erſt nur ein ſchlichter Edelmann, 

Und weil er der Kriegsgöttin ſich vertraut, 

Hat er ſich dieſe Größ' erbaut, 

Iſt nach dem Kaiſer der nächſte Mann, 

Und wer weiß, was er noch erreicht und ermißt, 
pfiffig) 

Denn noch nicht aller Tage Abend iſt. 


Erſter Jäger. 
Ja, er fing's klein an und iſt jetzt ſo groß, 
Denn zu Altdorf, im Studentenkragen, 
Trieb er's, mit Permiß zu ſagen, 
Ein wenig locker und purſchikos, 
Hätte ſeinen Famulus bald erſchlagen. 
Wollten ihn drauf die Nürnberger Herren 
Mir nichts, dir nichts ins Karzer ſperren; 


465 


476 


480 


Siebenter Auftritt 31 


's war juſt ein neugebautes Neſt, 

Der erſte Bewohner ſollt' es taufen. 

Aber wie fängt er's an? Er läßt 

Weislich den Pudel voran erſt laufen. 

Nach dem Hunde nennt ſich's bis dieſen Tag; 
Ein rechter Kerl ſich dran ſpiegeln mag. 
Unter des Herrn großen Taten allen 

Hat mir das Stückchen beſonders gefallen. 


(Das Mädchen hat unterdeſſen aufgewartet; der zweite Jäger ſchäkert 
mit ihr.) 


Dragoner (tritt dazwiſchen). 
Kamerad, laſſ' Er das unterwegen. 


Zweiter Jäger. 
Wer, Henker! hat ſich da drein zu legen! 


Dragoner. 
Ich will's Ihm nur ſagen, die Dirn' iſt mein. 


Erſter Jäger. 

Der will ein Schätzchen für ſich allein! 

Dragoner, iſt Er bei Troſte! Sag' Er! 
Zweiter Jäger. 

Will was Apartes haben im Lager. 

Einer Dirne ſchön Geſicht 

Muß allgemein ſein, wie 's Sonnenlicht! (sige fie.) 

Dragoner (reißt fie weg). 

Ich ſag's noch einmal, das leid' ich nicht. 
Erſter Jäger. 

Luſtig! luſtig! da kommen die Prager! 
Zweiter Jäger. 

Sucht Er Händel? Ich bin dabei. 


Wachtmeiſter. 
Fried', ihr Herren! Ein Kuß iſt frei! 


485 


490 


495 


500 


505 


510 


32 Wallenſteins Lager 


Achter Auftritt 


Bergknappen treten auf und ſpielen einen Walzer, erſt langſam und 
dann immer geſchwinder. Der erſte Jäger tanzt mit der Aufwärterin, 
die Marketenderin mit dem Rekruten; das Mädchen entſpringt, der 
Jäger hinter ihr her und bekommt den Kapuziner zu faſſen, der eben 
hereintritt. 
Kapuziner. 
Heiſa, juchheia! Dudeldumdei! 
Das geht ja hoch her. Bin auch dabei! 
Iſt das eine Armee von Chriſten? 
Sind wir Türken? ſind wir Antibaptiſten? 
Treibt man ſo mit dem Sonntag Spott, 
Als hätte der allmächtige Gott 
Das Chiragra, könnte nicht drein ſchlagen? 
Iſt's jetzt Zeit zu Saufgelagen? 
Zu Banketten und Feiertagen? 
Quid hic statis otiosi? 
Was jteht ihr und legt die Hände in Schoß? 
Die Kriegsfuri iſt an der Donau los, 
Das Bollwerk des Bayerlands iſt gefallen, 
Regenſpurg iſt in des Feindes Krallen, 
Und die Armee liegt hier in Böhmen, 
Pflegt den Bauch, läßt ſich's wenig grämen, 
Kümmert ſich mehr um den Krug als den Krieg, 
Wetzt lieber den Schnabel als den Sabel, 
Hetzt ſich lieber herum mit der Dirn', 
Frißt den Ochſen lieber als den Oxenſtirn. 
Die Chriſtenheit trauert in Sack und Aſche, 
Der Soldat füllt ſich nur die Taſche. 
Es iſt eine Zeit der Tränen und Not, 
Am Himmel geſchehen Zeichen und Wunder, 
Und aus den Wolken, blutigrot, 
Hängt der Herrgott den Kriegsmantel runter. 
Den Kometen ſteckt er wie eine Rute 


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Achter Auftritt 33 


Drohend am Himmelsfenſter aus, 

Die ganze Welt iſt ein Klagehaus, 

Die Arche der Kirche ſchwimmt in Blute, 

Und das römiſche Reich — daß Gott erbarm! 
Sollte jetzt heißen römiſch Arm, 

Der Rheinſtrom iſt worden zu einem Peinſtrom, 
Die Klöſter ſind ausgenommene Neſter, 

Die Bistümer ſind verwandelt in Wüſttümer, 
Die Abteien und die Stifter — 

Sind nun Raubteien und Diebesklüfter, 

Und alle die geſegneten deutſchen Länder 

Sind verkehrt worden in Elender — 

Woher kommt das? das will ich euch verkünden: 
Das ſchreibt ſich her von euern Laſtern und Sünden, 
Von dem Greuel und Heidenleben, 

Dem ſich Offtzier und Soldaten ergeben. 

Denn die Sünd' iſt der Magnetenſtein, 

Der das Eiſen ziehet ins Land herein. 

Auf das Unrecht, da folgt das Übel, 


Wie die Tran” auf den herben Zwiebel, 


Hinter dem A kömmt gleich das Weh, 
Das iſt die Ordnung im ABC. 

Ubi erit victoriae spes, 
Si offenditur Deus? Wie ſoll man ſiegen, 
Wenn man die Predigt ſchwänzt und die Meß, 
Nichts tut, als in den Weinhäuſern liegen? 
Die Frau in dem Evangelium N 
Fand den verlornen Groſchen wieder, 
Der Saul ſeines Vaters Eſel wieder, 
Der Joſeph ſeine ſaubern Brüder; 
Aber wer bei den Soldaten ſucht 
Die Furcht Gottes und die gute Zucht 
Und die Scham, der wird nicht viel finden, 
Tät' er auch hundert Laternen anzünden. 
Schillers Werke. V. 3 


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5 


co 


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34 


Wallenſteins Lager 


Zu dem Prediger in der Wüſten, 
Wie wir leſen im Evangeliſten, 
Kamen auch die Soldaten gelaufen, 
Taten Buß und ließen ſich taufen, 
Fragten ihn: Quid faciemus nos? 
Wie machen wir's, daß wir kommen in Abrahams Schoß? 
Et ait illis, und er ſagt: 
Neminem concutiatis, g 
Wenn ihr niemanden ſchindet und plackt; 
Neque calumniam_faciatis, } 
Niemand verläſtert, auf niemand lügt. 
Contenti estote, euch begnügt, 
Stipendiis vestris, mit eurer Löhnung 
Und verflucht jede böſe Angewöhnung. 
Es iſt ein Gebot: Du ſollt den aa 

n 


Deines Herrgotts nicht eitel auskrame 


Und wo hört man mehr blasphemieren 

Als hier in den Friedländiſchen Kriegsquartieren? 
Wenn man für jeden Donner und Blitz, 
Den ihr losbrennt mit eurer Zungenſpitz, 
Die Glocken müßt' läuten im Land umher, 
Es wär' bald kein Meßner zu finden mehr. 
Und wenn euch für jedes böſe Gebet, 

Das aus eurem ungewaſchnen Munde geht, 
Ein Härlein ausging' aus eurem Schopf, 
Über Nacht wär' er geſchoren glatt, 

Und wär' er ſo dick wie Abſalons Zopf. 

Der Joſua war doch auch ein Soldat, 

König David erſchlug den Goliath, 

Und wo ſteht denn geſchrieben zu leſen, 

Daß ſie ſolche Fluchmäuler ſind geweſen? 
Muß man den Mund doch, ich ſollte meinen, 
Nicht weiter aufmachen zu einem Helf Gott! 
Als zu einem Kreuz Sackerlot! 


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Achter Auftritt 


Aber weſſen das Gefäß iſt gefüllt, 
Davon es ſprudelt und überquillt. 
Wieder ein Gebot iſt: Du ſollt nicht ſtehlen. 
Ja, das befolgt ihr nach dem Wort, 
Denn ihr tragt alles offen fort; 
Vor euren Klauen und Geiersgriffen, 
Vor euren Praktiken und böſen Kniffen 
Iſt das Geld nicht geborgen in der Truh, 
Das Kalb nicht ſicher in der Kuh, 
Ihr nehmt das Ei und das Huhn dazu. 
Was ſagt der Prediger? Contenti estote, 
Begnügt euch mit eurem Kommißbrote. 
Aber wie ſoll man die Knechte loben, 
Kömmt doch das Argernis von oben! 
Wie die Glieder, ſo auch das Haupt! 
Weiß doch niemand, an wen der glaubt! 
Grifter Jäger. 
Herr Pfaff! Uns Soldaten mag Er ſchimpfen, 
Den Feldherrn ſoll Er uns nicht verunglimpfen. 


Kapuziner. 
Ne custodias gregem meam! 
Das iſt ſo ein Ahab und Jerobeam, 
Der die Völker von der wahren Lehren 
Zu falſchen Götzen tut verkehren. 


Trompeter und Rekrut. 
Laſſ' Er uns das nicht zweimal hören! 
Kapuziner. 
So ein Bramarbas und Eiſenfreſſer, 
Will einnehmen alle feſten Schlöſſer. 
Rühmte ſich mit ſeinem gottloſen 1 
Er müſſe haben die Stadt t Straljund, / 


Und wär' fie mit Ketten an den Himmel geſchloſſen. 


Hat aber ſein Pulver umſonſt verſchoſſen. 


36 Wallenſteins Lager 


Trompeter. 
Stopft ihm keiner fein Läſtermaul? 


Kapuziner. 
So ein Teufelsbeſchwörer und König Saul, 
610 So ein Jehu und Holofern, 
Verleugnet wie Petrus ſeinen Meiſter und Herrn, 
Drum kann er den Hahn nicht hören krähn — 


Beide Züger. 
Pfaffe, jetzt iſt's um dich geſchehn! 


Kapuziner. 
So ein liſtiger Fuchs Herodes — 


Trompeter und beide Jäger (auf ihn eindringend). 
615 Schweig ſtille! Du biſt des Todes. 


Kroaten (egen ſich drein). 
Bleib da, Pfäfflein, fürcht' dich nit, 
Sag' dein Sprüchel und teil's uns mit. 


Kapuziner (jdreit lauter). 

So ein hochmütiger Nebukadnezer, 

So ein Sündenvater und muffiger Ketzer, 
6200 Läßt ſich nennen den Wallenſtein, 

Ja freilich iſt er uns allen ein Stein 

Des Anſtoßes und Wrgernijfes, 

Und ſo lang' der Kaiſer dieſen Friedeland 

Läßt walten, ſo wird nicht Fried' im Land. 


(Er hat nach und nach bei den letzten Worten, die er mit erhobener Stimme 
ſpricht, ſeinen Rückzug genommen, indem die Kroaten die übrigen Sol— 
daten von ihm abwehren.) 


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§35 


640 


37 
Neunter Auftritt 


Vorige ohne den Kapuziner. 
Erſter Jäger (zum Wachtmeiſter). 
Sagt mir! Was meint' er mit dem Göckelhahn, 
Den der Feldherr nicht krähen hören kann? 
Es war wohl nur ſo geſagt ihm zum Schimpf und Hohne? 
Wachtmeiſter. 
Da will ich Euch dienen! Es iſt nicht ganz ohne! 
Der Feldherr iſt wunderſam geboren, 
Beſonders hat er gar kitzligte Ohren. 
Kann die Katze nicht hören mauen, 
Und wenn der Hahn kräht, ſo macht's ihm Grauen. 
Erſter Jäger. 
Das hat er mit dem Löwen gemein. 
Wachtmeiſter. 
Muß alles mausſtill um ihn ſein. 
Den Befehl haben alle Wachen, 
Denn er denkt gar zu tiefe Sachen. 
Stimmen (im Zelt. Auflauf). 
Greift ihn, den Schelm! Schlagt zu! Schlagt zu. 
Des Bauern Stimme. 
Hilfe! Barmherzigkeit! 
Andre Stimmen. 
Friede! Ruh! 
Erſter Jäger. 
Hol' mich der Teufel! Da ſetzt's Hiebe. 
Zweiter Jäger. 
Da muß ich dabei ſein! 
(Laufen ins Zelt.) 
Marketenderin (tommt heraus). 
Schelmen und Diebe! 
Trompeter. 
Frau Wirtin, was ſetzt Euch ſo in Eifer? 


. 


Orr nm 
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38 Wallenſteins Lager 


Marketenderin. 
Der Lump! der Spitzbub! der Straßenläufer! 
Das muß mir in meinem Zelt paſſieren! 
Es beſchimpft mich bei allen Herrn Offizieren. 
Wachtmeiſter. 
646 Bäschen, was gibt's denn? 
Marketenderin. 
Was wird's geben? 
Da erwiſchten ſie einen Bauer eben, 
Der falſche Würfel tät bei ſich haben. 


Trompeter. 
Sie bringen ihn hier mit ſeinem Knaben. 


Zehnter Auftritt 
Soldaten bringen den Bauer geſchleppt. 


Erſter Jäger. 
Der muß baumeln! 
Scharfſchützen und Dragoner. 
Zum Profoß! zum Profoß! 
Wachtmeiſter. 
60 Das Mandat iſt noch kürzlich ausgegangen. 
Marketenderin. 
In einer Stunde ſeh' ich ihn hangen! 
Wachtmeiſter. 
Böſes Gewerbe bringt böſen Lohn. 
Erſter Arkebuſter (zum andern). 
Das kommt von der Deſperation. 
Denn ſeht! erſt tut man ſie ruinieren, 
655 Das heißt jie zum Stehlen ſelbſt verführen. 


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Eilfter Auftritt 39 


Trompeter. 
Was? was? Ihr red't ihm das Wort noch gar? 
Dem Hunde! tut Euch der Teufel plagen? 
Erſter Arkebuſter. 
Der Bauer iſt auch ein Menſch — ſo zu ſagen. 
Erſter Jäger (zum Trompeter). 
Laß ſie gehen! ſind Tiefenbacher, 
Gevatter Schneider und Handſchuhmacher! 
Lagen in Garniſon zu Brieg, 
Wiſſen viel, was der Brauch iſt im Krieg. 


Eilfter Auftritt 
Vorige. Küraſſiere. 


Erſter Küraſſier. 
Friede! Was gibt's mit dem Bauer da? 


Erſter Scharfſchütz. 

's iſt ein Schelm, hat im Spiel betrogen! 
Erſter Küraſſier. 

Hat er dich betrogen etwa? 


Erſter Scharfſchütz. 

Ja, und hat mich rein ausgezogen. 
Erſter Küraſſier. 

Wie? du biſt ein Friedländiſcher Mann, 

Kannſt dich ſo wegwerfen und blamieren, 

Mit einem Bauer dein Glück probieren? 

Der laufe, was er laufen kann. 

(Bauer entwiſcht, die andern treten zuſammen.) 

Erſter Arkebuſter. 

Der macht kurze Arbeit, iſt reſolut, 

Das iſt mit ſolchem Volke gut. 

Was iſt's für einer? Es iſt kein Böhm. 


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Wallenſteins Lager 


Marketenderin. 
's iſt ein Wallon! Reſpekt vor dem! 
Von des Pappenheims Küraſſieren. 


Erſter Dragoner (tritt dazu). 


Der Piccolomini, der junge, tut ſie jetzt führen. 


Den haben ſie ſich aus eigner Macht 
Zum Oberſt geſetzt in der Lützner Schlacht, 
Als der Pappenheim umgekommen. 


Erſter Arkebuſter. 
Haben fie ſich jo was 'rausgenommen? 


Erſter Dragoner. 
Dies Regiment hat was voraus, 
Es war immer voran bei jedem Strauß. 


Darf auch ſeine eigene Juſtiz ausüben, 


Und der Friedländer tut's beſonders lieben. 


Erſter Küraſſier (zum andern). 
Iſt's auch gewiß? Wer bracht' es aus? 


Zweiter Küraſſier. 
Ich hab's aus des Oberſts eigenem Munde. 


Erſter Küraſſier. 
Was Teufel! Wir ſind nicht ihre Hunde. 


Erſter Jäger. 
Was haben die da? ſind voller Gift. 


Zweiter Jäger. 
Iſt's was, ihr Herrn, das uns mit betrifft? 
Erſter Küraſſier. 
Es hat ſich keiner drüber zu freuen. 
(Soldaten treten herzu.) 
Sie wollen uns in die Niederland' leihen; 
Küraſſiere, Jäger, reitende Schützen, 
Sollen achttauſend Mann aufſitzen. 


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Eilfter Auftritt 


Marketenderin. 
Was? was? da ſollen wir wieder wandern? 
Bin erſt ſeit geſtern zurück aus Flandern. 


Zweiter Küraſſier (zu den Dragonern). 
Ihr Buttleriſchen ſollt auch mitreiten. 


Erſter Küraſſier. 
Und abſonderlich wir Wallonen. 


Marketenderin. 
Ei, das ſind ja die allerbeſten Schwadronen! 
Erſter Küraſſier. 
Den aus Mailand ſollen wir hinbegleiten. 
Erſter Jäger. 
Den Infanten! Das iſt ja kurios! 


Zweiter Jäger. 
Den Pfaffen! Da geht der Teufel los. 


Erſter Küraſſier. 
Wir ſollen von dem Friedländer laſſen, 
Der den Soldaten ſo nobel hält, 
Mit dem Spanier ziehen zu Feld, 
Dem Knauſer, den wir von Herzen haſſen? 
Nein, das geht nicht! Wir laufen fort. 

Trompeter. 

Was, zum Henker! ſollen wir dort? 


Dem Kaiſer verkauften wir unſer Blut 
Und nicht dem hiſpaniſchen roten Hut. 


Zweiter Jäger. 


Auf des Friedländers Wort und Kredit allein 
Haben wir Reitersdienſt genommen; 


Wär's nicht aus Lieb' für den Wallenſtein, 


Der Ferdinand hätt' uns nimmer bekommen. 


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42 Wallenſteins Lager 


Erſter Dragoner. 
Tät uns der Friedländer nicht formieren? 
Seine Fortuna ſoll uns führen. 


Wachtmeiſter. 
Laßt euch bedeuten, hört mich an. 
Mit dem Gered' da iſt's nicht getan. 
Ich ſehe weiter als ihr alle, 
Dahinter ſteckt eine böſe Falle. 
Erſter Jäger. 
Hört das Befehlbuch! Stille doch! 
Wachtmeiſter. 
Bäschen Guſtel, füllt mir erſt noch 
Ein Gläschen Melnecker für den Magen, 
Alsdann will ich euch meine Gedanken ſagen. 


Marketenderin (ihm einſchenkend). 
Hier, Herr Wachtmeiſter! Er macht mir Schrecken. 
Es wird doch nichts Böſes dahinter ſtecken! 


Wachtmeiſter. 
Seht, ihr Herrn, das iſt all recht gut, 
Daß jeder das Nächſte bedenken tut; 
Aber, pflegt der Feldherr zu ſagen, 
Man muß immer das Ganze überſchlagen. 
Wir nennen uns alle des Friedländers Truppen. 
Der Bürger, er nimmt uns ins Quartier 
Und pflegt uns und kocht uns warme Suppen. 
Der Bauer muß den Gaul und den Stier 
Vorſpannen an unſre Bagagewagen, 
Vergebens wird er ſich drüber beklagen. 
Läßt ſich ein Gefreiter mit ſieben Mann 
In einem Dorfe von weitem ſpüren, 
Er iſt die Obrigkeit drin und kann 
Nach Luſt drin walten und kommandieren. 
Zum Henker! Sie mögen uns alle nicht 


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Eilfter Auftritt 43 


Und ſähen des Teufels ſein Angeſicht 
Weit lieber als unſre gelben Kolletter. 


Warum ſchmeißen ſie uns nicht aus dem Land? Potz Wetter! 


Sind uns an Anzahl doch überlegen, 

Führen den Knittel, wie wir den Degen. 
Warum dürfen wir ihrer lachen? 

Weil wir einen furchtbaren Haufen ausmachen! 


Erſter Jäger. 
Ja, ja, im Ganzen, da ſitzt die Macht! 
Der Friedländer hat das wohl erfahren, 
Wie er dem Kaiſer vor acht — neun Jahren 
Die große Armee zuſammenbracht. 
Sie wollten erſt nur von zwölftauſend hören: 
Die, ſagt' er, die kann ich nicht ernähren; 
Aber ich will ſechzigtauſend werben, 
Die, weiß ich, werden nicht Hungers ſterben. 
Und ſo wurden wir Wallenſteiner. 


Wachtmeiſter. 
Zum Exempel, da hack' mir einer 
Von den fünf Fingern, die ich hab', 
Hier an der Rechten den kleinen ab. 
Habt ihr mir den Finger bloß genommen? 
Nein, beim Kuckuck! ich bin um die Hand gekommen! 
's iſt nur ein Stumpf und nichts mehr wert. 
Ja, und dieſe achttauſend Pferd, 
Die man nach Flandern jetzt begehrt, 
Sind von der Armee nur der kleine Finger. 
Läßt man ſie ziehn, ihr tröſtet euch, 
Wir ſeien um ein Fünftel nur geringer? 
Proſ't Mahlzeit! da fällt das Ganze gleich. 
Die Furcht iſt weg, der Reſpekt, die Scheu, 
Da ſchwillt dem Bauer der Kamm aufs neu, 
Da ſchreiben ſie uns in der Wiener Kanzlei 


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44 Wallenſteins Lager 


Den Quartier- und den Küchenzettel, 
Und es iſt wieder der alte Bettel. 
Ja, und wie lang' wird's ſtehen an, 
So nehmen ſie uns auch noch den Feldhauptmann — 
Sie ſind ihm am Hofe ſo nicht grün, 
Nun, da fällt eben alles hin! 
Wer hilft uns dann wohl zu unſerm Geld? 
Sorgt, daß man uns die Kontrakte hält? 
Wer hat den Nachdruck und hat den Verſtand, 
Den ſchnellen Witz und die feſte Hand, 
Dieſe geſtückelten Heeresmaſſen 
Zuſammen zu fügen und zu paſſen? 
Zum Exempel — Dragoner — ſprich: 
Aus welchem Vaterland ſchreibſt du dich? 
Erſter Dragoner. 
Weit aus Hibernien her komm' ich. 
Wachtmeiſter (zu den beiden Küraſſieren). 
Ihr, das weiß ich, ſeid ein Wallon, 
Ihr ein Welſcher. Man hört's am Ton. 
Erſter Küraſſier. 
Wer ich bin? ich hab's nie können erfahren, 
Sie ſtahlen mich ſchon in jungen Jahren. 
Wachtmeiſter. 
Und du biſt auch nicht aus der Näh? 
Erſter Arkebuſter. 
Ich bin von Buchau am Feder-See. 
Wachtmeiſter. 
Und Ihr, Nachbar? 
Zweiter Arkebuſier. 
Aus der Schwitz. 
Wachtmeiſter (zum zweiten Jäger). 
Was für ein Landsmann biſt du, Jäger? 


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Eilfter Auftritt 


Zweiter Jäger. 

Hinter Wismar iſt meiner Eltern Sitz. 

Wachtmeiſter (auf den Trompeter zeigend). 
Und der da und ich, wir ſind aus Eger. 
Nun! und wer merkt uns das nun an, 
Daß wir aus Süden und aus Norden 
Zuſammen geſchneit und geblaſen worden? 
Sehn wir nicht aus wie aus einem Span? 
Stehn wir nicht gegen den Feind geſchloſſen, 
Recht wie zuſammen geleimt und gegoſſen? 
Greifen wir nicht wie ein Mühlwerk flink 
In einander, auf Wort und Wink? 
Wer hat uns ſo zuſammengeſchmiedet, 
Daß ihr uns nimmer unterſchiedet? 
Kein andrer ſonſt als der Wallenſtein! 


Erſter Jäger. 
Das fiel mir mein Lebtag nimmer ein, 
Daß wir jo gut zuſammen paſſen; 
Hab' mich immer nur gehen laſſen. 
Erſter Küraſſier. 
Dem Wachtmeiſter muß ich Beifall geben. 
Dem Kriegsſtand kämen ſie gern ans Leben; 
Den Soldaten wollen ſie nieder halten, 
Daß ſie alleine können walten. 
's iſt eine Verſchwörung, ein Komplott. 
Marketenderin. 
Eine Verſchwörung? du lieber Gott! 
Da können die Herren ja nicht mehr zahlen. 
Wachtmeiſter. 
Freilich! Es wird alles bankerott. 
Viele von den Hauptleuten und Generalen 
Stellten aus ihren eignen Kaſſen 
Die Regimenter, wollten ſich ſehen laſſen, 


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46 


— 


Wallenſteins Lager 


Täten ſich angreifen über Vermögen, 
Dachten, es bring' ihnen großen Segen. 
Und die alle ſind um ihr Geld, 

Wenn das Haupt, wenn der Herzog fällt. 


Marketenderin. 
Ach! du mein Heiland! das bringt mir Fluch! 


Die halbe Armee ſteht in meinem Buch. 


Der Graf Iſolani, der böſe Zahler, 

Reſtiert mir allein noch zweihundert Taler. 
Erſter Küraſſier. 

Was iſt da zu machen, Kameraden? 


Es iſt nur eins, was uns retten kann: 


Verbunden können ſie uns nichts ſchaden, 


Wir ſtehen alle für einen Mann. 

Laßt ſie ſchicken und ordenanzen, 

Wir wollen uns feſt in Böhmen pflanzen, 
Wir geben nicht nach und marſchieren nicht, 
Der Soldat jetzt um ſeine Ehre ficht. 


Zweiter Züger. 
Wir laſſen uns nicht ſo im Land 'rum führen! 
Sie ſollen kommen und ſollen's probieren! 


Erſter Arkebuſter. 


Liebe Herren, bedenkt's mit Fleiß, 
's iſt des Kaiſers Will' und Geheiß. 
Trompeter. 
Werden uns viel um den Kaiſer ſcheren. 
Erſter Arkebuſter. 
Laſſ' Er mich das nicht zweimal hören. 


Trompeter. 
's iſt aber doch ſo, wie ich geſagt. 


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Eilfter Auftritt 47 


Erſter Jäger. 
Ja, ja, ich hört's immer ſo erzählen, 
Der Friedländer hab' hier allein zu befehlen. 


Wachtmeiſter. 


So iſt's auch, das iſt fein Beding und Pakt. 
Abſolute Gewalt hat er, müßt ihr wiſſen, 


Krieg zu führen und Frieden zu ſchließen, 
Geld und Gut kann er konfiſzieren, 

Kann henken laſſen und pardonieren, 
Offiziere kann er und Oberſten machen, 
Kurz, er hat alle die Ehrenſachen. 

Das hat er vom Kaiſer eigenhändig. 


Erſter Arkebuſter. 
Der Herzog iſt gewaltig und hochverſtändig; 
Aber er bleibt doch, ſchlecht und recht, 
Wie wir alle, des Kaiſers Knecht. 


Wachtmeiſter. 
Nicht wie wir alle! das wißt Ihr ſchlecht. 
Er iſt ein unmittelbarer und freier 
Des Reiches Fürſt, ſo gut wie der Bayer. 
Sah ich's etwa nicht ſelbſt mit an, 
Als ich zu Brandeis die Wach' getan, 
Wie ihm der Kaiſer ſelbſten erlaubt, 
Zu bedecken ſein fürſtlich Haupt? 


Erſter Arkebuſter. 
Das war für das Mecklenburger Land, 
Das ihm der Kaiſer verſetzt als Pfand. 
Erſter Jäger (zum Wachtmeiſter). 
Wie? In des Kaiſers Gegenwart? 
Das iſt doch ſeltſam und ſehr apart! 
Wachtmeiſter (jährt in die Taſche). 
Wollt ihr mein Wort nicht gelten laſſen, 


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Wallenſteins Lager 


Sollt ihr's mit Händen greifen und faſſen. 
(Eine Münze zeigend.) 
Wes iſt das Bild und Gepräg? 


Marketenderin. 
Weiſt her! 
Ei, das iſt ja ein Wallenſteiner! 


Wachtmeiſter. 


Na! da habt ihr's, was wollt ihr mehr? 


Iſt er nicht Fürſt ſo gut als einer? 

Schlägt er nicht Geld, wie der Ferdinand? 

Hat er nicht eigenes Volk und Land? 

Eine Durchlauchtigkeit läßt er ſich nennen! 

Drum muß er Soldaten halten können. 
Erſter Arkebuſter. 

Das disputiert ihm niemand nicht. 

Wir aber ſtehn in des Kaiſers Pflicht, 

Und wer uns bezahlt, das iſt der Kaiſer. 

Trompeter. 

Das leugn' ich Ihm, ſieht Er, ins Angeſicht. 

Wer uns nicht zahlt, das iſt der Kaiſer! 

Hat man uns nicht ſeit vierzig Wochen 

Die Löhnung immer umſonſt verſprochen? 


Erſter Arkebuſter. 
Ei was! das ſteht ja in guten Händen. 
Erſter Küraſſier. 
Fried', ihr Herrn! Wollt ihr mit Schlägen enden? 
Iſt denn darüber Zank und Zwiſt, 
Ob der Kaiſer unſer Gebieter iſt? 
Eben drum, weil wir gern in Ehren 
Seine tüchtigen Reiter wären, 
Wollen wir nicht ſeine Herde ſein, 
Wollen uns nicht von den Pfaffen und Schranzen 
Herum laſſen führen und verpflanzen. 


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Eilfter Auftritt 


Sagt ſelber! Kommt's nicht dem Herrn zu gut, 
Wenn ſein Kriegsvolk was auf ſich halten tut? 
Wer anders macht ihn als ſeine Soldaten 

Zu dem großmächtigen Potentaten? 

Verſchafft und bewahrt ihm weit und breit 

Das große Wort in der Chriſtenheit? 

Mögen ſich die ſein Joch aufladen, 

Die miteſſen von ſeinen Gnaden, 

Die mit ihm tafeln im goldnen Zimmer. 

Wir, wir haben von ſeinem Glanz und Schimmer 
Nichts als die Müh und als die Schmerzen 
Und wofür wir uns halten in unſerm Herzen. 


Zweiter Jäger. 
Alle großen Tyrannen und Kaiſer 
Hielten's ſo und waren viel weiſer. 
Alles andre täten ſie hudeln und ſchänden, 
Den Soldaten trugen ſie auf den Händen. 


Erſter Küraſſier. 
Der Soldat muß ſich können fühlen. 
Wer's nicht edel und nobel treibt, 
Lieber weit von dem Handwerk bleibt. 


Soll ich friſch um mein Leben ſpielen, 


Muß mir noch etwas gelten mehr. 
Oder ich laſſe mich eben ſchlachten 
Wie der Kroat — und muß mich verachten. 


Beide Jäger. 
Ja, übers Leben noch geht die Ehr'! 


Erſter Küraſſier. 
Das Schwert iſt kein Spaten, kein Pflug, 
Wer damit ackern wollte, wäre nicht klug. 
Es grünt uns kein Halm, es wächſt keine Saat, 
Schillers Werke. v. 4 


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Wallenſteins Lager 


Ohne Heimat muß der Soldat 

Auf dem Erdboden flüchtig ſchwärmen, 
Darf ſich an eignem Herd nicht wärmen, 
Er muß vorbei an der Städte Glanz, 
An des Dörfleins luſtigen, grünen Auen, 
Die Traubenleſe, den Erntekranz 


Muß er wandernd von ferne ſchauen. 


Sagt mir, was hat er an Gut und Wert, 
Wenn der Soldat ſich nicht ſelber ehrt? 
Etwas muß er ſein eigen nennen, 


Oder der Menſch wird morden und brennen. 


Erſter Arkebuſter. 
Das weiß Gott, 's iſt ein elend Leben! 


Erſter Küraſſier. 
Möcht's doch nicht für ein andres geben. 
Seht, ich bin weit in der Welt 'rum kommen, 
Hab' alles in Erfahrung genommen. 
Hab' der hiſpaniſchen Monarchie 
Gedient und der Republik Venedig 
Und dem Königreich Napoli, 
Aber das Glück war mir nirgends gnädig. 
Hab' den Kaufmann geſehn und den Ritter 
Und den Handwerksmann und den Jeſuiter, 
Und kein Rock hat mir unter allen 
Wie mein eiſernes Wams gefallen. 


Erſter Arkebuſter. 
Ne! das kann ich eben nicht ſagen. 

Erſter Küraſſier. 
Will einer in der Welt was erjagen, 
Mag er ſich rühren und mag ſich plagen; 
Will er zu hohen Ehren und Würden, 
Bück' er ſich unter die goldnen Bürden. 


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965 


970 


975 


Eilfter Auftritt 51 


Will er genießen den Vaterſegen, 
Kinder und Enkelein um ſich pflegen, 
Treib' er ein ehrlich Gewerb in Ruh. 
Ich — ich hab' kein Gemüt dazu. 


Frei will ich leben und alſo ſterben, 


Niemand berauben und niemand beerben 


Und auf das Gehudel unter mir 


Leicht wegſchauen von meinem Tier. 


Erſter Jäger. 
Bravo! Juſt ſo ergeht es mir. 


Erſter Arkebuſter. 
Luſtiger freilich mag ſich's haben, 
Über anderer Köpf' wegtraben. 


Erſter Küraſſier. 
Kamerad, die Zeiten ſind ſchwer, 
Das Schwert iſt nicht bei der Wage mehr; 
Aber ſo mag mir's keiner verdenken, 
Daß ich mich lieber zum Schwert will lenken. 
Kann ich im Krieg mich doch menſchlich faſſen, 
Aber nicht auf mir trommeln laſſen. 


Erſter Arkebuſter. 
Wer iſt dran ſchuld als wir Soldaten, 
Daß der Nährſtand in Schimpf geraten? 
Der leidige Krieg und die Not und Plag' 
In die ſechzehn Jahr' ſchon währen mag. 


Erſter Küraſſier. 
Bruder, den lieben Gott da droben, 
Es können ihn alle zugleich nicht loben. 
Einer will die Sonn', die den andern beſchwert; 
Dieſer will's trocken, was jener feucht begehrt. 
Wo du nur die Not ſiehſt und die Plag', 
Da ſcheint mir des Lebens heller Tag. 


52 


980 


985 


990 


995 


1000 


Wallenſteins Lager 


Geht's auf Koſten des Bürgers und Bauern, 
Nun wahrhaftig, ſie werden mich dauern; 
Aber ich kann's nicht ändern — ſeht, 

s iſt hier juſt, wie's beim Einhau'n geht: 
Die Pferde ſchnauben und ſetzen an, 

Liege wer will mitten in der Bahn, 

Sei's mein Bruder, mein leiblicher Sohn, 
Zerriß mir die Seele ſein Jammerton, 

Über ſeinen Leib weg muß ich jagen, 

Kann ihn nicht ſachte bei Seite tragen. 


Erſter Jäger. 
Ei, wer wird nach dem andern fragen! 


Erſter Küraſſier. 
Und weil ſich's nun einmal ſo gemacht, 
Daß das Glück dem Soldaten lacht, 
Laßt's uns mit beiden Händen faſſen, 
Lang' werden ſie's uns nicht ſo treiben laſſen. 
Der Friede wird kommen über Nacht, 
Der dem Weſen ein Ende macht; 
Der Soldat zäumt ab, der Bauer ſpannt ein, 
Eh' man's denkt, wird's wieder das alte ſein. 
Jetzt ſind wir noch beiſammen im Land, 


Wir haben 's Heft noch in der Hand; 


Laſſen wir uns auseinander ſprengen, 
Werden ſie uns den Brotkorb höher hängen. 


Erſter Jäger. 
Nein, das darf nimmermehr geſchehn! 
Kommt, laßt uns alle für einen ſtehn. 


Zweiter Jäger. 
Ja, laßt uns Abrede nehmen, hört! 


1005 


1010 


1015 


1020 


Eilfter Auftritt 


Erſter Arkebuſter 
(ein ledernes Beutelchen ziehend, zur Marketenderin). 
Gevatterin, was hab' ich verzehrt? 
Marketenderin. 
Ach! es iſt nicht der Rede wert! 
(Sie rechnen.) 
Trompeter. 
Ihr tut wohl, daß ihr weiter geht, 
Verderbt uns doch nur die Sozietät. 
(Arkebuſiere gehen ab.) 


Erſter Küraſſier. 


Schad' um die Leut'! Sind ſonſt wackre Brüder. 


Erſter Jäger. 
Aber das denkt wie ein Seifenſieder. 


Zweiter Jäger. 
Jetzt ſind wir unter uns, laßt hören, 
Wie wir den neuen Anſchlag ſtören. 
Trompeter. 
Was? wir gehen eben nicht hin. 


Erſter Küraſſier. 
Nichts, ihr Herrn, gegen die Diſziplin! 
Jeder geht jetzt zu ſeinem Korps, 
Trägt's den Kameraden vernünftig vor, 
Daß ſie's begreifen und einſehn lernen. 
Wir dürfen uns nicht ſo weit entfernen. 
Für meine Wallonen ſag' ich gut. 
So, wie ich, jeder denken tut. 


Wachtmeiſter. 
Terſchkas Regimenter zu Roß und Fuß 
Stimmen alle in dieſen Schluß. 


Zweiter Küraſſier (ſteut ſich zum erſten). 
Der Lombard ſich nicht vom Wallonen trennt. 


53 


54 Wallenſteins Lager 


Erſter Jäger. 
A Beet iſt Jägers Element. 
Zweiter Jüger. 
Freiheit iſt bei der Macht allein: 
Ich leb' und ſterb' bei dem Wallenſtein. 
Erſter Scharfſchütz. 
1025 Der Lothringer geht mit der großen Flut, 
Wo der leichte Sinn iſt und luſtiger Mut. 


Dragoner. 
Der Irländer folgt des Glückes Stern. 


Zweiter Scharfſchütz. 


Der Tiroler dient nur dem Landesherrn. 


Erſter Küraſſier. 
Alſo laßt jedes Regiment 
1030 Ein Pro memoria reinlich ſchreiben: 
Daß wir zuſammen wollen bleiben, 
Daß uns keine Gewalt noch Liſt 
Von dem Friedländer weg ſoll treiben, 
Der ein Soldatenvater iſt. 
1035 Das reicht man in tiefer Devotion 
Dem Piccolomini — ich meine den Sohn — 
Der verſteht ſich auf ſolche Sachen, 
Kann bei dem Friedländer alles machen, 
Hat auch einen großen Stein im Bret 
1040 Bei des Kaiſers und Königs Majeſtät. 


Zweiter Jäger. 
Kommt! Dabei bleibt's! Schlagt alle ein! 
Piccolomini ſoll unſer Sprecher ſein. 
Trompeter, Dragoner, Erſter Jäger, Zweiter Küraſſier, 
Scharfſchützen (zugleich). 


Piccolomini ſoll unſer Sprecher ſein. 
(Wollen fort.) 


Eilfter Auftritt 55 


Wachtmeiſter. 
Erſt noch ein Gläschen, Kameraden! 
(Trinkt.) 


1045 Des Piccolomini hohe Gnaden! 


Marketenderin (bringt eine Flaſche). 
Das kommt nicht aufs Kerbholz. Ich geb' es gern. 
Gute Verrichtung, meine Herrn! 


ö Küraſſiere. 
Der Wehrſtand ſoll leben! 


Beide Jäger. 
Der Nährſtand ſoll geben! 


Dragoner und Scharfſchützen. 
1050 Die Armee ſoll florieren! 


Trompeter und Wachtmeiſter. 
Und der Friedländer ſoll ſie regieren. 


Zweiter Küraſſier (fingt). 
Wohl auf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd! 
Ins Feld, in die Freiheit gezogen! 
Im Felde, da iſt der Mann noch was wert, 
105 ́ Da wird das Herz noch gewogen. 
ö a tritt kein anderer für ihn ein, 
(Auf ſich ſelber ſteht er da ganz allein. 


(Die Soldaten aus dem Hintergrunde haben ſich während des Geſangs 
herbeigezogen und machen den Chor.) 


Chor. 
Da tritt kein anderer für ihn ein, 
Auf ſich ſelber ſteht er da ganz allein. 


Dragoner. 
100 Aus der Welt die Freiheit verſchwunden iſt, 
Man ſieht nur Herren und Knechte, 


56 Wallenſteins Lager 


Die Falſchheit herrſchet, die Hinterliſt 

Bei dem feigen Menſchengeſchlechte. 

Der dem Tod ins Angeſicht ſchauen kann, 
1065 Der Soldat allein ijt der freie Mann. 


Chor. 
Der dem Tod ins Angeſicht ſchauen kann, 
Der Soldat allein iſt der freie Mann. 


Erſter Jäger. 
Des Lebens Angſten, er wirft ſie weg, 
Hat nicht mehr zu fürchten, zu ſorgen, 
1070 Er reitet dem Schickſal entgegen keck, 
Trifft's heute nicht, trifft es doch morgen. 
Und trifft es morgen, ſo laſſet uns heut' 
Noch ſchlürfen die Neige der köſtlichen Zeit. 


Chor. 
Und trifft es morgen, ſo laſſet uns heut' 
1075 Noch ſchlürfen die Neige der köſtlichen Zeit. 


(Die Gläſer ſind aufs neue gefüllt worden, ſie ſtoßen an und trinken.) 


Wachtmeiſter. 
Von dem Himmel fällt ihm ſein luſtig Los, 
Braucht's nicht mit Müh zu erſtreben, 
Der Fröner, der ſucht in der Erde Schoß, 
Da meint er den Schatz zu erheben. 
1080 Er gräbt und ſchaufelt, ſo lang' er lebt, 
Und gräbt, bis er endlich ſein Grab ſich gräbt. 


Chor. 
Er gräbt und ſchaufelt, ſo lang' er lebt, 
Und gräbt, bis er endlich ſein Grab ſich gräbt. 


Erſter Jäger. 
Der Reiter und ſein geſchwindes Roß, 
1085 Sie find gefürchtete Gäſte, 


Eilfter Auftritt 57 


Es flimmern die Lampen im Hochzeitſchloß, 
Ungeladen kommt er zum Feſte. 

Er wirbt nicht lange, er zeiget nicht Gold, 

Im Sturm erringt er den Minneſold. 


Chor. 
1090 Er wirbt nicht lange, er zeiget nicht Gold, 
Im Sturm erringt er den Minneſold. 


Zweiter Küraſſier. 
Warum weint die Dirn' und zergrämet ſich ſchier? 
Laß fahren dahin, laß fahren! 
Er hat auf Erden kein bleibend Quartier, 
1096 Kann treue Lieb’ nicht bewahren. 
Das raſche Schickſal, es treibt ihn fort, 
Seine Ruhe läßt er an keinem Ort. 


Chor. 
Das raſche Schickſal, es treibt ihn fort, 
Seine Ruhe läßt er an keinem Ort. 


Erſter Jäger 
(faßt die zwei Nächſten an der Hand, die übrigen ahmen es nach; alle, 
welche geſprochen, bilden einen großen Halbkreis). 


1100 Drum friſch, Kameraden, den Rappen gezäumt, 
Die Bruſt im Gefechte gelüftet! 
Die Jugend brauſet, das Leben ſchäumt, 
Frriſch auf! eh' der Geiſt noch verdüftet. 
Und ſetzet ihr nicht das Leben ein, 
1105 Nie wird euch das Leben gewonnen fein. 


Chor. 
Und ſetzet ihr nicht das Leben ein, 


Nie wird euch das Leben gewonnen ſein. 
(Der Vorhang fällt, ehe der Chor ganz ausgeſungen.) 


3 


Die Piccolomini 


In fünf Aufzügen 


* 


Perſonen 


Wallenſtein, Herzog zu Friedland, kaiſerlicher Generaliſſi— 
mus im Dreißigjährigen Kriege. 
„Octavio Piccolomini, Generalleutnant. 
Max Piccolomini, fein Sohn, Oberſt bei einem Küraſſier⸗ 
regiment. 
Graf Terzky, Wallenſteins Schwager, Chef mehrerer Regi— 
menter. 
„Illo, Feldmarſchall, Wallenſteins Vertrauter. 
Iſolani, General der Kroaten. 
Buttler, Chef eines Dragonerregiments. 
Tiefenbach, 
Don Maradas, 
Götz, 
Colalto, 
Rittmeiſter Neumann, Terzkys Adjutant. 
Kriegsrat von Queſtenberg, vom Kaiſer geſendet. 
—Baptiſta Seni, Aſtrolog. 
Herzogin von Friedland, Wallenſteins Gemahlin. 
Thekla, Prinzeſſin von Friedland, ihre Tochter. 
Gräfin Terzky, der Herzogin Schweſter. 
Ein Kornet. 
Kellermeiſter des Grafen Terzky. 
Friedländiſche Pagen und Bediente. 
Terzkyſche Bediente und Hoboiſten. 
Mehrere Oberſten und Generale. 


Generale unter Wallenſtein. 


Erſter Aufzug 


Ein alter gotiſcher Saal auf dem Rathauſe zu Pilſen, mit 
Fahnen und anderm Kriegsgeräte dekoriert. 


1. Auftritt 
Illo mit Buttler, und Iſolani. 


Allo. 


Spät kommt Ihr — Doch Ihr kommt! Der weite Weg, 
— Graf Iſolan, entſchuldigt Euer Säumen. 


Iſolani. 
Wir kommen auch mit leeren Händen nicht! 
Es ward uns angeſagt bei Donauwerth, 
6 Ein ſchwediſcher Transport fei unterwegs 
Mit Proviant, an die ſechshundert Wagen. — 
Den griffen die Kroaten mir noch auf, 
Wir bringen ihn. 
Allo. 

Er kommt uns grad zu paß, 

Die ſtattliche Verſammlung hier zu ſpeiſen. 


Buttler. 
10 Es iſt ſchon lebhaft hier, ich ſeh's. 


Aſolani. 
Ja, ja, 
Die Kirchen ſelber liegen voll Soldaten, 
(ſich umſchauend) 
Auch auf dem Rathaus, ſeh' ich, habt ihr euch 


15 


20 


25 


80 


85 


Die Piccolomint 


Schon ziemlich eingerichtet — Nun! nun! der Soldat 


Behilft und ſchickt ſich, wie er kann! 


Allo. 
Von dreißig Regimentern haben ſich 
Die Oberſten zuſammen ſchon gefunden, 
Den Terzky trefft Ihr hier, den Tiefenbach, 
Colalto, Götz, Maradas, Hinnerſam, 
Auch Sohn und Vater Piccolomini — 
Ihr werdet manchen alten Freund begrüßen. 
Nur Gallas fehlt uns noch und Altringer. 


Buttler. 
Auf Gallas wartet nicht. 


Allo (nutzt). 
Wie ſo? Wißt Ihr — 


ZJſolani unterbricht ihn). 
Max Piccolomini hier? O! führt mich zu ihm. 
Ich ſeh' ihn noch — es ſind jetzt zehen Jahr — 
Als wir bei Deſſau mit dem Mansfeld ſchlugen, 
Den Rappen ſprengen von der Brücke herab 
Und zu dem Vater, der in Nöten war, 
Sich durch der Elbe reißend Waſſer ſchlagen. 
Da ſproßt' ihm kaum der erſte Flaum ums Kinn, 
Jetzt, hör' ich, ſoll der Kriegsheld fertig ſein. 


Allo. 


Ihr ſollt ihn heut' noch ſehn. Er führt aus Kärnten 


Die Fürſtin Friedland her und die Prinzeſſin, 
Sie treffen dieſen Vormittag noch ein. 


Buttler. 
Auch Frau und Tochter ruft der Fürſt hieher? 
Er ruft hier viel zuſammen. 


40 


45 


50 


Erſter Aufzug. 1. Auftritt 65. 


Aſolani. 
Deſto beſſer. 
Erwartet' ich doch ſchon von nichts als Märſchen 
Und Batterien zu hören und Attaken; 
Und ſiehe da! der Herzog ſorgt dafür, 
Daß auch was Holdes uns das Aug' ergötze. 


Allo 


(der nachdenkend geſtanden, zu Buttlern, den er ein wenig auf die Seite 


führt). 
Wie wißt Ihr, daß Graf Gallas außen bleibt? 


Buttler (mit Bedeutung). 
Weil er auch mich geſucht zurück zu halten. 


Allo (warm). 
Und Ihr ſeid feſt geblieben? 
(Drückt ihm die Hand.) 
Wackrer Buttler! 
Buttler, 
Nach der Verbindlichkeit, die mir der Fürſt 
Noch kürzlich aufgelegt — 


Allo. 
Ja, Generalmajor! Ich gratuliere! 


Aſolani. 
Zum Regiment, nicht wahr, das ihm der Fürſt 
Geſchenkt? Und noch dazu dasſelbe, hör' ich, 
Wo er vom Reiter hat heraufgedient? 
Nun, das iſt wahr! dem ganzen Korps gereicht's 
Zum Sporn, zum Beiſpiel, macht einmal ein alter 
Verdienter Kriegsmann ſeinen Weg. 


Buttler. 
Ich bin verlegen, 
Ob ich den Glückwunſch ſchon empfangen darf, 
— Noch fehlt vom Kaiſer die Beſtätigung. 
Schillers Werke. V. 5 


60 


65 


75 


66 Die Piccolomini 


Aſolani. 
Greif zu! greif zu! Die Hand, die Ihn dahin 
Geſtellt, iſt ſtark genug, Ihn zu erhalten, 
Trotz Kaiſer und Miniſtern. 


Illo. 
Wenn wir alle 
So gar bedenklich wollten ſein! 8 
Der Kaiſer gibt uns nichts — vom Herzog 
Kommt alles, was wir hoffen, was wir haben. 


Zſolani (zu Illo). 
Herr Bruder! Hab' ich's ſchon erzählt? Der Fürſt 
Will meine Kreditoren kontentieren, 
Will ſelber mein Kaſſier ſein künftighin, 
Zu einem ordentlichen Mann mich machen. 
Und das iſt nun das dritte Mal, bedenk' Er! 
Daß mich der Königlichgeſinnte vom 
Verderben rettet und zu Ehren bringt. 


Allo. 
Könnt' er nur immer, wie er gerne wollte! 
Er ſchenkte Land und Leut an die Soldaten. 
Doch wie verkürzen ſie in Wien ihm nicht den Arm, 
Beſchneiden, wo ſie können, ihm die Flügel! — 
Da! dieſe neuen, ſaubern Forderungen, 
Die dieſer Queſtenberger bringt! 


Buttler. 
Ich habe mir 
Von dieſen kaiſerlichen Forderungen auch 
Erzählen laſſen — doch ich hoffe, 
Der Herzog wird in keinem Stücke weichen. 


y Allo. 


Von ſeinem Recht gewißlich nicht, wenn nur nicht 


— Vom Platze! 


80 


85 


90 


Erſter Aufzug. 2. Auftritt 67 


Buttler (betroffen). 
Wißt Ihr etwas? Ihr erſchreckt mich. 


Aſolani (zugleich). 
Wir wären alle ruiniert! 


Allo. 
Brecht ab! 
Ich ſehe unſern Mann dort eben kommen 
Mit Gen'ralleutnant Piccolomini. 


Buttler (den Kopf bedenklich ſchüttelnd). 


Ich fürchte, 


Wir gehn nicht von hier, wie wir kamen. 


2. Auftritt 
Vorige. Octavio Piccolomini. Queſtenberg. 


Octavio (noch in der Entfernung). 
Wie? Noch der Gäſte mehr? Geſtehn Sie, Freund! 
Es brauchte dieſen tränenvollen Krieg, 
So vieler Helden ruhmgekrönte Häupter 
In eines Lagers Umkreis zu verſammeln. 


Queſtenberg. 
In kein Friedländiſch Heereslager komme, 
Wer von dem Kriege Böſes denken will. 
Beinah' vergeſſen hätt' ich ſeine Plagen, 
Da mir der Ordnung hoher Geiſt erſchienen, 
Durch die er, weltzerſtörend, ſelbſt beſteht, 
Das Große mir erſchienen, das er bildet. 


Octavio. 
Und ſiehe da! ein tapfres Paar, das würdig 
Den Heldenreihen ſchließt: Graf Iſolan 


68 Die Piccolomini 


Und Obriſt Buttler. — Nun, da haben wir 
9 Vor Augen gleich das ganze Krieges handwerk. 
(Buttlern und Iſolani präſentierend). 


Es iſt die Stärke, Freund, und Schnelligkeit. 


Queſtenberg (su Octavio). 
Und zwiſchen beiden der erfahrne Rat. 


Octavio Queſtenbergen an jene vorſtellend). 
Den Kammerherrn und Kriegsrat Queſtenberg, 
Den Überbringer kaiſerlicher Befehle, 
100 Der Soldaten großen Gönner und Patron 
Verehren wir in dieſem würdigen Gaſte. 
(Allgemeines Stillſchweigen.) 


Illo (nähert ſich Queſtenbergen). 
Es iſt das erſte Mal nicht, Herr Miniſter, 
Daß Sie im Lager uns die Ehr' erweiſen. 


Queſtenberg. 
Schon einmal ſah ich mich vor dieſen Fahnen. 


Allo. 
105 Und wiſſen Sie, wo das geweſen ijt? 
Zu Znaym war's, in Mähren, wo Sie ſich 
Von Kaiſers wegen eingeſtellt, den Herzog 
Um Übernahm' des Regiments zu flehen. 


Queſtenberg. 
Zu flehn, Herr General? So weit ging weder 
110 Mein Auftrag, daß ich wüßte, noch mein Eifer. 


Allo. 
Nun! Ihn zu zwingen, wenn Sie wollen. Ich 
Erinnre mich's recht gut — Graf Tilly war 
Am Lech aufs Haupt geſchlagen — offen ſtand 
Das Bayerland dem Feind — nichts hielt ihn auf, 
11s Bis in das Herz von Sſtreich vorzudringen. 


Erſter Aufzug. 2. Auftritt 69 


Damals erſchienen Sie und Werdenberg 

Vor unſerm Herrn, mit Bitten in ihn ſtürmend 
Und mit der kaiſerlichen Ungnad drohend, 

Wenn ſich der Fürſt des Jammers nicht erbarme. 


Jſolani (tritt dazu). 
120 Ja, ja! 's iſt zu begreifen, Herr Miniſter, 
Warum Sie ſich bei Ihrem heut' gen Auftrag 
An jenen alten juſt nicht gern erinnern. 
Queſtenberg. 
Wie ſollt' ich nicht! Iſt zwiſchen beiden doch 
Kein Widerſpruch! Damalen galt es, Böhmen 
s Aus Feindes Hand zu reißen, heute ſoll ich's 
Befrein von ſeinen Freunden und Beſchützern. 
Allo. 
Ein ſchönes Amt! Nachdem wir dieſes Böhmen, 
Mit unſerm Blut, dem Sachſen abgefochten, 
Will man zum Dank uns aus dem Lande werfen. 


Queſtenberg. 
130 Wenn es nicht bloß ein Elend mit dem andern 
Vertauſcht ſoll haben, muß das arme Land 
Von Freund und Feindes Geißel gleich befreit ſein. 
Allo. 
Ei was! Es war ein gutes Jahr, der Bauer kann 
Schon wieder geben. 
Queſtenberg. 
Ja, wenn Sie von Herden 
135 Und Weideplätzen reden, Herr Feldmarſchall — 


Aſolani. 
Der Krieg ernährt den Krieg. Gehn Bauern drauf, 
Ei, ſo gewinnt der Kaiſer mehr Soldaten. 


Queſtenberg. 
Und wird um ſo viel Untertanen ärmer! 


140 


145 


150 


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160 


70 Die Piccolomint 


Dfolant. 
Kah! Seine Untertanen find wir alle! 


Queſtenberg. ö 
Mit Unterſchied, Herr Graf! Die einen füllen 
Mit nützlicher Geſchäftigkeit den Beutel, 
nd andre wiſſen nur ihn brav zu leeren. 
Der Degen hat den Kaiſer arm gemacht; 
Der Pflug iſt's, der ihn wieder ſtärken muß. 


Buttler. 
Der Kaiſer wär' nicht arm, wenn nicht ſo viel 
— Blutigel ſaugten an dem Mark des Landes. 


Dfolani. 
So arg kann's auch nicht fein. Ich febe ja, 
(indem er ſich vor ihn hinſtellt und ſeinen Anzug muſtert) 


Es iſt noch lang' nicht alles Gold gemünzt. 


Queſtenberg. 
Gottlob! Noch etwas weniges hat man 
Geflüchtet — vor den Fingern der Kroaten. 


Illo. 
Da! der Slawata und der Martinitz, 
Auf die der Kaiſer, allen guten Böhmen 
Zum Argerniſſe, Gnadengaben häuft — 


Die ſich vom Raube der vertriebnen Bürger mäſten — 


Die von der allgemeinen Fäulnis wachſen, 
Allein im öffentlichen Unglück ernten — 

Mit königlichem Prunk dem Schmerz des Landes 
Hohn ſprechen — die und ihresgleichen laßt 
Den Krieg bezahlen, den verderblichen, 

Den ſie allein doch angezündet haben. 


Buttler. 
Und dieſe Landſchmarutzer, die die Füße 
Beſtändig unterm Tiſch des Kaiſers haben, 


165 


170 


180 


185 


Erſter Aufzug. 2. Auftritt 


Nach allen Benefizen hungrig ſchnappen, 
Die wollen dem Soldaten, der vorm Feind liegt, 


Das Brot vorſchneiden und die Rechnung ſtreichen. 


Aſolani. 
Mein Lebtag denk' ich dran, wie ich nach Wien 
Vor ſieben Jahren kam, um die Remonte 
Für unſre Regimenter zu betreiben, 
Wie fie von einer Antecamera 
Zur andern mich herumgeſchleppt, mich unter 
Den Schranzen ſtehen laſſen, ſtundenlang, 
Als wär' ich da, ums Gnadenbrot zu betteln. 
Zuletzt — da ſchickten ſie mir einen Kapuziner, 
Ich dacht', es wär' um meiner Sünden willen! 
Nein doch, das war der Mann, mit dem 
Ich um die Reiterpferde ſollte handeln. 
Ich mußt' auch abziehn unverrichteter Ding'. 
Der Fürſt nachher verſchaffte mir in drei Tagen, 
Was ich zu Wien in dreißig nicht erlangte. 


Queſtenberg. 
Ja, ja! Der Poſten fand ſich in der Rechnung, 
Ich weiß, wir haben noch daran zu zahlen. 
Allo. 
Es iſt der Krieg ein roh, gewaltſam Handwerk. 


Man kommt nicht aus mit ſanften Mitteln, alles 


Läßt ſich nicht ſchonen. Wollte man's erpaſſen, 
Bis ſie zu Wien aus vierundzwanzig Übeln 
Das kleinſte ausgewählt, man paßte lange! 

— Friſch mitten durchgegriffen, das iſt beſſer! 


Reiß' dann, was mag! — Die Menſchen, in der Regel, 


„Verſtehen fich aufs Flicken und aufs Stückeln 
190, Und finden ſich in ein verhaßtes Müſſen 
Weit beſſer als in eine bittre Wahl. 


72 


195 


200 


— tes 


Die Piccolomini 


Queſtenberg. 
Ja, das iſt wahr! Die Wahl ſpart uns der Fürſt. 
Allo. 
Der Fürſt trägt Vaterſorge für die Truppen, 
Wir ſehen, wie's der Kaiſer mit uns meint. 
Queſtenberg. 
Für jeden Stand hat er ein gleiches Herz 
Und kann den einen nicht dem andern opfern. 
Aſolani. 
Drum ſtößt er uns zum Raubtier in die Wüſte, 
Um ſeine teuren Schafe zu behüten. 
Queſtenberg (mit Hohn). 
Herr Graf! Dies Gleichnis machen Sie — nicht ich. 
Allo. 
Doch wären wir, wofür der Hof uns nimmt, / 
Gefährlich war's, die Freiheit uns zu geben. 4 
8 Queſtenberg (mit Ernſt). 
Genommen iſt die Freiheit, nicht gegeben, 
Drum tut es not, den Zaum ihr anzulegen. 
Allo. 
Ein wildes Pferd erwarte man zu finden. 
Queſtenberg. 
Ein beßrer Reiter wird's beſänftigen. 
Allo. 
Es trägt den einen nur, der es gezähmt. 
Queſtenberg. 
Iſt es gezähmt, ſo folgt es einem Kinde. 
Allo. 
Das Kind, ich weiß, hat man ihm ſchon gefunden. 
Queſtenberg. 
Sie kümmre nur die Pflicht und nicht der Name. 


Erſter Aufzug. 2. Auftritt 73 


Buttler 


(der ſich bisher mit Piccolomini ſeitwärts gehalten, doch mit ſichtbarem 
Anteil an dem Geſpräch, tritt näher). 


210 Herr Präſident! Dem Kaiſer ſteht in Deutſchland 
Ein ſtattlich Kriegsvolk da, es kantonieren 
In dieſem Königreich wohl dreißigtauſend, 
Wohl ſechzehntauſend Mann in Schleſien; 
Zehn Regimenter ſtehn am Weſerſtrom, 

as Am Rhein und Main; in Schwaben bieten ſechs, 
In Bayern zwölf den Schwediſchen die Spitze. 
Nicht zu gedenken der Beſatzungen, 
Die an der Grenz' die feſten Plätze ſchirmen. 
All dieſes Volk gehorcht Friedländiſchen 

220 Hauptleuten. Die's befehligen, ſind alle 
In eine Schul' gegangen, eine Milch 
Hat ſie ernährt, ein Herz belebt ſie alle. 
Fremdlinge ſtehn ſie da auf dieſem Boden, 
Der Dienſt allein iſt ihnen Haus und Heimat. 

225 Sie treibt der Eifer nicht fürs Vaterland, 
Denn Tauſende, wie mich, gebar die Fremde. 
Nicht für den Kaiſer, wohl die Hälfte kam 
Aus fremdem Dienſt feldflüchtig uns herüber, 
Gleichgültig, unterm Doppeladler fechtend 

230 Wie unterm Löwen und den Lilien. 
Doch alle führt an gleich gewalt'gem Zügel 
Ein Einziger, durch gleiche Lieb' und Furcht 
Zu einem Volke ſie zuſammen bindend. 
Und wie des Blitzes Funke ſicher, ſchnell, 

225 Geleitet an der Wetterſtange, läuft, 
Herrſcht ſein Befehl vom letzten fernen Poſten, 
Der an die Dünen branden hört den Belt, 
Der in der Etſch fruchtbare Täler ſieht, 
Bis zu der Wache, die ihr Schilderhaus 

240 Hat aufgerichtet an der Kaiſerburg. 


74 Die Piccolomini 


245 


250 


255 


260 


265 


Queſtenberg. is 
Was ijt der langen Rede kurzer Sinn? 


Buttler. 

Daß der Reſpekt, die Neigung, das Vertraun, 
Das uns dem Friedland unterwürfig macht, 
Nicht auf den erſten beſten ſich verpflanzt, 
Den uns der Hof aus Wien herüberſendet. 
Uns iſt in treuem Angedenken noch, 
Wie das Kommando kam in Friedlands Hände. 
War's etwa kaiſerliche Majeſtät, 
Die ein gemachtes Heer ihm übergab, 
Den Führer nur geſucht zu ihren Truppen? 
— Noch gar nicht war das Heer. Erſchaffen erſt 
Mußt' es der Friedland, er empfing es nicht, 
Er gab's dem Kaiſer! Von dem Kaiſer nicht 
Erhielten wir den Wallenſtein zum Feldherrn. 
So iſt es nicht, ſo nicht! Vom Wallenſtein 
Erhielten wir den Kaiſer erſt zum Herrn, 
Er knüpft uns, er allein, an dieſe Fahnen. 

Octavio (tritt dazwiſchen). 
Es iſt nur zur Erinnerung, Herr Kriegsrat, 
Daß Sie im Lager ſind und unter Kriegern. — 
Die Kühnheit macht, die Freiheit den Soldaten. — 
Vermöcht' er keck zu handeln, dürft' er nicht 


Keck reden auch? — Eins geht ins andre drein. — 


Die Kühnheit dieſes würd'gen Offiziers, 
(auf Buttlern zeigend) 


Die jetzt in ihrem Ziel ſich nur vergriff, 


Erhielt, wo nichts als Kühnheit retten konnte, 


Bei einem furchtbarn Aufſtand der Beſatzung 
Dem Kaiſer ſeine Hauptſtadt Prag. 
(Man hört von fern eine Kriegsmuſik.) 


Allo. 
Das ſind ſie! 


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Erſter Aufzug. 3. Auftritt 


Die Wachen ſalutieren — Dies Signal 
Bedeutet uns, die Fürſtin ſei herein. 

Octavio (ou Queſtenberg). 
So iſt auch mein Sohn Max zurück. Er hat ſie 
Aus Kärnten abgeholt und hergeleitet. 

Aſolani (zu Illo). 
Gehn wir zuſammen hin, ſie zu begrüßen? 
Allo. 
Wohl! Laßt uns gehen. Oberſt Buttler, kommt! 
(Zum Octavio.) 

Erinnert Euch, daß wir vor Mittag noch 
Mit dieſem Herrn beim Fürſten uns begegnen. 


3. Auftritt 


Octavio und Queſtenberg, die zurückbleiben. 


Queſtenberg (mit Zeichen des Erſtaunens). 
Was hab' ich hören müſſen, Gen'ralleutnant! 
Welch zügelloſer Trotz! Was für Begriffe! 
— Wenn dieſer Geiſt der allgemeine iſt — 
Octavio. 
Drei Viertel der Armee vernahmen Sie. 


Queſtenberg. 


Weh uns! Wo dann ein zweites Heer gleich finden, 
Um dieſes zu bewachen! — Dieſer Illo, fürcht' ich, 


75 


Denkt noch viel ſchlimmer, als er ſpricht. Auch dieſer Buttler 


Kann ſeine böſe Meinung nicht verbergen. 
Octavio. 


Empfindlichkeit — gereizter Stolz — nichts weiter! — 


Dieſen Buttler geb' ich noch nicht auf; ich weiß, 
Wie dieſer böſe Geiſt zu bannen iſt. 


76 Die Piccolomini 


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3 


E 


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Queſtenberg (voll Unruh auf und ab gehend). 
Nein! das iſt ſchlimmer, o! viel ſchlimmer, Freund! 
Als wir's in Wien uns hatten träumen laſſen. 
Wir ſahen's nur mit Höflingsaugen an, 
Die von dem Glanz des Throns geblendet waren; 
Den Feldherrn hatten wir noch nicht geſehn, 
Den allvermögenden, in ſeinem Lager. 
Hier iſt's ganz anders! 
Hier iſt kein Kaiſer mehr. Der Fürſt iſt Kaiſer! 
Der Gang, den ich an Ihrer Seite jetzt 
Durchs Lager tat, ſchlägt meine Hoffnung nieder. 


Octavio. 
Sie ſehn nun ſelbſt, welch ein gefährlich Amt 
Es iſt, das Sie vom Hof mir überbrachten — 
Wie mißlich die Perſon, die ich hier ſpiele. 
„Der leiſeſte Verdacht des Generals, 
Er würde Freiheit mir und Leben koſten 
Und ſein verwegenes Beginnen nur 
Beſchleunigen. 
Queſtenberg. 

Wo war die Überlegung, 
Als wir dem Raſenden das Schwert vertraut 
Und ſolche Macht gelegt in ſolche Hand! 
Zu ſtark für dieſes ſchlimmverwahrte Herz 
War die Verſuchung! Hätte ſie doch ſelbſt 
Dem beſſern Mann gefährlich werden müſſen! 
Er wird ſich weigern, ſag' ich Ihnen, 
Der kaiſerlichen Ordre zu gehorchen. — 
Er kann's und wird's. — Sein unbeſtrafter Trotz 
Wird unſre Ohnmacht ſchimpflich offenbaren. 


Octavio. 
Und glauben Sie, daß er Gemahlin, Tochter 
Umſonſt hieher ins Lager kommen ließ, 


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Erſter Aufzug. 3. Auftritt 


Gerade jetzt, da wir zum Krieg uns rüſten? 
Daß er die letzten Pfänder ſeiner Treu 

Aus Kaiſers Landen führt, das deutet uns 
Auf einen nahen Ausbruch der Empörung. 


Queſtenberg. 
Weh uns! und wie dem Ungewitter ſtehn, 
Das drohend uns umzieht von allen Enden? 
Der Reichsfeind an den Grenzen, Meiſter ſchon 
Vom Donauſtrom, ſtets weiter um ſich greifend — 
Im innern Land des Aufruhrs Feuerglocke — 
Der Bauer in Waffen — alle Stände ſchwürig — 
Und die Armee, von der wir Hilf' erwarten, 
Verführt, verwildert, aller Zucht entwohnt — 
Vom Staat, von ihrem Kaiſer losgeriſſen, 
Vom Schwindelnden die ſchwindelnde geführt, 
Ein furchtbar Werkzeug, dem verwegenſten 
Der Menſchen blind gehorchend hingegeben — 


Octavio. 


Loe wir auch nicht zu früh, mein Freund! 
Stets iſt die Sprache kecker als die Tat, 


Und mancher, der in blindem Eifer jetzt 

Zu jedem Außerſten entſchloſſen ſcheint, 
Findet unerwartet in der Bruſt ein Herz, 
Spricht man des Frevels wahren Namen aus. 
Zudem — ganz unverteidigt ſind wir nicht. 
Graf Altringer und Gallas, wiſſen Sie, 
Erhalten in der Pflicht ihr kleines Heer — 
Verſtärken es noch täglich. — Überraſchen 
Kann er uns nicht, Sie wiſſen, daß ich ihn 
Mit meinen Horchern rings umgeben habe; 
Vom kleinſten Schritt erhalt' ich Wiſſenſchaft 
Sogleich — ja, mir entdeckt's ſein eigner Mund. 


— 


1 


78 Die Piccolomini 


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Queſtenberg. 
Ganz unbegreiflich iſt's, daß er den Feind nicht merkt 
An ſeiner Seite. 

Octavio. 

Denken Sie nicht etwa, 
Daß ich durch Lügenkünſte, gleisneriſche 
Gefälligkeit in ſeine Gunſt mich ſtahl, 
Durch Heuchelworte ſein Vertrauen nähre. 
Befiehlt mir gleich die Klugheit und die Pflicht, 
Die ich dem Reich, dem Kaiſer ſchuldig bin, 
Daß ich mein wahres Herz vor ihm verberge, 
Ein falſches hab' ich niemals ihm geheuchelt! 


Queſtenberg. 
Es iſt des Himmels ſichtbarliche Fügung. 


Octavio. 
Ich weiß nicht, was es iſt — was ihn an mich 
Und meinen Sohn ſo mächtig zieht und kettet. 
Wir waren immer Freunde, Waffenbrüder; 
Gewohnheit, gleichgeteilte Abenteuer 
Verbanden uns ſchon frühe — doch ich weiß 
Den Tag zu nennen, wo mit einemmal 
Sein Herz mir aufging, ſein Vertrauen wuchs. 
Es war der Morgen vor der Lützner Schlacht — 
Mich trieb ein böſer Traum, ihn aufzuſuchen, 
Ein ander Pferd zur Schlacht ihm anzubieten. 
Fern von den Zelten, unter einem Baum 
Fand ich ihn eingeſchlafen. Als ich ihn 
Erweckte, mein Bedenken ihm erzählte, 
Sah er mich lange ſtaunend an; drauf fiel er 
Mir um den Hals und zeigte eine Rührung, 
Wie jener kleine Dienſt ſie gar nicht wert war. 
Seit jenem Tag verfolgt mich ſein Vertrauen 
In gleichem Maß, als ihn das meine flieht. 


Erſter Aufzug. 4. Auftritt 79 


Queſtenberg. 
Sie ziehen Ihren Sohn doch ins Geheimnis? 
Octavio. 
Nein! 
Queſtenberg. 


Wie? auch warnen wollen Sie ihn nicht, 
375 In welcher ſchlimmen Hand er ſich befinde? 


Octavio. 
Ich muß ihn ſeiner Unſchuld anvertrauen. 
Verſtellung iſt der offnen Seele fremd, j 
Unwiſſenheit allein kann ihm die, Geiftesfreibeit 
Bewahren, die den Herzog ſicher macht. 7 
Queſtenberg (beſorglich). 

380 Mein würd'ger Freund! Ich hab' die beſte Meinung 
Vom Oberſt Piccolomini — doch — wenn — 
Bedenken Sie — 

Octavio. 
Ich muß es darauf wagen — Still! Da kommt er. 


4. Auftritt 


Max Piccolomini. Octavio Piccolomini. Queſtenberg. 


Mar. 
Da iſt er ja gleich ſelbſt. Willkommen, Vater! 


(Er umarmt ihn. Wie er ſich umwendet, bemerkt er Queſtenbergen und 
tritt kalt zurück.) 


385 Beſchäftigt, wie ich ſeh'? Ich will nicht ſtören. 


Octavio. 
Wie, Max? Sieh dieſen Gaſt doch näher an. 
Aufmerkſamkeit verdient ein alter Freund; 
Ehrfurcht gebührt dem Boten deines Kaiſers. 


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Mar (trocken). 
Von Queſtenberg! Willkommen, wenn was Gutes 
Ins Hauptquartier Sie herführt. 
Queſtenberg (bat ſeine Hand gefaßt). 
Ziehen Sie 
Die Hand nicht weg, Graf Piccolomini, 
Ich faſſe ſie nicht bloß von meinetwegen, 


Und nichts Gemeines will ich damit ſagen. 
(Beider Hände faſſend.) 

Octavio — Max Piccolomini! 

Heilbringend, vorbedeutungsvolle Namen! 

Nie wird das Glück von Oſterreich fic) wenden, 

So lang' zwei ſolche Sterne, ſegenreich 

Und ſchützend, leuchten über ſeinen Heeren. 


Mar. 
Sie fallen aus der Rolle, Herr Miniſter, 


Nicht Lobens wegen ſind Sie hier, ich weiß, 
Sie ſind geſchickt, zu tadeln und zu ſchelten — 
Ich will voraus nichts haben vor den andern. 

Octavio (zu Max). 
Er kommt vom Hofe, wo man mit dem Herzog 
Nicht ganz ſo wohl zufrieden iſt als hier. 

Mar. 

Was gibt's aufs neu denn an ihm auszuſtellen? 
Daß er für ſich allein beſchließt, was er 


Allein verſteht? Wohl! daran tut er recht, 


Und wird's dabei auch ſein Verbleiben haben. — 
Er iſt nun einmal nicht gemacht, nach andern 
Geſchmeidig ſich zu fügen und zu wenden, 

Es geht ihm wider die Natur, er kann's nicht. 
Geworden iſt ihm eine Herrſcherſeele, 

Und iſt geſtellt auf einen Herrſcherplatz. 

Wohl uns, daß es ſo iſt! Es können ſich 


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Erſter Aufzug. 4. Auftritt 


Nur wenige regieren, den Verſtand 

Verſtändig brauchen — Wohl dem Ganzen, findet 
Sich einmal einer, der ein Mittelpunkt 

Für viele tauſend wird, ein Halt; — ſich hinſtellt 
Wie eine feſte Säul', an die man ſich 

Mit Luſt mag ſchließen und mit Zuverſicht. 

So einer iſt der Wallenſtein, und taugte 

Dem Hof ein andrer beſſer — der Armee 
Frommt nur ein ſolcher. 


Queſtenberg. 
Der Armee! Ja wohl! 


Mar. 
Und eine Luſt iſt's, wie er alles weckt 
Und ſtärkt und neu belebt um ſich herum, 
Wie jede Kraft ſich ausſpricht, jede Gabe 
Gleich deutlicher ſich wird in ſeiner Nähe! 
Jedwedem zieht er ſeine Kraft hervor, 
Die eigentümliche, und zieht ſie groß, 
Läßt jeden ganz das bleiben, was er iſt, 
Er wacht nur drüber, daß er's immer ſei 
Am rechten Ort; ſo weiß er aller Menſchen 
Vermögen zu dem ſeinigen zu machen. 


Queſtenberg. 
Wer ſpricht ihm ab, daß er die Menſchen kenne, 
Sie zu gebrauchen wiſſe! Überm Herrſcher 
Vergißt er nur den Diener ganz und gar, 
Als wär' mit ſeiner Würd' er ſchon geboren. 


Mar. 
Iſt er's denn nicht? Mit jeder Kraft dazu 
Iſt er's, und mit der Kraft noch obendrein, 
Buchſtäblich zu vollſtrecken die Natur, 


Dem Herrſchtalent den Herrſchplatz zu erobern. 
Schillers Werke. v. 6 


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82 Die Piccolomint 


Queſtenberg. 
So kommt's zuletzt auf ſeine Großmut an, 
Wie viel wir überall noch gelten ſollen! 


Mar. 
Der ſeltne Mann will ſeltenes Vertrauen. 
Gebt ihm den Raum, das Ziel wird er ſich ſetzen. 


Queſtenberg. 
Die Proben geben's. 


Mar. 

Ja! fo ſind fie! Schreckt 
Sie alles gleich, was eine Tiefe hat; 
Iſt ihnen nirgends wohl, als wo's recht flach iſt. 


Octavio (zu Queſtenberg). 
Ergeben Sie ſich nur in gutem, Freund! 
Mit dem da werden Sie nicht fertig. 


Mar. 
Da rufen ſie den Geiſt an in der Not, 


Und grauet ihnen gleich, wenn er ſich zeigt. 
Das Ungemeine ſoll, das Höchſte ſelbſt 
Geſchehn wie das Alltägliche. Im Felde, 

Da dringt die Gegenwart — Perſönliches 
Muß herrſchen, eignes Auge ſehn. Es braucht 
Der Feldherr jedes Große der Natur, 

So gönne man ihm auch, in ihren großen 
Verhältniſſen zu leben. Das Orakel 

In ſeinem Innern, das lebendige — 

Nicht tote Bücher, alte Ordnungen, 

Nicht modrigte Papiere ſoll er fragen. 


Octavio. 
Mein Sohn! Laß uns die alten, engen Ordnungen 
Gering nicht achten! Köſtlich unſchätzbare 
Gewichte ſind's, die der bedrängte Menſch 


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Erſter Aufzug. 4. Auftritt 83 


An ſeiner Dränger raſchen Willen band; 
Denn immer war die Willkür fürchterlich — 


Der Weg der Ordnung, ging' er auch durch Krümmen, 
Er iſt kein Umweg. Grad aus geht des Blitzes, 


Geht des Kanonballs fürchterlicher Pfad — 
Schnell, auf dem nächſten Wege, langt er an, 
Macht ſich zermalmend Platz, um zu zermalmen. 
Mein Sohn! Die Straße, die der Menſch befährt, 
Worauf der Segen wandelt, dieſe folgt 

Der Flüſſe Lauf, der Täler freien Krümmen, 
Umgeht das Weizenfeld, den Rebenhügel, 

Des Eigentums gemeßne Grenzen ehrend — 

So führt ſie ſpäter, ſicher doch zum Ziel. 


Queſtenberg. 
O! hören Sie den Vater — hören Sie 
Ihn, der ein Held iſt und ein Menſch zugleich. 


Octan io. 
Das Kind des Lagers ſpricht aus dir, mein Sohn. 
Ein fünfzehnjähr'ger Krieg hat dich erzogen, 
— Du haſt den Frieden nie geſehn! Es gibt 
Noch höhern Wert, mein Sohn, als kriegeriſchen; 
Im Kriege ſelber iſt das Letzte nicht der Krieg. 
Die großen, ſchnellen Taten der Gewalt, 
Des Augenblicks erſtaunenswerte Wunder, 
Die ſind es nicht, die das Beglückende, 
Das ruhig, mächtig Dauernde erzeugen. 
In Haſt und Eile bauet der Soldat 
Von Leinwand ſeine leichte Stadt, da wird 
Ein augenblicklich Brauſen und Bewegen, 
Der Markt belebt ſich, Straßen, Flüſſe ſind 
Bedeckt mit Fracht, es rührt ſich das Gewerbe. 
Doch eines Morgens plötzlich ſiehet man 
Die Zelte fallen, weiter rückt die Horde, 


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84 


Die Piccolomini 


Und ausgeſtorben, wie ein Kirchhof, bleibt 
Der Acker, das zerſtampfte Saatfeld liegen, 
Und um des Jahres Ernte iſt's getan. 


Mar. 
O! laß den Kaiſer Friede machen, Vater! 
Den blut'gen Lorbeer geb' ich hin mit Freuden 
Fürs erſte Veilchen, das der März uns bringt, 
Das duftige Pfand der neuverjüngten Erde. 


Ortavis. 
Wie wird dir? Was bewegt dich jo auf einmal? 


Mar. 
Ich hab' den Frieden nie geſehn? — Ich hab' ihn 
Geſehen, alter Vater, eben komm' ich — 
Jetzt eben davon her — es führte mich 
Der Weg durch Länder, wo der Krieg nicht hin 
Gekommen — ol das Leben, Vater, 
Hat Reize, die wir nie gekannt. — Wir haben 
Des ſchönen Lebens öde Küſte nur 
Wie ein umirrend Räubervolk befahren, 
Das, in ſein dumpfig⸗enges Schiff gepreßt, 
Im wüſten Meer mit wüſten Sitten hauſt, 
Vom großen Land nichts als die Buchten kennt, 
Wo es die Diebeslandung wagen darf. 
Was in den innern Tälern Köſtliches 
Das Land verbirgt, o! davon — davon iſt 
Auf unſrer wilden Fahrt uns nichts erſchienen. 


Octavio (wird aufmerkſam). 
Und hätt' es dieſe Reiſe dir gezeigt? 
Mar. 
Es war die erſte Muße meines Lebens. 
Sag' mir, was iſt der Arbeit Ziel und Preis, 
Der peinlichen, die mir die Jugend ſtahl, 


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Erſter Aufzug. 4. Auftritt 85 


Das Herz mir öde ließ und unerquickt 

Den Geiſt, den keine Bildung noch geſchmücket? 
Denn dieſes Lagers lärmendes Gewühl, 

Der Pferde Wiehern, der Trompete Schmettern, 
Des Dienſtes immer gleichgeſtellte Uhr, 

Die Waffenübung, das Kommandowort — 

Dem Herzen gibt es nichts, dem wo 
Die Seele fehlt dem nichtigen Geſchäft — 

Es gibt ein andres Glück und andre Freuden. 


Octavio. 
Viel lernteſt du auf dieſem kurzen Weg, mein Sohn! 


Mar. 
O ſchöner Tag! wenn endlich der Soldat 


Ins Leben heimkehrt, in die ichkeit 

Zum frohen Zug die Fahnen ſich entfalten, 

Und heimwärts ſchlägt der ſanfte Friedensmarſch. 
Wenn alle Hüte ſich und Helme ſchmücken 

Mit grünen Maien, dem letzten Raub der Felder! 
Der Städte Tore gehen auf, von ſelbſt, 

Nicht die Petarde braucht ſie mehr zu ſprengen; 
Von Menſchen ſind die Wälle rings erfüllt, 

Von friedlichen, die in die Lüfte grüßen — 

Hell klingt von allen Türmen das Geläut, 

Des blut'gen Tages frohe Veſper ſchlagend. 

Aus Dörfern und aus Städten wimmelnd ſtrömt 
Ein jauchzend Volk, mit liebend emſiger 
Zudringlichkeit des Heeres Fortzug hindernd — 
Da ſchüttelt, froh des noch erlebten Tags, 

Dem heimgekehrten Sohn der Greis die Hände. 
Ein Fremdling tritt er in ſein Eigentum, 

Das längſtverlaßne, ein; mit breiten Aſten 

Deckt ihn der Baum bei ſeiner Wiederkehr, 

Der ſich zur Gerte bog, als er gegangen, 


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86 


Die Piccolomini 


Und ſchamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen, 
Die er einſt an der Amme Bruſt verließ. 

O! glücklich, wem dann auch ſich eine Tür, 
Sich zarte Arme janft umſchlingend öffnen — 


Queſtenberg (gerührt). 
O! daß Sie von ſo ferner, ferner Zeit, 
Und nicht von morgen, nicht von heute ſprechen! 


Mar (mit Heftigkeit ſich zu ihm wendend). 
Wer ſonſt iſt ſchuld daran als ihr in Wien? — 
Ich will's nur frei geſtehen, Queſtenberg! 
Als ich vorhin Sie ſtehen ſah, es preßte 
Der Unmut mir das Innerſte zuſammen — 
Ihr ſeid es, die den Frieden hindern, ihr! 


Der Krieger iſt's, der ihn erzwingen muß. 


Dem Fürſten macht ihr 's Leben ſauer, macht 
Ihm alle Schritte ſchwer, ihr ſchwärzt ihn an — 
Warum? Weil an Europas großem Beſten 
Ihm mehr liegt als an ein paar Hufen Landes, 
Die Oſtreich mehr hat oder weniger — 
Ihr macht ihn zum Empörer und, Gott weiß! 
Zu was noch mehr, weil er die Sachſen ſchont, 
Beim Feind Vertrauen zu erwecken ſucht, 
Das doch der einz'ge Weg zum Frieden ijt; 
Denn hört der Krieg im Kriege nicht ſchon auf, 
Woher ſoll Friede kommen? — Geht nur, geht! 
Wie ich das Gute liebe, haſſ' ich euch — 
Und hier gelob' ich's an, verſpritzen will ich 
Für ihn, für dieſen Wallenſtein, mein Blut, 
Das letzte meines Herzens, tropfenweiſ', eh' daß 
Ihr über ſeinen Fall frohlocken ſollt! 

(Er geht ab.) 


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Erſter Aufzug. 5. Auftritt 
5. Auftritt 


Queſtenberg. Octavio Piccolomini. 


Queſtenberg. 
O weh uns! Steht es ſo? 
(Dringend und ungeduldig.) 
Freund, und wir laſſen ihn in dieſem Wahn 
Dahingehn, rufen ihn nicht gleich 
Zurück, daß wir die Augen auf der Stelle 
Ihm öffnen? 


Octavio (aus einem tiefen Nachdenken zu ſich kommend). 


Mir hat er ſie jetzt geöffnet, 
Und mehr erblick' ich, als mich freut. 
Queſtenberg. 


Was iſt es, Freund? 
Octavio. 


Fluch über dieſe Reiſe! 
Queſtenberg. 
Wie ſo? Was iſt es? 
Octavio. 
Kommen Sie! Ich muß 
Sogleich die unglückſelige Spur verfolgen, 
Mit meinen Augen fehen — Kommen Sie — 
(Will ihn fortführen.) 
Queſtenberg. 
Was denn? Wohin? 
Octavio (preffiert). 
Zu ihr! 
Queſtenberg. 
3 
Octavio (korrigiert ſich). 
Zum Herzog! Gehn wir. Ol ich fürchte alles. 
Ich ſeh' das Netz geworfen über ihn, 
Er kommt mir nicht zurück, wie er gegangen. 


87 


88 Die Piccolomini 


Queſtenberg. 
Erklären Sie mir nur — 


Octavio. 
Und konnt' ich's nicht 
Vorherſehn? Nicht die Reiſe hintertreiben? 
Warum verſchwieg ich's ihm? — Sie hatten Recht, 
coo Ich mußt' ihn warnen — Jetzo iſt's zu ſpät. 


Queſtenberg. 
Was iſt zu ſpät? Beſinnen Sie ſich, Freund, 
Daß Sie in lauter Rätſeln zu mir reden. 


Octavio (gefaßter). 
Wir gehn zum Herzog. Kommen Sie. Die Stunde 
Rückt auch heran, die er zur Audienz 
cos Beſtimmt hat. Kommen Sie! — 
Verwünſcht! dreimal verwünſcht ſei dieſe Reiſe! 
(Er führt ihn weg. Der Vorhang fällt.) 


Zweiter Aufzug 


Saal beim Herzog von Friedland. 


1. Auftritt 


Bediente ſetzen Stühle und breiten Fußteppiche aus. Gleich darauf 
Seni, der Aſtrolog, wie ein italieniſcher Doktor ſchwarz und etwas phan— 
taſtiſch gekleidet. Er tritt in die Mitte des Saals, ein weißes Stäbchen 
in der Hand, womit er die Himmelsgegenden bezeichnet. 
Bedienter (mit einem Rauchſaß herumgehend). 
Greift an! Macht, daß ein Ende wird! Die Wache 
Ruft ins Gewehr. Sie werden gleich erſcheinen. 


Zweiter Bedienter. 
Warum denn aber ward die Erkerſtube, 
610 Die rote, abbeſtellt, die doch ſo leuchtet? 


Zweiter Aufzug. 1. Auftritt 89 


Erſter Bedienter. 
Da frag den Mathematikus. Der ſagt, 
Es ſei ein Unglückszimmer. 


Zweiter Bedienter. 
Narrenspoſſen! 
Das heißt die Leute ſcheren. Saal iſt Saal. 
Was kann der Ort viel zu bedeuten haben? 


Seni (mit Gravität). 
is Mein Sohn! Nichts in der Welt ijt unbedeutend 
Das Erſte aber und Hauptſächlichſte 
Bei allem ird'ſchen Ding iſt Ort und Stunde. 
VVT 


Dritter Bedienter. 
Laß dich mit dem nicht ein, Nathangel. 
Muß ihm der Herr doch ſelbſt den Willen tun. 


Seni (zählt die Stühle). 
620 Eilf! Eine böſe Zahl. Zwölf Stühle ſetzt, 
Zwölf Zeichen hat der Tierkreis; Fünf und Sieben, if 
Die heil'gen Zahlen, liegen in der Zwölſe 
Zweiter Bedienter. 
Was habt Ihr gegen Eilf? Das laßt mich wiſſen. 
Seni. 


ilf iſt die Sünde. Eilfe überſchreitet 
625 Die zehn Gebote. 


Zweiter Bedienter. 
So? Und warum nennt Ihr 


Die Fünfe eine heil'ge Zahl? 
Seni. 
Fünf ist 
De 3 Menſchen Seele. Wie der Menſch aus Gutem / 
Und Böſem iſt gemiſcht, fo iſt die Fünfe ö 
Die erſte Zahl aus Grad' und Ungerade. / 


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90 Die Piccolomini 


Grifter Bedienter. 
Der Narr! 
Dritter Bedienter. 
Ei, laß ihn doch! Ich hör' ihm gerne zu, 
Denn mancherlei doch denkt ſich bei den Worten. 
Zweiter Bedienter. 
Hinweg! Sie kommen! Da! zur Seitentür hinaus. 
(Sie eilen fort. Seni folgt langſam.) 


2. Auftritt 
Wallenſtein. Die Herzogin. 


Wallenſtein. 
Nun, Herzogin? Sie haben Wien berührt, 
Sich vorgeſtellt der Königin von Ungarn? 


Herzogin. 
Der Kaiſerin auch. Bei beiden Majeſtäten 
Sind wir zum Handkuß zugelaſſen worden. 


Wallenſtein. 

Wie nahm man's auf, daß ich Gemahlin, Tochter 

Zu dieſer Winterszeit ins Feld beſchieden? 
Herzogin. 

Ich tat nach Ihrer Vorſchrift, führte an, 

Sie hätten über unſer Kind beſtimmt 

Und möchten gern dem künftigen Gemahl 

Noch vor dem Feldzug die Verlobte zeigen. 


Wallenſtein. 
Mutmaßte man die Wahl, die ich getroffen? 
Herzogin. 
Man wünſchte wohl, ſie möcht' auf keinen fremden 
Noch lutheriſchen Herrn gefallen ſein. 


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Zweiter Aufzug. 2. Auftritt 91 


Wallenſtein. 
Was wünſchen Sie, Eliſabeth? 
Herzogin. 
Ihr Wille, wiſſen Sie, war ſtets der meine. 
Wallenſtein (nach einer Pauſe). 
Nun — Und wie war die Aufnahm' ſonſt am Hofe? 
(Herzogin ſchlägt die Augen nieder und ſchweigt.) 
Verbergen Sie mir nichts — Wie war's damit? 
Herzogin. 
O! mein Gemahl — Es iſt nicht alles mehr 
Wie ſonſt — Es iſt ein Wandel vorgegangen. 
Wallenſtein. 
Wie? Ließ man's an der alten Achtung fehlen? 
Herzogin. 
Nicht an der Achtung. Würdig und voll Anſtand 
War das Benehmen — aber an die Stelle 
Huldreich vertraulicher Herablaſſung 
War feierliche Förmlichkeit getreten. 
Ach! und die zarte Schonung, die man zeigte, 
Sie hatte mehr vom Mitleid als der Gunſt. 
Nein! Herzog Albrechts fürſtliche Gemahlin, 
Graf Harrachs edle Tochter, hätte ſo — 
Nicht eben ſo empfangen werden ſollen! 
Wallenſtein. 
Man ſchalt gewiß mein neueſtes Betragen? 
Herzogin. 
O hätte man's getan! — Ich bin's von lang' her 
Gewohnt, Sie zu entſchuldigen, zufrieden 
Zu ſprechen die entrüſteten Gemüter — 
Nein, niemand ſchalt Sie — Man verhlüllte ſich 
In ein ſo laſtend feierliches Schweigen. 
Ach! hier iſt kein gewöhnlich Mißverſtändnis, keine 
Vorübergehende Empfindlichkeit — 


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92 Die Piccolomini 


Etwas unglücklich, unerſetzliches iſt 

Geſchehn — Sonſt pflegte mich die Königin 
Von Ungarn immer ihre liebe Muhme 

Zu nennen, mich beim Abſchied zu umarmen. 


Wallenſtein. 
Jetzt unterließ ſie's? 
Herzogin (ihre Tränen trocknend, nach einer Pauſe). 
Sie umarmte mich, 


Doch erſt, als ich den Urlaub ſchon genommen, ſchon 


Der Türe zuging, kam ſie auf mich zu, 
Schnell, als beſänne ſie ſich erſt, und drückte 
Mich an den Buſen, mehr mit ſchmerzlicher 
Als zärtlicher Bewegung. 


Wallenſtein (ergreift ihre Hand). 
Faſſen Sie ſich! — 
Wie war's mit Eggenberg, mit Lichtenſtein 
Und mit den andern Freunden? 


Herzogin (den Kopf ſchüttelnd). 
Keinen ſah ich. 
Wallenſtein. 
Und der hiſpaniſche Conte Ambaſſador, 
Der ſonſt ſo warm für mich zu ſprechen pflegte? 
Herzogin. 
Er hatte keine Zunge mehr für Sie. 
Wallenſtein. 
ie Sonnen alſo ſcheinen uns nicht mehr, 
ortan muß eignes Feuer uns erleuchten. 


Herzogin. 
Und wär' es? Teurer Herzog, wär's an dem, 
Was man am Hofe leiſe flüſtert, ſich 
Im Lande laut erzählt — was Pater Lamormain 
Durch einige Winke — 


700 


Zweiter Aufzug. 2. Auftritt 93 


Wallenſtein (janet). 
Lamormain! Was ſagt der? 


Herzogin. 
Man zeihe Sie verwegner Überſchreitung 
Der anvertrauten Vollmacht, freventlicher 
Verhöhnung höchſter, kaiſerlicher Befehle. 
Die Spanier, der Bayern ſtolzer Herzog 
Stehen auf als Kläger wider Sie — 
Ein Ungewitter zieh' ſich über Ihnen 
Zuſammen, noch weit drohender als jenes, 
Das Sie vordem zu Regenſpurg geſtürzt. 
Man ſpreche, ſagt er — ach! ich kann's nicht ſagen — 
Wallenſtein (geſpannt). 
Nun? 
Herzogin. 
Von einer zweiten — (sie ſtockt.) 
Wallenſtein. 
Zweiten — 
Herzogin. 
Schimpflichern 
— Abſetzung. 
Wallenſtein. 
Spricht man? 
(Heftig bewegt durch das Zimmer gehend.) 
Ol ſie zwingen mich, ſie ſtoßen 
Gewaltſam, wider meinen Willen, mich hinein. 
Herzogin (fic bittend an ihn ſchmiegend). 
O! wenn's noch Zeit iſt, mein Gemahl — Wenn es 
Mit Unterwerfung, mit Nachgiebigkeit 
Kann abgewendet werden — Geben Sie nach — 
Gewinnen Sie's dem ſtolzen Herzen ab, 78 
Es iſt Ihr Herr und Kaiſer, dem Sie weichen.“ 
O! laſſen Sie es länger nicht geſchehn, 
Daß hämiſche Bosheit Ihre gute Abſicht 


94 Die Piccolomini 


710 Durch giftige, verhaßte Deutung ſchwärze. 
Mit Siegeskraft der Wahrheit ſtehen Sie auf, 
Die Lügner, die Verleumder zu beſchämen. 
Wir haben ſo der guten Freunde wenig. 
Sie wiſſen's! Unſer ſchnelles Glück hat uns 


oe 
716 pence te Moise bloßgeſtellt — Was find wir, 
Wenn kaiſerliche Huld ſich von uns wendet! 


3. Auftritt 
Gräfin Terzky, welche die Prinzeſſin Thekla an der Hand führt, zu 
den Vorigen. 
Grüſtin. 
Wie, Schweſter? Von Geſchäften ſchon die Rede 
Und, wie ich ſeh', nicht von erfreulichen, 
Eh' er noch ſeines Kindes froh geworden? 
720 Der Freude gehört der erſte Augenblick. 
Hier, Vater Friedland! das iſt deine Tochter! 


(Thekla nähert ſich ihm ſchüchtern und will ſich auf ſeine Hand beugen; 
er empfängt fie in feinen Armen und bleibt einige Zeit in ihrem An- 
ſchauen verloren ſtehen.) 


Wallenſtein. 
Ja! Schön iſt mir die Hoffnung aufgegangen. 
Ich nehme ſie zum Pfande größern Glücks. 
Herzogin. 
Ein zartes Kind noch war ſie, als Sie gingen, 
725 Das große Heer dem Kaiſer aufzurichten. 
Hernach, als Sie vom Feldzug heimgekehrt 
Aus Pommern, war die Tochter ſchon im Stiſte, 
Wo ſie geblieben iſt bis jetzt. 
Wallenſtein. 
Indes 
Wir hier im Feld' geſorgt, ſie groß zu machen, 
730 Das höchſte Irdiſche ihr zu erſechten, 


735 


745 


Zweiter Aufzug. 3. Auftritt 95 


Hat Mutter Natur in ſtillen Kloſtermauern 
Das Ihrige getan, dem lieben Kind 
Aus freier Gunſt das Göttliche gegeben 
Und führt ſie ihrem glänzenden Geſchick 
Und meiner Hoffnung ſchön geſchmückt entgegen. 

Herzogin (zur Prinzeſſin). 
Du hätteſt deinen Vater wohl nicht wieder 
Erkannt, mein Kind? Kaum zählteſt du acht Jahre, 
Als du ſein Angeſicht zuletzt geſehn. 

Thekla. 

Doch, Mutter, auf den erſten Blick — mein Vater 
Hat nicht gealtert — Wie ſein Bild in mir gelebt, 
So ſteht er blühend jetzt vor meinen Augen. 


Wallenſtein (zur Herzogin). 
Das holde Kind! Wie fein bemerkt und wie 
Verſtändig! Sieh, ich zürnte mit dem Schickſal, 
Daß mir's den Sohn verſagt, der meines Namens 
Und meines Glückes Erbe könnte ſein, 
In einer ſtolzen Linie von Fürſten 
Mein ſchnell verlöſchtes Daſein weiter leiten. 
Ich tat dem Schickſal Unrecht. Hier auf dieſes 
Jungfräulich blühende Haupt will ich den Kranz 
Des kriegeriſchen Lebens niederlegen; 
Nicht für verloren acht' ich's, wenn ich's einſt, 
In einen königlichen Schmuck verwandelt, 
Um dieſe ſchöne Stirne flechten kann. 


(Er hält fie in ſeinen Armen, wie Piccolomini hereintvitt.) 


760 


770 


96 Die Piccolomini 


4. Auftritt 


Max Piccolomini und bald darauf Graf Terzky zu den Vorigen. 


Grüſin. 
Da kommt der Paladin, der uns beſchützte. 


Wallenſtein. 
Sei mir willkommen, Max. Stets warſt du mir 
Der Bringer irgend einer ſchönen Freude, 
Und, wie das glückliche Geſtirn des Morgens, 
Führſt du die Lebensſonne mir herauf. 


Mar. 


Mein General — 

Wallenſtein. 

Bis jetzt war es der Kaiſer, 
Der dich durch meine Hand belohnt. Heut' haſt du 
Den Vater dir, den glücklichen, verpflichtet, 
Und dieſe Schuld muß Friedland ſelbſt bezahlen. 


Mar. 
Mein Fürſt! Du eilteſt ſehr, jie abzutragen. 
Ich komme mit Beſchämung, ja mit Schmerz; 
Denn kaum bin ich hier angelangt, hab' Mutter 
Und Tochter deinen Armen überliefert, 
So wird aus deinem Marſtall, reich geſchirrt, 
Ein prächt'ger Jagdzug mir von dir gebracht, 
Für die gehabte Müh mich abzulohnen. 
Ja, ja, mich abzulohnen. Eine Müh, 
Ein Amt bloß war's! Nicht eine Gunſt, für die 
Ich's vorſchnell nahm und dir ſchon volles Herzens 
Zu danken kam — Nein, ſo war's nicht gemeint, 
Daß mein Geſchäft mein ſchönſtes Glück ſein ſollte! 


(Terzky tritt herein und übergibt dem Herzog Brieſe, welche dieſer ſchnell 


erbricht.) 


775 


780 


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795 


Zweiter Aufzug. 4. Auftritt 97 


Grifin (zu Max). 
Belohnt er Ihre Mühe? Seine Freude 
Vergilt er Ihnen. Ihnen ſteht es an, 
So zart zu denken; meinem Schwager ziemt's, 
Sich immer groß und fürſtlich zu beweiſen. 

Thekla. 

So müßt' auch ich an ſeiner Liebe zweifeln, 
Denn ſeine gütigen Hände ſchmückten mich, 
Noch eh' das Herz des Vaters mir geſprochen. 


Mar. 

Ja, er muß immer geben und beglücken! 

(Er ergreift der Herzogin Hand, mit ſteigender Wärme.) 
Was dank' ich ihm nicht alles — o! was ſprech' ich 
Nicht alles aus in dieſem teuren Namen Friedland! 
Zeitlebens ſoll ich ein Gefangner ſein 
Von dieſem Namen — darin blühen ſoll 
Mir jedes Glück und jede ſchöne Hoffnung — 


Feſt, wie in einem Zauberringe, hält 
Das Schickſal mich gebannt in dieſem Namen. \ 
| Griffin 


(welche unterdeſſen den Herzog ſorgfältig beobachtet, bemerkt, daß er bei 
den Briefen nachdenkend geworden). 


Der Bruder will allein ſein. Laßt uns gehen. 


Wallenſtein 
(wendet ſich ſchnell um, faßt ſich und ſpricht heiter zur Herzogin). 
Noch einmal, Fürſtin, heiß' ich Sie im Feld willkommen. 
Sie ſind die Wirtin dieſes Hofs — Du, Max, 
Wirſt diesmal noch dein altes Amt verwalten, 
Indes wir hier des Herrn Geſchäfte treiben. 


(Max Piccolomini bietet der Herzogin den Arm, Gräfin führt die Prine 
zeſſin ab.) 


Terzky lihm nachrufend). 
Verſäumt nicht, der Verſammlung beizuwohnen. 


Schillers Werke. v. 7 


800 


805 


810 


815 


98 Die Piccolomini 


5. Auftritt 
Wallenſtein. Terzky. 


Wallenſtein (iu tiefem Nachdenken zu ſich ſelbſt). 
Sie hat ganz recht geſehn — So iſt's und ſtimmt 
Vollkommen zu den übrigen Berichten — 
Sie haben ihren letzten Schluß gefaßt 
In Wien, mir den Nachfolger ſchon gegeben. 
Der Ungarn König iſt's, der Ferdinand, 


Des Kaiſers Söhnlein, der iſt jetzt ihr Heiland, 


Das neu aufgehende Geſtirn! Mit uns 
Gedenkt man fertig ſchon zu ſein, und wie 
Ein Abgeſchiedner ſind wir ſchon beerbet. 
Drum keine Zeit verloren! 
(Indem er ſich umwendet, bemerkt er den Terzky und gibt ihm einen Brief.) 
Graf Altringer läßt ſich entſchuldigen, 
Auch Gallas — Das gefällt mir nicht. 

Terzky. 

Und wenn du 

Noch länger ſäumſt, bricht einer nach dem andern. 


Wallenſtein. 
Der Altringer hat die Tiroler Päſſe, 
Ich muß ihm einen ſchicken, daß er mir 
Die Spanier aus Mailand nicht hereinläßt. 
— Nun! der Seſin, der alte Unterhändler, 
Hat ſich ja kürzlich wieder blicken laſſen. 
Was bringt er uns vom Grafen Thurn? 
Terzky. 
Der Grof entbietet dir, 
Er hab' den ſchwed'ſchen Kanzler aufgeſucht 
Zu Halberſtadt, wo jetzo der Konvent iſt: 
Der aber ſagt', er ſei es müd' und wolle 
Nichts weiter mehr mit dir zu ſchaffen haben. 


830 


835 


840 


Zweiter Aufzug. 5. Auftritt 99 


Wallenſtein. 

Wie ſo? 
Terzky. 
Es ſei dir nimmer Ernſt mit deinen Reden, 

Du wollſt die Schweden nur zum Narren haben, 
Dich mit den Sachſen gegen ſie verbinden, 
Am Ende ſie mit einem elenden Stück Geldes 
Abfertigen. 

Wallenſtein. 

So! Meint er wohl, ich ſoll ihm 

Ein ſchönes deutſches Land zum Raube geben, 
Daß wir zuletzt auf eignem Grund und Boden 
Selbſt nicht mehr Herren ſind? Sie müſſen fort, 
Fort, fort! Wir brauchen keine ſolche Nachbarn. 


Terzky. 
Gönn' ihnen doch das Fleckchen Land, geht's ja 
Nicht von dem deinen! Was bekümmert's dich, 
Wenn du das Spiel gewinneſt, wer es zahlt. 


Wallenſtein. 
Fort, fort mit ihnen — das verſtehſt du nicht. 
Es ſoll nicht von mir heißen, daß ich Deutſchland 
Zerſtücket hab', verraten an den Fremdling, 
Um meine Portion mir zu erſchleichen. 
Mich ſoll das Reich als ſeinen Schirmer ehren, 
Reichsfürſtlich mich erweiſend, will ich würdig 
Mich bei des Reiches Fürſten niederſetzen. 
Es ſoll im Reiche keine fremde Macht 
Mir Wurzel faſſen, und am wenigſten 


| Die Goten ſollen's, dieſe Hungerleider, 


Die nach dem Segen unſers deutſchen Landes 
Mit Neidesblicken raubbegierig ſchauen. 
Beiſtehen ſollen ſie mir in meinen Planen 
Und dennoch nichts dabei zu fiſchen haben. 


100 Die Piccolomini 


Terzky. 
818 Doch mit den Sachſen willſt du ehrlicher 
Verfahren? Sie verlieren die Geduld, 
Weil du ſo krumme Wege machſt — 
Was ſollen alle dieſe Masken? ſprich! 
ie Freunde zweifeln, werden irr' an dir — 
850 fox Oxenſtirn, der Arnheim, keiner weiß, 
as er von deinem Zögern halten ſoll. 
Am End' bin ich der Lügner, alles geht 
Durch mich. Ich hab' nicht einmal deine Handſchrift. 
Wallenſtein. 
Ich geb' nichts Schriftliches von mir, du weißt's. 
Terzky. 
885. Woran erkennt man aber deinen Ernſt, 
fs auf das Wort die Tat nicht folgt? Sag ſelbſt, 
Was du WERE verhandelt mit dem Feind, 
Hätt' alles auch recht gut geſchehn ſein können, 
Wenn du nichts mehr damit gewollt, als ihn 
ssc Zum beſten haben. 


Wallenſtein (nach einer Pauſe, indem er ihn ſcharf anſieht). 
Und woher weißt du, daß ich ihn nicht wirklich 
Zum beſten habe? Daß ich nicht euch alle 
Zum beſten habe? Kennſt du mich ſo gut? 
Ich wüßte nicht, daß ich mein Innerſtes 
ser Dir aufgetan — Der Kaiſer, es ijt wahr, 
Hat übel mich behandelt! — Wenn ich wollte, 
Ich könnt' ihm recht viel Böſes dafür tun. 
Es macht mir Freude, meine Macht zu kennen: 
Ob ich ſie wirklich brauchen werde, davon, denk' ich, 
876 Weißt du nicht mehr zu ſagen als ein andrer. 


Terzhy. 
So haſt du ſtets dein Spiel mit uns getrieben! 


875 


880 


885 


Zweiter Aufzug. 6. Auftritt 101 


6. Auftritt 
Illo zu den Vorigen. 


Wallenſtein. 
Wie ſteht es draußen? Sind ſie vorbereitet? 
Illo. 
Du findeſt ſie in der Stimmung, wie du wünſcheſt. 
Sie wiſſen um des Kaiſers Forderungen 
Und toben. 
Wallenſtein. 
Wie erklärt ſich Iſolan? 
a Allo. 
Der iſt mit Leib und Seele dein, ſeitdem du 
Die Pharobank ihm wieder aufgerichtet. 
Wallenſtein. 
Wie nimmt ſich der Colalto? Haſt du dich 
Des Deodat und Tiefenbach verſichert? 
Allo. 
Was Piccolomini tut, das tun ſie auch. 
Wallenſtein. 
So, meinſt du, kann ich was mit ihnen wagen? 
Allo. 
— Wenn du der Piccolomini gewiß biſt. 
Wallenſtein. 
Wie meiner ſelbſt. Die laſſen nie von mir. 
Terzky. 
Doch wollt' ich, daß du dem Octavio, 
Dem Fuchs, nicht ſo viel trauteſt. 
Wallenſtein. 
Lehre du 
Mich meine Leute kennen. Sechzehnmal 
Bin ich zu Feld gezogen mit dem Alten, 
— Zudem — ich hab' ſein Horoſkop geſtellt, 


890 


900 


906 


2 Die Piccolomini 


Wir find geboren unter gleichen Sternen — 
Und kurz — (geheimnisvoll) 
Es hat damit ſein eigenes Bewenden. 
Wenn du mir alſo gut ſagſt für die andern — 
Allo. 
Es iſt nur eine Stimme unter allen: 
Du dürf'ſt das Regiment nicht niederlegen. 
Sie werden an dich deputieren, hör' ich. 
Wallenſtein. 
Wenn ich mich gegen ſie verpflichten ſoll, 
So müſſen ſie's auch gegen mich. 
Allo. 
Verſteht ſich. 
Wallenſtein. 
Parole müſſen ſie mir geben, eidlich, ſchriftlich, 
Sich meinem Dienſt zu weihen, unbedingt. 
Illo. paras 
Warum nicht? 
Terzky. 
Unbedingt? Des Kaiſers Dienſt, 
Die Pflichten gegen Oſtreich werden ſie 
Sich immer vorbehalten. 
Wallenſtein (den Kopf ſchüttelnd). 
Unbedingt 
Muß ich ſie haben. Nichts von Vorbehalt! 
Allo. 
Ich habe einen Einfall — Gibt uns nicht 
Graf Terzky ein Bankett heut' Abend? 
Terzky. 
Ja, 
Und alle Generale ſind geladen. 
Illo (zum Wallenſtein). 
Sag'! Willſt du völlig freie Hand mir laſſen? 


910 


915 


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9 


E 
D 


— 


Zweiter Aufzug. 6. Auftritt 103 


Ich ſchaſſe dir das Wort der Generale, 
So wie du's wünſcheſt. 
Wallenſtein. 
Schaff' mir ihre Handſchrift. 
Wie du dazu gelangen magſt, iſt deine Sache. 
Allo. 
Und wenn ich dir's nun bringe, ſchwarz auf weiß, 
Daß alle Chefs, die hier zugegen ſind, 
Dir blind ſich überliefern — Willſt du dann 
Ernſt machen endlich, mit beherzter Tat 
Das Glück verſuchen? 
Wallenſtein. 
Schaff' mir die Verſchreibung! 
Allo. 
Bedenke, was du tuſt! Du kannſt des Kaiſers 
Begehren nicht erfüllen — kannſt das Heer 
Nicht ſchwächen laſſen — nicht die Regimenter 
Zum Spanier ſtoßen laſſen, willſt du nicht 
Die Macht auf ewig aus den Händen geben. 
Bedenk' das andre auch! Du kannſt des Kaiſers 
Befehl und ernſte Ordre nicht verhöhnen, 
Nicht länger Ausflucht ſuchen, temporiſieren, 
Willſt du nicht förmlich brechen mit dem Hof. 
Entſchließ dich! Willſt du mit entſchloßner Tat 
Zuvor ihm kommen? Willſt du, ferner zögernd, 
Das Außerſte erwarten? 
Wallenſtein. 
Das geziemt ſich, 
Eh' man das Außerſte beſchließt! 
Allo. 
O! nimm der Stunde wahr, eh' ſie entſchlüpft. 


So ſelten kommt der Augenblick im Leben, 


Der wahrhaft wichtig ift und groß. Wo eine 


104 Die Piccolomini 
fess tl e geſchehen, da muß vieles 


ich glücklich treffen und zuſammenfinden — 


und einzeln nur, zerſtreuet zeigen fic) 


‘935 


940 


945 


950 


955 


ie, nur in einen Lebenspunkt zuſammen 

edrängt, den ſchweren Früchteknoten bilden. 
Sieh! Wie entſcheidend, wie verhängnisvoll 
Sich's jetzt um dich zuſammen zieht! — Die Häupter 
Des Heers, die beſten, trefflichſten, um dich, 
Den königlichen Führer, her verſammelt, 
Nur deinen Wink erwarten ſie — Ol laß 
Sie ſo nicht wieder aus einander gehen! 
So einig führſt du ſie im ganzen Lauf 
Des Krieges nicht zum zweitenmal zuſammen. 
Die hohe Flut iſt's, die das ſchwere Schiff 
Vom Strande hebt — Und jedem einzelnen 
Wächſt das Gemüt im großen Strom der Menge. 
Jetzt haſt du ſie, jetzt noch! Bald ſprengt der Krieg 
Sie wieder aus einander, dahin, dorthin — 
In eignen kleinen Sorgen und Intreſſen 
Zerſtreut ſich der gemeine Geiſt. Wer heute, 
Vom Strome fortgeriſſen, ſich vergißt, 
Wird nüchtern werden, ſieht er ſich allein, 
Nur ſeine Ohnmacht fühlen und geſchwind 
Umlenken in die alte, breitgetretne 
Fahrſtraße der gemeinen Pflicht, nur wohl⸗ 
Behalten unter Dach zu kommen ſuchen. 


Be Glückes Fäden, die Gelegenheiten, 
G 


Wallenſtein. 
Die Zeit iſt noch nicht da. 


Terzky. 


So ſagſt du immer. 
Wann aber wird es Zeit ſein? 


Zweiter Aufzug. 6. Auftritt 105 


Wallenſtein. 
Wenn ich's ſage. 
Allo. 
960 Ol du wirſt auf die Sternenſtunde warten, 
Bis dir die irdiſche entflieht! Glaub' mir, 
In deiner Bruſt ſind deines Schickſals Sterne. 
Vertrauen zu dir ſelbſt, Entſchloſſenheit \ 
Iſt deine Venus! Der Maleficus, 
966 Der einz'ge, der dir ſchadet, iſt der Zweifel. 


Wallenſtein. 
Du redſt, wie du's verſtehſt. Wie oft und vielmals 
Erklärt' ich dir's! — Dir ſtieg der Jupiter 
Hinab bei der Geburt, der helle Gott 
Du kannſt in die Geheimniſſe nicht ſchauen. 
70 Nur in der Erde magſt du finſter wühlen, 
Blind wie der Unterirdiſche, der mit dem bleichen 
Bleifarbnen Schein ins Leben dir geleuchtet. 
Das Irdiſche, Gemeine magſt du ſehn, 
Das Nächſte mit dem Nächſten klug verknüpfen; 
976 Darin vertrau' ich dir und glaube dir. 
Doch, was geheimnisvoll bedeutend webt 
Und bildet in den Tiefen der Natur, — 
Die Geiſterleiter, die aus dieſer Welt des Staubes 
Bis in die Sternenwelt, mit tauſend Sproſſen, 
9so Hinauf fic) baut, an der die himmliſchen 
Gewalten wirkend auf und nieder wandeln, 
— Die Kreiſe in den Kreiſen, die ſich eng 
Und enger ziehn um die zentraliſche Sonne — 
Die fieht das Aug' nur, das entſiegelte, 
985 Der hellgebornen, heitern Joviskinder. 


(Nachdem er einen Gang durch den Saal gemacht, bleibt er ſtehen und 
fährt fort.) 


Die himmliſchen Geſtirne machen nicht 
Bloß Tag und Nacht, Frühling und Sommer — nicht 


990 
ee 


106 Die Piccolomini 


Dem Sämann bloß bezeichnen fie die Zeiten 
Der Ausſaat und der Ernte. Auch des Menſchen Tun 
Iſt eine Ausſaat von Verhängniſſen, 


Geſtreuet in der Zukunft dunkles Land, 


Den Schickſalsmächten hoffend übergeben. 


Da tut es not, die Saatzeit zu erkunden, 


995 


1000 


1005 


1010 


Die rechte Sternenſtunde auszuleſen, 

Des Himmels Häuſer forſchend zu durchſpüren, 
Ob nicht der Feind des Wachſens und Gedeihens 
In ſeinen Ecken ſchadend ſich verberge. 

Drum laßt mir Zeit. Tut ihr indes das Eure. 
Ich kann jetzt noch nicht ſagen, was ich tun will. 
Nachgeben aber werd' ich nicht. Ich nicht! 
Abſetzen ſollen ſie mich auch nicht — Darauf 
Verlaßt euch. 

Kammerdiener (kommt). 
Die Herrn Generale. 


Wallenſtein. 
Laß ſie kommen. 
Terzky. 
Willſt du, daß alle Chefs zugegen ſeien? 
Wallenſtein. 


Das braucht's nicht. Beide Piccolomini, 
Maradas, Buttler, Forgatſch, Deodat, 
Caraffa, Iſolani mögen kommen. 
(Terzky geht hinaus mit dem Kammerdiener.) 

Wallenſtein (zu Illo). 
Haſt du den Queſtenberg bewachen laſſen? 
Sprach er nicht ein'ge in geheim? 

Allo. 

Ich hab' ihn ſcharf bewacht. Er war mit niemand 
Als dem Octavio. 


1015 


1030 


Zweiter Aufzug. 7. Auftritt 107 
7. Auftritt 


Vorige. Queſtenberg, beide Piccolomini, Buttler, Iſolani, 

Maradas und noch drei andere Generale treten herein. Auf den Wink 

des Generals nimmt Queſtenberg ihm gerad gegenüber Platz, die andern 
folgen nach ihrem Range. Es herrſcht eine augenblickliche Stille. 


Wallenſtein. 
Ich hab' den Inhalt Ihrer Sendung zwar 
Vernommen, Queſtenberg, und wohl erwogen, 
Auch meinen Schluß gefaßt, den nichts mehr ändert. 
Doch, es gebührt ſich, daß die Kommandeurs 
Aus Ihrem Mund des Kaiſers Willen hören — 
Gefall' es Ihnen denn, ſich Ihres Auftrags 
Vor dieſen edeln Häuptern zu entledigen. 
Queſtenberg. 
Ich bin bereit, doch bitt' ich zu bedenken, 
Daß kaiſerliche Herrſchgewalt und Würde 
Aus meinem Munde ſpricht, nicht eigne Kühnheit. 
Wallenſtein. 
Den Eingang ſpart. 
Queſtenberg. 
Als Seine Majeſtät 
Der Kaiſer ihren mutigen Armeen 
Ein ruhmgekröntes, kriegserfahrnes Haupt 
Geſchenkt in der Perſon des Herzogs Friedland, 
Geſchah's in froher Zuverſicht, das Glück 
Des Krieges ſchnell und günſtig umzuwenden. 
Auch war der Anfang ihren Wünſchen hold, 
Gereiniget ward Böheim von den Sachſen, 
Der Schweden Siegeslauf gehemmt — es ſchöpften 
Aufs neue leichten Atem dieſe Länder, 
Als Herzog Friedland die zerſtreuten Feindes heere 
Herbei von allen Strömen Deutſchlands zog, 
Herbei auf einen Sammelplatz beſchwor 
Den Rheingraf, Bernhard, Banner, Oxenſtirn 


108 Die Piccolomini 


1035 


1040 


1045 


1050 


1055 


1060 


Und jenen nie beſiegten König ſelbſt, 

Um endlich hier im Angeſichte Nürnbergs 

Das blutig große Kampfſpiel zu entſcheiden. 
Wallenſtein. 

Zur Sache, wenn's beliebt. 


Queſtenberg. 

Ein neuer Geiſt 
Verkündigte ſogleich den neuen Feldherrn. 
Nicht blinde Wut mehr rang mit blinder Wut, 
In hellgeſchiednem Kampfe ſah man jetzt 
Die Feſtigkeit der Kühnheit widerſtehn 
Und weiſe Kunſt die Tapferkeit ermüden. 
Vergebens lockt man ihn zur Schlacht, er gräbt 
Sich tief und tiefer nur im Lager ein, 
Als gält' es, hier ein ewig Haus zu gründen. 
Verzweifelnd endlich will der König ſtürmen, 
Zur Schlachtbank reißt er ſeine Völker hin, 
Die ihm des Hungers und der Seuchen Wut 
Im leichenvollen Lager langſam tötet. 
Durch den Verhack des Lagers, hinter welchem 
Der Tod aus tauſend Röhren lauert, will 
Der Niegehemmte ſtürmend Bahn ſich brechen. 
Da ward ein Angriff und ein Widerſtand, 
Wie ihn kein glücklich Auge noch geſehn. 
Zerriſſen endlich führt ſein Volk der König 
Vom Kampfplatz heim, und nicht ein Fußbreit Erde 
Gewann es ihm, das grauſe Menſchenopfer. 

Wallenſtein. 

Erſparen Sie's, uns aus dem Zeitungsblatt 
Zu melden, was wir ſchaudernd ſelbſt erlebt. 


Queſtenberg. 
Anklagen iſt mein Amt und meine Sendung, 
Es iſt mein Herz, was gern beim Lob verweilt. 


Zweiter Aufzug. 7. Auftritt 109 


In Nürnbergs Lager ließ der ſchwediſche König 
Den Ruhm — in Lützens Ebenen das Leben. 

106 Doch wer erſtaunte nicht, als Herzog Friedland 
Nach dieſem großen Tag wie ein Beſiegter 
Nach Böheim floh, vom Kriegesſchauplatz ſchwand, 
Indes der junge weimariſche Held 
Ins Frankenland unaufgehalten drang, 

1070 Bis an die Donau reißend Bahn ſich machte 
Und ſtand mit einem Mal vor Regenſpurg, 
Zum Schrecken aller gut kathol'ſchen Chriſten. 
Da rief der Bayern wohlverdienter Fürſt 
Um ſchnelle Hilf' in ſeiner höchſten Not, — 

1075 Es ſchickt der Kaiſer ſieben Reitende ‘ 

An Herzog Friedland ab mit dieſer Bitte 

Und fleht, wo er als Herr befehlen kann. 

Umſonſt! Es hört in dieſem Augenblick 

Der Herzog nur den alten Haß und Groll, 
1oso Gibt das gemeine Beſte preis, die Rachgier 

An einem alten Feinde zu vergnügen. 

Und ſo fällt Regenſpurg! 

Wallenſtein. 
Von welcher Zeit iſt denn die Rede, Max? 
Ich hab' gar kein Gedächtnis mehr. 


Mar. 


1085 Wie wir in Schleſien waren. 


Wallenſtein. 
So! So! So! 
Was aber hatten wir denn dort zu tun? 
Mar. 
Die Schweden draus zu ſchlagen und die Sachſen. 
Wallenſtein. 
Recht! Über der Beſchreibung da vergeſſ' ich 


Er meint, 


110 Die Piccolomini 


Den ganzen Krieg — 
(Zu Queſtenberg.) 
Nur weiter fortgefahren! 
Queſtenberg. 

100 Am Oderſtrom vielleicht gewann man wieder, 
Was an der Donau ſchimpflich ward verloren. 
Erſtaunenswerte Dinge hoffte man 
Auf dieſer Kriegesbühne zu erleben, 

Wo Friedland in Perſon zu Felde zog, 

1095 Der Nebenbuhler Guſtavs einen — Thurn 
Und einen Arnheim vor ſich fand. Und wirklich 
Geriet man nahe gnug hier an einander, 

Doch, um als Freund, als Gaſt ſich zu bewirten. 
Ganz Deutſchland ſeufzte unter Kriegeslaſt, 
1100 Doch Friede war's im Wallenſteiniſchen Lager. 


Wallenſtein. 
Manch blutig Treffen wird um nichts gefochten, 
Weil einen Sieg der junge Feldherr braucht. 
Ein Vorteil des bewährten Feldherrn iſt's, 
Daß er nicht nötig hat, zu ſchlagen, um 
1106 Der Welt zu zeigen, er verſteh' zu ſiegen. 
Mir konnt' es wenig helfen, meines Glücks 
Mich über einen Arnheim zu bedienen; 
Viel nützte Deutſchland meine Mäßigung, 
Wär' mir's geglückt, das Bündnis zwiſchen Sachſen 
1110 Und Schweden, das verderbliche, zu löſen. 
— Queſtenberg. 
Es glückte aber nicht, und ſo begann 
Aufs neu das blut'ge Kriegesſpiel. Hier endlich 
Rechtfertigte der Fürſt den alten Ruhm. 

Auf Steinaus Feldern ſtreckt das ſchwediſche Heer 
nis Die Waffen, ohne Schwertſtreich überwunden — 
Und hier, mit andern, lieferte des Himmels 

Gerechtigkeit den alten Aufruhrſtifter, 


1120 


1126 


1130 


1135 


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1145 


Zweiter Aufzug. 7. Auftritt 111 


Die fluchbeladne Fackel dieſes Kriegs, 
Matthias Thurn, des Rächers Händen aus. 
— Doch in großmüt'ge Hand war er gefallen: 
Statt Strafe fand er Lohn, und reich beſchenkt 
Entließ der Fürſt den Erzfeind ſeines Kaiſers. 


Wallenſtein (lacht). 
Ich weiß, ich weiß — Sie hatten ſchon in Wien 
Die Fenſter, die Balkons voraus gemietet, 
Ihn auf dem Armenſünderkarrn zu ſehn — 
Die Schlacht hätt' ich mit Schimpf verlieren mögen, 
Doch das vergeben mir die Wiener nicht, 
Daß ich um ein Spektakel ſie betrog. 


Queſtenberg. 

Befreit war Schleſien, und alles rief 

Den Herzog nun ins hartbedrängte Bayern. 

Er ſetzt auch wirklich ſich in Marſch — gemächlich 
Durchzieht er Böheim auf dem längſten Wege; 
Doch eh' er noch den Feind geſehen, wendet 

Er ſchleunig um, bezieht ſein Winterlager, drückt 
Des Kaiſers Länder mit des Kaiſers Heer. 


Wallenſtein. 
Das Heer war zum Erbarmen, jede Notdurft, jede 
Bequemlichkeit gebrach — der Winter kam. 
Was denkt die Majeſtät von ihren Truppen? 
Sind wir nicht Menſchen? Nicht der Kält' und Näſſe, 
Nicht jeder Notdurft ſterblich unterworfen? 
Fluchwürdig Schickſal des Soldaten! Wo 
Er hinkommt, flieht man vor ihm — wo er weggeht, 
Verwünſcht man ihn! Er muß ſich alles nehmen; 
Man gibt ihm nichts, und jeglichem gezwungen 
Zu nehmen, iſt er jeglichem ein Greuel. 
Hier ſtehen meine Generals. Caraffa! 


1150 


1155 


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1165 


1170 
* 


112 Die Piccolomini 


Graf Deodati! Buttler! Sagt es ihm, 
Wie lang' der Sold den Truppen ausgeblieben? 


Buttler. 
Ein Jahr ſchon fehlt die Löhnung. 
Wallenſtein. 
Und ſein Sold 
Muß dem Soldaten werden, darnach heißt er! 


Queſtenberg. 
Das klingt ganz anders, als der Fürſt von Friedland 
Vor acht, neun Jahren ſich vernehmen ließ. 


Wallenſtein. 
Ja, meine Schuld iſt es, weiß wohl, ich ſelbſt 
Hab' mir den Kaiſer ſo verwöhnt. Da! Vor neun Jahren, 
Beim Dänenkriege, ſtellt' ich eine Macht ihm auf 
Von vierzigtauſend Köpfen oder fünfzig, 
Die aus dem eignen Säckel keinen Deut 
Ihm koſtete — Durch Sachſens Kreiſe zog 
Die Kriegesfurie, bis an die Schären 
Des Belts den Schrecken ſeines Namens tragend. 
Da war noch eine Zeit! Im ganzen Kaiſerſtaate 
Kein Nam' geehrt, gefeiert wie der meine, 
Und Albrecht Wallenſtein, ſo hieß 
Der dritte Edelſtein in ſeiner Krone! 
Doch auf dem Regenſpurger Fürſtentag, 
Da brach es auf! Da lag es kund und offen, 
Aus welchem Beutel ich gewirtſchaft't hatte. 
Und was war nun mein Dank dafür, daß ich, 
Ein treuer Fürſtenknecht, der Völker Fluch 
Auf mich gebürdet — dieſen Krieg, der nur 


Ihn groß gemacht, die Fürſten zahlen laſſen? 


Was? Aufgeopfert wurd' ich ihren Klagen, 
— Abgeſetzt wurd' ich. 


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1195 


Zweiter Aufzug. 7. Auftritt 113 


Queſtenberg. 
Eure Gnaden weiß, 
Wie ſehr auf jenem unglücksvollen Reichstag 
Die Freiheit ihm gemangelt. 


Wallenſtein. 

Tod und Teufel! 
Ich hatte, was ihm Freiheit ſchaffen konnte. 
— Nein, Herr! Seitdem es mir ſo ſchlecht bekam, 
Dem Thron zu dienen, auf des Reiches Koſten, 
Hab' ich vom Reich ganz anders denken lernen. 
Vom Kaiſer freilich hab' ich dieſen Stab, 
Doch führ' ich jetzt ihn als des Reiches Feldherr, 
Zur Wohlfahrt aller, zu des Ganzen Heil, 
Und nicht mehr zur Vergrößerung des einen! 
— Zur Sache doch. Was iſt's, das man von mir begehrt? 


Queſtenberg. 
Fürs erſte wollen Seine Majeſtät, 
Daß die Armee ohn' Aufſchub Böhmen räume. 


Wallenſtein. 
In dieſer Jahrszeit? Und wohin will man, 
Daß wir uns wenden? 


Queſtenberg. 
Dahin, wo der Feind iſt. 
Denn Seine Majeſtät will Regenſpurg 
Vor Oſtern noch vom Feind geſäubert ſehn, 
Daß länger nicht im Dome lutheriſch 
Gepredigt werde — ketzeriſcher Greul 
Des Feſtes reine Feier nicht beſudle. 


Wallenſtein. 
Kann das geſchehen, meine Generals? 
Allo. 


Es iſt nicht möglich. 
Schillers Werke. V. 8 


114 Die Piccolomini 


Buttler. 
Es kann nicht geſchehn. 


Queſtenberg. 
Der Kaiſer hat auch ſchon dem Oberſt Suys 
Befehl geſchickt, nach Bayern vorzurücken. 


Wallenſtein. 
Was tat der Suys? 


Queſtenberg. 
Was er ſchuldig war. 
Er rückte vor. 
Wallenſtein. 
Er rückte vor! Und ich, 
1200 Sein Chef, gab ihm Befehl, ausdrücklichen, 
Nicht von dem Platz zu weichen! Steht es ſo 
Um mein Kommando? Das iſt der Gehorſam, 
Den man mir ſchuldig, ohne den kein Kriegsſtand 
Zu denken iſt? Sie, meine Generale, 
1205 Seien Richter! Was verdient der Offizier, 
Der eidvergeſſen ſeine Ordre bricht? 


Allo. 
Den Tod! 
Wallenſtein 


(da die übrigen bedenklich ſchweigen, mit erhöhter Stimme). 
Graf Piccolomini, was hat er 


Verdient? 
Mar (nach einer langen Pauſe). 
Nach des Geſetzes Wort — den Tod! 
Aſolani. 
Den Tod! 
Buttler. 


Den Tod nach Kriegesrecht! 
(Queſtenberg ſteht auf. Wallenſtein folgt, es erheben ſich alle.) 


1210 


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1235 


Zweiter Aufzug. 7. Auftritt 115 


Wallenſtein. 
Dazu verdammt ihn das Geſetz, nicht ich! 
Und wenn ich ihn begnadige, geſchieht's 
Aus ſchuld'ger Achtung gegen meinen Kaiſer. 
Queſtenberg. 
Wenn's ſo ſteht, hab' ich hier nichts mehr zu ſagen. 
Wallenſtein. 
Nur auf Bedingung nahm ich dies Kommando; 
Und gleich die erſte war, daß mir zum Nachteil 
ein Menſchenkind, auch ſelbſt der Kaiſer nicht, 
ei der Armee zu ſagen haben ſollte. 
Wenn für den Ausgang ich mit meiner Ehre 
Und meinem Kopf ſoll haften, muß ich Herr 
Darüber ſein. Was machte dieſen Guſtav 
Unwiderſtehlich, unbeſiegt auf Erden? 
Dies: daß er König war in ſeinem Heer! 
Ein König aber, einer, der es iſt, 
Ward nie beſiegt noch, als durch ſeinesgleichen — 
Jedoch zur Sach'. Das Beſte ſoll noch kommen. 


Queſtenberg. 
Der Kardinal⸗Infant wird mit dem Frühjahr 
Aus Mailand rücken und ein ſpaniſch Heer 
Durch Deutſchland nach den Niederlanden führen. 
Damit er ſicher ſeinen Weg verfolge, 
Will der Monarch, daß hier aus der Armee 
Acht Regimenter ihn zu Pferd begleiten. 


Wallenſtein. 
Ich merk', ich merk' — Acht Regimenter — Wohl! 
Wohl ausgeſonnen, Pater Lamormain! 
Wär' der Gedank' nicht ſo verwünſcht geſcheit, 
Man wär' verſucht, ihn herzlich dumm zu nennen. 
Achttauſend Pferde! Ja! Ja! es iſt richtig, 
Ich ſeh' es kommen. 


1240 


1250 


8 
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1288 


1260 


116 Die Piccolomini 


Queſtenberg. 
Es iſt nichts dahinter 
Zu ſehn. Die Klugheit rät's, die Not gebeut's. 


Wallenſtein. 
Wie, mein Herr Abgeſandter? Ich ſoll's wohl 
Nicht merken, daß man's müde iſt, die Macht, 
Des Schwertes Griff in meiner Hand zu ſehn? 
Daß man begierig dieſen Vorwand haſcht, 
Den ſpan'ſchen Namen braucht, mein Volk zu mindern, 
Ins Reich zu führen eine neue Macht, 


5 Die mir nicht untergeben ſei. Mich fo 


Gerad bei Seit' zu werfen, dazu bin ich 

Euch noch zu mächtig. Mein Vertrag erheiſcht's, 
Daß alle Kaiſerheere mir gehorchen, 

So weit die deutſche Sprach' geredet wird. 

Von ſpan'ſchen Truppen aber und Infanten, 

Die durch das Reich als Gäſte wandernd ziehn, 
Steht im Vertrage nichts — Da kommt man denn 
So in der Stille hinter ihm herum, 

Macht mich erſt ſchwächer, dann entbehrlich, bis 
Man kürzeren Prozeß kann mit mir machen. 

— Wozu die krummen Wege, Herr Miniſter? 
Gerad heraus! Den Kaiſer drückt das Paktum 
Mit mir. Er möchte gerne, daß ich ginge. 

Ich will ihm den Gefallen tun, das war 
Beſchloßne Sache, Herr, noch eh' Sie kamen. 

(Es entſteht eine Bewegung unter den Generalen, welche immer zunimmt.) 
Es tut mir leid um meine Oberſten, 

Noch ſeh' ich nicht, wie fie zu ihren vorgeſchoßnen Geldern, 
Zum wohlverdienten Lohne kommen werden. 

Neu Regiment bringt neue Menſchen auf, 

Und früheres Verdienſt veraltet ſchnell. 

Es dienen viel Ausländiſche im Heer, 


1270 


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Zweiter Aufzug. 7. Auftritt 117 


Und war der Mann nur ſonſten brav und tüchtig, 
Ich pflegte eben nicht nach ſeinem Stammbaum 
Noch ſeinem Katechismus viel zu fragen. 

Das wird auch anders werden künftighin! 


Nun — mich geht's nichts mehr an. 
(Er ſetzt ſich.) 


aes Da ſei Gott für, 
Daß es bis dahin kommen ſoll! — Die ganze 
Armee wird furchtbar gärend ſich erheben — 
Der Kaiſer wird mißbraucht, es kann nicht ſein. 
Iſolani. 
Es kann nicht ſein, denn alles ging' zu Trümmern. 
Wallenſtein. 
Das wird es, treuer Iſolan. Zu Trümmern 
Wird alles gehn, was wir bedächtig bauten. 
Deswegen aber find't ſich doch ein Feldherr, 
Und auch ein Kriegsheer läuft noch wohl dem Kaiſer 
Zuſammen, wenn die Trommel wird geſchlagen. 


Mar 
(geſchäftig, leidenſchaftlich von einem zum andern gehend und ſie beſänftigend). 


Hör' mich, mein Feldherr! Hört mich, Oberſten! 
Laß dich beſchwören, Fürſt! Beſchließe nichts, 
Bis wir zuſammen Rat gehalten, dir 
Vorſtellungen getan — Kommt, meine Freunde! 
Ich hoff', es iſt noch alles herzuſtellen. 

Terzky. 


Kommt, kommt! im Vorſaal treffen wir die andern. 
(Gehen.) 


Buttler (zu Queſtenberg). 
Wenn guter Rat Gehör bei Ihnen findet, 
Vermeiden Sie's, in dieſen erſten Stunden 
Sich öffentlich zu zeigen, ſchwerlich möchte Sie 
Der goldne Schlüſſel vor Mißhandlung ſchützen. 


(Laute Bewegungen draußen.) 


118 Die Piccolomini 


Wallenſtein. 
Der Rat iſt gut — Octavio, du wirft 
Für unſers Gaſtes Sicherheit mir haften. 
Gehaben Sie ſich wohl, von Queſtenberg! 
(Als dieſer reden will.) 
Nichts, nichts von dem verhaßten Gegenſtand! 
1296, Sie taten Ihre Schuldigkeit. Ich weiß 
7 Den Mann von ſeinem Amt zu unterſcheiden. 


1 Indem Queſtenberg mit dem Octavio abgehen will, dringen Götz, Ticfens 
bach, Colalto herein, denen noch mehrere Kommandeurs folgen. 


Götz. 
Wo iſt er, der uns unſern General — 
Tiefenbach Gugleich). 
Was müſſen wir erfahren, du willſt uns — 
Colalto (zugleich). 
Wir wollen mit dir leben, mit dir ſterben. 
Wallenſtein (mit Anſehen, indem er auf Illo zeigt). 


1300 Hier der Feldmarſchall weiß um meinen Willen. 
(Geht ab.) 


Dritter Aufzug 


Ein Zimmer. 
1. Auftritt 
Illo und Terzky. 
Terzky. 
Nun ſagt mir! Wie gedenkt Ihr's dieſen Abend 
Beim Gaſtmahl mit den Obriſten zu machen? 
Allo. 
Gebt Acht! Wir ſetzen eine Formel auf, 
Worin wir uns dem Herzog insgeſamt 
1305 Verſchreiben, fein zu fein mit Leib und Leben, 

Nicht unſer letztes Blut für ihn zu ſparen; 


1310 


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1325 


1330 


Dritter Aufzug. 1. Auftritt 119 


Jedoch der Eidespflichten unbeſchadet, 

Die wir dem Kaiſer ſchuldig ſind. Merkt wohl! 
Die nehmen wir in einer eignen Klauſel 
Ausdrücklich aus und retten das Gewiſſen. 

Nun hört! Die alſo abgefaßte Schrift 

Wird ihnen vorgelegt vor Tiſche, keiner 

Wird daran Anſtoß nehmen — Hört nun weiter! 
Nach Tafel, wenn der trübe Geiſt des Weins 
Das Herz nun öffnet und die Augen ſchließt, 
Läßt man ein unterſchobnes Blatt, worin 

Die Klauſel fehlt, zur Unterſchrift herumgehn. 


Terzky. 
Wie? Denkt Ihr, daß ſie ſich durch einen Eid 
Gebunden glauben werden, den wir ihnen 
Durch Gaukelkunſt betrüglich abgeliſtet? 


Allo. 
Gefangen haben wir ſie immer — Laßt ſie 
Dann über Argliſt ſchrein, ſo viel ſie mögen. 
Am Hofe glaubt man ihrer Unterſchrift 
Doch mehr als ihrem heiligſten Beteuern. 
Verräter ſind ſie einmal, müſſen's ſein, 
So machen ſie aus der Not wohl eine Tugend. 


Terzky. 
Nun, mir iſt alles lieb, geſchieht nur was, 
Und rücken wir nur einmal von der Stelle. 


Allo. 
Und dann — liegt auch ſo viel nicht dran, wie weit 
Wir damit langen bei den Generalen, 
Genug, wenn wir's dem Herrn nur überreden, 
Sie ſeien ſein — denn handelt er nur erſt 
Mit ſeinem Ernſt, als ob er ſie ſchon hätte, 
So hat er ſie und reißt ſie mit ſich fort. 


1335 


1340 


1346 


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1355 


1360 


120 Die Piccolomini 


Terzky. 
Ich kann mich manchmal gar nicht in ihn finden. 
Er leiht dem Feind ſein Ohr, läßt mich dem Thurn, 
Dem Arnheim ſchreiben, gegen den Seſina 
Geht er mit kühnen Worten frei heraus, 
Spricht ſtundenlang mit uns von ſeinen Planen, 
Und mein' ich nun, ich hab' ihn — weg auf einmal 
Entſchlüpft er, und es ſcheint, als wär' es ihm 
Um nichts zu tun, als nur am Platz zu bleiben. 


Allo. 
Er ſeine alten Plane aufgegeben! 
Ich ſag' Euch, daß er wachend, ſchlafend mit 
Nichts anderm umgeht, daß er Tag für Tag 
Deswegen die Planeten fragt — 


Terzky. 
Ja, wißt Ihr, 
Daß er ſich in der Nacht, die jetzo kommt, 
Im aſtrologiſchen Turme mit dem Doktor 
Einſchließen wird und mit ihm obſervieren? 
Denn es ſoll eine wicht'ge Nacht ſein, hör' ich, 
Und etwas Großes, Langerwartetes 
Am Himmel vorgehn. 
Allo. 

Wenn's hier unten nur geſchieht. 
Die Generale ſind voll Eifer jetzt 
Und werden ſich zu allem bringen laſſen, 
Nur um den Chef nicht zu verlieren. Seht! 
So haben wir den Anlaß vor der Hand 
Zu einem engen Bündnis widern Hof. 
Unſchuldig iſt der Name zwar, es heißt, 
Man will ihn beim Kommando bloß erhalten. 
Doch wißt Ihr, in der Hitze des Verfolgens 
Verliert man bald den Anfang aus den Augen. 


1365 


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Dritter Aufzug. 1. Auftritt 121 


Ich denk' es ſchon zu karten, daß der Fürſt 

Sie willig finden — willig glauben ſoll 

Zu jedem Wagſtück. Die Gelegenheit 

Soll ihn verführen. Iſt der große Schritt 

Nur erſt getan, den ſie zu Wien ihm nicht verzeihn, 
So wird der Notzwang der Begebenheiten 

Ihn weiter ſchon und weiter führen. Nur 

Die Wahl iſt's, was ihm ſchwer wird; drängt die Not, 
Dann kommt ihm ſeine Stärke, ſeine Klarheit. 


Terzky. 
Das iſt es auch, worauf der Feind nur wartet, 
Das Heer uns zuzuführen. 


Allo. 
Kommt! Wir müſſen 

Das Werk in dieſen nächſten Tagen weiter fördern, 
Als es in Jahren nicht gedieh — Und ſteht's 
Nur erſt hier unten glücklich, gebet Acht, 
So werden auch die rechten Sterne ſcheinen! 
Kommt zu den Oberſten. Das Eiſen muß 
Geſchmiedet werden, weil es glüht. 


Terzky. 
Geht Ihr hin, Illo. 
Ich muß die Gräfin Terzky hier erwarten. 
Wißt, daß wir auch nicht müßig ſind — wenn ein 
Strick reißt, iſt ſchon ein andrer in Bereitſchaft. 


Allo. 
Ja, Eure Hausfrau lächelte ſo liſtig. 
Was habt Ihr? 
Terzky. 


Ein Geheimnis! Still! Sie kommt! 
(Illo geht ab.) 


1385 


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1400 


122 Die Piccolomint 


2. Auftritt 


Graf und Gräfin Terzky, die aus einem Kabinett heraustritt, hernach 
ein Bedienter, darauf Illo. 


Terzky. 

Kommt ſie? Ich halt' ihn länger nicht zurück. 
Grüſin. 

Gleich wird ſie da ſein. Schick' ihn nur. 
Terzky. 


Zwar weiß ich nicht, ob wir uns Dank damit 
Beim Herrn verdienen werden. Über dieſen Punkt, 
Du weißt's, hat er ſich nie herausgelaſſen. 

Du haſt mich überredet und mußt wiſſen, 

Wie weit du gehen kannſt. 


Grüſin. 
Ich nehm's auf mich. 
(Für ſich.) 
Es braucht hier keiner Vollmacht — Ohne Worte, Schwager, 
Verſtehn wir uns — Errat' ich etwa nicht, 
Warum die Tochter hergefordert worden, 
Warum juſt er gewählt, ſie abzuholen? 
Denn dieſes vorgeſpiegelte Verlöbnis 
Mit einem Bräutigam, den niemand kennt, 
Mag andre blenden! Ich durchſchaue dich — 
Doch dir geziemt es nicht, in ſolchem Spiel 
Die Hand zu haben. Nicht doch! Meiner Feinheit 
Bleibt alles überlaſſen. Wohl! — Du ſollſt 
Dich in der Schweſter nicht betrogen haben. 


Bedienter (tommt). 
Die Generale! (Ab.) 


Terzky (zur Gräfin). 
Sorg' nur, daß du ihm 
Den Kopf recht warm machſt, was zu denken gibſt — 


1405 


1410 


1415 


Dritter Aufzug. 3. Auftritt 123 


Wenn er zu Tiſch' kommt, daß er ſich nicht lange 
Bedenke bei der Unterſchrift. 
Grüſin. 
Sorg' du für deine Gäſte! Geh und ſchick' ihn. 
Terzky. 
Denn alles liegt dran, daß er unterſchreibt. 
Gräfin. 
Zu deinen Gäſten. Geh! 
Allo (kommt zurück). 
Wo bleibt Ihr, Terzky? 
Das Haus iſt voll, und alles wartet Euer. 
Terzky. 
Gleich! Gleich! 
(Zur Gräfin.) 


Und daß er nicht zu lang' verweilt — 
Es möchte bei dem Alten ſonſt Verdacht — 
Grüſin. 


Unnöt'ge Sorgfalt! 
(Terzky und Illo gehen.) 


3. Auftritt 
Gräfin Terzky. Max Piccolomini. 


Mar (blickt ſchüchtern herein). 
Baſe Terzky! Darf ich? 
(Tritt bis in die Mitte des Zimmers, wo er ſich unruhig umſieht.) 
Sie iſt nicht da! Wo iſt ſie? 
Grüfin. 
Sehen Sie nur recht 
In jene Ecke, ob ſie hinterm Schirm 
Vielleicht verſteckt — 
Mar. 
Da liegen ihre Handſchuh! 


(Will haſtig darnach greifen, Gräfin nimmt ſie zu ſich.) 


124 Die Piccolomini 


1420 


1425 


1430 


1435 


Ungüt'ge Tante! Sie verleugnen mir — 
Sie haben Ihre Luſt dran, mich zu quälen. 


Grüſin. 
Der Dank für meine Müh! 


Mar. 
O! fühlten Sie, 
Wie mir zu Mute iſt! — Seitdem wir hier ſind — 
So an mich halten, Wort' und Blicke wägen! 
Das bin ich nicht gewohnt! 


Gräfin. 
Sie werden ſich 
An manches noch gewöhnen, ſchöner Freund! 
Auf dieſer Probe Ihrer Folgſamkeit 
Muß ich durchaus beſtehn, nur unter der Bedingung 
Kann ich mich überall damit befaſſen. 


Mar. 
Wo aber iſt ſie? Warum kommt ſie nicht? 
Grifin, 
Sie müſſen's ganz in meine Hände legen. 
Wer kann es beſſer auch mit Ihnen meinen! 
Kein Menſch darf wiſſen, auch Ihr Vater nicht, 
Der gar nicht! 
Mar. 


Damit hat's nicht Not. Es iſt 
Hier kein Geſicht, an das ich's richten möchte, 
Was die entzückte Seele mir bewegt. 
— O Tante Terzky! Iſt denn alles hier 
Verändert, oder bin nur ich's? Ich ſehe mich 
Wie unter fremden Menſchen. Keine Spur 
Von meinen vor'gen Wünſchen mehr und Freuden. 
Wo iſt das alles hin? Ich war doch ſonſt 
In eben dieſer Welt nicht unzufrieden. 
Wie ſchal iſt alles nun und wie gemein! 


Dritter Aufzug. 3. Auftritt 125 


1440 Die Kameraden ſind mir unerträglich, 
Der Vater ſelbſt, ich weiß ihm nichts zu ſagen, 
Der Dienſt, die Waffen ſind mir eitler Tand. 
So müßt' es einem ſel'gen Geiſte ſein, 
Der aus den Wohnungen der ew'gen Freude 
1445 Zu ſeinen Kinderſpielen und Geſchäften, 
Zu ſeinen Neigungen und Brüderſchaften, 
Zur ganzen armen Menſchheit wiederkehrte. 


Gräfin. 
Doch muß ich bitten, ein'ge Blicke noch 
Auf dieſe ganz gemeine Welt zu werfen, 
1450 Wo eben jetzt viel Wichtiges geſchieht. 


Mar. 
Es geht hier etwas vor um mich, ich ſeh's 
An ungewöhnlich treibender Bewegung; 
Wenn's fertig iſt, kommt's wohl auch bis zu mir. 
Wo denken Sie, daß ich geweſen, Tante? 
1455 Doch keinen Spott! Mich ängſtigte des Lagers 
Gewühl, die Flut zudringlicher Bekannten, 
Der fade Scherz, das nichtige Geſpräch, 
Es wurde mir zu eng, ich mußte fort, 
Stillſchweigen ſuchen dieſem vollen Herzen 
1400 Und eine reine Stelle für mein Glück. 
Kein Lächeln, Gräfin! In der Kirche war ich. 
Es iſt ein Kloſter hier, zur Himmelspforte, 
Da ging ich hin, da fand ich mich allein. 
Ob dem Altar hing eine Mutter Gottes, 
1405 Ein ſchlecht Gemälde war's, doch war's der Freund, 
Den ich in dieſem Augenblicke ſuchte. 
Wie oft hab' ich die Herrliche geſehn 
In ihrem Glanz, die Inbrunſt der Verehrer — 
Es hat mich nicht gerührt, und jetzt auf einmal 
140 Ward mir die Andacht klar, jo wie die Liebe. 


126 Die Piccolomini 


1480 


1485 


1490 


1495 


Grifin. 
Genießen Sie Ihr Glück. Vergeſſen Sie 
Die Welt um ſich herum. Es ſoll die Freundſchaft 


Indeſſen wachſam für Sie ſorgen, handeln. 


Nur ſei'n Sie dann auch lenkſam, wenn man Ihnen 


7s Den Weg zu Ihrem Glücke zeigen wird. 


Mar. 
Wo aber bleibt jie denn! — O! goldne Zeit 
Der Reiſe, wo uns jede neue Sonne 
Vereinigte, die ſpäte Nacht nur trennte! 
Da rann kein Sand, und keine Glocke ſchlug. 
Es ſchien die Zeit dem Überſeligen 
In ihrem ew'gen Laufe ſtill zu ſtehen. 
O! der iſt aus dem Himmel ſchon gefallen, 
Der an der Stunden Wechſel denken muß! 
Die Uhr ſchlägt keinem Glücklichen. 


Gräfin. 
Wie lang' iſt es, daß Sie Ihr Herz entdeckten? 


Mar. 

Heut' früh wagt' ich das erſte Wort. 
Grüfin. 

Wie? Heute erſt in dieſen zwanzig Tagen? 


Mar. 
Auf jenem Jagdſchloß war es, zwiſchen hier 
Und Nepomuk, wo Sie uns eingeholt, 
Der letzten Station des ganzen Wegs. 
In einem Erker ſtanden wir, den Blick 
Stumm in das öde Feld hinaus gerichtet, 
Und vor uns ritten die Dragoner auf, 
Die uns der Herzog zum Geleit geſendet. 
Schwer lag auf mir des Scheidens Bangigkeit, 
Und zitternd endlich wagt' ich dieſes Wort: 


1500 


1505 


1510 


1515 


Dritter Aufzug. 3. Auftritt 127 


Dies alles mahnt mich, Fräulein, daß ich heut' 
Von meinem Glücke ſcheiden muß. Sie werden 
In wenig Stunden einen Vater finden, 

Von neuen Freunden ſich umgeben ſehn, 

Ich werde nun ein Fremder für Sie ſein, 
Verloren in der Menge — „Sprechen Sie 
Mit meiner Baſe Terzky!“ fiel ſie ſchnell 

Mir ein, die Stimme zitterte, ich ſah 

Ein glühend Rot die ſchönen Wangen färben, 
Und von der Erde langſam ſich erhebend 
Trifft mich ihr Auge — ich beherrſche mich 
Nicht länger — 


(die Prinzeſſin erſcheint an der Türe und bleibt ſtehen, von der Gräfin, 


aber nicht von Piccolomini bemerkt) 
— faſſe kühn ſie in die Arme, 
Mein Mund berührt den ihrigen — da rauſcht' es 
Im nahen Saal und trennte uns — Sie waren's. 
Was nun geſchehen, wiſſen Sie. 
Grifin 
(nach einer Pauſe mit einem verſtohlnen Blick auf Thekla). 
Und ſind Sie ſo beſcheiden oder haben 
So wenig Neugier, daß Sie mich nicht auch 
Um mein Geheimnis fragen? 


Mar. 
Ihr Geheimnis? 
Gräfin. 
Nun ja! Wie ich unmittelbar nach Ihnen 
Ins Zimmer trat, wie ich die Nichte fand, 
Was ſie in dieſem erſten Augenblick 
Des überraſchten Herzens — 
Mlar (lebhaft). 
Nun? 


128 Die Piccolomini 


1625 


1530 


1535 


4. Auftritt 


Vorige. Thekla, welche ſchnell hervortritt. 


Thekla. 
Spart Euch die Mühe, Tante! 
Das hört er beſſer von mir ſelbſt. 


Mar (tritt zurück). 
Mein Fräulein! — 

Was ließen Sie mich ſagen, Tante Terzky! 

Thekla (zur Gräfin). 
Iſt er ſchon lange hier? 

Grüſin. 

Ja wohl, und ſeine Zeit iſt bald vorüber. 
Wo bleibt Ihr auch ſo lang'? 


Thekla. 

Die Mutter weinte wieder ſo. Ich ſeh' ſie leiden 
— Und kann's nicht ändern, daß ich glücklich bin. 
Mar lin ihren Anblick verloren). 

Jetzt hab' ich wieder Mut, Sie anzuſehn. 

Heut' fount’ ich's nicht. Der Glanz der Edelſteine, 

Der Sie umgab, verbarg mir die Geliebte. 
Thekla. 

So ſah mich nur Ihr Auge, nicht Ihr Herz. 
Mar. 

Ol dieſen Morgen, als ich Sie im Kreiſe 

Der Ihrigen, in Vaters Armen fand, 

Mich einen Fremdling ſah in dieſem Kreiſe — 

Wie drängte mich's in dieſem Augenblick, 

Ihm um den Hals zu fallen, Vater ihn 

Zu nennen! Doch ſein ſtrenges Auge hieß 

Die heftig wallende Empfindung ſchweigen, 

Und jene Diamanten ſchreckten mich, 

Die wie ein Kranz von Sternen Sie umgaben. 


1540 


1555 


1560 


1665 


Dritter Aufzug. 4. Auftritt 129 


Warum auch mußt' er beim Empfange gleich 
Den Bann um Sie verbreiten, gleich zum Opfer 
Den Engel ſchmücken, auf das heitre Herz 

Die traur'ge Bürde ſeines Standes werfen! 
Wohl darf die Liebe werben um die Liebe, 

Doch ſolchem Glanz darf nur ein König nahn. 


Thekla. 
O! ſtill von dieſer Mummerei. Sie ſehn, 
Wie ſchnell die Bürde abgeworfen ward. 
(Zur Gräfin.) 
Er iſt nicht heiter. Warum iſt er's nicht? 
Ihr, Tante, habt ihn mir ſo ſchwer gemacht! 
War er doch ein ganz andrer auf der Reiſe! 


Sa ruhig hell! So froh beredt!. Ich wünſchte, 


Sie immer ſo zu ſehn und niemals anders. 


Mar. 
Sie fanden ſich, in Ihres Vaters Armen, 
In einer neuen Welt, die Ihnen huldigt, 
Wär's auch durch Neuheit nur, Ihr Auge reizt. 


Thekla. 
Ja! Vieles reizt mich hier, ich will's nicht leugnen, 
Mich reizt die bunte, kriegeriſche Bühne, 
Die vielfach mir ein liebes Bild erneuert, 
Mir an das Leben, an die Wahrheit knüpft, 
Was mir ein ſchöner Traum nur hat geſchienen. 


Mar. 
Mir machte ſie mein wirklich Glück zum Traum. 
Auf einer Inſel in des Athers Höhn 
Hab' ich gelebt in dieſen letzten Tagen; 
Sie hat ſich auf die Erd' herabgelaſſen, 
Und dieſe Brücke, die zum alten Leben 


Zurück mich bringt, trennt mich von meinem N 
Schillers Werke. V. 


130 Die Piccolomini 


1575 


1580 


Thekla. 

Das Spiel des Lebens ſieht ſich heiter an, 
Wenn man den ſichern Schatz im Herzen trägt, 
Und froher kehr' ich, wenn ich es gemuſtert, 
Zu meinem ſchönern Eigentum zurück — 

(Abbrechend, und in einem ſcherzhaften Ton.) 
Was hab' ich Neues nicht und Unerhörtes 
In dieſer kurzen Gegenwart geſehn! 
Und doch muß alles dies dem Wunder weichen, 
Das dieſes Schloß geheimnisvoll verwahrt. 


Grüfin (nachſinnend). 
Was wäre das? Ich bin doch auch bekannt 
In allen dunkeln Ecken dieſes Hauſes. 


Thekla (lächelnd). 
Von Geiſtern wird der Weg dazu beſchützt, 
Zwei Greife halten Wache an der Pforte. 


Gräfin (acht). 
Ach ſo! der aſtrologiſche Turm! Wie hat ſich 
Dies Heiligtum, das ſonſt ſo ſtreng verwahrt wird, 
Gleich in den erſten Stunden Euch geöffnet? 
Thekla. 
Ein kleiner, alter Mann mit weißen Haaren 
Und freundlichem Geſicht, der ſeine Gunſt 
Mir gleich geſchenkt, ſchloß mir die Pforten auf. 
Mar. 
Das iſt des Herzogs Aſtrolog, der Seni. 
Thekla. 
Er fragte mich nach vielen Dingen, wann ich 
Geboren ſei, in welchem Tag und Monat, 
Ob eine Tages- oder Nachtgeburt — 


Grüfin. 
Weil er das Horoſkop Euch ſtellen wollte. 


1590 


1595 


1600 


1605 


1610 


1615 


Dritter Aufzug. 4. Auftritt 131 


Thekla. 
Auch meine Hand beſah er, ſchüttelte 
Das Haupt bedenklich, und es ſchienen ihm 
Die Linien nicht eben zu gefallen. 


Grifin. 
Wie fandet Ihr es denn in dieſem Saal? 
Ich hab' mich ſtets nur flüchtig umgeſehn. 


Thekla. 
Es ward mir wunderbar zu Mut, als ich 
Aus vollem Tageslichte ſchnell hineintrat, 
Denn eine düſtre Nacht umgab mich plötzlich, 
Von ſeltſamer Beleuchtung ſchwach erhellt. 
In einem Halbkreis ſtanden um mich her 
Sechs oder ſieben große Königsbilder, 
Den Zepter in der Hand, und auf dem Haupt 
Trug jedes einen Stern, und alles Licht 
Im Turm ſchien von den Sternen nur zu kommen. 
Das wären die Planeten, ſagte mir 
Mein Führer, ſie regierten das Geſchick, 
Drum ſeien ſie als Könige gebildet. 
Der äußerſte, ein grämlich finſtrer Greis 
Mit dem trübgelben Stern, ſei der Saturnus; 
Der mit dem roten Schein, grad' von ihm über, 
In kriegeriſcher Rüſtung, ſei der Mars, 
Doch eine ſchöne Frau ſtand ihm zur Seite, 
Sanft ſchimmerte der Stern auf ihrem Haupt, 
Das ſei die Venus, das Geſtirn der Freude. 
Zur linken Hand erſchien Merkur geflügelt, 
Ganz in der Mitte glänzte ſilberhell 
Ein heitrer Mann, mit einer Königsſtirn, 
Das ſei der Jupiter, des Vaters Stern, 
Und Mond und Sonne ſtanden ihm zur Seite. 


132 Die Piccolomini 


Mar. 
O! nimmer will ich ſeinen Glauben ſchelten 

1620 An der Geſtirne, an der Geiſter Macht. 

Nicht bloß der Stolz des Menſchen füllt den Raum 

Mit Geiſtern, mit geheimnisvollen Kräften, 

Auch für ein liebend Herz iſt die gemeine 

Natur zu eng, und tiefere Bedeutung 

Liegt in dem Märchen meiner Kinderjahre 

Als in der Wahrheit, die das Leben lehrt. 

Die heitre Welt der Wunder iſt's allein, 

Die dem entzückten Herzen Antwort gibt, 

Die ihre ew'gen Räume mir eröffnet, 

o Mir tauſend Zweige reich entgegen ſtreckt, 
Worauf der trunkne Geiſt ſich ſelig wiegt. 
Die Fabel iſt der Liebe Heimatwelt, 

Gern wohnt ſie unter Feen, Talismanen, 
Glaubt gern an Götter, weil ſie göttlich iſt. 

1636 Die alten Fabelweſen find nicht mehr, 

Das reizende Geſchlecht iſt ausgewandert; 

Doch eine Sprache braucht das Herz, es bringt 

Der alte Trieb die alten Namen wieder, 

Und an dem Sternenhimmel gehn ſie jetzt, 

1040 Die ſonſt im Leben freundlich mit gewandelt. 

Dort winken ſie dem Liebenden herab, 
Und jedes Große bringt uns Jupiter 
Noch dieſen Tag, und Venus jedes Schöne. 


— 
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Thekla. 
Wenn das die Sternenkunſt iſt, will ich froh 
1045 Zu dieſem heitern Glauben mich bekennen. 
Es iſt ein holder, freundlicher Gedanke, 
Daß über uns, in unermeßnen Höhn, 
Der Liebe Kranz aus funkelnden Geſtirnen, 
Da wir erſt wurden, ſchon geflochten ward. 


1650 


1655 


1660 


1665 


1670 


1675 


Dritter Aufzug. 4. Auftritt 133 


Gräfin. 
Nicht Roſen bloß, auch Dornen hat der Himmel, 
Wohl dir! wenn fie den Kranz dir nicht verletzen.“ 
Was Venus band, die Bringerin des Glücks, 
Kann Mars, der Stern des Unglücks, ſchnell zerreißen. 


Mar. 
Bald wird ſein düſtres Reich zu Ende ſein! 
Geſegnet ſei des Fürſten ernſter Eifer, 
Er wird den Olzweig in den Lorbeer flechten 
Und der erfreuten Welt den Frieden ſchenken. 
Dann hat ſein großes Herz nichts mehr zu wünſchen, 
Er hat genug für ſeinen Ruhm getan, 
Kann jetzt ſich ſelber leben und den Seinen. 
Auf ſeine Güter wird er ſich zurückziehn, 
Er hat zu Gitſchin einen ſchönen Sitz, 
Auch Reichenberg, Schloß Friedland liegen heiter — 
Bis an den Fuß der Rieſenberge hin 
Streckt ſich das Jagdgehege ſeiner Wälder. 
Dem großen Trieb, dem prächtig ſchaffenden, 
Kann er dann ungebunden frei willfahren. 
Da kann er fürſtlich jede Kunſt ermuntern 
Und alles würdig Herrliche beſchützen — 
Kann bauen, pflanzen, nach den Sternen ſehn — 
Ja, wenn die kühne Kraft nicht ruhen kann, 
So mag er kämpfen mit dem Element, 
Den Fluß ableiten und den Felſen ſprengen 
Und dem Gewerb die leichte Straße bahnen. 
Aus unſern Kriegsgeſchichten werden dann 
Erzählungen in langen Winternächten — 


Grüſin. 
Ich will denn doch geraten haben, Vetter, 
Den Degen nicht zu frühe weg zu legen. 


1680 


1685 


1690 


1695 


134 Die Piccolomini 


Denn eine Braut wie die iſt es wohl wert, 
Daß mit dem Schwert um ſie geworben werde. 

Mar. 
O! wäre ſie mit Waffen zu gewinnen! 

Grüſin. 
Was war das? Hört ihr nichts? — Mir war's, als hört' ich 
Im Tafelzimmer heft'gen Streit und Lärmen. 

(Sie geht hinaus.) 


5. Auftritt 
Thekla und Max Piecolomini. 
Thekla 
(ſobald die Gräfin fie) entfernt hat, ſchnell und heimlich zu Piccolomini). 
Trau' ihnen nicht. Sie meinen's falſch. 


Mar. 


Thekla. 
Trau' niemand hier als mir. Ich ſah es gleich, 
Sie haben einen Zweck. 

Mar. 

Zweck! Aber welchen? 
Was hätten ſie davon, uns Hoffnungen — 

Thekla. 
Das weiß ich nicht. Doch glaub' mir, es iſt nicht 
Ihr Ernſt, uns zu beglücken, zu verbinden. 


Mar. 
Wozu auch dieſe Terzkys? Haben wir 
Nicht deine Mutter? Ja, die Gütige 
Verdient's, daß wir uns kindlich ihr vertrauen. 
Thekla. 
Sie liebt dich, ſchätzt dich hoch vor allen andern, 
Doch nimmer hätte ſie den Mut, ein ſolch 
Geheimnis vor dem Vater zu bewahren. 


Sie könnten — 


Dritter Aufzug. 5. Auftritt 135 


Um ihrer Ruhe willen muß es ihr 
Verſchwiegen bleiben. 
Mar. 
Warum überall 
Auch das Geheimnis? Weißt du, was ich tun will? 
Ich werfe mich zu deines Vaters Füßen, 

1700 Er ſoll mein Glück entſcheiden, er ijt wahrhaft, 
Iſt unverſtellt und haßt die krummen Wege, 
Er iſt ſo gut, ſo edel — 

Thekla. 
Das biſt du! 


Mar. 

Du kennſt ihn erſt ſeit heut'. Ich aber lebe 
Schon zehen Jahre unter ſeinen Augen. 

1705 Iſt's denn das erſte Mal, daß er das Seltne, 
Das Ungehoffte tut? Es ſieht ihm gleich, 
Zu überraſchen wie ein Gott, er muß 
Entzücken ſtets und in Erſtaunen ſetzen. 
Wer weiß, ob er in dieſem Augenblick 

1710 Nicht mein Geſtändnis, deines bloß erwartet, 
Uns zu vereinigen — Du ſchweigſt? Du ſiehſt 
Mich zweifelnd an? Was haſt du gegen deinen Vater? 


Thekla. 
Ich? Nichts — Nur zu beſchäftigt find' ich ihn, 
Als daß er Zeit und Muße könnte haben, 
ims An unſer Glück zu denken. 
(Ihn zärtlich bei der Hand faſſend.) 
Folge mir! 
Laß nicht zu viel uns an die Menſchen glauben. 
Wir wollen dieſen Terzkys dankbar ſein 
Für jede Gunſt, doch ihnen auch nicht mehr 
Vertrauen, als ſie würdig ſind, und uns 
1720 Im übrigen — auf unſer Herz verlaſſen. 


136 Die Piccolomini 
Mar. 


O! werden wir auch jemals glücklich werden! 


Thekla. 

Sind wir's denn nicht? Biſt du nicht mein? Bin ich 
Nicht dein? — In meiner Seele lebt 
Ein hoher Mut, die Liebe gibt ihn mir — 

1725 Ich ſollte minder offen ſein, mein Herz 
Dir mehr verbergen, alſo will's die Sitte. 
Wo aber wäre Wahrheit hier für dich, 
Wenn du ſie nicht auf meinem Munde findeſt? 
Wir haben uns gefunden, halten uns 

1730 Umſchlungen, feſt und ewig. Glaube mir! 
Das iſt um vieles mehr, als ſie gewollt. 
Drum laß es uns wie einen heil'gen Raub 
In unſers Herzens Innerſtem bewahren. 
Aus Himmels Höhen fiel es uns herab, 

1736 Und nur dem Himmel wollen wir's verdanken. 
Er kann ein Wunder für uns tun. 


6. Auftritt 


Gräfin Terzky zu den Vorigen. 
Grüſin (preffiert). 
Mein Mann ſchickt her. Es ſei die höchſte Zeit. 
Er ſoll zur Tafel — 
(Da jene nicht darauf achten, tritt ſie zwiſchen ſie.) 
Trennt euch! 
Thekla. 5 
O! nicht doch! 

Es iſt ja kaum ein Augenblick. 

Grifin, 

1710 Die Zeit vergeht Euch ſchnell, Prinzeſſin Nichte. 


1745 


1750 


1755 


Dritter Aufzug. 6. Auftritt 137 


Mar. 
Es eilt nicht, Baſe. 
Grüſin. 
Fort! Fort! Man vermißt Sie. 
Der Vater hat ſich zweimal ſchon erkundigt. 


Thekla. 
Ei nun! der Vater! 
Grüſin. 
Das verſteht Ihr, Nichte. 
Thekla. 
Was ſoll er überall bei der Geſellſchaft? 
Es iſt ſein Umgang nicht, es mögen würd'ge, 
Verdiente Männer ſein, er aber iſt 
Für ſie zu jung, taugt nicht in die Geſellſchaft. 
Grüſin. 
Ihr möchtet ihn wohl lieber ganz behalten? 


Thekla (lebhaft). 

Ihr habt's getroffen. Das iſt meine Meinung. 
Ja, laßt ihn ganz hier, laßt den Herren ſagen — 
Grüſin. 

Habt Ihr den Kopf verloren, Nichte? — Graf! 
Sie wiſſen die Bedingungen. 


Mar. 
Ich muß gehorchen, Fräulein. Leben Sie wohl. 
(Da Thekla ſich ſchnell von ihm wendet.) 


Was ſagen Sie? 
Thekla (ohne ihn anzuſehen). 
Nichts. Gehen Sie. 


Mar. 


Wenn Sie mir zürnen — 


Kann ich's, 


(Er nähert ſich ihr, ihre Augen begegnen ſich, ſie ſteht einen Augenblick 
ſchweigend, dann wirft ſie ſich ihm an die Bruſt, er drückt ſie feſt an ſich.) 


138 Die Piccolomini 


Grüſin. 
Weg! Wenn jemand käme! 
Ich höre Lärmen — Fremde Stimmen nahen. 


(Max reißt ſich aus ihren Armen und geht, die Gräfin begleitet ihn. Thekla 

folgt ihm anfangs mit den Augen, geht unruhig durch das Zimmer und 

bleibt dann in Gedanken verſenkt ſtehen. Eine Gitarre liegt auf dem 

Tiſche, fie ergreift fie, und nachdem fie eine Weile ſchwermütig präludiert 
hat, fällt ſie in den Geſang.) 


7. Auftritt 
Thekla (fpielt und ſingt). 
Der Eichwald brauſet, die Wolken ziehn, 
Das Mägdlein wandelt an Ufers Grün, 
Es bricht ſich die Welle mit Macht, mit Macht, 


1760 Und ſie ſingt hinaus in die finſtre Nacht, 


Das Auge von Weinen getrübet. 


Das Herz iſt geſtorben, die Welt iſt leer, 
Und weiter gibt ſie dem Wunſche nichts mehr. 
Du Heilige, rufe dein Kind zurück, 
Ich habe genoſſen das irdiſche Glück, 
Ich habe gelebt und geliebet. 


8. Auftritt 


Gräfin kommt zurück. Thekla. 


Grifin. 
Was war das, Fräulein Nichte? Fy! Ihr werft Euch 
Ihm an den Kopf. Ihr ſolltet Euch doch, dächt' ich, 
Mit Eurer Perſon ein wenig teurer machen. 


Thekla (indem ſie aufſteht). 


1770 Was meint Ihr, Tante? 


Dritter Aufzug. 8. Auftritt 139 


Grüſin. 
Ihr ſollt nicht vergeſſen, 
Wer Ihr ſeid, und wer er iſt. Ja, das iſt Euch 
Noch gar nicht eingefallen, glaub' ich. 


Thekla. 
Was denn? 
Grifin. 
Daß Ihr des Fürſten Friedland Tochter jeid. 
Thekla. 
Nun? und was mehr? 
Gräfin. 


Was? Eine ſchöne Frage! 


Thekla. 
15 Was wir geworden find, ijt er geboren. 
Er iſt von alt lombardiſchem Geſchlecht, 
Iſt einer Fürſtin Sohn! 


Grüſin. 
Sprecht Ihr im Traum? 
Fürwahr! Man wird ihn höflich noch drum bitten, 
Die reichſte Erbin in Europa zu beglücken 
1780 Mit ſeiner Hand. 
Thekla. 
Das wird nicht nötig ſein. 


Grüſin. 
Ja, man wird wohl tun, ſich nicht auszuſetzen. 


Thekla. 
Sein Vater liebt ihn, Graf Octavio 
Wird nichts dagegen haben — 


Grüſin. 
Sein Vater! Seiner! Und der Eure, Nichte? 


140 Die Piccolomini 


Thekla. 
1785 Nun ja! Ich denk', Ihr fürchtet ſeinen Vater, 
Weil Ihr's vor dem, vor ſeinem Vater, mein' ich, 
So ſehr verheimlicht. 


Grüfin (ſieht ſie forſchend an). 
Nichte, Ihr ſeid falſch. 


Thekla. 
Seid Ihr empfindlich, Tante? O! ſeid gut! 


Grüfin. 
Ihr haltet Euer Spiel ſchon für gewonnen — 
170 Jauchzt nicht zu frühe! 
Thekla. 
Seid nur gut! 


Grifin. 
Es iſt noch nicht fo weit. 


Thekla. 
Ich glaub' es wohl. 


Grifin. 
Denkt Ihr, er habe ſein bedeutend Leben 
In kriegeriſcher Arbeit aufgewendet, 
Jedwedem ſtillen Erdenglück entſagt, 
179 Den Schlaf von ſeinem Lager weggebannt, 
Sein edles Haupt der Sorge hingegeben, 
Nur um ein glücklich Paar aus euch zu machen? 
Um dich zuletzt aus deinem Stift zu ziehn, 
Den Mann dir im Triumphe zuzuführen, 
1800 Der deinen Augen wohlgefällt? — Das hätt' er 
Wohlfeiler haben können! Dieſe Saat 
Ward nicht gepflanzt, daß du mit kind'ſcher Hand 
Die Blume brächeſt und zur leichten Zier 
An deinen Buſen ſteckteſt! 


1805 


1810 


1815 


1820 


1825 


1830 


Dritter Aufzug. 8. Auftritt 141 


Thekla. 
Was er mir nicht gepflanzt, das könnte doch 
Freiwillig mir die ſchönen Früchte tragen. 
Und wenn mein gütig freundliches Geſchick 
Aus ſeinem furchtbar ungeheuren Daſein 
Des Lebens Freude mir bereiten will — 


Grüſin. 
Du ſiehſt's wie ein verliebtes Mädchen an. 
Blick' um dich her. Beſinn' dich, wo du biſt — 
Nicht in ein Freudenhaus biſt du getreten, 
Zu keiner Hochzeit findeſt du die Wände 
Geſchmückt, der Gäſte Haupt bekränzt. Hier iſt 
Kein Glanz als der von Waffen. Oder denkſt du, 
Man führte dieſe Tauſende zuſammen, 
Beim Brautfeſt dir den Reihen aufzuführen? 
Du ſiehſt des Vaters Stirn gedankenvoll, 
Der Mutter Aug' in Tränen, auf der Wage liegt 
Das große Schickſal unſers Hauſes! 
Laß jetzt des Mädchens kindiſche Gefühle, 
Die kleinen Wünſche hinter dir! Beweiſe, 
Daß du des Außerordentlichen Tochter biſt! 
Das Weib ſoll ſich nicht ſelber angehören, 
An fremdes Schickſal iſt ſie feſt gebunden; 
Die aber iſt die Beſte, die ſich Fremdes 
Aneignen kann mit Wahl, an ihrem Herzen 
Es trägt und pflegt mit Innigkeit und Liebe. 


Thekla. 
So wurde mir's im Kloſter vorgeſagt. 
Ich hatte keine Wünſche, kannte mich 
Als ſeine Tochter nur, des Mächtigen, 
Und ſeines Lebens Schall, der auch zu mir drang, 
Gab mir kein anderes Gefühl als dies: 
Ich ſei beſtimmt, mich leidend ihm zu opfern. 


142 Die Piccolomini 


Grifin. 
1835 Das ijt dein Schickſal. Füge dich ihm willig. 
Ich und die Mutter geben dir das Beiſpiel. 


Thekla. 
Das Schickſal hat mir den gezeigt, dem ich 
Mich opfern ſoll; ich will ihm freudig folgen. 


Grüſin. 
Dein Herz, mein liebes Kind, und nicht das Schickſal. 


Thekla. 

isso Der Zug des Herzens iſt des Schickſals Stimme. 
Ich bin die Seine. Sein Geſchenk allein 
Iſt dieſes neue Leben, das ich lebe. 
Er hat ein Recht an ſein Geſchöpf. Was war ich, 
Eh' ſeine ſchöne Liebe mich beſeelte? 

1845 Ich will auch von mir ſelbſt nicht kleiner denken 
Als der Geliebte. Der kann nicht gering ſein, 
Der das Unſchätzbare beſitzt. Ich fühle 
Die Kraft mit meinem Glücke mir verliehn. 
Ernſt liegt das Leben vor der ernſten Seele. 

180 Daß ich mir ſelbſt gehöre, weiß ich nun. 
Den feſten Willen hab' ich kennen lernen, 
Den unbezwinglichen, in meiner Bruſt, 
Und an das Höchſte kann ich alles ſetzen. 


Grüſin. 
Du wollteſt dich dem Vater widerſetzen, 
1855 Wenn er es anders nun mit dir beſchloſſen? 
— Ihm denkſt du's abzuzwingen? Wiſſe, Kind! 
Sein Nam' iſt Friedland. 


Thekla. 
Auch der meinige. 
Er ſoll in mir die echte Tochter finden. 


1860 


1865 


1870 


1875 


1880 


1885 


Dritter Aufzug. 8. Auftritt 143 


Grifin. 
Wie? Sein Monarch, fein Kaiſer zwingt ihn nicht, 
Und du, ſein Mädchen, wollteſt mit ihm kämpfen? 


Thekla. 
Was niemand wagt, kann ſeine Tochter wagen. 


Grifin. 

Nun wahrlich! Darauf iſt er nicht bereitet. 
Er hätte jedes Hindernis beſiegt, 
Und in dem eignen Willen ſeiner Tochter 
Sollt' ihm der neue Streit entſtehn? Kind! Kind! 
Noch haſt du nur das Lächeln deines Vaters, 
Haſt ſeines Zornes Auge nicht geſehen. 
Wird ſich die Stimme deines Widerſpruchs, 
Die zitternde, in ſeine Nähe wagen? 
Wohl magſt du dir, wenn du allein biſt, große Dinge 
Vorſetzen, ſchöne Rednerblumen flechten, 
Mit Löwenmut den Taubenſinn bewaffnen. 
Jedoch verſuch's! Tritt vor ſein Auge hin, 
Das feſt auf dich geſpannt iſt, und ſag' Nein! 
Vergehen wirſt du vor ihm, wie das zarte Blatt 
Der Blume vor dem Feuerblick der Sonne. 
— Ich will dich nicht erſchrecken, liebes Kind! 
Zum Außerſten ſoll's ja nicht kommen, hoff ich — 
Auch weiß ich ſeinen Willen nicht. Kann ſein, 
Daß ſeine Zwecke deinem Wunſch begegnen. 
Doch das kann nimmermehr ſein Wille ſein, 
Daß du, die ſtolze Tochter ſeines Glücks, 
Wie ein verliebtes Mädchen dich gebärdeſt, 
Wegwerfeſt an den Mann, der, wenn ihm je 
Der hohe Lohn beſtimmt iſt, mit dem höchſten Opfer, 
Das Liebe bringt, dafür bezahlen ſoll! 

(Sie geht ab.) 


144 Die Piccolomini 


9. Auftritt 
Thekla allein. 


Dank dir für deinen Wink! Er macht 
Mir meine böſe Ahnung zur Gewißheit. 
So iſt's denn wahr? Wir haben keinen Freund 
1890 Und keine treue Seele hier — wir haben 
Nichts als uns ſelbſt. Uns drohen harte Kämpfe. 
Du, Liebe, gib uns Kraft, du göttliche! 
O! ſie ſagt wahr! Nicht frohe Zeichen ſind's, 
Die dieſem Bündnis unſrer Herzen leuchten. 
1895 Das iſt kein Schauplatz, wo die Hoffnung wohnt. 
Nur dumpfes Kriegsgetöſe raſſelt hier, 
Und ſelbſt die Liebe, wie in Stahl gerüſtet, 
Zum Todeskampf gegürtet, tritt ſie auf. 
Es geht ein finſtrer Geiſt durch unſer Haus, 
1900 Und ſchleunig will das Schickſal mit uns enden. 
Aus ſtiller Freiſtatt treibt es mich heraus, 
Ein holder Zauber muß die Seele blenden. 
Es lockt mich durch die himmliſche Geſtalt, 
Ich ſeh' ſie nah und ſeh' ſie näher ſchweben, 
1905 Es zieht mich fort mit göttlicher Gewalt, 


Dem Abgrund zu, ich kann nicht widerſtreben. 
(Man hört von ferne die Tafelmuſik.) 


O! wenn ein Haus im Feuer ſoll vergehn, 
Dann treibt der Himmel ſein Gewölk zuſammen, 
Es ſchießt der Blitz herab aus heitern Höhn, 

1910 Aus unterird'ſchen Schlünden fahren Flammen, 
Blindwütend ſchleudert ſelbſt der Gott der Freude 


Den Pechkranz in das brennende Gebäude! 
(Sie geht ab.) 


1915 


Vierter Aufzug 


Szene: Ein großer, feſtlich erleuchteter Saal, in der Mitte 
desſelben und nach der Tiefe des Theaters eine reich ausge— 
ſchmückte Tafel, an welcher acht Generale, worunter Octavio 
Piccolomini, Terzky und Maradas, ſitzen. Rechts und 
links davon, mehr nach hinten zu, noch zwei andere Tafeln, 
welche jede mit ſechs Gäſten beſetzt ſind. Vorwärts ſteht der 
Kredenztiſch, die ganze vordere Bühne bleibt für die aufwar⸗ 
tenden Pagen und Bedienten frei. Alles iſt in Bewegung, 
Spielleute von Terzkys Regiment ziehen über den Schauplatz 
um die Tafel herum. Noch ehe ſie ſich ganz entfernt haben, 
erſcheint Max Piccolomini; ihm kommt Terzky mit einer 
Schrift, Iſolani mit einem Pokal entgegen. 


1. Auftritt 
Terzky. Iſolani. Max Piccolomini 


Iſolani. 

Herr Bruder, was wir lieben! Nun, wo ſteckt Er? 

Geſchwind an Seinen Platz! Der Terzky hat 

Der Mutter Ehrenweine preisgegeben, 

Es geht hier zu, wie auf dem Heidelberger Schloß. 

Das Beſte hat Er ſchon verſäumt. Sie teilen 

Dort an der Tafel Fürſtenhüte aus, 

Des Eggenberg, Slawata, Lichtenſtein, 

Des Sternbergs Güter werden ausgeboten 

Samt allen großen böhm'ſchen Lehen; wenn 

Er hurtig macht, fällt auch für Ihn was ab. 

Marſch! Setz' Er ſich! 

Colalto und Götz (rufen an der zweiten Tafel). 
Graf Piccolomini! 
Schillers Werke. V. 10 


146 Die Piccolomini 


Terzky. 
Ihr ſollt ihn haben! Gleich! — Lies dieſe Eidesformel, 
1926 Ob dir's gefällt, fo wie wir's aufgeſetzt. 
Es haben's alle nach der Reih' geleſen, 
Und jeder wird den Namen drunter ſetzen. 


Mar (lieft). 
„Ingratis servire nefas.“ 


Aſolani. 
Das klingt wie ein latein'ſcher Spruch — Herr Bruder, 
1930 Wie heißt's auf deutſch? 
Terzky. 
Dem Undankbaren dient kein rechter Mann! 


Mar. 
„Nachdem unſer hochgebietender Feldherr, der Durch— 


lauchtige Fürſt von Friedland, wegen vielfältig emp- 
fangener Kränkungen, des Kaiſers Dienſt zu verlaſſen 
gemeint geweſen, auf unſer einſtimmiges Bitten aber 
ſich bewegen laſſen, noch länger bei der Armee zu ver— 
bleiben, und ohne unſer Genehmhalten ſich nicht von 
uns zu trennen; als verpflichten wir uns wieder ins— 
geſamt, und jeder für ſich insbeſondere, anſtatt eines 
körperlichen Eides — auch bei ihm ehrlich und getreu 
zu halten, uns auf keinerlei Weiſe von ihm zu trennen, 
und für denſelben alles das Unſrige, bis auf den letzten 
Blutstropfen, aufzuſetzen, ſo weit nämlich unſer dem 
Kaiſer geleiſteter Eid es erlauben wird. (die 
letzten Worte werden von Iſolani nachgeſprochen.) Wie wir denn 
auch, wenn einer oder der andre von uns, dieſem Ver— 
bündnis zuwider, ſich von der gemeinen Sache abſondern 
ſollte, denſelben als einen bundesflüchtigen Verräter 
erklären, und an ſeinem Hab und Gut, Leib und Leben 
Rache dafür zu nehmen verbunden ſein wollen. Solches 
bezeugen wir mit Unterſchrift unſers Namens.“ 


1935 


1940 


Vierter Aufzug. 3. Auftritt 147 


Terzky. 
Biſt du gewillt, dies Blatt zu unterſchreiben? 
Aſolani. 
Was ſollt' er nicht! Jedweder Offizier 
Von Ehre kann das — muß das — Dint' und Feder! 
Terzky. 
Laß gut ſein, bis nach Tafel. 
Jſolani (Max fortziehend). 
Komm' Er, komm' Er! 
(Beide gehen an die Tafel.) 


2. Auftritt 


Terzky. Neumann. 


Terʒky 
(winkt dem Neumann, der am Kredenztiſch gewartet, und tritt mit ihm 
vorwärts). 


Bringſt du die Abſchrift, Neumann? Gib! Sie iſt 

Doch ſo verfaßt, daß man ſie leicht verwechſelt? 
Neumann. 

Ich hab' ſie Zeil' um Zeile nachgemalt, 

Nichts als die Stelle von dem Eid blieb weg, 

Wie deine Exzellenz es mir geheißen. 


Terzky. 
Gut! Leg' ſie dorthin, und mit dieſer gleich 
Ins Feuer! Was ſie ſoll, hat ſie geleiſtet. 
(Neumann legt die Kopie auf den Tiſch und tritt wieder zum Schenktiſch.) 


3. Auftritt 


Illo kommt aus dem zweiten Zimmer. Terzky. 


Illo. 
Wie iſt es mit dem Piccolomini? 


1945 


1950 


1955 


1960 


148 Die Piccolomini 


Terzky. 
Ich denke, gut. Er hat nichts eingewendet. 


Allo. 
Er iſt der einz'ge, dem ich nicht recht traue, 
Er und der Vater — Habt ein Aug' auf beide! 


Terzky. 
Wie ſieht's an Eurer Tafel aus? Ich hoffe, 
Ihr haltet Eure Gäſte warm? 

Allo. 

Sie ſind 

Ganz kordial. Ich denk', wir haben ſie. 
Und wie ich's Euch vorausgeſagt — Schon iſt 
Die Red' nicht mehr davon, den Herzog bloß 
Bei Ehren zu erhalten. Da man einmal 
Beiſammen ſei, meint Montecuculi, 
So müſſe man in ſeinem eignen Wien 
Dem Kaiſer die Bedingung machen. Glaubt mir, 
Wär's nicht um dieſe Piccolomini, 
Wir hätten den Betrug uns können ſparen. 


Terzky. 
Was will der Buttler? Still! 


4. Auftritt 


Buttler zu den Vorigen. 
Buttler (von der zweiten Tafel kommend). 
Laßt Euch nicht ſtören. 
Ich hab' Euch wohl verſtanden, Feldmarſchall. 


Glück zum Geſchäfte — und was mich betrifft, 
(geheimnisvoll) 
So könnt Ihr auf mich rechnen. 


Allo (lebhaft). 
Können wir's? 


Vierter Aufzug. 4. Auftritt 149 


Buttler. 

Mit oder ohne Klauſel! gilt mir gleich! 
Verſteht Ihr mich? Der Fürſt kann meine Treu 
Auf jede Probe ſetzen, ſagt ihm das. 

1966 Ich bin des Kaiſers Offizier, fo lang' ihm 
Beliebt, des Kaiſers General zu bleiben, 
Und bin des Friedlands Knecht, ſobald es ihm 
Gefallen wird, ſein eigner Herr zu ſein. 


Terzky. 
Ihr treffet einen guten Tauſch. Kein Karger, 
1970 Kein Ferdinand iſt's, dem Ihr Euch verpflichtet. 


Buttler (ernjt). 
Ich biete meine Treu nicht feil, Graf Terzky, 
Und wollt' Euch nicht geraten haben, mir 
Vor einem halben Jahr noch abzudingen, 
Wozu ich jetzt freiwillig mich erbiete. 
1076 Ja, mich ſamt meinem Regiment bring' ich 
Dem Herzog, und nicht ohne Folgen ſoll 
Das Beiſpiel bleiben, denk' ich, das ich gebe. 


Allo. 
Wem iſt es nicht bekannt, daß Oberſt Buttler 
Dem ganzen Heer voran als Muſter leuchtet! 


Buttler. 
1030 Meint Ihr, Feldmarſchall? Nun, fo reut mich nicht 
Die Treue, vierzig Jahre lang bewahrt, 
Wenn mir der wohlgeſparte gute Name 
So volle Rache kauft im ſechzigſten! — 
Stoßt euch an meine Rede nicht, ihr Herrn. 
loss Euch mag es gleichviel fein, wie ihr mich habt, 
Und werdet, hoff' ich, ſelber nicht erwarten, 
Daß euer Spiel mein grades Urteil krümmt — 
Daß Wankelſinn und ſchnell bewegtes Blut 


150 Die Piccolomini 


1990 


1995 


2000 


2005 


2010 


Noch leichte Urſach ſonſt den alten Mann 

Vom langgewohnten Ehrenpfade treibt. 

Kommt! Ich bin darum minder nicht entſchloſſen, 
Weil ich es deutlich weiß, wovon ich ſcheide. 


Allo. 
Sagt's rund heraus, wofür wir Euch zu halten — 


Buttler. 
Für einen Freund! Nehmt meine Hand darauf, 
Mit allem, was ich hab', bin ich der Eure. 
Nicht Männer bloß, auch Geld bedarf der Fürſt. 
Ich hab' in ſeinem Dienſt mir was erworben, 
Ich leih' es ihm, und überlebt er mich, 
Iſt's ihm vermacht ſchon längſt, er iſt mein Erbe. 
Ich ſteh' allein da in der Welt und kenne 
Nicht das Gefühl, das an ein teures Weib 
Den Mann und an geliebte Kinder bindet; 
Mein Name ſtirbt mit mir, mein Daſein endet. 


Allo. 
Nicht Eures Gelds bedarf's — ein Herz, wie Euers, 
Wiegt Tonnen Goldes auf und Millionen. 


Buttler. 
Ich kam, ein ſchlechter Reitersburſch, aus Irland 
Nach Prag mit einem Herrn, den ich begrub. 
Vom niedern Dienſt im Stalle ſtieg ich auf, 
Durch Kriegsgeſchick, zu dieſer Würd' und Höhe, 
Das Spielzeug eines grillenhaften Glücks. 
Auch Wallenſtein iſt der Fortuna Kind, 
Ich liebe einen Weg, der meinem gleicht. 


Allo. 
Verwandte ſind ſich alle ſtarken Seelen. 


2015 


2020 


2025 


2030 


2035 


Vierter Aufzug. 4. Auftritt 151 


Buttler. 
Es iſt ein großer Augenblick der Zeit, 
Dem Tapfern, dem Entſchloßnen iſt ſie günſtig. 
Wie Scheidemünze geht von Hand zu Hand, 
Tauſcht Stadt und Schloß den eilenden Beſitzer. 
Uralter Häuſer Enkel wandern aus, 
Ganz neue Wappen kommen auf und Namen; 
Auf deutſcher Erde unwillkommen wagt's 
Ein nördlich Volk ſich bleibend einzubürgern. 
Der Prinz von Weimar rüſtet ſich mit Kraft, 
Am Main ein mächtig Fürſtentum zu gründen; 
Dem Mansfeld fehlte nur, dem Halberſtädter 
Ein längres Leben, mit dem Ritterſchwert 
Landeigentum ſich tapfer zu erfechten. 
Wer unter dieſen reicht an unſern Friedland? 
Nichts iſt ſo hoch, wornach der Starke nicht 
Befugnis. hat die Leiter anzuſetzen. 

Terzky. 
Das iſt geſprochen wie ein Mann! 

Buttler. 
Verſichert euch der Spanier und Welſchen, 
Den Schotten Leßly will ich auf mich nehmen. 
Kommt zur Geſellſchaft! Kommt! 

Terzky. 

Wo iſt der Kellermeiſter? 

Laß aufgehn, was du haſt! die beſten Weine! 


eut' gilt es. Unſre Sachen ſtehen gut. 
9 9 
(Gehen, jeder an ſeine Tafel.) 


2049 


2045 


2050 


152 Die Piccolomini 


5. Auftritt 


Kellermeiſter mit Neumann vorwärts kommend. Bediente gehen 
ab und zu. 


Kellermeiſter. 
Der edle Wein! Wenn meine alte Herrſchaft, 
Die Frau Mama, das wilde Leben ſäh', 
In ihrem Grabe kehrte ſie ſich um! — 
Ja! Ja! Herr Offizier! Es geht zurück 
Mit dieſem edeln Haus — Kein Maß noch Ziel! 
Und die durchlauchtige Verſchwägerung 
Mit dieſem Herzog bringt uns wenig Segen. 
Neumann. 
Behüte Gott! Jetzt wird der Flor erſt angehn. 
Kellermeiſter. 
Meint Er? Es ließ' ſich vieles davon ſagen. 
Bedienter (fommt). 
Burgunder für den vierten Tiſch! 
Kellermeiſter. 
Das iſt 
Die ſiebenzigſte Flaſche nun, Herr Leutnant. 
Bedienter. 
Das macht, der deutſche Herr, der Tiefenbach, 
Sitzt dran. (Geht ab.) 


Kellermeiſter (zu Neumann fortfahrend). 

Sie wollen gar zu hoch hinaus. Kurfürſten 
Und Königen wollen ſie's im Prunke gleich tun, 
Und wo der Fürſt ſich hingetraut, da will der Graf, 
Mein gnäd'ger Herre, nicht dahinten bleiben. 

(Zu den Bedienten.) 

Was ſteht ihr horchen? Will euch Beine machen. 
Seht nach den Tiſchen, nach den Flaſchen! Da! 
Graf Palffy hat ein leeres Glas vor ſich! 


2055 


2060 


2065 


2070 


2075 


Vierter Aufzug. 5. Auftritt 153 


Zweiter Bedienter (kommt). 
Den großen Kelch verlangt man, Kellermeiſter, 
Den reichen, güldnen, mit dem böhm'ſchen Wappen, 
Ihr wißt ſchon welchen, hat der Herr geſagt. 
Kellermeiſter. 

Der auf des Friedrichs ſeine Königskrönung 

Vom Meiſter Wilhelm iſt verfertigt worden, 

Das ſchöne Prachtſtück aus der Prager Beute? 


Zweiter Bedienter. 
Ja, den! Den Umtrunk wollen ſie mit halten. 
Kellermeiſter 
(mit Kopfſchütteln, indem er den Pokal hervorholt und ausſpült). 
Das gibt nach Wien was zu berichten wieder! 


Neumann. 

Zeigt! Das iſt eine Pracht von einem Becher! 
Von Golde ſchwer und in erhabner Arbeit 
Sind kluge Dinge zierlich drauf gebildet. 
Gleich auf dem erſten Schildlein, laßt mal ſehn! 
Die ſtolze Amazone da zu Pferd, 
Die übern Krummſtab ſetzt und Biſchofsmützen, 
Auf einer Stange trägt ſie einen Hut, 
Nebſt einer Fahn', worauf ein Kelch zu ſehn. 
Könnt Ihr mir ſagen, was das all bedeutet? 

Kellermeiſter. 
Die Weibsperſon, die Ihr da ſeht zu Roß, 
Das iſt die Wahlfreiheit der böhm ſchen Kron“. 
Das wird bedeutet durch den runden Hut Tf 
Und durch das wilde Roß, auf dem ſie reitet. 
Des Menſchen Zierat iſt der Hut, denn wer 
Den Hut nicht ſitzen laſſen darf vor Kaiſern 
Und Königen, der iſt kein Mann der Freiheit. 


Neumann. 
Was aber ſoll der Kelch da auf der Fahn'? 


154 Die Piccolomint 


2080 


2085 


2090 


2095 


Kellermeiſter. 
Der Kelch bezeugt die böhm'ſche Kirchenfreiheit, 
Wie ſie geweſen zu der Väter Zeit. 
Die Väter im Huſſitenkrieg erſtritten 
Sich dieſes ſchöne Vorrecht übern Papſt, 
Der keinem Laien gönnen will den Kelch. 
Nichts geht dem Utraquiſten übern Kelch, 
Es iſt ſein köſtlich Kleinod, hat dem Böhmen 
Sein teures Blut in mancher Schlacht gekoſtet. 


Neumann. 
Was ſagt die Rolle, die da drüber ſchwebt? 


Rellermeiſter. 
Den böhm'ſchen Majeſtätsbrief zeigt ſie an, 
Den wir dem Kaiſer Rudolf abgezwungen, 
Ein köſtlich unſchätzbares Pergament, 
Das frei Geläut' und offenen Geſang 


Dem neuen Glauben ſichert wie dem alten. 


Doch ſeit der Grätzer über uns regiert, 
Hat das ein End', und nach der Prager Schlacht, 


Wo Pfalzgraf Friedrich Kron' und Reich verloren, 


IJ ſt unſer Glaub' um Kanzel und Altar, 


2100 


2105 


Und unſre Brüder fehen mit dem Rücken 
Die Heimat an, den Majeſtätsbrief aber 
Zerſchnitt der Kaiſer ſelbſt mit ſeiner Schere. 


Neumann. 
Das alles wißt Ihr! Wohl bewandert ſeid Ihr 
In Eures Landes Chronik, Kellermeiſter. 


Kellermeiſter. 
Drum waren meine Ahnherrn Taboriten 
Und dienten unter dem Prokop und Ziska. 
Fried' ſei mit ihrem Staube! Kämpften ſie 
Für eine gute Sache doch — Tragt fort! 


2110 


2115 


2120 


Vierter Aufzug. 5. Auftritt 155 


Neumann. 
Erſt laßt mich noch das zweite Schildlein ſehn. 
Sieh doch, das iſt, wie auf dem Prager Schloß 
Des Kaiſers Räte Martinitz, Slawata 
Kopf unter ſich herabgeſtürzet werden. 
Ganz recht! Da ſteht Graf Thurn, der es befiehlt. 
(Bedienter geht mit dem Kelch.) 


Rellermeiſter. 
Schweigt mir von dieſem Tag, es war der drei 
Und zwanzigſte des Mais, da man eintauſend 
Sechshundert ſchrieb und achtzehn. Iſt mir's doch, 
Als wär' es heut', und mit dem Unglückstag 
Fing's an, das große Herzeleid des Landes. 
Seit dieſem Tag, es ſind jetzt ſechzehn Jahr, 
Iſt nimmer Fried' geweſen auf der Erden — 
(An der zweiten Tafel wird gerufen:) 
Der Fürſt von Weimar! 
(An der dritten und vierten Tafel:) 
Herzog Bernhard lebe! 
(Muſik fällt ein.) 
Erſter Sedienter. 
Hört den Tumult! 


Zweiter Bedienter (kommt gelaufen). 
Habt ihr gehört? Sie laſſen 
Den Weimar leben! 


Dritter Bedienter. 
Oſtreichs Feind! 
Erſter Bedienter. 
Den Lutheraner! 
Zweiter Bedienter. 
Vorhin, da bracht' der Deodat des Kaiſers 
Geſundheit aus, da blieb's ganz mäuschenſtille. 


2125 


2130 


2135 


2140 


156 Die Piccolomini 


Rellermeifier. 
Beim Trunk geht vieles drein. Ein ordentlicher 
Bedienter muß kein Ohr für ſo was haben. 


Dritter Bedienter (beiſeite zum vierten). 
Paſſ' ja wohl auf, Johann, daß wir dem Pater 
Quiroga recht viel zu erzählen haben; 
Er will dafür uns auch viel Ablaß geben. 


Vierter Bedienter. 
Ich mach' mir an des Illo ſeinem Stuhl 
Deswegen auch zu tun, ſo viel ich kann, 
Der führt dir gar verwunderſame Reden. 

(Gehen zu den Tafeln.) 

Kellermeiſter (zu Neumann). 

Wer mag der ſchwarze Herr ſein mit dem Kreuz, 
Der mit Graf Palffy ſo vertraulich ſchwatzt? 


Neumann. 
Das iſt auch einer, dem ſie zu viel trauen, 
Maradas nennt er ſich, ein Spanier. 


Kellermeiſter. 
's iſt nichts mit den Hiſpaniern, ſag' ich Euch, 
Die Welſchen alle taugen nichts. 


Neumann. 
Ei! Ei! 
So ſolltet Ihr nicht ſprechen, Kellermeiſter. 
Es ſind die erſten Generale drunter, 
Auf die der Herzog juſt am meiſten hält. 


(Terzky kommt und holt das Papier ab, an den Tafeln entſteht eine Be— 
wegung.) 


Kellermeiſter (zu den Bedienten). 
Der Generalleutenant ſteht auf. Gebt Acht! 
Sie machen Aufbruch. Fort und rückt die Seſſel. 


(Die Bedienten eilen nach hinten, ein Teil der Gäſte kommt vorwärts.) 


2145 


2150 


2155 


Vierter Aufzug. 6. Auftritt 157 
6. Auftritt 


Octavio Piccolomini kommt im Geſpräch mit Maradas, und beide 
ſtellen ſich ganz vorne hin auf eine Seite des Proſzeniums. Auf die ent⸗ 
gegengeſetzte Seite tritt Max Piccolomini, allein, in ſich gekehrt und 
ohne Anteil an der übrigen Handlung. Den mittlern Raum zwiſchen 
beiden, doch einige Schritte mehr zurück, erfüllen Buttler, Iſolani, 
Götz, Tiefenbach, Colalto und bald darauf Graf Terzky. 
Aſolani (während daß die Geſellſchaft vorwärts kommt). 
Gut' Nacht! — Gut' Nacht, Colalto — Generalleutnant, 


Gut' Nacht! Ich ſagte beſſer, guten Morgen. 


Götz (zu Tiefenbach). 
Herr Bruder! Proſit Mahlzeit! 
Tiefenbach. 
Das war ein königliches Mahl! 
Gib. 
Ja, die Frau Gräfin 
Verſteht's. Sie 1 es ihrer Schwieger ab, 
Gott hab' ſie ſelig! Das war eine Hausfrau! 


Aſolani (will weggehen). 
Lichter! Lichter! 
Terzky (kommt mit der Schrift zu Iſolani). 
Herr Bruder! Zwei Minuten noch. Hier iſt 
Noch was zu unterſchreiben. 
Aſolani. 
Unterſchreiben, 
So viel Ihr wollt! Verſchont mich nur mit Leſen. 
Terzky. 
Ich will Euch nicht bemühn. Es iſt der Eid, 
Den Ihr ſchon kennt. Nur einige Federſtriche. 
(Wie Iſolani die Schrift dem Octavio Hinreidt.) 
Wie's kommt! Wen's eben trifft! Es iſt kein Rang hier. 


(Octavio durchläuft die Schrift mit anſcheinender Gleichgültigkeit. Terzky 
beobachtet ihn von weitem.) 


Götz (zu Terzky). 
Herr Graf! Erlaubt mir, daß ich mich empfehle. 


2160 


2165 


2170 


158 Die Piccolomini 


Terzky. 
Eilt doch nicht ſo — Noch einen Schlaftrunk — He! 
(Zu den Bedienten.) 
Götz. 
Bin's nicht im Stand. 
Terzky. 
Ein Spielchen. 
Götz. 
Excuſiert mich! 
Tiefenbach (fest ſich). 
Vergebt, ihr Herrn. Das Stehen wird mir ſauer. 
Terz. 
Macht's Euch bequem, Herr Generalfeldzeugmeiſter! 
Tiefenbach. 
Das Haupt iſt friſch, der Magen iſt geſund, 
Die Beine aber wollen nicht mehr tragen. 
Jſolani (auf ſeine Korpulenz zeigend). 
Ihr habt die Laſt auch gar zu groß gemacht. 


(Octavio hat unterſchrieben und reicht Terzky die Schrift, der ſie dem 
Iſolani gibt. Dieſer geht an den Tiſch, zu unterſchreiben.) 


Tiefenbach. 
Der Krieg in Pommern hat mir's zugezogen, 
Da mußten wir heraus in Schnee und Eis, 
Das werd' ich wohl mein Lebtag nicht verwinden. 
Gait, 
Ja wohl! Der Schwed' frug nach der Jahrszeit nichts. 


(Terzky reicht das Papier an Don Maradas; dieſer geht an den Tiſch, 
zu unterſchreiben.) 


Octavio (nähert ſich Buttlern). 
Ihr liebt die Bacchusfeſte auch nicht ſehr, 
Herr Oberſter! Ich hab' es wohl bemerkt, 
Und würdet, deucht mir, beſſer Euch gefallen 
Im Toben einer Schlacht als eines Schmauſes. 
Buttler. 
Ich muß geſtehen, es iſt nicht in meiner Art. 


Vierter Aufzug. 6. Auftritt 159 


Octavio (zutraulich näher tretend). 
Auch nicht in meiner, kann ich Euch verſichern, 
Und mich erfreut's, ſehr würd'ger Oberſt Buttler, 
2175 Daß wir uns in der Denkart fo begegnen. 
Ein halbes Dutzend guter Freunde höchſtens 
Um einen kleinen, runden Tiſch, ein Gläschen 
Tokaierwein, ein offnes Herz dabei 
Und ein vernünftiges Geſpräch — ſo lieb' ich's! 
Buttler. 


2180 Ja, wenn man's haben kann, ich halt' es mit. 


(Das Papier kommt an Buttlern, der an den Tiſch geht, zu unterſchreiben. 
Das Proſzenium wird leer, ſo daß beide Piccolomini, jeder auf ſeiner 
Seite, allein ſtehen bleiben.) 


Octavio 


(nachdem er ſeinen Sohn eine Zeitlang aus der Ferne ſtillſchweigend be— 
trachtet, nähert ſich ihm ein wenig). 


Du biſt ſehr lange ausgeblieben, Freund. 


Mar (wendet ſich ſchnell um, verlegen). 

Ich — dringende Geſchäfte hielten mich. 
Octavio. 

Doch, wie ich ſehe, biſt du noch nicht hier? 
Mar. 

Du weißt, daß groß Gewühl mich immer ſtill macht. 

Octavio (rückt ihm noch näher). 
2185 Ich darf nicht wiſſen, was jo lang’ dich aufhielt? 

(liftig) 

— Und Terzky weiß es doch. 


Mar. 
Was weiß der Terzky? 


Octavio (bedeutend). 
Er war der einz'ge, der dich nicht vermißte. 
Aſolani (der von weitem Acht gegeben, tritt dazu). 
Recht, alter Vater! Fall ihm ins Gepäck! 
Schlag die Quartier’ ihm auf! Es iſt nicht richtig. 


160 Die Piccolomini 


Terzky (kommt mit der Schrift). 
2190 Fehlt keiner mehr? Hat alles unterſchrieben? 
Octavio. 
Es haben's alle. 
Terzky (rufend). 
Nun! Wer unterſchreibt noch? 
Buttler (zu Terzty). 
Zähl' nach! Juſt dreißig Namen müſſen's ſein. 
Terzky. 
Ein Kreuz ſteht hier. 
Tiefenbach. 
Das Kreuz bin ich. 
Afolant (zu Terzky). 
Er kann nicht ſchreiben, doch ſein Kreuz iſt gut 
2193 Und wird ihm honoriert von Jud und Chriſt. 
Octavio (preffiert, zu Max). 
Gehn wir zuſammen, Oberſt. Es wird ſpät. 
Terzky. 
Ein Piccolomini nur iſt aufgeſchrieben. 
Aſolani (auf Max zeigend). 
Gebt Acht! Es fehlt an dieſem ſteinernen Gaſt, 
Der uns den ganzen Abend nichts getaugt. 


(Max empfängt aus Terzkys Händen das Blatt, in welches er gedanken— 
los hineinſieht.) 


7. Auftritt 


Die Vorigen. Illo kommt aus dem hintern Zimmer, er hat den 
goldnen Pokal in der Hand und iſt ſehr erhitzt, ihm ſolgen Götz und 
Buttler, die ihn zurückhalten wollen. 
Allo. 
2200 Was wollt ihr? Laßt mich. 


Göh und Buttler. 
Illo! Trinkt nicht mehr. 


2206 


2210 


Vierter Aufzug. 7. Auftritt 161 


Allo (geht auf den Octavio zu und umarmt ihn, trinkend). 
Octavio! Das bring' ich dir! Erſäuft 
Sei aller Groll in dieſem Bundestrunk! 
Weiß wohl, du haſt mich nie geliebt — Gott ſtraf' mich, 
Und ich dich auch nicht! Laß Vergangenes 
Vergeſſen ſein! Ich ſchätze dich unendlich, 
(ihn zu wiederholten Malen küſſend) 
Ich bin dein beſter Freund, und, daß ihr's wißt! 
Wer mir ihn eine falſche Katze ſchilt, 
Der hat's mit mir zu tun. 


Terzky (beiſeite). 
Biſt du bei Sinnen? 
Bedenk' doch, Illo, wo du biſt! 


Allo (treuherzig). 
Was wollt Ihr? Es ſind lauter gute Freunde. 
(Sich mit vergnügtem Geſicht im ganzen Kreiſe umſehend.) 
Es iſt kein Schelm hier unter uns, das freut mich. 
Terzky (zu Buttler, dringend). 
Nehmt ihn doch mit Euch fort! Ich bitt' Euch, Buttler. 
(Buttler führt ihn an den Schenktiſch.) 


Iſolani 
(zu Max, der bisher unverwandt, aber gedankenlos in das Papier geſehen). 


Wird's bald, Herr Bruder? Hat Er's durchſtudiert? 


Mar (wie aus einem Traum erwachend). 
Was ſoll ich? 
Terzky und Iſolani (zugleich). 
Seinen Namen drunter ſetzen. 
(Man fieht den Octavio ängſtlich geſpannt den Blick auf ihn richten.) 
Mar (gibt es zurück). 
Laßt's ruhn bis morgen. Es iſt ein Geſchäft, 
Hab' heute keine Faſſung. Schickt mir's morgen. 
Terzky. 
Bedenk' Er doch — 
Schillers Werke. v. 14 


2225 


2230 


162 Die Piccolomini 


Dfolani. 
Friſch! Unterſchrieben! Was! 
Er iſt der jüngſte von der ganzen Tafel, 
Wird ja allein nicht klüger wollen ſein 
Als wir zuſammen? Seh' Er her! Der Vater 
Hat auch, wir haben alle unterſchrieben. 


Terzky (zum Octavio). 
Braucht Euer Anſehn doch. Bedeutet ihn. 
Octavio. 
Mein Sohn iſt mündig. 
Allo (hat den Pokal auf den Schenktiſch geſetzt). 
Wovon iſt die Rede? 
Terzky. 
Er weigert ſich, das Blatt zu unterſchreiben. 
Mar. 
Es wird bis morgen ruhen können, ſag' ich. 
Illo. 
Es kann nicht ruhn. Wir unterſchrieben alle, 
Und du mußt auch, du mußt dich unterſchreiben. 


Mar. 


Allo. 
Nein! So entkömmſt du nicht! 
Der Fürſt ſoll ſeine Freunde kennen lernen. 
(Es ſammeln ſich alle Gäſte um die beiden.) 


Mar. 
Wie ich für ihn geſinnt bin, weiß der Fürſt, 
Es wiſſen's alle, und der Fratzen braucht's nicht. 
Allo. 
Das iſt der Dank, das hat der Fürſt davon, 
Daß er die Welſchen immer vorgezogen! 
Terzky 
(in höchſter Verlegenheit zu den Kommandeurs, die einen Auflauf machen). 


Der Wein ſpricht aus ihm! Hört ihn nicht, ich bitt' euch. 


Illo, ſchlaf wohl. 


Vierter Aufzug. 7. Auftritt 163 


Aſolani (lacht). 


2225 Der Wein erfindet nichts, er ſchwatzt's nur aus. 


Allo. 


„Wer nicht iſt mit mir, der iſt wider mich. 


2240 


2250 


Die zärtlichen Gewiſſen! Wenn ſie nicht 
Durch eine Hintertür, durch eine Klauſel — 


Terzky (fällt ſchnell ein). 
Er iſt ganz raſend, gebt nicht Acht auf ihn. 


Allo (lauter ſchreiend). 
Durch eine Klauſel ſich ſalvieren können. 
Was Klauſel? Hol' der Teufel dieſe Klauſel — 


Mar (wird aufmerkſam und ſieht wieder in die Schrift). 
Was iſt denn hier ſo hoch Gefährliches? 
Ihr macht mir Neugier, näher hinzuſchaun. 


Terzky (beiſeite zu Illo). 
Was machſt du, Illo? Du verderbeſt uns! 


Tiefenbach (zu Colalto). 
Ich merkt' es wohl, vor Tiſche las man's anders. 


Götz. 
Es kam mir auch ſo vor. 

Iſolani. 

Was ficht das mich an? 
Wo andre Namen, kann auch meiner ſtehn. 
Tiefenbach. 

Vor Tiſch war ein gewiſſer Vorbehalt 
Und eine Klauſel drin von Kaiſers Dienſt. 


Buttler (zu einem der Kommandeurs). 
Schämt euch, ihr Herrn! Bedenkt, worauf es ankommt. 
Die Frag' iſt jetzt, ob wir den General 
Behalten ſollen oder ziehen laſſen? 
Man kann's ſo ſcharf nicht nehmen und genau. 


164 Die Piccolomini 


Jſolani (su einem der Generale). 
Hat ſich der Fürſt auch ſo verklauſuliert, 
2255 Als er dein Regiment dir zugeteilt? 


Terzky (zu Götz). 
Und Euch die Lieferungen, die an tauſend 
Piſtolen Euch in einem Jahre tragen? 
Allo. 
Spitzbuben ſelbſt, die uns zu Schelmen machen! 
Wer nicht zufrieden iſt, der ſag's! Da bin ich! 
Tiefenbach. 
220 Nun! Nun! Man ſpricht ja nur. 


Mar (hat geleſen und gibt das Papier guriid). 
Bis morgen alſo! 
Allo 


(vor Wut ſtammelnd und ſeiner nicht mehr mächtig, hält ihm mit der einen 
Hand die Schrift, mit der andern den Degen vor). 


Schreib — Judas! 


Pfui, Illo! 
Octavio, Terzky, Buttler (gugleid). 
Degen weg! 
Mar 
(iſt ihm raſch in den Arm gefallen und hat ihn entwaffnet, zu Graf Terzky). 
Bring' ihn zu Bette! 


(Er geht ab. Illo, fluchend und ſcheltend, wird von einigen Kommandeurs 
gehalten, unter allgemeinem Aufbruch fällt der Vorhang.) 


Aſolani. 


2265 


2270 


2275 


Fünfter Aufzug 
Szene: Ein Zimmer in Piccolominis Wohnung. Es iſt Nacht. 
1. Auftritt 


Octavio Piccolomini. Kammerdiener leuchtet. Gleich darauf 
Max Piccolomini. 


Octavio. 
So bald mein Sohn herein iſt, weiſet ihn 
Zu mir — Was iſt die Glocke? 


Kammerdiener. 
Gleich iſt's Morgen. 

Octavio. 
Setzt Euer Licht hieher — Wir legen uns 
Nicht mehr zu Bette, Ihr könnt ſchlafen gehn. 
(Kammerdiener ab. Octavio geht nachdenkend durchs Zimmer. Max 
Piccolomini tritt auf, nicht gleich von ihm bemerkt, und ſieht ihm einige 

Augenblicke ſchweigend zu.) 

Mar. 
Biſt du mir bös, Octavio? Weiß Gott, 
Ich bin nicht ſchuld an dem verhaßten Streit. 
— Ich ſahe wohl, du hatteſt unterſchrieben; 
Was du gebilliget, das konnte mir 
Auch recht ſein — doch es war — du weißt — ich kann 
In ſolchen Sachen nur dem eignen Licht, 
Nicht fremdem folgen. 


Octavio (geht auf ihn zu und umarmt ihn). 
Folg' ihm ferner auch, 
Mein beſter Sohn! Es hat dich treuer jetzt 
Geleitet als das Beiſpiel deines Vaters. 


Mar. 
Erklär' dich deutlicher. 
Octavio. 
Ich werd' es tun. 


166 Die Piccolomini 


Nach dem, was dieſe Nacht geſchehen ijt, 
Darf kein Geheimnis bleiben zwiſchen uns. 
(Nachdem beide ſich niedergeſetzt.) 
Max, ſage mir, was denkſt du von dem Eid, 
2280 Den man zur Unterſchrift uns vorgelegt? 


Mar. 
Für etwas Unverfänglich's halt' ich ihn, 
Obgleich ich dieſes Förmliche nicht liebe. 
Octavio. 
Du hätteſt dich aus keinem andern Grunde 
Der abgedrungnen Unterſchrift geweigert? 
Mar. 
2286 Es war ein ernſt Geſchäft — ich war zerſtreut — 
Die Sache ſelbſt erſchien mir nicht ſo dringend — 


Octavio. 
Sei offen, Max. Du hatteſt keinen Argwohn — 
Mar. 
Worüber Argwohn? Nicht den mindeſten. 
Octavio. 


Dank's deinem Engel, Piccolomini! 
220 Unwiſſend zog er dich zurück vom Abgrund. 


Mar. 
Ich weiß nicht, was du meinſt. 


Octavio. 
Ich will dir's ſagen: 
Zu einem Schelmſtück ſollteſt du den Namen 
Hergeben, deinen Pflichten, deinem Eid 
Mit einem einz'gen Federſtrich entſagen. 
Mar (jteht auß). 
2255 Octavio! 
Octavio. 
Bleib ſitzen. Viel noch haſt du 

Von mir zu hören, Freund, haſt Jahre lang 


é 


2300 


2305 


Fünfter Aufzug. 1. Auftritt 


Gelebt in unbegreiflicher Verblendung. 

Das ſchwärzeſte Komplott entſpinnet ſich 

Vor deinen Augen, eine Macht der Hölle 
Umnebelt deiner Sinne hellen Tag — 

Ich darf nicht länger ſchweigen, muß die Binde 
Von deinen Augen nehmen. 


Mar. 
Eh' du ſprichſt, 
Bedenk es wohl! Wenn von Vermutungen 
Die Rede ſein ſoll — und ich fürchte faſt, 
Es iſt nichts weiter — Spare ſie! Ich bin 
Jetzt nicht gefaßt, ſie ruhig zu vernehmen. 
Octavio. 
So ernſten Grund du haſt, dies Licht zu fliehn, 
So dringendern hab' ich, daß ich dir's gebe. 
Ich konnte dich der Unſchuld deines Herzens, 
Dem eignen Urteil ruhig anvertraun, 
Doch deinem Herzen ſelbſt ſeh' ich das Netz 
Verderblich jetzt bereiten — Das Geheimnis, 
(ihn ſcharf mit den Augen fixierend) 


Das du vor mir verbirgſt, entreißt mir meines. 


Mar 


167 


(verſucht zu antworten, ſtockt aber und ſchlägt den Blick verlegen zu Boden). 


2315 


Octavio (nach einer Pauſe). 
So wiſſe denn! Man hintergeht dich — ſpielt 
Aufs ſchändlichſte mit dir und mit uns allen. 
Der Herzog ſtellt ſich an, als wollt' er die 
Armee verlaſſen; und in dieſer Stunde 
Wird's eingeleitet, die Armee dem Kaiſer 
— Zu ſtehlen und dem Feinde zuzuführen! 

Mar. 

Das Pfaffenmärchen kenn' ich, aber nicht 
Aus deinem Mund erwartet' ich's zu hören. 


168 Die Piccolomini 


Octavio. 
Der Mund, aus dem du's gegenwärtig hörſt, 
Verbürget dir, es ſei kein Pfaffenmärchen. 
Mar. 
Zu welchem Raſenden macht man den Herzog! 
2325 Er könnte daran denken, dreißigtauſend 
Geprüfter Truppen, ehrlicher Soldaten, 
Worunter mehr denn tauſend Edelleute, 
Von Eid und Pflicht und Ehre wegzulocken, 
Zu einer Schurkentat ſie zu vereinen? 


Octavio. 
2330 So was nichtswürdig Schändliches begehrt 
Er keinesweges — Was er von uns will, 
Führt einen weit unſchuldigeren Namen. 
Nichts will er, als dem Reich den Frieden ſchenken; 
Und weil der Kaiſer dieſen Frieden haßt, 
2335 So will er ihn — er will ihn dazu zwingen! 
Zufrieden ſtellen will er alle Teile 
Und zum Erſatz für ſeine Mühe Böhmen, 
Das er ſchon inne hat, für ſich Pehalten. 


Mar. 
Hat er's um uns verdient, Octavio, 
23410 Daß wir — wir fo unwürdig von ihm denken? 


Octavio. 

Von unſerm Denken iſt hier nicht die Rede. 

Die Sache ſpricht, die kläreſten Beweiſe. N 

Mein Sohn! Dir iſt nicht unbekannt, wie ſchlimm 

Wir mit dem Hofe ſtehn — doch von den Ränken, 
2315 Den Lügenkünſten Haft du keine Ahnung, 

Die man in Übung ſetzte, Meuterei 

Im Lager auszuſäen. Aufgelöſt 

Sind alle Bande, die den Offizier 

An ſeinen Kaiſer feſſeln, den Soldaten 


2350 


2355 


2360 


2365 


2370 


2375 


Fünfter Aufzug. 1. Auftritt 


Vertraulich binden an das Bürgerleben. 
Pflicht⸗ und geſetzlos ſteht er gegenüber 


Dem Staat gelagert, den er ſchützen ſoll, 


Und drohet, gegen ihn das Schwert zu kehren. 
Es iſt ſo weit gekommen, daß der Kaiſer 

In dieſem Augenblick vor ſeinen eignen 

Armeen zittert — der Verräter Dolche 

In ſeiner Hauptſtadt fürchtet — ſeiner Burg; 
Ja im Begriffe ſteht, die zarten Enkel 

Nicht vor den Schweden, vor den Lutheranern 
— Nein! vor den eignen Truppen wegzuflüchten. 


Mar. 
Hör' auf! Du ängſtigeſt, erſchütterſt mich. 
Ich weiß, daß man vor leeren Schrecken zittert; 
Doch wahres Unglück bringt der falſche Wahn. 
Octavio. 
Es iſt kein Wahn. Der bürgerliche Krieg 
Entbrennt, der unnatürlichſte von allen, 
Wenn wir nicht, ſchleunig rettend, ihm begegnen. 
Der Oberſten ſind viele längſt erkauft, 
Der Subalternen Treue wankt; es wanken 
Schon ganze Regimenter, Garniſonen. 
Ausländern ſind die Feſtungen vertraut, 
Dem Schafgotſch, dem verdächtigen, hat man 
Die ganze Mannſchaft Schleſiens, dem Terzky 
Fünf Regimenter, Reiterei und Fußvolk, 
Dem Illo, Kinsky, Buttler, Iſolan 
Die beſtmontierten Truppen übergeben. 


Mar. 
Uns beiden auch. 


Octavio. 


169 


Weil man uns glaubt zu haben, 


Zu locken meint durch glänzende Verſprechen. 


170 


2380 


2385 


2390 


2395 


2400 


Die Piccolomini 


So teilt er mir die Fürſtentümer Glatz 
Und Sagan zu, und wohl ſeh' ich den Angel, 
Womit man dich zu fangen denkt. 


Nein, ſag' ich dir! 


Mar. 
Nein! Nein! 


Octavio. 
O! öffne doch die Augen! 


Weswegen, glaubſt du, daß man uns nach Pilſen 
Beorderte? Um mit uns Rat zu pflegen? 


Wann hätte Fried 
Wir ſind berufen, 
Und weigern wir 


land unſers Rats bedurft? 
uns ihm zu verkaufen, 
uns — Geiſel ihm zu bleiben. 


Deswegen iſt Graf Gallas weggeblieben — 
Auch deinen Vater ſäheſt du nicht hier, 
Wenn höhre Pflicht ihn nicht gefeſſelt hielt. 


Mar. 


Er hat es keinen Hehl, daß wir um ſeinetwillen 


Hieher berufen ſin 
Er brauche unſers 
Er tat ſo viel für 


d — geſtehet ein, 
Arms, ſich zu erhalten. 
uns, und ſo iſt's Pflicht, 


Daß wir jetzt auch für ihn was tun! 


Octavio. 
Und weißt du, 


Was dieſes ijt, das wir für ihn tun ſollen? 
Des Illo trunkner Mut hat dir's verraten. 


Beſinn' dich doch, 


was du gehört, geſehn. 


Zeugt das verfälſchte Blatt, die weggelaßne, 
So ganz entſcheidungsvolle Klauſel nicht, 
Man wolle zu nichts Gutem uns verbinden? 


Mar. 


Was mit dem Blatte dieſe Nacht geſchehn, 
Iſt mir nichts weiter als ein ſchlechter Streich 


Von dieſem Illo. 


Dies Geſchlecht von Mäklern 


Fünfter Aufzug. 1. Auftritt 


Pflegt alles auf die Spitze gleich zu ſtellen. 

24os Sie ſehen, daß der Herzog mit dem Hof 
Zerfallen iſt, vermeinen ihm zu dienen, 
Wenn ſie den Bruch unheilbar nur erweitern. 
Der Herzog, glaub' mir, weiß von all dem nichts. 


Octavio. 
Es ſchmerzt mich, deinen Glauben an den Mann, 
2410 Der dir fo wohlgegründet ſcheint, zu ſtürzen. 
Doch hier darf keine Schonung ſein — du mußt 
Maßregeln nehmen, ſchleunige, mußt handeln. 
7 — Ich will dir alſo nur geſtehn — daß alles, 
Was ich dir jetzt vertraut, was ſo unglaublich 
2418 Dir ſcheint, daß — daß ich es aus ſeinem eignen, 
— Des Fürſten Munde habe. 
Mar lin heftiger Bewegung). 
Nimmermehr! 
Octavio. 
Er ſelbſt vertraute mir — was ich zwar längſt 
Auf anderm Weg ſchon in Erfahrung brachte: 
Daß er zum Schweden wolle übergehn 
220 Und an der Spitze des verbundnen Heers 
Den Kaiſer zwingen wolle — 


Mar. 
Er iſt heftig, 

Es hat der Hof empfindlich ihn beleidigt; 
In einem Augenblick des Unmuts, ſei's! 
Mag er ſich leicht einmal vergeſſen haben. 

Octavio. 

2425 Bei kaltem Blute war er, als er mir 

Dies eingeſtand; und weil er mein Erſtaunen 
Als Furcht auslegte, wies er im Vertraun 
Mir Briefe vor, der Schweden und der Sachſen, 
Die zu beſtimmter Hilfe Hoffnung geben. 


171 


172 Die Piccolomini 


Mar. 

2430 Es kann nicht ſein! kann nicht ſein! kann nicht ſein! 
Siehſt du, daß es nicht kann! Du hätteſt ihm 
Notwendig deinen Abſcheu ja gezeigt, 

Er hätt' ſich weiſen laſſen, oder du 
— Du ſtündeſt nicht mehr lebend mir zur Seite! 
Octavio. 

2435 Wohl hab' ich mein Bedenken ihm geäußert, 
Hab' dringend, hab' mit Ernſt ihn abgemahnt; 
— Doch meinen Abſcheu, meine innerſte 
Geſinnung hab' ich tief verſteckt. 


Mlar. 
Du wärſt 
So falſch geweſen? Das ſieht meinem Vater 
2440 Nicht gleich! Ich glaubte deinen Worten nicht, 
Da du von ihm mir Böſes ſagteſt; kann's 
Noch wen'ger jetzt, da du dich ſelbſt verleumdeſt. 
Octavio. 
Ich drängte mich nicht ſelbſt in ſein Geheimnis. 
Mar. 
Aufrichtigkeit verdiente ſein Vertraun. 
Octavio. 
2445 Nicht würdig war er meiner Wahrheit mehr. 
Mar. 
Noch minder würdig deiner war Betrug. 
Octavio. 
Mein beſter Sohn! Es iſt nicht immer möglich, 
Im Leben ſich fo kinderrein zu halten, 
Wies uns die Stimme lehrt im Innerſten. 
2150 In ſteter Notwehr gegen arge Liſt 
Bleibt auch das redliche Gemüt nicht wahr — 
Das eben iſt der Fluch der böſen Tat, 
Daß jie, fortzeugend, immer Böſes muß gebären. 


4 
i 
j 
; 


2455 


2460 


2465 


2475 


2480 


Fünfter Aufzug. 1. Auftritt 173 


Ich klügle nicht, ich tue meine Pflicht, 
Der Kaiſer ſchreibt mir mein Betragen vor. 
Wohl wär' es beſſer, überall dem Herzen 
Zu folgen, doch darüber würde man 
Sich manchen guten Zweck verſagen müſſen. 
Hier gilt's, mein Sohn, dem Kaiſer wohl zu dienen, 
Das Herz mag dazu ſprechen, was es will. 
Mar. 
Ich ſoll dich heut' nicht faſſen, nicht verſtehn. 
Der Fürſt, ſagſt du, entdeckte redlich dir ſein Herz 
Zu einem böſen Zweck, und du willſt ihn 
Zu einem guten Zweck betrogen haben! 

Hör' auf! ich bitte dich — du raubſt den Freund 
Mir nicht — Laß mich den Vater nicht verlieren! 
Octavio (unterdrückt ſeine Empfindlichkeit). 

Noch weißt du alles nicht, mein Sohn. Ich habe 


Dir noch was zu eröffnen. 
(Nach einer Pauſe.) 
Herzog Friedland 


Hat ſeine Zurüſtung gemacht. Er traut 
Auf ſeine Sterne. Unbereitet denkt er uns 
Zu überfallen — mit der ſichern Hand 
Meint er den goldnen Zirkel ſchon zu faſſen. 
Er irret ſich — Wir haben auch gehandelt. 
Er faßt ſein bös geheimnisvolles Schickſal. 
Mar. 
Nichts Raſches, Vater! O! bei allem Guten 
Laß dich beſchwören. Keine Übereilung! 
Octavio. 
Mit leiſen Tritten ſchlich er ſeinen böſen Weg, 
So leiſ' und ſchlau iſt ihm die Rache nachgeſchlichen. 
Schon ſteht ſie ungeſehen, finſter hinter ihm, 
Ein Schritt nur noch, und ſchaudernd rühret er ſie an. 
— Du haſt den Queſtenberg bei mir geſehn; 


174 Die Piccolomini 


Noch kennſt du nur fein öffentlich Geſchäft — 
Auch ein geheimes hat er mitgebracht, . 
Das bloß für mich war. 
Mar. 
Darf ich's wiſſen? 
Octavio. 
Max! 
ass — Des Reiches Wohlfahrt leg’ ich mit dem Worte, 
Des Vaters Leben dir in deine Hand. 
Der Wallenſtein iſt deinem Herzen teuer, 
Ein ſtarkes Band der Liebe, der Verehrung 
Knüpft ſeit der frühen Jugend dich an ihn — 
2490 Du nährſt den Wunſch — O! laß mich immerhin 
Vorgreifen deinem zögernden Vertrauen — 
Die Hoffnung nährſt du, ihm viel näher noch 
Anzugehören. 
Mar. 
Vater — 
Octavio. 
Deinem Herzen trau' ich, 
Doch, bin ich deiner Faſſung auch gewiß? 
240 Wirſt du's vermögen, ruhigen Geſichts 
Vor dieſen Mann zu treten, wenn ich dir 
Sein ganz Geſchick nun anvertrauet habe? 


Mar. 
Nachdem du ſeine Schuld mir anvertraut! 
Octavio (nimmt ein Papier aus der Schatulle und reicht es ihm hin). 


ar. 
Was? Wie? Ein 1 kaiſerlicher Brief. 
Octavio. 
2500 Lies ihn. 
Mar (nachdem er einen Blick hinein geworfen). 
Der Fürſt verurteilt und geächtet! 


Fünfter Aufzug. 1. Auftritt 175 


Octavio. 
So iſt's. 
Mar. 
O! das geht weit! O unglücksvoller Irrtum! 


Octavio. 
Lies weiter! Faſſ' dich! 
Mar 


(nachdem er weiter geleſen, mit einem Blick des Erſtaunens auf ſeinen 
Vater). 


Wie? Was? Du? Du biſt — 
Octavio. 
Bloß für den Augenblick — und bis der König 
Von Ungarn bei dem Heer erſcheinen kann, 
2508 Iſt das Kommando mir gegeben — 


Mar. 
Und glaubſt du, daß du's ihm entreißen werdeſt? 


Das denke ja nicht — Vater! Vater! Vater! 
Ein unglückſelig Amt iſt dir geworden. 
Dies Blatt hier — dieſes! willſt du geltend machen? 
2510 Den Mächtigen in ſeines Heeres Mitte, 
Umringt von ſeinen Tauſenden, entwaffnen? 
Du biſt verloren — Du, wir alle ſind's! 
Octavio. 
Was ich dabei zu wagen habe, weiß ich. 
Ich ſtehe in der Allmacht Hand; ſie wird 
2515 Das fromme Kaiſerhaus mit ihrem Schilde 
Bedecken und das Werk der Nacht zertrümmern. 
Der Kaiſer hat noch treue Diener, auch im Lager 
Gibt es der braven Männer gnug, die ſich 
Zur guten Sache munter ſchlagen werden. 
2520 Die Treuen ſind gewarnt, bewacht die andern, 
Den erſten Schritt erwart' ich nur, ſogleich — 


Mar. 
Auf den Verdacht hin willſt du raſch gleich handeln? 


176 Die Piccolomini 


Octavio. 
Fern ſei vom Kaiſer die Tyrannenweiſe! 
Den Willen nicht, die Tat nur will er ſtrafen. 
2525 Noch hat der Fürſt fein Schickſal in der Hand — 
Er laſſe das Verbrechen unvollführt, 
So wird man ihn ſtill vom Kommando nehmen, 
Er wird dem Sohne ſeines Kaiſers weichen. 
Ein ehrenvoll Exil auf ſeine Schlöſſer 
2530 Wird Wohltat mehr als Strafe für ihn ſein. 
Jedoch der erſte offenbare Schritt — 


Mar. 
Was nennſt du einen ſolchen Schritt? Er wird 
Nie einen böſen tun. — Du aber könnteſt 


(Du haſt's getan) den frömmſten auch mißdeuten. 


Octavio. 

2535 Wie ſtrafbar auch des Fürſten Zwecke waren, 
Die Schritte, die er öffentlich getan, 
Verſtatteten noch eine milde Deutung. 

Nicht eher denk ich dieſes Blatt zu brauchen, 
Bis eine Tat getan iſt, die unwiderſprechlich 
2520 Den Hochverrat bezeugt und ihn verdammt. 


Mar. 
Und wer ſoll Richter drüber ſein? 


Octavio. 
— Du ſelbſt. 
Mar. 
O! dann bedarf es dieſes Blattes nie! 
Ich hab' dein Wort, du wirſt nicht eher handeln, 
Bevor du mich — mich ſelber überzeugt. 


Octavio. 
2546 Iſt's möglich? Noch — nach allem, was du weißt, 
Kannſt du an ſeine Unſchuld glauben? 


Fünfter Aufzug. 2. Auftritt 177 


Mar (lebhaft). 
Dein Urteil kann ſich irren, nicht mein Herz. 
(Gemäßigter fortfahrend.) 
Der Geiſt iſt nicht zu faſſen wie ein andrer. 
ie er ſein Schickſal an die Sterne knüpft, 
2650 So gleicht er ihnen auch in wunderbarer, 

Geheimer, ewig unbegriffner Bahn. 

Glaub' mir, man tut ihm Unrecht. Alles wird 
Sich löſen. Glänzend werden wir den Reinen 
Aus dieſem ſchwarzen Argwohn treten ſehn. 


Octavio. 
2565 Ich will's erwarten. 
2. Auftritt 
Die Vorigen. Der Kammerdiener. Gleich darauf ein Kurier. 
Octavio. 
Was gibt's? 
Kammerdiener. 
Ein Eilbot' wartet vor der Tür. 
Octavio. 
So früh am Tag! Wer iſt's? Wo kommt er her? 
Kammerdiener. 
Das wollt' er mir nicht ſagen. 
Octavio. 


Führ' ihn herein. Laß nichts davon verlauten. 
(Kammerdiener ab. Kornet tritt ein.) 
2560 Seid Ihr's, Kornet? Ihr kommt vom Grafen Gallas? 
Gebt her den Brief. 
Kornet. 
Bloß mündlich iſt mein Auftrag. 
Der Generalleutnant traute nicht. 
Octavio. 
Was iſt's? 
Schillers Werke. V. 12 


2565 


2570 


2575 


178 Die Piccolomini 


Kornet. 
Er läßt Euch ſagen — Darf ich frei hier ſprechen? 


Octavio. 
Mein Sohn weiß alles. 


Rornet. 
Wir haben ihn. 


Octavio. 
Wen meint Ihr? 
Rornet. 
Den Unterhändler! Den Sefin! 


Octavio (cchnell). 
Habt ihr? 
Rornet, 
Im Böhmerwald erwiſcht' ihn Hauptmann Mohrbrand 
Vorgeſtern früh, als er nach Regenſpurg 
Zum Schweden unterwegs war mit Depeſchen. 
Octavio. 
Und die Depeſchen — 
Rornet. 
Hat der Generalleutnant 
Sogleich nach Wien geſchickt mit dem Gefangnen. 
Octavio. 
Nun endlich! endlich! Das iſt eine große Zeitung! 
Der Mann iſt uns ein koſtbares Gefäß, 
Das wicht'ge Dinge einſchließt — Fand man viel? 
Rornet. 
An ſechs Pakete mit Graf Terzkys Wappen. 
Octavio. 
Keins von des Fürſten Hand? 


Rornet. 
Nicht, daß ich wüßte. 


2580 


2585 


Fünfter Aufzug. 2. Auftritt 179 


Octavio. 
Und der Seſina? 
Kornet. 
Der tat ſehr erſchrocken, 
Als man ihm ſagt', es ginge nacher Wien. 
Graf Altring aber ſprach ihm guten Mut ein, 
Wenn er nur alles wollte frei bekennen. 


Octavio. 
Iſt Altringer bei Eurem Herrn? Ich hörte, 
Er läge krank zu Linz. 
Kornet. 
Schon ſeit drei Tagen 
Iſt er zu Frauenberg beim Generalleutnant. 
Sie haben ſechzig Fähnlein ſchon beiſammen, 
Erleſnes Volk, und laſſen Euch entbieten, 
Daß ſie von Euch Befehle nur erwarten. 
Octavio. 
In wenig Tagen kann ſich viel ereignen. 
Wann müßt Ihr fort? 
Kornet. 
Ich wart' auf Eure Ordre. 
Octavio. 
Bleibt bis zum Abend. 
Rornet. 
Wohl. (Will gehen.) 
Octavio. 
Sah Euch doch niemand? 
Rornet. 
Kein Menſch. Die Kapuziner ließen mich 
Durchs Kloſterpförtchen ein, ſo wie gewöhnlich. 
Octavio. 
Geht, ruht Euch aus und haltet Euch verborgen. 
Ich denk' Euch noch vor Abend abzufert'gen. 


180 Die Piccolomini 


Die Sachen liegen der Entwicklung nah, 
Und eh' der Tag, der eben jetzt am Himmel 


2595 Verhängnisvoll heranbricht, untergeht, 


2600 


2605 


2610 


Muß ein entſcheidend Los gefallen fein. 
(Kornet geht ab.) 


3. Auftritt 
Beide Piccolomini. 


Octavio. 
Was nun, mein Sohn? Jetzt werden wir bald klar ſein, 
— Denn alles, weiß ich, ging durch den Seſina. 
Mar 


(der während des ganzen vorigen Auftritts in einem heftigen, innern 
Kampf geſtanden, entſchloſſen). 


Ich will auf kürzerm Weg mir Licht verſchaffen. 
Leb' wohl! 
Octavio. 
Wohin? Bleib da! 
Mar. 
Zum Fürſten. 
Octavio lerſchrickt). 
Was? 
Mar (zurückkommend). 
Wenn du geglaubt, ich werde eine Rolle 
In deinem Spiele ſpielen, haſt du dich 
In mir verrechnet. Mein Weg muß gerad ſein. 
Ich kann nicht wahr ſein mit der Zunge, mit 
Dem Herzen falſch — nicht zuſehn, daß mir einer 
Als ſeinem Freunde traut, und mein Gewiſſen 
Damit beſchwichtigen, daß er's auf ſeine 
Gefahr tut, daß mein Mund ihn nicht belogen. 
Wofür mich einer kauft, das muß ich ſein. 
— Ich geh' zum Herzog. Heut' noch werd' ich ihn 


2616 


2620 


2625 


2630 


2635 


Fünfter Aufzug. 3. Auftritt 181 


Auffordern, ſeinen Leumund vor der Welt 
Zu retten, eure künſtlichen Gewebe 
Mit einem graden Schritte zu durchreißen. 


Octavio. 
Das wollteſt du? 
Mar. 
Das will ich. Zweifle nicht. 
Octavio. 
Ich habe mich in dir verrechnet, ja. 
Ich rechnete auf einen weiſen Sohn, 
Der die wohltät'gen Hände würde ſegnen, 
Die ihn zurück vom Abgrund ziehn — und einen 
Verblendeten entdeck' ich, den zwei Augen 
Zum Toren machten, Leidenſchaft umnebelt, 
Den ſelbſt des Tages volles Licht nicht heilt. 
Befrag' ihn! Geh! Sei unbeſonnen gnug, 
Ihm deines Vaters, deines Kaiſers 
Geheimnis preiszugeben. Nöt'ge mich 
Zu einem lauten Bruche vor der Zeit! 
Und jetzt, nachdem ein Wunderwerk des Himmels 
Bis heute mein Geheimnis hat beſchützt, 
Des Argwohns helle Blicke eingeſchläfert, 
Laß mich's erleben, daß mein eigner Sohn 
Mit unbedachtſam raſendem Beginnen 
Der Staatskunſt mühevolles Werk vernichtet. 


Mar. 
O! dieſe Staatskunſt, wie verwünſch' ich ſie! 
Ihr werdet ihn durch eure Staatskunſt noch 
Zu einem Schritte treiben — Ja, ihr könntet ihn, 
Weil ihr ihn ſchuldig wollt, noch ſchuldig machen. 
O! das kann nicht gut endigen — und mag ſich's 
Entſcheiden wie es will, ich ſehe ahnend 
Die unglückſelige Entwicklung nahen. — 


182 Die Piccolomini 


Denn dieſer Königliche, wenn er fällt, 
2040 [Wird eine Welt im Sturze mit ſich reißen, 

Und wie ein tt, das mitten auf dem Weltmeer 
In Brand gerät mit einem Mal und berſtend 
Auffliegt und alle Mannſchaft, die es trug, 
Ausſchüttet plötzlich zwiſchen Meer und Himmel, 

2645 Wird er uns alle, die wir an ſein Glück 
Befeſtigt ſind, in ſeinen Fall hinabziehn. 
Halte du es, wie du willſt! Doch mir vergönne, 
Daß ich auf meine Weiſe mich betrage. 
Rein muß es bleiben zwiſchen mir und ihm, 
2660 Und eh' der Tag ſich neigt, muß ſich's erklären, 
Ob ich den Freund, ob ich den Vater ſoll entbehren. 
(Indem er abgeht, fällt der Vorhang.) 


Wallenſteins Tod 


Ein Trauerſpiel in fünf Aufzügen 


~~ 


— 


Perſonen 


Wallenſtein. 
Octavio Piccolomini. 
Max Piccolomini. 
Terzky. 
Illo. 
JI ſolani. 
Buttler. 
Rittmeiſter Neumann. 
Ein Adjutant. 
Oberſt Wrangel, von den Schweden geſendet. 
Gordon, Kommandant von Eger. 
Major Geraldin. 
Deveroux, 
Macdonald, 
Schwediſcher Hauptmann. 
Eine Geſandtſchaft von Küraſſieren. 
Bürgermeiſter von Eger. 
Seni. 
Herzogin von Friedland. 
Gräfin Terzky. 
Thekla. 
räulein Neubrunn, Hofdame 2 : 
25 Roſenberg, Stallmeiſter der Pune 
Dragoner. 
Bediente. Pagen. Volk. 
Die Szene iſt in den drei erſten Aufzügen zu Pilſen, in 
den zwei letzten zu Eger. 


Hauptleute in der Wallenſteiniſchen Armee. 


4 
See 


Erſter Aufzug 


Ein Zimmer, zu aſtrologiſchen Arbeiten eingerichtet und mit 
Sphären, Karten, Quadranten und anderm aſtronomiſchen 
Geräte verſehen. Der Vorhang von einer Rotunde iſt auf— 
gezogen, in welcher die ſieben Planetenbilder, jedes in einer 
Niſche, ſeltſam beleuchtet, zu ſehen ſind. Seni beobachtet 
die Sterne, Wallenſtein ſteht vor einer großen ſchwarzen 
Tafel, auf welcher der Planetenaſpekt gezeichnet iſt. 


1. Auftritt 
Wallenſtein. Seni. 

Wallenſtein. 
Laß es jetzt gut ſein, Seni. Komm herab. 
Der Tag bricht an, und Mars regiert die Stunde. 
Es iſt nicht gut mehr operieren. Komm! 
Wir wiſſen gnug. 

Seni. 
Nur noch die Venus laß mich 

Betrachten, Hoheit. Eben geht ſie auf. 
Wie eine Sonne glänzt ſie in dem Oſten. 


Mallenſtein. 
Ja, ſie iſt jetzt in ihrer Erdennäh' 
Und wirkt herab mit allen ihren Stärken. 
(Die Figur auf der Tafel betrachtend.) 
Glückſeliger Aſpekt! So ſtellt ſich endlich 
Die große Drei verhängnisvoll zuſammen, 
Und beide Segensſterne, Jupiter 


15 


20 


25 


30 


35 


188 Wallenſteins Tod 


Und Venus, nehmen den verderblichen, 

Den tück'ſchen Mars in ihre Mitte, zwingen 

Den alten Schadenſtifter, mir zu dienen. 

Denn lange war er feindlich mir geſinnt 

Und ſchoß mit ſenkrecht⸗ oder ſchräger Strahlung, 

Bald im Gevierten, bald im Doppelſchein, 

Die roten Blitze meinen Sternen zu 

Und ſtörte ihre ſegenvollen Kräfte. 

Jetzt haben ſie den alten Feind beſiegt 

Und bringen ihn am Himmel mir gefangen. 
Seni. 

Und beide große Lumina von keinem 

Malefico beleidigt! der Saturn 

Unſchädlich, machtlos, in cadente domo. 


Wallenſtein. 
Saturnus' Reich iſt aus, der die geheime 
Geburt der Dinge in dem Erdenſchoß 
Und in den Tiefen des Gemüts beherrſcht 
Und über allem, was das Licht ſcheut, waltet. 
Nicht Zeit iſt's mehr, zu brüten und zu ſinnen, 
Denn Jupiter, der glänzende, regiert 
Und zieht das dunkel zubereitete Werk 
Gewaltig in das Reich des Lichts — Jetzt muß 
Gehandelt werden, ſchleunig, eh' die Glücks⸗ 
Geſtalt mir wieder wegflieht überm Haupt, 
Denn ſtets in Wandlung iſt der Himmelsbogen. 
(Es geſchehen Schläge an die Tür.) 
Man pocht. Sieh, wer es iſt. 
Terzky (draußen). 
Laß öffnen! 
Wallenſtein. 
Es iſt Terzky. 
Was gibt's jo Dringendes? Wir ſind beſchäftigt. 


40 


45 


50 


Erſter Aufzug. 2. Auftritt 189 


Terzky (draußen). 
Leg' alles jetzt bei Seit', ich bitte dich, 
Es leidet keinen Aufſchub. 
Wallenſtein. 
Offne, Seni. 


(Indem jener dem Terzky aufmacht, zieht Wallenſtein den Vorhang vor 
die Bilder.) 


2. Auftritt 
Wallenſtein. Graf Terzky. 


Terzky (tritt ein). 
Vernahmſt du's ſchon? Er iſt gefangen, iſt 
Vom Gallas ſchon dem Kaiſer ausgeliefert! 
Wallenſtein (zu Terzky). 
Wer iſt gefangen? Wer iſt ausgeliefert? 
Terzky. 
Wer unſer ganz Geheimnis weiß, um jede 
Verhandlung mit den Schweden weiß und Sachſen, 
Durch deſſen Hände alles iſt gegangen — 
Wallenſtein (zurückfahrend). 
Seſin doch nicht? Sag' nein, ich bitte dich. 
Terzky. 
Grad' auf dem Weg nach Regenſpurg zum Schweden 
Ergriffen ihn des Gallas Abgeſchickte, 
Der ihm ſchon lang' die Fährte abgelauert. 
Mein ganz Paket an Kinsky, Matthes Thurn, 
An Oxenſtirn, an Arnheim führt er bei ſich. 
Das alles iſt in ihrer Hand, ſie haben 
Die Einſicht nun in alles, was geſchehn. 


60 


65 


190 Wallenſteins Tod 


3. Auftritt 


Vorige. Illo kommt. 


8 Illo (gu Terzky). 
Weiß er's? 
Terzky. 
Er weiß es. 


Allo (zu Wallenſtein). 
Denkſt du deinen Frieden 
Nun noch zu machen mit dem Kaiſer, ſein 
Vertraun zurückzurufen? wär' es auch, 
Du wollteſt allen Planen jetzt entſagen, 
Man weiß, was du gewollt haſt. Vorwärts mußt du, 
Denn rückwärts kannſt du nun nicht mehr. 


Terzky. 
Sie haben Dokumente gegen uns 
In Händen, die unwiderſprechlich zeugen — 


Wallenſtein. 
Von meiner Handſchrift nichts. Dich ſtraf' ich Lügen. 
Allo. 


So? Glaubſt du wohl, was dieſer da, dein Schwager, 
In deinem Namen unterhandelt hat, 

Das werde man nicht dir auf Rechnung ſetzen? 

Dem Schweden ſoll ſein Wort für deines gelten, 
Und deinen Wiener Feinden nicht! 


Terzky. 
Du gabſt nichts Schriftliches — Beſinn' dich aber, 
Wie weit du mündlich gingſt mit dem Seſin. 
Und wird er ſchweigen? Wenn er ſich mit deinem 
Geheimnis retten kann, wird er's bewahren? 


Erſter Aufzug. 3. Auftritt 191 


Allo. 
Das fällt dir ſelbſt nicht ein! Und da ſie nun 
Berichtet ſind, wie weit du ſchon gegangen, 
Sprich! was erwarteſt du? Bewahren kannſt du 
2s Nicht länger dein Kommando, ohne Rettung 
Biſt du verloren, wenn du's niederlegſt. 


Wallenſtein. 
Das Heer iſt meine Sicherheit. Das Heer 
Verläßt mich nicht. Was ſie auch wiſſen mögen, 
Die Macht iſt mein, ſie müſſen's niederſchlucken, 
so — Und ſtell' ich Kaution für meine Treu, 
So müſſen ſie ſich ganz zufrieden geben. 
Allo. 
Das Heer iſt dein; jetzt für den Augenblick 
Iſt's dein; doch zittre vor der langſamen 
er ſtillen Macht der Zeit. Vör öffenbarer 
oe re noch und morgen 
Der Truppen Gunſt; doch gönnſt du ihnen Friſt, 
Sie werden unvermerkt die gute Meinung, 
Worauf du jetzo fußeſt, untergraben, 
Dir einen um den andern liſtig ſtehlen — 
9o Bis, wenn der große Erdſtoß nun geſchieht, 
Der treulos mürbe Bau zuſammenbricht. 
Wallenſtein. 
Es iſt ein böſer Zufall! 
Allo. 
O! einen glücklichen will ich ihn nennen, 
Hat er auf dich die Wirkung, die er ſoll, 
9s Treibt dich zu ſchneller Tat — Der ſchwed'ſche Oberſt — 
Wallenſtein. 
Er iſt gekommen? Weißt du, was er bringt? 


Allo. 
Er will nur dir allein ſich anvertraun. 


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192 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein. 
Ein böſer, böſer Zufall — Freilich! Freilich! 
Seſina weiß zu viel und wird nicht ſchweigen. 


Terzky. 
Er iſt ein böhmiſcher Rebell und Flüchtling, 
Sein Hals iſt ihm verwirkt; kann er ſich retten 
Auf deine Koſten, wird er Anſtand nehmen? 
Und wenn ſie auf der Folter ihn befragen, 
Wird er, der Weichling, Stärke gnug beſitzen? — 


Wallenſtein (in Nachſinnen verloren). 
Nicht herzuſtellen mehr iſt das Vertraun. 
Und mag ich handeln, wie ich will, ich werde 
Ein Landsverräter ihnen ſein und bleiben. 
Und kehr' ich noch ſo ehrlich auch zurück 
Zu meiner Pflicht, es wird mir nichts mehr helfen — 
5 Allo. 


Verderben wird es dich. Nicht deiner Treu, 
Der Ohnmacht nur wird's zugeſchrieben werden. 


Wallenſtein (in heftiger Bewegung auf und ab gehend). 
Wie? Sollt' ich's nun im Ernſt erfüllen müſſen, 
Weil ich zu frei geſcherzt mit dem Gedanken? 
Verflucht, wer mit dem Teufel ſpielt! — 

Allo. 
Wenn's nur dein Spiel geweſen, glaube mir, 
Du wirſt's in ſchwerem Ernſte büßen müſſen. 


Wallenſtein. 
Und müßt' ich's in Erfüllung bringen, jetzt, 
Jetzt, da die Macht noch mein iſt, müßt's geſchehn — 
Allo. 
Wo möglich, eh' ſie von dem Schlage ſich 
In Wien beſinnen und zuvor dir kommen — 


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Erſter Aufzug. 3. Auftritt 


Wallenſtein (die unterſchriften betrachtend). 
Das Wort der Generale hab' ich ſchriftlich — 
Max Piccolomini ſteht nicht hier. Warum nicht? 


Terzky. 
Es war — er meinte — 
Allo. 
Bloßer Eigendünkel! 
Es brauche das nicht zwiſchen dir und ihm. 


Wallenſtein. 
Es braucht das nicht, er hat ganz Recht — 
Die Regimenter wollen nicht nach Flandern, 
Sie haben eine Schrift mir überſandt 
Und widerſetzen laut ſich dem Befehl. 
Der erſte Schritt zum Aufruhr iſt geſchehn. 
Allo. 
Glaub' mir, du wirſt ſie leichter zu dem Feind 
Als zu dem Spanier hinüber führen. 
Wallenſtein. 
Ich will doch hören, was der Schwede mir 
Zu ſagen hat. 
Allo (preffiert). 
Wollt Ihr ihn rufen, Terzky? 
Er ſteht ſchon draußen. 
Wallenſtein. 
Warte noch ein wenig. 
Es hat mich überraſcht — Es kam zu ſchnell — 
Ich bin es nicht gewohnt, daß mich der Zufall 
Blind waltend, finſter herrſchend mit ſich führe. 
Illo. 
Hör' ihn fürs erſte nur. Erwäg's nachher. 
(Sie gehen.) 


Schillers Werke. V. 13 


140 


145 


194 Wallenſteins Tod 


4. Auftritt 

Wallenſtein, mit ſich ſelbſt redend. 
Wär's möglich? Könnt' ich nicht mehr, wie ich wollte? 
Nicht mehr zurück, wie mir's beliebt? Ich müßte 
Die Tat vollbringen, weil ich ſie gedacht, 
Nicht die Verſuchung von mir wies — das Herz 
Genährt mit dieſem Traum, auf ungewiſſe 
Erfüllung hin die Mittel mir geſpart, 
Die Wege bloß mir offen hab' gehalten? — 
Beim großen Gott des Himmels! Es war nicht 
Mein Ernſt, beſchloßne Sache war es nie. 
In dem Gedanken bloß gefiel ich mir; 


———— 


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165 


War's unrecht, an dem Gaukelbilde Ae 
Der königlichen Hoffnung zu ergötzen? 
Blieb in der Bruſt mir nicht der Wille frei, 
Und ſah ich nicht den guten Weg zur Seite, 
Der mir die Rückkehr offen ſtets bewahrte? 
Wohin denn ſeh' ich plötzlich mich geführt? 
Bahnlos liegt's hinter mir, und eine Mauer 
Aus meinen eignen Werken baut ſich auf, 
Die mir die Umkehr türmend hemmt! 

(Er bleibt tiefſinnig ſtehen.) 
Strafbar erſchein' ich, und ich kann die Schuld, 
Wie ich's verſuchen mag! nicht von mir wälzen; 
Denn mich verklagt der Doppelſinn des Lebens, 
Und — ſelbſt der frommen Quelle reine Tat 
Wird der Verdacht, ſchlimmdeutend, mir vergiften. 
War ich, wofür ich gelte, der Verräter, 
Ich hätte mir den guten Schein geſpart, 
Die Hülle hätt' ich dicht um mich gezogen, 
Dem Unmut Stimme nie geliehn. Der Unſchuld, 
Des unverführten Willens mir bewußt, 
Gab ich der Laune Raum, der Leidenſchaft — 


Erſter Aufzug. 4. Auftritt 195 


70 Kühn war das Wort, weil es die Tat nicht war. 
Jetzt werden ſie, was planlos iſt geſchehn, 
Weitſehend, planvoll mir zuſammen knüpfen, 
Und was der Zorn und was der frohe Mut 
Mich ſprechen ließ im Überfluß des Herzens, 

17 Zu künſtlichem Gewebe mir vereinen 
Und eine Klage furchtbar draus bereiten, 
Dagegen ich verſtummen muß. So hab' ich 
Mit eignem Netz verderblich mich umſtrickt, 
Und nur Gewalttat kann es reißend löſen. 

(Wiederum ſtill ſtehend.) 

150 Wie anders! da des Mutes freier Trieb 
Zur kühnen Tat mich zog, die rauh gebietend 
Die Not jetzt, die Erhaltung von mir heiſcht. 


iſt der Anblick der Notwendigkeit. 
O lch ohne Schauder greift des Menſchen Hand 
185 In des Geſchicks geheimnisvolle Urne. 
— In meiner Bruſt war meine Tat noch mein: 
Einmal entlaſſen aus dem ſichern Winkel 
Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden, 
Hinausgegeben in des Lebens Fremde, 
10 Gehört fie jenen tück'ſchen Mächten an, 


Die keines Menſchen Kunſt vertraulich macht. 


(Er macht heftige Schritte durchs Zimmer, dann bleibt er wieder ſinnend 
ſtehen. 


Und was iſt dein Seq tunes? Haſt du dir's 
Auch redlich ſelbſt bekannt? Du willſt die Macht, 
Die ruhig, ſicher thronende erſchüttern, 
105 Die in verjährt geheiligtem Beſitz, 
In der Gewohnheit feſtgegründet ruht, 
Die an der Völker frommem Kinderglauben 
Mit tauſend zähen Wurzeln ſich befeſtigt. 
Das wird kein Kampf der Kraft ſein mit der Kraft, 
200 Den fürcht' ich nicht. Mit jedem Gegner wag' ich's, 
Den ich kann ſehen und ins Auge faſſen, 


196 Wallenſteins Tod 


Der, ſelbſt voll Mut, auch mir den Mut entflammt. 
Ein unſichtbarer Feind iſt's, den ich fürchte, 
Der in der Menſchen Bruſt mir widerſteht, 
205 Durch feige Furcht allein mir fürchterlich — 
Nicht, was lebendig kraftvoll ſich verkündigt, 
Iſt das gefährlich Furchtbare. Das ganz 
Gemeine iſt's, das ewig Geſtrige, 
Was immer war und immer wiederkehrt 
210 Und morgen gilt, weil's heute hat gegolten! 
Denn aus Gemeinem iſt der Menſch gemacht, 
Und die Gewohnheit nennt er ſeine Amme. 
Weh dem, der an den würdig alten Hausrat 
Ihm rührt, das teure Erbſtück ſeiner Ahnen! 
216 Das Jahr übt eine heiligende Kraft; 
Was grau für Alter iſt, das iſt ihm göttlich. 
A Sei im Beſitze, und du wohnſt im Recht, 
Und heilig wird's die Menge dir bewahren. 
(Zu dem Pagen, der hereintritt.) 
Der ſchwed'ſche Oberſt? Iſt er's? Nun, er komme. 
(Page geht. Wallenſtein hat den Blick nachdenkend auf die Türe geheſtet.) 
220 Noch iſt ſie rein — noch! Das Verbrechen kam 
Nicht über dieſe Schwelle noch — So ſchmal iſt 
W Grenze, die zwei Lebenspfade ſcheidet! 


5. Auftritt 


Wallenſtein und Wrangel. 


Wallenſtein 
(nachdem er einen forſchenden Blick auf ihn geheftet). 
Ihr nennt Euch Wrangel? 
Wrangel. 
Guſtav Wrangel, Oberſt 
Vom blauen Regimente Südermannland. 


225 


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Erſter Aufzug. 5. Auftritt 197 


Wallenſtein. 
Ein Wrangel war's, der vor Stralſund viel Böſes 
Mir zugefügt, durch tapfre Gegenwehr 
Schuld war, daß mir die Seeſtadt widerſtanden. 


Wrangel. 
Das Werk des Elements, mit dem Sie kämpften, 


Nicht mein Verdienſt, Herr Herzog! Seine Freiheit 

Verteidigte mit Sturmes Macht der Belt, 

Es ſollte Meer und Land nicht einem dienen. 
Wallenſtein. 

Den Admiralshut rißt Ihr mir vom Haupt. 


Wrangel. 
Ich komme, eine Krone drauf zu ſetzen. 
Wallenſtein (winkt ihm, Platz zu nehmen, ſetzt ſich). 
Euer Kreditiv. Kommt Ihr mit ganzer Vollmacht? 


Wrangel (bedenklich). 

Es ſind ſo manche Zweifel noch zu löſen — 

Wallenſtein (nachdem er geleſen). 
Der Brief hat Händ' und Füß'. Es iſt ein klug, 
Verſtändig Haupt, Herr Wrangel, dem Ihr dienet. 
Es ſchreibt der Kanzler: er vollziehe nur 
Den eignen Einfall des verſtorbnen Königs, 
Indem er mir zur böhm'ſchen Kron' verhelfe. 


Wrangel. 

Er ſagt, was wahr iſt. Der Hochſelige 
Hat immer groß gedacht von Euer Gnaden 
Fürtrefflichem Verſtand und Feldherrngaben, 
Und ſtets der Herrſchverſtändigſte, beliebt' ihm 
Zu ſagen, ſollte Herrſcher ſein und König. 

in. 
Er durft' es ſagen. 9 

(Seine Hand vertraulich faſſend.) 


Aufrichtig, Oberſt Wrangel — Ich war ſtets 


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255 


260 


265 


198 Wallenſteins Tod 


Im Herzen auch gut ſchwediſch — Ei, das habt ihr 
In Schleſien erfahren und bei Nürnberg. 

Ich hatt' euch oft in meiner Macht und ließ 

Durch eine Hintertür euch ſtets entwiſchen. 

Das iſt's, was ſie in Wien mir nicht verzeihn, 

Was jetzt zu dieſem Schritt mich treibt — Und weil 
Nun unſer Vorteil ſo zuſammengeht, 

So laßt uns zu einander auch ein recht 


Vertrauen faſſen. 
Wrangel. 


Das Vertraun wird kommen, 

Hat jeder nur erſt ſeine Sicherheit. 
Wallenſtein. 

Der Kanzler, merk' ich, traut mir noch nicht recht. 
Ja, ich geſteh's — Es liegt das Spiel nicht ganz 
Zu meinem Vorteil — Seine Würden meint, 
Wenn ich dem Kaiſer, der mein Herr iſt, ſo 
Mitſpielen kann, ich könn' das gleiche tun 
Am Feinde, und das eine wäre mir 
Noch eher zu verzeihen als das andre. 
Iſt das nicht Eure Meinung auch, Herr Wrangel? 


Wrangel. 

Ich hab' hier bloß ein Amt und keine Meinung. 
Wallenſtein. 

Der Kaiſer hat mich bis zum Außerſten 

Gebracht. Ich kann ihm nicht mehr ehrlich dienen. 

Zu meiner Sicherheit, aus Notwehr tu' ich 

Den harten Schritt, den mein Bewußtſein tadelt. 
Wrangel. f l 

Ich glaub's. So weit geht niemand, der nicht muß. 

(Nach einer Pauſe.) 
Was Eure Fürſtlichkeit bewegen mag, 
Alſo zu tun an Ihrem Herrn und Kaiſer, 


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296 


Erſter Aufzug. 5. Auftritt 199 


Gebührt nicht uns zu richten und zu deuten. 
Der Schwede ficht für ſeine gute Sach' 

Mit ſeinem guten Degen und Gewiſſen. 

Die Konkurrenz iſt, die Gelegenheit 

Zu unſrer Gunſt, im Krieg gilt jeder Vorteil, 
Wir nehmen unbedenklich, was ſich bietet; 
Und wenn ſich alles richtig ſo verhält — 


Wallenſtein. 
Woran denn zweifelt man? An meinem Willen? 
An meinen Kräften? Ich verſprach dem Kanzler, 
Wenn er mir ſechzehntauſend Mann vertraut, 
Mit achtzehntauſend von des Kaiſers Heer 
Dazu zu ſtoßen — 

Wrangel. 

Euer Gnaden ſind 
Bekannt für einen hohen Kriegesfürſten, 
Für einen zweiten Attila und Pyrrhus. 
Noch mit Erſtaunen redet man davon, 
Wie Sie vor Jahren, gegen Menſchendenken, 
Ein Heer wie aus dem Nichts hervorgerufen. 
Jedennoch — 

Wallenſtein. 

Dennoch? 


Wrangel. 
Seine Würden meint, 
Ein leichter Ding doch möcht' es ſein, mit nichts 
Ins Feld zu ſtellen ſechzigtauſend Krieger, 
Als nur ein Sechzigteil davon — (er hält inne) 
Wallenſtein. 
Nun, was? 
Nur frei heraus! 
Wrangel. 
Zum Treubruch zu verleiten. 


300 


805 


310 


315 


320 


200 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein. 
Meint er? Er urteilt wie ein Schwed' und wie 
Ein Proteſtant. Ihr Lutheriſchen fechtet 
Für eure Bibel, euch iſt's um die Gach’; 
Mit eurem Herzen folgt ihr eurer Fahne. — 
Wer zu dem Feinde läuft von euch, der hat 
Mit zweien Herrn zugleich den Bund gebrochen. 
Von all dem iſt die Rede nicht bei uns — 


Wrangel. 
Herr Gott im Himmel! Hat man hier zu Lande 
Denn keine Heimat, keinen Herd und Kirche? 


Wallenſtein. 
Ich will Euch ſagen, wie das zugeht — Ja, 
Der Oſterreicher hat ein Vaterland 
Und liebt's und hat auch Urſach, es zu lieben. 
Doch dieſes Heer, das kaiſerlich ſich nennt, 
Das hier in Böheim hauſet, das hat keins; 
Das iſt der Auswurf fremder Länder, iſt 
Der aufgegebne Teil des Volks, dem nichts 
Gehöret als die allgemeine Sonne. 
Und dieſes böhm'ſche Land, um das wir fechten, 
Das hat kein Herz für ſeinen Herrn, den ihm 
Der Waffen Glück, nicht eigne Wahl gegeben. 
Mit Murren trägt's des Glaubens Tyrannei, 
Die Macht hat's eingeſchreckt, beruhigt nicht. 
Ein glühend, rachvoll Angedenken lebt 
Der Greuel, die geſchahn auf dieſem Boden. 
Und kann's der Sohn vergeſſen, daß der Vater 
Mit Hunden in die Meſſe ward gehetzt? 
Ein Volk, dem das geboten wird, iſt ſchrecklich, 
Es räche oder dulde die Behandlung. 


Wrangel. 
Der Adel aber und die Offiziere? 


Erſter Aufzug. 5. Auftritt 201 


326 Solch eine Flucht und Felonie, Herr Fürſt, 
Iſt ohne Beiſpiel in der Welt Geſchichten. 


Wallenſtein. 
Sie ſind auf jegliche Bedingung mein. 
Nicht mir, den eignen Augen mögt Ihr glauben. 


(Er gibt ihm die Eidesſormel. Wrangel durchlieſt fie und legt fie, nade 
dem er geleſen, ſchweigend auf den Tiſch.) 


Wie iſt's? Begreift Ihr nun? 


Wrangel. 
Begreif's, wer's kann! 

330 Herr Fürſt! Ich laſſ' die Maske fallen — Ja! 

Ich habe Vollmacht, alles abzuſchließen. 

Es ſteht der Rheingraf nur vier Tagemürſche 

Von hier mit funfzehntauſend Mann, er wartet 

Auf Ordre nur, zu Ihrem Heer zu ſtoßen. 
335 Die Ordre ſtell' ich aus, ſobald wir einig. 


Wallenſtein. 
Was iſt des Kanzlers Forderung? 


Wrangel (bedenklich). 
Zwölf Regimenter gilt es, ſchwediſch Volk. 
Mein Kopf muß dafür haften. Alles könnte 
Zuletzt nur falſches Spiel — 


Wallenſtein (fährt auf). 
Herr Schwede! 


Wrangel (ruhig fortfahrend). 
Muß demnach 
340 Darauf beſtehn, daß Herzog Friedland förmlich, 
Unwiderruflich breche mit dem Kaiſer, 
Sonſt ihm kein ſchwediſch Volk vertrauet wird. 


Wallenſtein. 
Was iſt die Forderung? Sagt's kurz und gut. 


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202 Wallenſteins Tod 


Wrangel. 
Die ſpan'ſchen Regimenter, die dem Kaiſer 
Ergeben, zu entwaffnen, Prag zu nehmen 
Und dieſe Stadt wie auch das Grenzſchloß Eger 
Den Schweden einzuräumen. 


Wallenſtein. 
Viel gefordert! 
Prag! Sei's um Eger! Aber Prag? Geht nicht. 
Ich leiſt' euch jede Sicherheit, die ihr 
Vernünft'gerweiſe von mir fordern möget. 
Prag aber — Böhmen — kann ich ſelbſt beſchützen. 


Wrangel. 
Man zweifelt nicht daran. Es iſt uns auch 
Nicht ums Beſchützen bloß. Wir wollen Menſchen 
Und Geld umſonſt nicht aufgewendet haben. 


Wallenſtein. 
Wie billig. 
Wrangel. 
Und ſo lang', bis wir entſchädigt, 
Bleibt Prag verpfändet. 
Wallenſtein. 
Traut ihr uns ſo wenig? 


Wrangel (ſteht auß). 
Der Schwede muß ſich vorſehn mit dem Deutſchen. 
Man hat uns übers Oſtmeer hergerufen; 
Gerettet haben wir vom Untergang 
Das Reich — mit unſerm Blut des Glaubens Freiheit, 
Die heil'ge Lehr' des Evangeliums ; 
Verſiegelt — Aber jetzt ſchon fühlet man 
Nicht mehr die Wohltat, nur die Laſt, erblickt 
Mit ſcheelem Aug' die Fremdlinge im Reiche 
Und ſchickte gern mit einer Handvoll Geld 


375 


380 


885 


Erſter Aufzug. 5. Auftritt 203 


Uns heim in unſre Wälder. Nein! wir haben 
Um Judas' Lohn, um klingend Gold und Silber 
Den König auf der Walſtatt nicht gelaſſen! 

So vieler Schweden adeliges Blut, 

Es iſt um Gold und Silber nicht gefloſſen! 

Und nicht mit magerm Lorbeer wollen wir 

Zum Vaterland die Wimpel wieder lüften, 

Wir wollen Bürger bleiben auf dem Boden, 
Den unſer König fallend ſich erobert. 


Wallenſtein. 
Helft den gemeinen Feind mir niederhalten, 
Das ſchöne Grenzland kann euch nicht entgehn. 


Wrangel. 
Und liegt zu Boden der gemeine Feind, 


Wer knüpft die neue Freundſchaft dann zuſammen? 
Uns iſt bekannt, Herr Fürſt — wenn gleich der Schwede 
Nichts davon merken ſoll — daß Ihr mit Sachſen 
Geheime Unterhandlung pflegt. Wer bürgt uns 

Dafür, daß wir nicht Opfer der Beſchlüſſe ſind, 

Die man vor uns zu hehlen nötig achtet? 


Wallenſtein. 
Wohl wählte ſich der Kanzler ſeinen Mann, 
Er hätt' mir keinen zähern ſchicken können. ⸗ 
(Aufſtehend.) 
Beſinnt Euch eines Beſſern, Guſtav Wrangel. 
Von Prag nichts mehr. 
Wrangel. 
Hier endigt meine Vollmacht. 


Wallenſtein. 
Euch meine Hauptſtadt räumen! Lieber tret' ich 
Zurück — zu meinem Kaiſer. 


Wrangel. 
Wenn's noch Zeit iſt. 


390 


395 


400 


405 


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204 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein. 
Das ſteht bei mir, noch jetzt, zu jeder Stunde. 


Wrangel. 

Vielleicht vor wenig Tagen noch. Heut' nicht mehr. 
— Seit der Seſin gefangen ſitzt, nicht mehr. 

(Wie Wallenſtein betroffen ſchweigt.) 
Herr Fürſt! Wir glauben, daß Sie's ehrlich meinen; 
Seit geſtern — ſind wir des gewiß — Und nun 
Dies Blatt uns für die Truppen bürgt, iſt nichts, 
Was dem Vertrauen noch im Wege ſtünde. 
Prag ſoll uns nicht entzweien. Mein Herr Kanzler 
Begnügt ſich mit der Altſtadt, Euer Gnaden 
Läßt er den Ratſchin und die kleine Seite. 
Doch Eger muß vor allem ſich uns öffnen, 
Eh' an Konjunktion zu denken iſt. 


Wallenſtein. 
Euch alſo ſoll ich trauen, ihr nicht mir? 
Ich will den Vorſchlag in Erwägung ziehn. 


Wrangel. 
In keine gar zu lange, muß ich bitten. 
Ins zweite Jahr ſchon ſchleicht die Unterhandlung; 
Erfolgt auch diesmal nichts, ſo will der Kanzler 
Auf immer ſie für abgebrochen halten. 


Wallenſtein. 
Ihr drängt mich ſehr. Ein ſolcher Schritt will wohl 
Bedacht ſein. 
Wrangel. 
Eh' man überhaupt dran denkt, 
Herr Fürſt! Durch raſche Tat nur kann er glücken. 
(Er geht ab.) 


415 


425 


Erſter Aufzug. 6. Auftritt 205 


6. Auftritt 
Wallenſtein. Terzky und Illo kommen zurück. 


Allo. 
t's richtig? 
N oe Terzky. 
Seid ihr einig? 
Allo. 
Dieſer Schwede 
Ging ganz zufrieden fort. Ja, ihr ſeid einig. 
Wallenſtein. 
Hört! Noch iſt nichts geſchehn, und — wohl erwogen, 
Ich will es lieber doch nicht tun. 
Terzky. 


Wie? Was iſt das? 
Wallenſtein. 


Von dieſer Schweden Gnade leben! 
Der Übermütigen? Ich trüg' es nicht. 
Allo. 
Kommſt du als Flüchtling, ihre Hilf erbettelnd? 
Du bringeſt ihnen mehr, als du empfängſt. 
Wallenſtein. 
Wie war's mit jenem königlichen Bourbon, 
Der ſeines Volkes Feinde ſich verkaufte 
Und Wunden ſchlug dem eignen Vaterland? 
Fluch war ſein Lohn, der Menſchen Abſcheu rächte 
Die unnatürlich frevelhafte Tat. 
Allo. 
Iſt das dein Fall? 
Wallenſteiu. 
Die Treue, ſag' ich euch, 
Iſt jedem Menſchen wie der nächſte Blutsfreund, 
Als ihren Rächer fühlt er ſich geboren. 


430 


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206 Wallenſteins Tod 


Der Sekten Feindſchaft, der Parteien Wut, 
Der alte Neid, die Eiferſucht macht Friede; 
Was noch ſo wütend ringt, ſich zu zerſtören, 
Verträgt, vergleicht ſich, den gemeinen Feind 
Der Menſchlichkeit, das wilde Tier zu jagen, 
Das mordend einbricht in die ſichre Hürde, 
Worin der Menſch geborgen wohnt — denn ganz 
Kann ihn die eigne Klugheit nicht beſchirmen. 
Nur an die Stirne ſetzt' ihm die Natur 

Das Licht der Augen, fromme Treue ſoll 

Den bloßgegebnen Rücken ihm beſchützen. 


Terzky. 
Denk' von dir ſelbſt nicht ſchlimmer als der Feind, 
Der zu der Tat die Hände freudig bietet. 
So zärtlich dachte jener Karl auch nicht, 
Der Ohm und Ahnherr dieſes Kaiſerhauſes, 
Der nahm den Bourbon auf mit offnen Armen, 
Denn nur vom Nutzen wird die Welt regiert. 


7. Auftritt 
Gräfin Terzky zu den Vorigen. 
Wallenſtein. 
Wer ruft Euch? Hier iſt kein Geſchäft für Weiber. 
Gräfin. 
Ich komme, meinen Glückwunſch abzulegen. 
— Komm' ich zu früh etwa? Ich will nicht hoffen. 
Wallenſtein. 
Gebrauch' dein Anſehn, Terzky. Heiß ſie gehn. 
Grüſin. 
Ich gab den Böhmen einen König ſchon. 


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Erſter Aufzug. 7. Auftritt 207 


allenſtein. 

Er war darnach. 1 
Grifin (gu den andern). 
Nun, woran liegt es? Sprecht! 

Terzky. 
Der Herzog will nicht. 

Gräfin. 

Will nicht, was er muß? 
Allo. 

An Euch iſt's jetzt. Verſucht's, denn ich bin fertig, 
Spricht man von Treue mir und von Gewiſſen. 

Grüfin. 
Wie? da noch alles lag in weiter Ferne, 
Der Weg ſich noch unendlich vor dir dehnte, 
Da hatteſt du Entſchluß und Mut — und jetzt, 
Da aus dem Traume Wahrheit werden will, 
Da die Vollbringung nahe, der Erfolg 
Verſichert iſt, da fängſt du an, zu zagen? 
Nur in Entwürfen biſt du tapfer, feig 
In Taten? Gut! Gib deinen Feinden Recht! 
Da eben iſt es, wo ſie dich erwarten. 
Den Vorſatz glauben ſie dir gern; ſei ſicher, 
Daß ſie's mit Brief und Siegel dir belegen! 
Doch an die Möglichkeit der Tat glaubt keiner, 
Da müßten ſie dich fürchten und dich achten. 
Iſt's möglich? Da du ſo weit biſt gegangen, 
Da man das Schlimmſte weiß, da dir die Tat 
Schon als begangen zugerechnet wird, 
Willſt du zurückziehn und die Frucht verlieren? 
Entworfen bloß iſt's ein gemeiner Frevel, 
Vollführt iſt's ein unſterblich Unternehmen; 
Und wenn es glückt, ſo iſt es auch verziehn, 
Denn aller Ausgang iſt ein Gottes Urtel. 


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208 Wallenſteins Tod 


Kammerdiener (tritt herein). 
Der Oberſt Piccolomini. 
Grüſin (ſchnelh. 
Soll warten. 
Wallenſtein. 
Ich kann ihn jetzt nicht ſehn. Ein andermal. 
Kammerdiener. 
Nur um zwei Augenblicke bittet er, 
Er hab' ein dringendes Geſchäft — 
Wallenſtein. 
Wer weiß, was er uns bringt. Ich will doch hören. 
Grüſin (lacht). 
Wohl mag's ihm dringend ſein. Du kannſt's erwarten. 


Wallenſtein. 


Grüfin. 
Du ſollſt es nachher wiſſen. 
Jetzt denke dran, den Wrangel abzufert'gen. 


(Kammerdiener geht.) 
Wallenſtein. 
Wenn eine Wahl noch wäre — noch ein milderer 
Ausweg ſich fände — jetzt noch will ich ihn 
Erwählen und das Außerſte vermeiden. 
Gräfin. 

Verlangſt du weiter nichts, ein ſolcher Weg 
Liegt nah vor dir. Schick' dieſen Wrangel fort. 
Vergiß die alten Hoffnungen, wirf dein 
Vergangnes Leben weg, entſchließe dich, 
Ein neues anzufangen. Auch die Tugend 
Hat ihre Helden, wie der Ruhm, das Glück. 
Reiſ' hin nach Wien zum Kaiſer ſtehndes Fußes, 
Nimm eine volle Kaſſe mit, erklär', 
Du hab'ſt der Diener Treue nur erproben, 
Den Schweden bloß zum beſten haben wollen. 


Was iſt's? 


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Erſter Aufzug. 7. Auftritt 209 


Allo. 
Auch damit iſt's zu ſpät. Man weiß zu viel. 
Er würde nur das Haupt zum Todesblocke tragen. 


Grüſin. 
Das fürcht' ich nicht. Geſetzlich ihn zu richten, 
Fehlt's an Beweiſen; Willkür meiden ſie. 
Man wird den Herzog ruhig laſſen ziehn. 
Ich ſeh', wie alles kommen wird. Der König 
Von Ungarn wird erſcheinen, und es wird ſich 
Von ſelbſt verſtehen, daß der Herzog geht; 
Nicht der Erklärung wird das erſt bedürfen. 
Der König wird die Truppen laſſen ſchwören, 
Und alles wird in ſeiner Ordnung bleiben. 
An einem Morgen iſt der Herzog fort. 
Auf ſeinen Schlöſſern wird es nun lebendig, 
Dort wird er jagen, baun, Geſtüte halten, 
Sich eine Hofſtatt gründen, goldne Schlüſſel 
Austeilen, gaſtfrei große Tafel geben, 
Und kurz ein großer König ſein — im Kleinen! 
Und weil er klug ſich zu beſcheiden weiß, 
Nichts wirklich mehr zu gelten, zu bedeuten, 
Läßt man ihn ſcheinen, was er mag; er wird 
Ein großer Prinz bis an ſein Ende ſcheinen. 
Ei nun! der Herzog iſt dann eben auch 
Der neuen Menſchen einer, die der Krieg 
Emporgebracht; ein übernächtiges 
Geſchöpf der Hofgunſt, die mit gleichem Aufwand 
Freiherrn und Fürſten macht. 


Wallenſtein (ſteht auf, heftig bewegt). 
Zeigt einen Weg mir an aus dieſem Drang, 
Hilfreiche Mächte! einen ſolchen zeigt mir, 
Den ich vermag zu gehn — Ich kann mich nicht, 
Wie ſo ein Wortheld, ſo ein Tugendſchwätzer, 
Schillers Werke. V. 14 


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210 Wallenſteins Tod 


An meinem Willen wärmen und Gedanken — 
Nicht zu dem Glück, das mir den Rücken kehrt, 
Großtuend ſagen: Geh! Ich brauch' dich nicht! 
Wenn ich nicht wirke mehr, bin ich vernichtet; 
Nicht Opfer, nicht Gefahren will ich ſcheun, 
Den letzten Schritt, den äußerſten, zu meiden; 
Doch eh' ich ſinke in die Nichtigkeit, 

So klein aufhöre, der ſo groß begonnen, 

Eh' mich die Welt mit jenen Elenden 5 
Verwechſelt, die der Tag erſchafft und ſtürzt, 
Eh' ſpreche Welt und Nachwelt meinen Namen 
Mit Abſcheu aus, und Friedland ſei die Loſung 
Für jede fluchenswerte Tat. 


Gräfin. 
Was iſt denn hier ſo wider die Natur? 
Ich kann's nicht finden, ſage mir's — o! laß 
Des Aberglaubens nächtliche Geſpenſter 
Nicht deines hellen Geiſtes Meiſter werden! 
Du biſt des Hochverrats verklagt; ob mit 
— Ob ohne Recht, iſt jetzo nicht die Frage — 
Du biſt verloren, wenn du dich nicht ſchnell der Macht 
Bedienſt, die du beſitzeſt — Ei! wo lebt denn 
Das friedſame Geſchöpf, das ſeines Lebens 
Sich nicht mit allen Lebenskräften wehrt? 
Was iſt ſo kühn, das Notwehr nicht entſchuldigt? 
Wallenſtein. 
Einſt war mir dieſer Ferdinand ſo huldreich; 
Er liebte mich, er hielt mich wert, ich ſtand 
Der Nächſte ſeinem Herzen. Welchen Fürſten 
Hat er geehrt wie mich? — Und ſo zu enden! 
Grüfin. 
So treu bewahrſt du jede kleine Gunſt, 
Und für die Kränkung haſt du kein Gedächtnis? 


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Erſter Aufzug. 7. Auftritt 211 


Muß ich dich dran erinnern, wie man dir 

Zu Regenſpurg die treuen Dienſte lohnte? 
Du hatteſt jeden Stand im Reich beleidigt; 
Ihn groß zu machen, hatteſt du den Haß, 
Den Fluch der ganzen Welt auf dich geladen, 
Im ganzen Deutſchland lebte dir kein Freund, 
Weil du allein gelebt für deinen Kaiſer. 

An ihn bloß hielteſt du bei jenem Sturme 
Dich feſt, der auf dem Regenſpurger Tag 
Sich gegen dich zuſammenzog — da ließ er 
Dich fallen! Ließ dich fallen! Dich dem Bayern, 
Dem Übermütigen, zum Opfer fallen! 

Sag' nicht, daß die zurückgegebne Würde 

Das erſte, ſchwere Unrecht ausgeſöhnt. 

Nicht wahrlich guter Wille ſtellte dich, 

Dich ſtellte das Geſetz der herben Not 

An dieſen Platz, den man dir gern verweigert. 


Wallenſtein. 
Nicht ihrem guten Willen, das iſt wahr! 
Noch ſeiner Neigung dank ich dieſes Amt. 
Mißbrauch' ich's, ſo mißbrauch' ich kein Vertrauen. 


Grifin, 
Vertrauen? Neigung? — Man bedurfte deiner! 
Die ungeſtüme Preſſerin, die Not, 
Der nicht mit hohlen Namen, Figuranten 
Gedient iſt, die die Tat will, nicht das Zeichen, 
Den Größten immer aufſucht und den Beſten, 
Ihn an das Ruder ſtellt, und müßte ſie ihn 
Aufgreifen aus dem Pöbel ſelbſt — die ſetzte dich 
In dieſes Amt und ſchrieb dir die Beſtallung. 
Denn lange, bis es nicht mehr kann, behilft 
Sich dies Geſchlecht mit feilen Sklavenſeelen 
Und mit den Drahtmaſchinen ſeiner Kunſt — 


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212 Wallenſteins Tod 


Doch wenn das Außerſte ihm nahe tritt, 
Der hohle Schein es nicht mehr tut, da fällt 
Es in die ſtarken Hände der Natur, 
Des Rieſengeiſtes, der nur ſich gehorcht, 
Nichts von Verträgen weiß und nur auf ihre 
Bedingung, nicht auf ſeine, mit ihm handelt. 

Wallenſtein. 
Wahr iſt's! Sie ſahn mich immer, wie ich bin, 
Ich hab' ſie in dem Kaufe nicht betrogen, 
Denn nie hielt ich's der Mühe wert, die kühn 
Umgreifende Gemütsart zu verbergen. 

Grüſin. 

Vielmehr — du haſt dich furchtbar ſtets gezeigt. 
Nicht du, der ſtets ſich ſelber treu geblieben, 
Die haben Unrecht, die dich fürchteten 
Und doch die Macht dir in die Hände gaben. 
Denn Recht hat jeder eigene Charakter, 
Der übereinſtimmt mit ſich ſelbſt, es gibt 


Kein andres Unrecht als den Widerſpruch. 


Warſt du ein andrer, als du vor acht Jahren 
Mit Feuer und Schwert durch Deutſchlands Kreiſe zogſt, 
Die Geißel ſchwangeſt über alle Länder, 

Hohn ſpracheſt allen Ordnungen des Reichs, 
Der Stärke fürchterliches Recht nur übteſt 

Und jede Landeshoheit niedertratſt, 

Um deines Sultans Herrſchaft auszubreiten? 
Da war es Zeit, den ſtolzen Willen dir 

Zu brechen, dich zur Ordnung zu verweiſen! 
Doch wohl gefiel dem Kaiſer, was ihm nützte, 
Und ſchweigend drückt' er dieſen Freveltaten 
Sein kaiſerliches Siegel auf. Was damals 
Gerecht war, weil du's für ihn tatſt, iſt's heute 
Auf einmal ſchändlich, weil es gegen ihn 
Gerichtet wird? 


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Erſter Aufzug. 7. Auftritt 213 


Wallenſtein (aufſtehend). 
Von dieſer Seite ſah ich's nie — Ja! dem 
Iſt wirklich ſo. Es übte dieſer Kaiſer 
Durch meinen Arm im Reiche Taten aus, 
Die nach der Ordnung nie geſchehen ſollten. 
Und ſelbſt den Fürſtenmantel, den ich trage, 
Verdank' ich Dienſten, die Verbrechen ſind. 
Gräfin. 
Geſtehe denn, daß zwiſchen dir und ihm 
Die Rede nicht kann ſein von Pflicht und Recht, 
Nur von der Macht und der Gelegenheit! 
Der Augenblick iſt da, wo du die Summe 
Der großen Lebensrechnung ziehen ſollſt, 
Die Zeichen ſtehen ſieghaft über dir, 
Glück winken die Planeten dir herunter 
Und rufen: es iſt an der Zeit! Haſt du 
Dein Lebenlang umſonſt der Sterne Lauf 
Gemeſſen? — den Quadranten und den Zirkel 
Geführt? — den Zodiak, die Himmelskugel 
Auf dieſen Wänden nachgeahmt, um dich herum 
Geſtellt in ſtummen, ahnungsvollen Zeichen 
Die ſieben Herrſcher des Geſchicks, 
Nur um ein eitles Spiel damit zu treiben? 
Führt alle dieſe Zurüſtung zu nichts, 
Und iſt kein Mark in dieſer hohlen Kunſt, 
Daß ſie dir ſelbſt nichts gilt, nichts über dich 
Vermag im Augenblicke der Entſcheidung? 
Wallenſtein 


(iſt während dieſer letzten Rede mit heftig arbeitendem Gemüt auf und 


ab gegangen und ſteht jetzt plötzlich ſtill, die Gräfin unterbrechend). 
Ruft mir den Wrangel, und es ſollen gleich 
Drei Boten ſatteln. 

Allo. 


Nun, gelobt ſei Gott! 
(Eilt hinaus.) 


214 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein. 
cis Es iſt fein böſer Geiſt und meiner. Ihn 
Straft er durch mich, das Werkzeug ſeiner Herrſchſucht, 
Und ich erwart' es, daß der Rache Stahl 
Auch ſchon für meine Bruſt geſchliffen ijt. 
Nicht hoffe, wer des Drachen Zähne ſät, 
650 Erfreuliches zu ernten. Jede Untat 
Trägt ihren eignen Rache⸗Engel ſchon, 
Die böſe Hoffnung, unter ihrem Herzen. 

Er kann mir nicht mehr traun, — ſo kann ich auch 
Nicht mehr zurück. Geſchehe denn, was muß. 
6 Recht ſtets behält das Schickſal, denn das Herz 

In uns iſt ſein gebietriſcher Vollzieher. 

(Zu Terzky.) 
Bring' mir den Wrangel in mein Kabinett, 
Die Boten will ich ſelber ſprechen. Schickt 
Nach dem Octavio! 
(Zur Gräfin, welche eine triumphierende Miene macht.) 
Frohlocke nicht! 
eco Denn eiferſüchtig ſind des Schickſals Mächte. 

Voreilig Jauchzen greift in ihre Rechte. 

Den Samen legen wir in ihre Hände, 


Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende. 
(Indem er abgeht, fällt der Vorhang.) 


Zweiter Aufzug 
Ein Zimmer. 
1. Auftritt 


Wallenſtein. Octavio Piccolomini. Bald darauf Max Picco— 
lomini. 


Wallenſtein. 
Mir meldet er aus Linz, er läge krank, 
665 Doch hab' ich ſichre Nachricht, daß er ſich 


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Zweiter Aufzug. 2. Auftritt 215 


Zu Frauenberg verſteckt beim Grafen Gallas. 
Nimm beide feſt und ſchick' ſie mir hieher. 

Du übernimmſt die ſpaniſchen Regimenter, 
Machſt immer Anſtalt und biſt niemals fertig, 
Und treiben ſie dich, gegen mich zu ziehn, 

So ſagſt du Ja und bleibſt gefeſſelt ſtehn. 

Ich weiß, daß dir ein Dienſt damit geſchieht, 
In dieſem Spiel dich müßig zu verhalten. 

Du retteſt gern, ſo lang' du kannſt, den Schein; 
Extreme Schritte ſind nicht deine Sache, 


e hab' ich dieſe Rolle für dich ausgeſucht, 


680 


685 


Du wirſt mir durch dein Nichtstun dieſesmal 
Am nützlichſten — Erklärt ſich unterdeſſen 


Das Glück für mich, ſo weißt du, was zu tun. 
(Max Piccolomini tritt ein.) 


Jetzt, Alter, geh. Du mußt heut' Nacht noch fort. 
Nimm meine eignen Pferde. — Dieſen da 
Behalt' ich hier — Macht's mit dem Abſchied kurz! 
Wir werden uns ja, denk' ich, alle froh 
Und glücklich wiederſehn. 

Octavio (zu ſeinem Sohn). 


Wir ſprechen uns noch. 
(Geht ab.) 


2. Auftritt 
Wallenſtein. Max Piccolomini. 


Mar (nähert ſich ihm). 
Mein General — 
Wallenſtein. 
Der bin ich nicht mehr, 
Wenn du des Kaiſers Offizier dich nennſt. 


Mar. 
So bleibt's dabei, du willſt das Heer verlaſſen? 


216 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein. 
Ich hab' des Kaiſers Dienſt entſagt. 
Mar. 
Und willſt das Heer verlaſſen? 
Wallenſtein. 
Vielmehr hoff' ich, 
60 Mir's enger noch und feſter zu verbinden. 
(Er ſetzt ſich.) 
Ja, Max. Nicht eher wollt' ich dir's eröffnen, 
Als bis des Handelns Stunde würde ſchlagen. 
Der Jugend glückliches Gefühl ergreift 
Das Rechte leicht, und eine Freude iſt's, 
6os Das eigne Urteil prüfend auszuüben, 
Wo das Exempel rein zu löſen iſt. 
Doch, wo von zwei gewiſſen Übeln eins 
Ergriffen werden muß, wo ſich das Herz 


Nicht ganz zurückbringt aus dem Streit der Pflichten, 


700 Da iſt es Wohltat, keine Wahl zu haben, 
Und eine Gunſt iſt die Notwendigkeit. 
— Die iſt vorhanden. Blicke nicht zurück. 
Es kann dir nichts mehr helfen. Blicke vorwärts! 
Urteile nicht! Bereite dich, zu handeln. 
705 — Der Hof hat meinen Untergang beſchloſſen, 
Drum bin ich willens, ihm zuvor zu kommen. 
— Wir werden mit den Schweden uns verbinden. 
Sehr wackre Leute ſind's und gute Freunde. 
(Hält ein, Piccolominis Antwort erwartend.) 
— Ich hab' dich überraſcht. Antwort' mir nicht. 
710 Ich will dir Zeit vergönnen, dich zu faſſen. 


(Er ſteht auf und geht nach hinten. Max ſteht lange unbeweglich, in den 
heftigſten Schmerz verſetzt; wie er eine Bewegung macht, kömmt Wallen⸗ 


ſtein zurück und ſtellt ſich vor ihn.) 
Mar. 


Mein General! — Du machſt mich heute mündig. 
Denn bis auf dieſen Tag war mir's erſpart, 


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Zweiter Aufzug. 2. Auftritt 217 


Den Weg mir ſelbſt zu finden und die Richtung. 
Dir folgt' ich unbedingt. Auf dich nur braucht' ich 
Zu ſehn und war des rechten Pfads gewiß. 

Zum erſten Male heut' verweiſeſt du 

Mich an mich ſelbſt und zwingſt mich, eine Wahl 
Zu treffen zwiſchen dir und meinem Herzen. 


Wallenſtein. 
Sanft wiegte dich bis heute dein Geſchick, 
Du konnteſt ſpielend deine Pflichten üben, 
Jedwedem ſchönen Trieb Genüge tun, 
Mit ungeteiltem Herzen immer handeln. 


So kann's nicht ferner bleiben. Feindlich ſcheiden 


Die Wege ſich. Mit Pflichten ſtreiten Pflichten. 
Du mußt Partei ergreifen in dem Krieg, 

Der zwiſchen deinem Freund und deinem Kaiſer 
Sich jetzt entzündet. 


Mar. 

Krieg! Iſt das der Name? 
Der Krieg iſt ſchrecklich, wie des Himmels Plagen, 
Doch er iſt gut, iſt ein Geſchick, wie ſie. 
Iſt das ein guter Krieg, den du dem Kaiſer 
Bereiteſt mit des Kaiſers eignem Heer? 
O Gott des Himmels! was iſt das für eine 
Veränderung! Ziemt ſolche Sprache mir 
Mit dir, der wie der feſte Stern des Pols 
Mir als die Lebensregel vorgeſchienen! 
O! welchen Riß erregſt du mir im Herzen! 
Der alten Ehrfurcht eingewachſnen Trieb 
Und des Gehorſams heilige Gewohnheit 
Soll ich verſagen lernen deinem Namen? 
Nein! wende nicht dein Angeſicht zu mir! 
Es war mir immer eines Gottes Antlitz, 
Kann über mich nicht gleich die Macht verlieren; 


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218 Wallenſteins Tod 


Die Sinne ſind in deinen Banden noch, 
Hat gleich die Seele blutend ſich befreit! 


Wallenſtein. 

Max, hör' mich an. 
Mar. 

O! tu es nicht! Tu's nicht! 
Sieh! deine reinen, edeln Züge wiſſen 
Noch nichts von dieſer unglückſel'gen Tat. 
Bloß deine Einbildung befleckte ſie, 
Die Unſchuld will ſich nicht vertreiben laſſen 
Aus deiner hoheitblickenden Geſtalt. 
Wirf ihn heraus, den ſchwarzen Fleck, den Feind. 
Ein böſer Traum bloß iſt es dann geweſen, 
Der jede ſichre Tugend warnt. Es mag 
Die Menſchheit ſolche Augenblicke haben, 
Doch ſiegen muß das glückliche Gefühl. 
Nein, du wirſt ſo nicht endigen. Das würde 
Verrufen bei den Menſchen jede große 
Natur und jedes mächtige Vermögen, 
Recht geben würd' es dem gemeinen Wahn, 
Der nicht an Edles in der Freiheit glaubt 
Und nur der Ohnmacht ſich vertrauen mag. 


Wallenſtein. 
Streng wird die Welt mich tadeln, ich erwart' es. 
Mir ſelbſt ſchon ſagt' ich, was du ſagen kannſt. 
Wer miede nicht, wenn er's umgehen kann, 
Das Außerſte! Doch hier iſt keine Wahl, 
Ich muß Gewalt ausüben oder leiden — 
So ſteht der Fall. Nichts anders bleibt mir übrig. 


Mar. 
Sei's denn! Behaupte dich in deinem Poſten 
Gewaltſam, widerſetze dich dem Kaiſer, 
Wenn's ſein muß, treib's zur offenen Empörung, 


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Zweiter Aufzug. 2. Auftritt 219 


Nicht loben werd' ich's, doch ich kann's verzeihn, 
Will, was ich nicht gut heiße, mit dir teilen. 
Nur — zum Verräter werde nicht! Das Wort 
Iſt ausgeſprochen. Zum Verräter nicht! 

Das iſt kein überſchrittnes Maß, kein Fehler, 
Wohin der Mut verirrt in ſeiner Kraft. 

O! das iſt ganz was anders — das iſt ſchwarz, 
Schwarz, wie die Hölle! 


Wallenſtein (mit ſinſterm Stirnfalten, doch gemäßigt). 


Schnell fertig iſt die Jugend mit dem Wort, 

Das ſchwer ſich handhabt, wie des Meſſers Schneide 
Aus ihrem heißen Kopfe nimmt ſie keck 

Der Dinge Maß, die nur ſich ſelber richten. 

Gleich heißt ihr alles ſchändlich oder würdig, 

Bös oder gut — und was die Einbildung 


Phantaſtiſch ſchleppt in dieſen dunkeln Namen, 


Das bürdet ſie den Sachen auf und Weſen. 


Eng iſt die Welt, und das Gehirn iſt weit. 


Leicht bei einander wohnen die Gedanken, 

Doch hart im Raume ſtoßen ſich die Sachen; 
Wo eines Platz nimmt, muß das andre rücken, 
Wer nicht vertrieben ſein will, muß vertreiben; 
Da herrſcht der Streit, und nur die Stärke ſiegt. 
— Ja, wer durchs Leben gehet ohne Wunſch, 
Sich jeden Zweck verſagen kann, der wohnt 

Im leichten Feuer mit dem Salamander 

Und hält ſich rein im reinen Element. 

Mich ſchuf aus gröberm Stoffe die Natur, 

Und zu der Erde zieht mich die Begierde. 

Dem böſen Geiſt gehört die Erde, nicht 

Dem guten. Was die Göttlichen uns ſenden 
Von oben, ſind nur allgemeine Güter; 

Ihr Licht erfreut, doch macht es keinen reich, 


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220 Wallenſteins Tod 


In ihrem Staat erringt ſich kein Beſitz. 

Den Edelſtein, das allgeſchätzte Gold 

Muß man den falſchen Mächten abgewinnen, 
Die unterm Tage ſchlimmgeartet hauſen. 
Nicht ohne Opfer macht man ſie geneigt, 
Und keiner lebet, der aus ihrem Dienſt 

Die Seele hätte rein zurückgezogen. 


Mar (mit Bedeutung). 
O! fürchte, fürchte dieſe falſchen Mächte! 
Sie halten nicht Wort! Es ſind Lügengeiſter, 
Die dich berückend in den Abgrund ziehn. 
Trau' ihnen nicht! Ich warne dich — O! kehre 
Zurück zu deiner Pflicht. Gewiß! du kannſt's! 
Schick' mich nach Wien. Ja, tue das. Laß mich, 
Mich deinen Frieden machen mit dem Kaiſer. 
Er kennt dich nicht, ich aber kenne dich, 
Er ſoll dich ſehn mit meinem reinen Auge, 
Und ſein Vertrauen bring' ich dir zurück. 


Wallenſtein. 
Es iſt zu ſpät. Du weißt nicht, was geſchehn. 


Mar. 
Und wär's zu ſpät — und wär' es auch ſo weit, 
Daß ein Verbrechen nur vom Fall dich rettet, 
So falle! Falle würdig, wie du ſtandſt. 
Verliere das Kommando. Geh vom Schauplatz. 
Du kannſt's mit Glanze, tu's mit Unſchuld auch. 
— Du haſt für andre viel gelebt, leb' endlich 
Einmal dir ſelber, ich begleite dich, 
Mein Schickſal trenn' ich nimmer von dem deinen — 


Wallenſtein. 
Es iſt zu ſpüt. Indem du deine Worte 
Verlierſt, iſt ſchon ein Meilenzeiger nach dem andern 


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Zweiter Aufzug. 3. Auftritt 221 


Zurückgelegt von meinen Eilenden, 

Die mein Gebot nach Prag und Eger tragen. 

— Ergib dich drein. Wir handeln, wie wir müſſen. 
So laß uns das Notwendige mit Würde, 

Mit feſtem Schritte tun — Was tu' ich Schlimmres, 
Als jener Cäſar tat, des Name noch 

Bis heut' das Höchſte in der Welt benennet? 

Er führte wider Rom die Legionen, 

Die Rom ihm zur Beſchützung anvertraut. 

Warf er das Schwert von ſich, er war verloren, 
Wie ich es wär', wenn ich entwaffnete. 

Ich ſpüre was in mir von ſeinem Geiſt. 

Gib mir ſein Glück, das andre will ich tragen. 


(Max, der bisher in einem ſchmerzvollen Kampfe geſtanden, geht ſchnell 
ab. Wallenſtein ſieht ihm verwundert und betroffen nach und ſteht in 


tiefe Gedanken verloren.) 


3. Auftritt 
Wallenſtein. Terzky. Gleich darauf Illo. 


Terzky. 
Max Piccolomini verließ dich eben? 


Wallenſtein. 
Wo iſt der Wrangel? 
Terzky. 
Fort iſt er. 


Wallenſtein. 
So eilig? 


Terzky. 
Es war, als ob die Erd' ihn eingeſchluckt. 
Er war kaum von dir weg, als ich ihm nachging, 
Ich hatt' ihn noch zu ſprechen, doch — weg war er, 
Und niemand wußte mir von ihm zu ſagen. 


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222 Wallenſteins Tod 


Ich glaub', es iſt der Schwarze ſelbſt geweſen, 
Ein Menſch kann nicht auf einmal ſo verſchwinden. 
Allo (kommt). 

Iſt's wahr, daß du den Alten willſt verſchicken? 
Terzky. 
Wie? Den Octavio! Wo denkſt du hin? 


Wallenſtein. 
Er geht nach Frauenberg, die ſpaniſchen 
Und welſchen Regimenter anzuführen. 


CTCerzky. 
Das wolle Gott nicht, daß du das vollbringſt! 
Allo. 
Dem Falſchen willſt du Kriegsvolk anvertrauen? 
Ihn aus den Augen laſſen, grade jetzt, 
In dieſem Augenblicke der Entſcheidung? 
Terzky. 
Das wirſt du nicht tun. Nein, um alles nicht! 
Wallenſtein. 
Seltſame Menſchen ſeid ihr. 
Allo. 
O! nur diesmal 
Gib unſrer Warnung nach. Laß ihn nicht fort. 
Wallenſtein. 
Und warum ſoll ich ihm dies eine Mal 
Nicht trauen, da ich's ſtets getan? Was iſt geſchehn, 
Das ihn um meine gute Meinung brächte? 
Aus eurer Grille, nicht der meinen, ſoll ich 
Mein alt erprobtes Urteil von ihm ändern? 

Denkt nicht, daß ich ein Weib ſei. Weil ich ihm 
Getraut bis heut', will ich auch heut' ihm trauen. 
Terzky. 

Muß es denn der juſt ſein? Schick' einen andern. 


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Zweiter Aufzug. 3. Auftritt 223 


Wallenſtein. 
Der muß es ſein, den hab' ich mir erleſen. 
Er taugt zu dem Geſchäft, drum gab ich's ihm. 


Allo. 
Weil er ein Welſcher iſt, drum taugt er dir. 


Wallenſtein. 
Weiß wohl, ihr wart den beiden nie gewogen, 
Weil ich ſie achte, liebe, euch und andern 
Vorziehe, ſichtbarlich, wie ſie's verdienen, 
Drum ſind ſie euch ein Dorn im Auge! Was 
Geht euer Neid mich an und mein Geſchäft? 
Daß ihr ſie haßt, das macht ſie mir nicht ſchlechter. 
Liebt oder haßt einander, wie ihr wollt, 
Ich laſſe jedem ſeinen Sinn und Neigung, 
Weiß doch, was mir ein jeder von euch gilt. 


Allo. 
Er geht nicht ab — müßt' ich die Räder ihm am Wagen 
Zerſchmettern laſſen. 
WMallenſtein. 
Mäßige dich, Illo! 


Terzky. 
Der Queſtenberger, als er hier geweſen, 
Hat ſtets zuſammen auch geſteckt mit ihm. 


Wallenſtein. 
Geſchah mit meinem Wiſſen und Erlaubnis. 


Terzky. 
Und daß geheime Boten an ihn kommen 
Vom Gallas, weiß ich auch. 


Wallenſtein. 
Das iſt nicht wahr. 


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224 Wallenſteins Tod 


Illo. 
O! du biſt blind mit deinen ſehenden Augen! 
Wallenſtein. 
Du wirſt mir meinen Glauben nicht erſchüttern, 
Der auf die tiefſte Wiſſenſchaft ſich baut. 
Lügt er, dann iſt die ganze Sternkunſt Lüge. 


Denn wißt, ich hab' ein Pfand vom Schickſal ſelbſt, 


Daß er der treuſte iſt von meinen Freunden. 
Allo. 
Haſt du auch eins, daß jenes Pfand nicht lüge? 
Wallenſtein. 

Es gibt im Menſchenleben Augenblicke, 

Wo er dem Weltgeiſt näher iſt als ſonſt 

Und eine Frage frei hat an das Schickſal. 

Solch ein Moment war's, als ich in der Nacht, 

Die vor der Lützner Aktion vorher ging, 

Gedankenvoll an einen Baum gelehnt, 

Hinaus ſah in die Ebene. Die Feuer 

Des Lagers brannten düſter durch den Nebel, 

Der Waffen dumpfes Rauſchen unterbrach, 

Der Runden Ruf einförmig nur die Stille. 

Mein ganzes Leben ging, vergangenes 

Und künftiges, in dieſem Augenblick 

An meinem inneren Geſicht vorüber, 

Und an des nächſten Morgens Schickſal knüpfte 

Der ahnungsvolle Geiſt die fernſte Zukunft. 
Da ſagt' ich alſo zu mir ſelbſt: „So vielen 

Gebieteſt du! Sie folgen deinen Sternen 

Und ſetzen, wie auf eine große Nummer, 

Ihr Alles auf dein einzig Haupt und ſind 

In deines Glückes Schiff mit dir geſtiegen. 

Doch kommen wird der Tag, wo dieſe alle 

Das Schickſal wieder auseinander ſtreut, 

Nur wen'ge werden treu bei dir verharren. 


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Zweiter Aufzug. 3. Auftritt 


Den möcht' ich wiſſen, der der Treuſte mir 
Von allen iſt, die dieſes Lager einſchließt. 

Gib mir ein Zeichen, Schickſal! Der ſoll's ſein, 
Der an dem nüchſten Morgen mir zuerſt 
Entgegen kommt mit einem Liebeszeichen.“ 

Und dieſes bei mir denkend, ſchlief ich ein. 

Und mitten in die Schlacht ward ich geführt 
Im Geiſt. Groß war der Drang. Mir tötete 
Ein Schuß das Pferd, ich ſank, und über mir 
Hinweg, gleichgültig, ſetzten Roß und Reiter, 
Und keuchend lag ich, wie ein Sterbender, 
Zertreten unter ihrer Hufe Schlag. 

Da faßte plötzlich hilfreich mich ein Arm, 
Es war Octavios — und ſchnell erwach' ich, 
Tag war es, und — Octavio ſtand vor mir. 
„Mein Bruder,“ ſprach er, „reite heute nicht 
Den Schecken, wie du pflegſt. Beſteige lieber 
Das ſichre Tier, das ich dir ausgeſucht. 
Tu's mir zu Lieb'. Es warnte mich ein Traum.“ 
Und dieſes Tieres Schnelligkeit entriß 
Mich Banniers verfolgenden Dragonern. 
Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag, 
Und Roß und Reiter ſah ich niemals wieder. 
Allo. 
Das war ein Zufall. 
Wallenſtein (bedeutend). 

Es gibt keinen Zufall 
Und was uns blindes Ohngefähr nur dünkt, 
Gerade das ſteigt aus den tiefſten Quellen. 
Verſiegelt hab' ich's und verbrieft, daß er 
Mein guter Engel iſt, und nun kein Wort mehr! 

(Er geht.) 

Terzky. 


Das iſt mein Troſt, der Max bleibt uns als Geiſel. 


Schillers Werke. V. 15 


225 


bo 


26 Wallenſteins Tod 


Allo. 
Und der ſoll mir nicht lebend hier vom Platze. 


Wallenſtein (bleibt ſtehen und kehrt ſich um). 
950 Seid ihr nicht wie die Weiber, die beſtändig 
Zurück nur kommen auf ihr erſtes Wort, 
Wenn man Vernunft geſprochen ſtundenlang! 
— Des Menſchen Taten und Gedanken, wißt! 
Sind nicht wie Meeres blind bewegte Wellen. 
95 Die innre Welt, fein Mikrokosmus, iſt 
Der tiefe Schacht, aus dem ſie ewig quellen. 
Sie ſind notwendig, wie des Baumes Frucht, 
Sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln. 
Hab' ich des Menſchen Kern erſt unterſucht, 


90 So weiß ich auch fein Wollen und ſein Handeln. 
(Gehen ab.) 


4. Auftritt 
Zimmer in Piccolominis Wohnung. 
Octavio Piccolomini reiſefertig. Ein Adjutant. 


Octavio. 
Iſt das Kommando da? 


Adjutant. 
Es wartet unten. 


Octavio. 
Es ſind doch ſichre Leute, Adjutant? 
Aus welchem Regimente nahmt Ihr ſie? 
Adjutant. 
Von Tiefenbach. 
Octavio. 
Dies Regiment iſt treu. 


Zweiter Aufzug. 5. Auftritt 227 


905 Laßt fie im Hinterhof ſich ruhig halten, 


970 


975 


980 


Sich niemand zeigen, bis Ihr klingeln hört; 
Dann wird das Haus geſchloſſen, ſcharf bewacht, 
Und jeder, den Ihr antrefft, bleibt verhaftet. 
(Adjutant ab.) 
Zwar hoff' ich, es bedarf nicht ihres Dienſtes, 
Denn meines Kalkuls halt' ich mich gewiß. 
Doch es gilt Kaiſers Dienſt, das Spiel iſt groß, 
Und beſſer zu viel Vorſicht als zu wenig. 


5. Auftritt 
Octavio Piccolomini. Iſolani tritt herein. 


Aſolani. 


Hier bin ich — Nun! wer kommt noch von den andern? 


Octavio (geheimnisvoll). 
Vorerſt ein Wort mit Euch, Graf Iſolani. 


Afolant (geheimnisvoll). 
Soll's losgehn? Will der Fürſt was unternehmen? 
Mir dürft Ihr trauen. Setzt mich auf die Probe. 
Octavio. 
Das kann geſchehn. 
Iſolani. 
Herr Bruder, ich bin nicht 
Von denen, die mit Worten tapfer ſind 
Und, kommt's zur Tat, das Weite ſchimpflich ſuchen. 
Der Herzog hat als Freund an mir getan, 
Weiß Gott, ſo iſt's! Ich bin ihm alles ſchuldig. 
Auf meine Treue kann er baun. 
Octavio. 
Es wird ſich zeigen. 
N Iſolani. 
Nehmt Euch in Acht. Nicht alle denken ſo. 
Es halten's hier noch viele mit dem Hof 


228 Wallenſteins Tod 


985 


990 


995 


1000 


Und meinen, daß die Unterſchrift von neulich, 
Die abgeſtohlne, ſie zu nichts verbinde. 
Octavio. 
So? Nennt mir doch die Herren, die das meinen 
Iſolani. 
Zum Henker! Alle Deutſchen ſprechen ſo. 
Auch Eſterhazy, Kaunitz, Deodat 
Erklären jetzt, man müſſ' dem Hof gehorchen. 
Octavio. 
Das freut mich. 
Aſolani. 
Freut Euch? 
Octavio. 
Daß der Kaiſer noch 
So gute Freunde hat und wackre Diener. 
Aſolani. 
Spaßt nicht. Es ſind nicht eben ſchlechte Männer. 
Octavio. 
Gewiß nicht. Gott verhüte, daß ich ſpaße! 
Sehr ernſtlich freut es mich, die gute Sache 
So ſtark zu ſehn. 
Iſolani. 
Was Teufel! Wie iſt das? 
Seid Ihr denn nicht? — Warum bin ich denn hier? 
Octavio (mit Anſehen). 
Euch zu erklären, rund und nett, ob Ihr 
Ein Freund wollt heißen oder Feind des Kaiſers. 
Jſolani (trotzig). 
Darüber werd' ich dem Erklärung geben, 
Dem's zukommt, dieſe Frag' an mich zu tun. 
Octavio. 
Ob mir das zukommt, mag dies Blatt Euch lehren. 


1005 


1010 


1015 


1020 


Zweiter Aufzug. 5. Auftritt 229 


Aſolani. 

Wa — was? Das iſt des Kaiſers Hand und Siegel. 
(Lieft.) 

„Als werden ſämtliche Hauptleute unſrer 

Armee der Ordre unſers lieben, treuen, 

Des Generalleutnant Piccolomini, 

Wie unſrer eignen“ — Hum — Ja — So — Ja, ja! 

Ich — mach' Euch meinen Glückwunſch, Generalleutnant. 


Octavio. 
Ihr unterwerft Euch dem Befehl? 

Aſolani. 

Ich — aber 

Ihr überraſcht mich auch ſo ſchnell — Man wird 
Mir doch Bedenkzeit, hoff ich — 

Octavio. 

Zwei Minuten. 

Aſolani. 

Mein Gott, der Fall iſt aber — 


Octavio. 
Klar und einfach. 
Ihr ſoll erklären, ob Ihr Euren Herrn 
Verraten wollet oder treu ihm dienen. 


Aſolani. 
Verrat — Mein Gott — Wer ſpricht denn von Verrat? 


Octavio. 
Das iſt der Fall. Der Fürſt iſt ein Verräter, 
Will die Armee zum Feind hinüberführen. 

Erklärt Euch kurz und gut. Wollt Ihr dem Kaiſer 
Abſchwören? Euch dem Feind verkaufen? Wollt Ihr? 
Aſolani. 

Was denkt Ihr? Ich des Kaiſers Majeſtät 
Abſchwören? Sagt' ich ſo? Wann hätt' ich das 
Geſagt? . 


230 Wallenſteins Tod 


Octavio. 
Noch habt Ihr's nicht geſagt. Noch nicht. 
Ich warte drauf, ob Ihr es werdet ſagen. 
Jſolani. 
Nun ſeht, das iſt mir lieb, daß Ihr mir ſelbſt 
1025 Bezeugt, ich habe jo was nicht geſagt. 
Octavio. 
Ihr ſagt Euch alſo von dem Fürſten los? 
Aſolani. 
Spinnt er Verrat — Verrat trennt alle Bande. 


Octavio. 
Und ſeid entſchloſſen, gegen ihn zu fechten? 
Iſolani. 
Er tat mir Gutes — doch wenn er ein Schelm iſt, 
1030 Verdamm' ihn Gott! die Rechnung iſt zerriſſen. 
Octavio. 
Mich freut's, daß Ihr in gutem Euch gefügt. 
Heut' Nacht in aller Stille brecht Ihr auf 
Mit allen leichten Truppen; es muß ſcheinen, 
Als käm' die Ordre von dem Herzog ſelbſt. 
1035 Zu Frauenberg ijt der Verſammlungsplatz, 
Dort gibt Euch Gallas weitere Befehle. 
Iſolani. 
Es ſoll geſchehn. Gedenkt mir's aber auch 
Beim Kaiſer, wie bereit Ihr mich gefunden. 
Octavio. 
Ich werd' es rühmen. 
(Iſolani geht. Es kommt ein Bedienter.) 
Oberſt Buttler? Gut. 
Afolant (zurücktommend). 
1040 Vergebt mir auch mein barſches Weſen, Alter. 
Herr Gott! Wie konnt' ich wiſſen, welche große 
Perſon ich vor mir hatte! 


Zweiter Aufzug. 6. Auftritt 231 


Octavio. 
Laßt das gut ſein. 

Aſolani. 
Ich bin ein luſt'ger alter Knab', und wär' 
Mir auch ein raſches Wörtlein übern Hof 

1016 Entſchlüpft zuweilen, in der Luft des Weins, 

Ihr wißt ja, bös war's nicht gemeint. 

(Geht ab.) 


Octavio. Macht Euch 


Darüber keine Sorge! — Das gelang! 
Glück, ſei uns auch ſo günſtig bei den andern! 


6. Auftritt 
Octavio Piccolomini. Buttler. 
Buttler. 
Ich bin zu Eurer Ordre, Generalleutnant. 
Octavio. 
1080 Seid mir als werter Gaſt und Freund willkommen. 


Buttler. 
Zu große Ehr' für mich. 
Octavio (nachdem beide Platz genommen). 
Ihr habt die Neigung nicht erwidert, 
Womit ich geſtern Euch entgegen kam. 
Wohl gar als leere Formel ſie verkannt. 
1055 Von Herzen ging mir jener Wunſch, es war 
Mir Ernſt um Euch, denn eine Zeit iſt jetzt, 
Wo ſich die Guten eng verbinden ſollten. 
Buttler. 
Die Gleichgeſinnten können es allein. 


Octavio. 
Und alle Guten nenn' ich gleichgeſinnt. 
100 Dem Menſchen bring’ ich nur die Tat in Rechnung, 


232 Wallenſteins Tod 


1065 


1070 


1075 


1080 


1085 


Wozu ihn ruhig der Charakter treibt; 

Denn blinder Mißverſtändniſſe Gewalt 

Drängt oft den Beſten aus dem rechten Gleiſe. 

Ihr kamt durch Frauenberg. Hat Euch Graf Gallas 
Nichts anvertraut? Sagt mir's. Er iſt mein Freund. 


Buttler. 
Er hat verlorne Worte nur geſprochen. 


Octavio. 
Das hör' ich ungern, denn ſein Rat war gut. 
Und einen gleichen hätt' ich Euch zu geben. 


Buttler. 
Spart Euch die Müh — mir die Verlegenheit, 
So ſchlecht die gute Meinung zu verdienen. 


Octavio. 
Die Zeit iſt teuer, laßt uns offen reden. 
Ihr wißt, wie hier die Sachen ſtehn. Der Herzog 
Sinnt auf Verrat, ich kann Euch mehr noch ſagen, 
Er hat ihn ſchon vollführt; geſchloſſen iſt 
Das Bündnis mit dem Feind vor wen'gen Stunden. 
Nach Prag und Eger reiten ſchon die Boten, 
Und morgen will er zu dem Feind uns führen. 
Doch er betrügt ſich, denn die Klugheit wacht, 
Noch treue Freunde leben hier dem Kaiſer, 
Und mächtig ſteht ihr unſichtbarer Bund. 
Dies Manifeſt erklärt ihn in die Acht, 
Spricht los das Heer von des Gehorſams Pflichten, 
Und alle Gutgeſinnten ruft es auf, 
Sich unter meiner Führung zu verſammeln. 
Nun wählt, ob Ihr mit uns die gute Sache, 
Mit ihm der Böſen böſes Los wollt teilen? 


Buttler (ſteht auß). 
Sein Los iſt meines. 


Zweiter Aufzug. 6. Auftritt 233 


Octavio. 
Iſt das Euer letzter 
Entſchluß? 


Er iſt's. 


Buttler. 


Octavio. 
Bedenkt Euch, Oberſt Buttler. 
Noch habt Ihr Zeit. In meiner treuen Bruſt 
1090 Begraben bleibt das raſchgeſprochne Wort. 
Nehmt es zurück. Wählt eine beſſere 
Partei. Ihr habt die gute nicht ergriffen. 


Buttler. 
Befehlt Ihr ſonſt noch etwas, Generalleutnant? 
Octavio. 
Seht Eure weißen Haare! Nehmt's zurück. 
Buttler. 
1095 Lebt wohl! 
Octavio. 


Was? Dieſen guten, tapfern Degen 
Wollt Ihr in ſolchem Streite ziehen? Wollt 
In Fluch den Dank verwandeln, den Ihr Euch 
Durch vierzigjähr'ge Treu verdient um Oſtreich? 
Buttler (bitter lachend). 
Dank vom Haus Oſtreich! 
(Er will gehen.) 
Octavio (läßt ihn bis an die Türe gehen, dann ruft er). 
Buttler! 
Buttler. 
Was beliebt? 
Octavio. 
1100 Wie war es mit dem Grafen? 


Buttler. 
Grafen! Was? 


234 Wallenſteins Tod 


Octavio. 
Dem Grafentitel, mein' ich. 


Buttler (heftig auffahrend). 
Tod und Teufel! 
Octavio (falt). 
Ihr ſuchtet darum nach. Man wies Euch ab. 
Buttler. 
Nicht ungeſtraft ſollt Ihr mich höhnen. Zieht! 
Octavio. 
Steckt ein. Sagt ruhig, wie es damit ging. Ich will 
115 Genugtuung nachher Euch nicht verweigern. 
Buttler. 
Mag alle Welt doch um die Schwachheit wiſſen, 
Die ich mir ſelber nie verzeihen kann! 
— Ja! Generalleutnant, ich beſitze Ehrgeiz, 
„Verachtung hab' ich nie ertragen können. 
1110 Es tat mir wehe, daß Geburt und Titel 
Bei der Armee mehr galten als Verdienſt. 
Nicht ſchlechter wollt' ich ſein als meinesgleichen, 
So ließ ich mich in unglückſel'ger Stunde 
Zu jenem Schritt verleiten — Es war Torheit! 
1116 Doch nicht verdient' ich, fie jo hart zu büßen! 
— Verſagen konnte man's — Warum die Weigerung 
Mit dieſer kränkenden Verachtung ſchärfen, 
Den alten Mann, den treu bewährten Diener 
Mit ſchwerem Hohn zermalmend niederſchlagen, 
1120 An ſeiner Herkunft Schmach ſo rauh ihn mahnen, 
Weil er in ſchwacher Stunde ſich vergaß! 
Doch einen Stachel gab Natur dem Wurm, 
Den Willkür übermütig ſpielend tritt — 
Octavio. 
Ihr müßt verleumdet ſein. Vermutet Ihr 
125 Den Feind, der Euch den ſchlimmen Dienſt geleiſtet? 


1130 


1135 


1140 


Zweiter Aufzug. 6. Auftritt 235 


Buttler. 
Sei's, wer es will! Ein niederträcht'ger Bube, 
Ein Höfling muß es ſein, ein Spanier, 
Der Junker irgend eines alten Hauſes, 
Dem ich im Licht mag ſtehn, ein neid'ſcher Schurke, 
Den meine ſelbſtverdiente Würde kränkt. 
Octavio. 
Sagt. Billigte der Herzog jenen Schritt? 


Buttler. 
Er trieb mich dazu an, verwendete 
Sich ſelbſt für mich, mit edler Freundeswärme. 


Octavio. 
So? Wißt Ihr das gewiß? 
Buttler. 
Ich las den Brief. 
Octavio (bedeutend). 
Ich auch — doch anders lautete ſein Inhalt. 
(Buttler wird betroffen.) 
Durch Zufall bin ich im Beſitz des Briefs, 
Kann Euch durch eignen Anblick überführen. 
(Er gibt ihm den Brief.) 
Buttler. 
Ha! was iſt das? 
f Octavio. 
Ich fürchte, Oberſt Buttler, 
Man hat mit Euch ein ſchändlich Spiel getrieben. 
Der Herzog, ſagt Ihr, trieb Euch zu dem Schritt? — 
In dieſem Briefe ſpricht er mit Verachtung 
Von Euch, rät dem Miniſter, Euren Dünkel, 
Wie er ihn nennt, zu züchtigen. 


(Buttler hat den Brief geleſen, ſeine Knie zittern, er greift nach einem 


Stuhl, ſetzt ſich nieder.) 
Kein Feind verfolgt Euch. Niemand will Euch übel. 


236 Wallenſteins Tod 


1145 


1150 


1155 


1160 


Dem Herzog ſchreibt allein die Kränkung zu, 

Die Ihr empfangen; deutlich iſt die Abſicht. 

Losreißen wollt' er Euch von Eurem Kaiſer — 

Von Eurer Rache hofft' er zu erlangen, 

Was Eure wohlbewährte Treu ihn nimmer 

Erwarten ließ bei ruhiger Beſinnung. 

Zum blinden Werkzeug wollt' er Euch, zum Mittel 

Verworfner Zwecke Euch verächtlich brauchen. 

Er hat's erreicht. Zu gut nur glückt' es ihm, 

Euch wegzulocken von dem guten Pfade, 

Auf dem Ihr vierzig Jahre ſeid gewandelt. 
Buttler (mit der Stimme bebend). 

Kann mir des Kaiſers Majeſtät vergeben? 


Octavio. 
Sie tut noch mehr. Sie macht die Kränkung gut, 
Die unverdient dem Würdigen geſchehn. 
Aus freiem Trieb beſtätigt ſie die Schenkung, 
Die Euch der Fürſt zu böſem Zweck gemacht. 
Das Regiment iſt Euer, das Ihr führt. 

Buttler 


(will aufſtehen, ſinkt zurück. Sein Gemüt arbeitet heftig, er verſucht zu 
reden und vermag es nicht. Endlich nimmt er den Degen vom Gehänge 


1165 


und reicht ihn dem Piccolomini). 
Octavio. 
Was wollt Ihr? Faßt Euch. 
Buttler. 
Nehmt! 
Octavio. 
Wozu? Beſinnt Euch. 
Buttler. 
Nehmt hin! Nicht wert mehr bin ich dieſes Degens. 
Octavio. 
Empfangt ihn neu zurück aus meiner Hand 
Und führt ihn ſtets mit Ehre für das Recht. 


1170 


1180 


Zweiter Aufzug. 6. Auftritt 237 


Buttler. 
Die Treue brach ich ſolchem gnäd'gen Kaiſer! 
Octavio. 
Macht's wieder gut. Schnell trennt Euch von dem Herzog. 
Buttler. 
Mich von ihm trennen! 
Octavio. 


Wie? Bedenkt Ihr Euch? 


Buttler (furchtbar ausbrechend). 
Nur von ihm trennen? O! er ſoll nicht leben! 
Octavio. 
Folgt mir nach Frauenberg, wo alle Treuen 
Bei Gallas ſich und Altringer verſammeln. 
Viel andre bracht' ich noch zu ihrer Pflicht 
Zurück, heut' Nacht entfliehen ſie aus Pilſen. 
Buttler 


(ijt heftig bewegt auf und ab gegangen und tritt zu Octavio mit 
entſchloſſenem Blick). 


Graf Piccolomini! Darf Euch der Mann 
Von Ehre ſprechen, der die Treue brach? 
Octavio. 
Der darf es, der ſo ernſtlich es bereut. 
Buttler. 
So laßt mich hier, auf Ehrenwort. 


Octavio. . 
ay Was finnt Ihr? 


Buttler, 
Mit meinem Regimente laßt mich bleiben. 
Octavio. 
Ich darf Euch traun. Doch ſagt mir, was Ihr brütet? 
Buttler. 
Die Tat wird's lehren. Fragt mich jetzt nicht weiter. 
Traut mir! Ihr könnt's! Bei Gott! Ihr überlaſſet 


Ihn ſeinem guten Engel nicht! — Lebt wohl! 
(Geht ab.) 


238 Wallenſteins Tod 


1185 


Bedienter (bringt ein Billet). 
Ein Unbekannter bracht's und ging gleich wieder. 
Des Fürſten Pferde ſtehen auch ſchon unten. (Ab.) 


Octavto (lieſt). 
„Macht, daß Ihr fortkommt. Euer treuer Iſolan.“ 
— ©! läge dieſe Stadt erſt hinter mir! 
So nah dem Hafen ſollten wir noch ſcheitern? 
Fort! Fort! Hier iſt nicht länger Sicherheit 
Für mich. Wo aber bleibt mein Sohn? 


7. Auftritt 


Beide Piccolomini. 


Mar 
(kömmt in der heftigſten Gemütsbewegung, ſeine Blicke rollen wild, ſein 
Gang iſt unſtet; er ſcheint den Vater nicht zu bemerken, der von ferne 
ſteht und ihn mitleidig anſieht. Mit großen Schritten geht er durch das 
Zimmer, bleibt wieder ſtehen und wirft ſich zuletzt in einen Stuhl, gerad 
vor ſich hin ſtarrend). 


Octavio (nähert ſich ihm). 


1190 Ich reiſe ab, mein Sohn. 


1195 


(Da er keine Antwort erhält, faßt er ihn bei der Hand.) 


Mein Sohn, leb' wohl! 
Mar. 
Octavio. 
Du folgſt mir doch bald nach? 
Mar (ohne ihn anzuſehen). 


Leb' wohl! 


Ich dir? 
Dein Weg iſt krumm, er iſt der meine nicht. 
(Octavio läßt ſeine Hand los, fährt zurück.) 
O! wärſt du wahr geweſen und gerade, 
Nie kam es dahin, alles ſtünde anders! 
Er hätte nicht das Schreckliche getan, 
Die Guten hätten Kraft bei ihm behalten, 


Zweiter Aufzug. 7. Auftritt 239 


Nicht in der Schlechten Garn wär' er gefallen. 

Warum ſo heimlich, hinterliſtig lauernd 

Gleich einem Dieb und Diebeshelfer ſchleichen? 
1200 Unſel'ge Falſchheit! Mutter alles Böſen! 

Du jammerbringende, verderbeſt uns! 

Wahrhaftigkeit, die reine, hätt' uns alle, 

Die welterhaltende, gerettet. Vater! 

Ich kann dich nicht entſchuldigen, ich kann's nicht. 
1205 Der Herzog hat mich hintergangen, ſchrecklich, 

Du aber haſt viel beſſer nicht gehandelt. 


Octavio. 
Mein Sohn, ach! ich verzeihe deinem e 


Mar (jteht auf, betrachtet ihn mit zweifelhaften Blicken). 
Wär's möglich, Vater? Vater? Hätteſt du's 
Mit Vorbedacht bis dahin treiben wollen? 
1210 Du ſteigſt durch ſeinen Fall. Octavio, 
Das will mir nicht gefallen. 


Octavio. 
Gott im Himmel! 
Mar. 
Weh mir! Ich habe die Natur verändert, 
Wie kommt der Argwohn in die freie Seele? 
Vertrauen, Glaube, Hoffnung iſt dahin, 
21s Denn alles log mir, was ich hochgeachtet. 
Nein! Nein! Nicht alles! Sie ja lebt mir noch, 
Und ſie iſt wahr und lauter wie der Himmel. 
Betrug iſt überall und Heuchelſchein 
Und Mord und Gift und Meineid und Verrat, 
1220 Der einzig reine Ort iſt unſre Liebe, 
Der unentweihte in der Menſchlichkeit. 


Octavio. 
Max! Folg' mir lieber gleich, das iſt doch beſſer. 


240 Wallenſteins Tod 


Mar. 
Was? Ch’ ich Abſchied noch von ihr genommen? 
Den letzten — Nimmermehr! 


Octavio. 
Erſpare dir 
1225 Die Qual der Trennung, der notwendigen. 
Komm mit mir! Komm, mein Sohn! 
(Will ihn fortziehn.) 


Mar. 
Nein! So wahr Gott lebt! 


Octavio (dringender). 
Komm mit mir, ich gebiete dir's, dein Vater. 


Mar. 
Gebiete mir, was menſchlich iſt. Ich bleibe. 


Octavio. 
Max! In des Kaiſers Namen, folge mir! 


Mar. 

1220 Kein Kaiſer hat dem Herzen vorzuſchreiben. 
Und willſt du mir das Einzige noch rauben, 
Was mir mein Unglück übrig ließ, ihr Mitleid? 
Muß grauſam auch das Grauſame geſchehn? 
Das Unabänderliche ſoll ich noch 

1235 Unedel tun, mit heimlich feiger Flucht, 

Wie ein Unwürdiger mich von ihr ſtehlen? 

Sie ſoll mein Leiden ſehen, meinen Schmerz, 

Die Klagen hören der zerrißnen Seele 

Und Tränen um mich weinen — O! die Menſchen 

1240 Sind grauſam, aber ſie iſt wie ein Engel. 

Sie wird von gräßlich wütender Verzweiflung 
Die Seele retten, dieſen Schmerz des Todes 
Mit ſanften Troſtesworten klagend löſen. 


1250 


1255 


1260 


1265 


Zweiter Aufzug. 7. Auftritt 241 


Octavio. 
Du reißeſt dich nicht los, vermagſt es nicht. 
O! komm, mein Sohn, und rette deine Tugend! 


Mar. 
Verſchwende deine Worte nicht vergebens, 
Dem Herzen folg' ich, denn ich darf ihm trauen. 


Octavio (außer Faſſung, zitternd). 
Max! Max! Wenn das Entſetzliche mich trifft, 
Wenn du — mein Sohn — mein eignes Blut — ich darf's 
Nicht denken! dich dem Schändlichen verkaufſt, 
Dies Brandmal aufdrückſt unſers Hauſes Adel, 
Dann ſoll die Welt das Schauderhafte ſehn, 
Und von des Vaters Blute triefen ſoll 
Des Sohnes Stahl im grüößlichen Gefechte. 


Mar. 
O! hätteſt du vom Menſchen beſſer ſtets 
Gedacht, du hätteſt beſſer auch gehandelt. 
Fluchwürd'ger Argwohn! Unglückſel'ger Zweifel! 
Es iſt ihm Feſtes nichts und Unverrücktes, 
Und alles wanket, wo der Glaube fehlt. 


Octavio. 
Und trau' ich deinem Herzen auch, wird's immer 
In deiner Macht auch ſtehen, ihm zu folgen? 


Mar. 
Du haſt des Herzens Stimme nicht bezwungen, 
So wenig wird der Herzog es vermögen. 


Octavio. 
O! Man, ich ſeh' dich niemals wiederkehren! 


Mar. 
Unwürdig deiner wirſt du nie mich ſehn. 
Schillers Werke. V. 


1270 


1275 


242 Wallenſteins Tod 


Octavio. 
Ich geh' nach Frauenberg, die Pappenheimer 
Laſſ' ich dir hier, auch Lothringen, Toscana 
Und Tiefenbach bleibt da, dich zu bedecken. 
Sie lieben dich und ſind dem Eide treu 
Und werden lieber tapfer ſtreitend fallen, 
Als von dem Führer weichen und der Ehre. 


Mar. 
Verlaß dich drauf, ich laſſe fechtend hier 
Das Leben oder führe ſie aus Pilſen. 


Octavio (aufbrechend). 
Mein Sohn, leb' wohl! 
Mar. 
Leb' wohl! 


Octavio. 
Wie? Keinen Blick 
Der Liebe? Keinen Händedruck zum Abſchied? 
Es iſt ein blut'ger Krieg, in den wir gehn, 
Und ungewiß, verhüllt iſt der Erfolg. 
So pflegten wir uns vormals nicht zu trennen. 
Iſt es denn wahr? Ich habe keinen Sohn mehr? 


(Max fällt in ſeine Arme, ſie halten einander lange ſchweigend umfaßt, 
dann entfernen ſie ſich nach verſchiedenen Seiten.) 


Dritter Aufzug 


Saal bei der Herzogin von Friedland. 


1. Auftritt 


Gräfin Terzky. Thekla. Fräulein von Neubrunn. Beide letztern 
mit weiblichen Arbeiten beſchäftigt. 


Grüſin. 

1280 Ihr habt mich nichts zu fragen, Thekla? Gar nichts? 
Schon lange wart' ich auf ein Wort von Euch. 
Könnt Ihr's ertragen, in ſo langer Zeit 
Nicht einmal ſeinen Namen auszuſprechen? 

Wie? Oder wär' ich jetzt ſchon überflüſſig, 

1285 Und gäb' es andre Wege als durch mich? 
Geſteht mir, Nichte. Habt Ihr ihn geſehn? 


Thekla. 
Ich hab' ihn heut' und geſtern nicht geſehn. 


Gräfin. 
Auch nicht von ihm gehört? Verbergt mir nichts. 
Thekla. 
Kein Wort. 
Grüſin. 
Und könnt ſo ruhig ſein! 


Thekla. 
Ich bin's. 
Gräfin. 
1290 Verlaßt uns, Neubrunn. 


(Fräulein von Neubrunn entfernt ſich.) 


244 Wallenſteins Tod 


2. Auftritt 
Gräfin. Thekla. 


Gräfin. 
Es gefällt mir nicht, 

Daß er ſich grade jetzt ſo ſtill verhält. 

Thekla. 
Gerade jetzt! 

Grüſin. 

Nachdem er alles weiß! 

Denn jetzo war's die Zeit, ſich zu erklären. 


Thekla. 
Sprecht deutlicher, wenn ich's verſtehen ſoll. 
Grüſin. 
1296 In dieſer Abſicht ſchickt' ich jie hinweg. 
Ihr ſeid kein Kind mehr, Thekla. Euer Herz 
Iſt mündig, denn Ihr liebt, und kühner Mut 
Iſt bei der Liebe. Den habt Ihr bewieſen. 
Ihr artet mehr nach Eures Vaters Geiſt 
1300 Als nach der Mutter ihrem. Darum könnt Ihr hören, 
Was ſie nicht fähig iſt zu tragen. 
Thekla. 
Ich bitt' Euch, endet dieſe Vorbereitung. 
Sei's, was es ſei. Heraus damit! Es kann 
Mich mehr nicht ängſtigen als dieſer Eingang. 
1305 Was habt Ihr mir zu ſagen? Faßt es kurz. 
Grifin. 
Ihr müßt nur nicht erſchrecken — 
Thekla. 
Nennt's! Ich bitt' Euch. 
Gräfin. 
Es ſteht bei Euch, dem Vater einen großen Dienſt 
Zu leiſten — 


Dritter Aufzug. 2. Auftritt 245 


Thekla. 
Bei mir ſtünde das! Was kann — 
Grifin. 
Max Piccolomini liebt Euch. Ihr könnt 
1310 Ihn unauflöslich an den Vater binden. 


Thekla. 

Braucht's dazu meiner? Iſt er es nicht ſchon? 
Grüſin. 

Er war's. 
Thekla. 


Und warum ſollt' er's nicht mehr ſein, 
Nicht immer bleiben? 
Gräfin. 
Auch am Kaiſer hängt er. 
Thekla. 
Nicht mehr, als Pflicht und Ehre von ihm fordern. 
Gräfin. 
i316 Von ſeiner Liebe fordert man Beweiſe, 
Und nicht von ſeiner Ehre — Pflicht und Ehre! 
Das ſind vieldeutig doppelſinn'ge Namen, 
Ihr ſollt ſie ihm auslegen, ſeine Liebe 
Soll ſeine Ehre ihm erklären. 


Thekla. 
Wie? 
Grifin. 
1320 Er ſoll dem Kaiſer oder Euch entjagen. 
Thekla. 


Er wird den Vater gern in den Privatſtand 
Begleiten. Ihr vernahmt es von ihm ſelbſt, 
Wie ſehr er wünſcht, die Waffen wegzulegen. 
Grifin. 
Er foll fie nicht weglegen, ift die Meinung, 
1325 Er ſoll fie für den Vater ziehn. 


246 Wallenſteins Tod 


1330 


1335 


1340 


1345 


Thekla. 
Sein Blut, 
Sein Leben wird er für den Vater freudig 
Verwenden, wenn ihm Unglimpf wiederführe. 


Grüſin. 
Ihr wollt mich nicht erraten — Nun ſo hört. 
Der Vater iſt vom Kaiſer abgefallen, 
Steht im Begriff, ſich zu dem Feind zu ſchlagen 
Mit ſamt dem ganzen Heer — 


Thekla. 
O meine Mutter! 

Grüfin. 
Es braucht ein großes Beiſpiel, die Armee 
Ihm nachzuziehn. Die Piccolomini 
Stehn bei dem Heer in Anſehn, ſie beherrſchen 
Die Meinung, und entſcheidend iſt ihr Vorgang. 
Des Vaters ſind wir ſicher durch den Sohn — 
— Ihr habt jetzt viel in Eurer Hand. 


Thekla. 
O jammervolle Mutter! Welcher Streich des Todes 
Erwartet dich! — Sie wird's nicht überleben. 


Grifin. 
Sie wird in das Notwendige ſich fügen. 
Ich kenne ſie — Das Ferne, Künftige beängſtigt 
Ihr fürchtend Herz; was unabänderlich f 
Und wirklich da iſt, trägt ſie mit Ergebung. 


Thekla. 
O meine ahnungsvolle Seele — Jetzt — 
Jetzt iſt ſie da, die kalte Schreckenshand, 
Die in mein fröhlich Hoffen ſchaudernd greift. 
Ich wußt' es wohl — O gleich, als ich hier eintrat, 
Weisſagte mir's das bange Vorgefühl, 


i 


1350 


1355 


1360 


Dritter Aufzug. 2. Auftritt 247 


Daß über mir die Unglücksſterne ſtünden — 
Doch warum denk' ich jetzt zuerſt an mich — 
O meine Mutter! meine Mutter! 
Grüfin. 

Faßt Euch. 
Brecht nicht in eitle Klagen aus. Erhaltet 
Dem Vater einen Freund, Euch den Geliebten, 
So kann noch alles gut und glücklich werden. 


Thekla. 


Gut werden! Was? Wir ſind getrennt auf immer! — 
Ach, davon iſt nun gar nicht mehr die Rede. 


Grifin, 
Er läßt Euch nicht! Er kann nicht von Euch laſſen. 
henla. 
O der Unglückliche! 
Grüfin. 


Wenn er Euch wirklich liebt, wird ſein Entſchluß 
Geſchwind gefaßt ſein. 

Thekla. 

Sein Entſchluß wird bald 
Gefaßt ſein, daran zweifelt nicht. Entſchluß! 
Iſt hier noch ein Entſchluß? 

Grüſin. 


Faßt euch. Ich höre 


Thekla. 
Wie werd' ich ihren Anblick 


Die Mutter nahn. 


Ertragen! 
Grafin. 


Faßt Euch. 


248 Wallenſteins Tod 
3. Auftritt 


Die Herzogin. Vorige. 


Herzogin (zur Gräfin). 
Schweſter! Wer war hier? 
1306 Ich hörte lebhaft reden. 
Gräfin. 
Es war niemand. 


Herzogin. 
Ich bin ſo ſchreckhaft. Jedes Rauſchen kündigt mir 
Den Fußtritt eines Unglücksboten an. 
Könnt Ihr mir ſagen, Schweſter, wie es ſteht? 
Wird er dem Kaiſer ſeinen Willen tun, 
1370 Dem Kardinal die Reiter ſenden? Sprecht, 
Hat er den Queſtenberg mit einer guten 


Antwort entlaſſen? 
Grifin. 
— Nein, das hat er nicht. 


Herzogin. 
O dann iſt's aus! Ich ſeh' das Argſte kommen. 
Sie werden ihn abſetzen, es wird alles wieder 
1376 So werden wie zu Regenſpurg. 
Gräfin. 
So wird's 
Nicht werden. Diesmal nicht. Dafür ſeid ruhig. 
(Thekla, heftig bewegt, ſtürzt auf die Mutter zu und ſchließt ſie weinend 
in die Arme.) 
Herzogin. 
O der unbeugſam unbezähmte Mann! 
Was hab' ich nicht getragen und gelitten 
In dieſer Ehe unglücksvollem Bund! 
1380 Denn gleich wie an ein feurig Rad gefeſſelt, 
Das raſtlos eilend, ewig, heftig treibt, 
Bracht' ich ein angſtvoll Leben mit ihm zu, 


Dritter Aufzug. 3. Auftritt 249 


Und ſtets an eines Abgrunds jähem Rande 
Sturzdrohend, ſchwindelnd riß er mich dahin. 

1335 — Nein, weine nicht, mein Kind. Laß dir mein Leiden 
Zu keiner böſen Vorbedeutung werden, 
Den Stand, der dich erwartet, nicht verleiden. 
Es lebt kein zweiter Friedland; du, mein Kind, 
Haſt deiner Mutter Schickſal nicht zu fürchten. 


Thekla. 
1300 O laſſen Sie uns fliehen, liebe Mutter! 
Schnell! Schnell! Hier iſt kein Aufenthalt für uns. 
Jedwede nächſte Stunde brütet irgend 
Ein neues, ungeheures Schreckbild aus! 


Herzogin. 
Dir wird ein ruhigeres Los! — Auch wir, 
1305 Ich und dein Vater, ſahen ſchöne Tage; 
Der erſten Jahre denk' ich noch mit Luſt. 
Da war er noch der fröhlich Strebende, 
a Ehrgeiz war ein mild erwärmend Feuer, 
Noch nicht die Flamme, die verzehrend raſt. 
1400 Der Kaiſer liebte ihn, vertraute ihm, 
Und was er anfing, das mußt' ihm geraten. 
Doch ſeit dem Unglückstag zu Regenſpurg, 
Der ihn von ſeiner Höh herunter ſtürzte, 
Iſt ein unſteter, ungeſell'ger Geiſt 
140 Argwöhniſch, finſter über ihn gekommen. 
Ihn floh die Ruhe, und dem alten Glück, 
Der eignen Kraft nicht fröhlich mehr vertrauend, 
Wandt' er ſein Herz den dunkeln Künſten zu, 
Die keinen, der ſie pflegte, noch beglückt. 


Grifin. 


ie Ihr ſeht's mit Euren Augen — Aber ijt 
Das ein Geſpräch, womit wir ihn erwarten? 


250 Wallenſteins Tod 


1415 


1420 


1425 


Er wird bald hier ſein, wißt Ihr. Soll er ſie 
In dieſem Zuſtand finden? 
erzogin. 
ae Komm, mein Kind. 
Wiſch' deine Tränen ab. Zeig' deinem Vater 
Ein heitres Antlitz — Sieh, die Schleife hier 
Iſt los — Dies Haar muß aufgebunden werden. 
Komm, trockne deine Tränen. Sie entſtellen 
Dein holdes Auge — Was ich ſagen wollte? 
Ja, dieſer Piccolomini iſt doch 
Ein würd'ger Edelmann und voll Verdienſt. 
Grüſin. 
Das iſt er, Schweſter. 
Thekla (zur Gräfin, beängſtigt). 
Tante, wollt Ihr mich 
Entſchuldigen? (Will gehen.) 
Grifin. 
Wohin? Der Vater kommt. 
Thekla. 
Ich kann ihn jetzt nicht ſehn. 
Gräfin. 
Er wird Euch aber 
Vermiſſen, nach Euch fragen. 
Herzogin. 
Warum geht ſie? 
Thekla. 
Es iſt mir unerträglich, ihn zu ſehn. 
Griifin (zur Herzogin). 
Ihr iſt nicht wohl. 
Herzogin (beſorgt). 
Was fehlt dem lieben Kinde? 


(Beide folgen dem Fräulein und ſind beſchäftigt, ſie zurück zu halten. Wallen⸗ 


ſtein erſcheint, im Geſpräch mit Illo.) 


1430 


1435 


1440 


1445 


1450 


Dritter Aufzug. 4. Auftritt 


4. Auftritt 
Wallenſtein. Illo. Vorige. 
Wallenſtein. 
Es iſt noch ſtill im Lager? 
Allo. 
Alles ſtill. 


Wallenſtein. 
In wenig Stunden kann die Nachricht da ſein 
Aus Prag, daß dieſe Hauptſtadt unſer iſt. 
Dann können wir die Maske von uns werfen, 
Den hieſigen Truppen den getanen Schritt 
Zugleich mit dem Erfolg zu wiſſen tun. 
In ſolchen Fällen tut das Beiſpiel alles. 
Der Menſch iſt ein nachahmendes Geſchöpf, 
Und wer der Vorderſte iſt, führt die Herde. 
Die Prager Truppen wiſſen es nicht anders, 
Als daß die Pilſner Völker uns gehuldigt, 
Und hier in Pilſen ſollen ſie uns ſchwören, 
Weil man zu Prag das Beiſpiel hat gegeben. 
— Der Buttler, ſagſt du, hat ſich nun erklärt? 


Allo. 
Aus freiem Trieb, unaufgefordert kam er, 
Sich ſelbſt, ſein Regiment dir anzubieten. 


Wallenſtein. 
Nicht jeder Stimme, find' ich, iſt zu glauben, 
Die warnend ſich im Herzen läßt vernehmen. 
Uns zu berücken, borgt der Lügengeiſt 
Nachahmend oft die Stimme von der Wahrheit 
Und ſtreut betrügliche Orakel aus. 
So hab' ich dieſem würdig braven Mann, 
Dem Buttler, ſtilles Unrecht abgubitten; 
Denn ein Gefühl, des ich nicht Meiſter bin, 


251 


1455 


1460 


1465 


1470 


252 Wallenſteins Tod 


Furcht möcht' ich's nicht gern nennen, überſchleicht 

In ſeiner Nähe ſchaudernd mir die Sinne 

Und hemmt der Liebe freudige Bewegung. 

Und dieſer Redliche, vor dem der Geiſt 

Mich warnt, reicht mir das erſte Pfand des Glücks. 

Allo. 

Und ſein geachtet Beiſpiel, zweifle nicht, 

Wird dir die Beſten in dem Heer gewinnen. 
Wallenſtein. 

Jetzt geh und ſchick' mir gleich den Iſolan 

Hieher, ich hab' ihn mir noch jüngſt verpflichtet. 

Mit ihm will ich den Anfang machen. Geh! 

(Illo geht hinaus, unterdeſſen ſind die übrigen wieder vorwärts gekommen.) 
Wallenſtein. 

Sieh da, die Mutter mit der lieben Tochter! 

Wir wollen einmal von Geſchäften ruhn — 

Kommt! Mich verlangte, eine heitre Stunde 

Im lieben Kreis der Meinen zu verleben. 


Grifin. 
Wir waren lang’ nicht jo beiſammen, Bruder. 


Wallenſtein (beiſeite, zur Gräfin). 

Kann ſie's vernehmen? Iſt ſie vorbereitet? 
Grüſin. 
Noch nicht. 
Wallenſtein. 
Komm her, mein Mädchen. Setz dich zu mir. 

Es iſt ein guter Geiſt auf deinen Lippen, 
Die Mutter hat mir deine Fertigkeit 
Geprieſen, es ſoll eine zarte Stimme 
Des Wohllauts in dir wohnen, die die Seele 
Bezaubert. Eine ſolche Stimme brauch' 
Ich jetzt, den böſen Dämon zu vertreiben, 
Der um mein Haupt die ſchwarzen Flügel ſchlägt. 


1476 


1480 


1485 


Dritter Aufzug. 4. Auftritt 253 


Herzogin. 
Wo haſt du deine Zither, Thekla? Komm. 
Laß deinem Vater eine Probe hören 


Von deiner Kunſt. 
Thekla. 


O meine Mutter! Gott! 
Herzogin. 
Komm, Thekla, und erfreue deinen Vater. 
Thekla. 
Ich kann nicht, Mutter — 
Grüſin. 
Wie? Was iſt das, Nichte! 


Thekla (zur Gräfin). 
Verſchont mich — Singen — jetzt — in dieſer Angſt 
Der ſchwer beladnen Seele — vor ihm ſingen — 
Der meine Mutter ſtürzt ins Grab! 
Herzogin. 
Wie, Thekla, Launen? Soll dein güt'ger Vater 
Vergeblich einen Wunſch geäußert haben? 


ft die Zith Grüfin. 
ier iſt die Zither. 
® Thekla. 


O mein Gott — Wie kann ich — 


(Hält das Inſtrument mit zitternder Hand, ihre Seele arbeitet im heftigſten 
Kampf, und im Augenblick, da fie anfangen ſoll, zu ſingen, ſchaudert fie gus 
ſammen, wirft das Inſtrument weg und geht ſchnell ab.) 


Herzogin. 
Mein Kind — o ſie iſt krank! 
Wallenſtein. 
Was iſt dem Mädchen? Pflegt ſie ſo zu ſein? 
Grüſin. 


Nun weil ſie es denn ſelbſt verrät, ſo will 
Auch ich nicht länger ſchweigen. 


254 Wallenſteins Tod 


1490 


1495 


1500 


Wallenſtein. 
Wie? 
Griftn, 
Sie liebt ihn. 
Wallenſtein. 
Liebt! Wen? 


Gräfin. 
Den Piccolomini liebt ſie. 
Haſt du es nicht bemerkt? Die Schweſter auch nicht? 
Herzogin. 
O war es dies, was ihr das Herz beklemmte? 
Gott ſegne dich, mein Kind! Du darfſt 
Dich deiner Wahl nicht ſchämen. 
Grüſin. 
Dieſe Reiſe — 
Wenn's deine Abſicht nicht geweſen, ſchreib's 
Dir ſelber zu. Du hätteſt einen andern 
Begleiter wählen ſollen! 
Weiß ers? Wallenſtein. 
Grifin, 
Er hofft fie zu beſitzen. 
in. 
Wallenſtein Hoff 
Sie zu beſitzen — Iſt der Junge toll? 
Grüſin. 
Nun mag ſie's ſelber hören! 
Wallenſtein. 
Die Friedländerin 
Denkt er davon zu tragen? Nun! Der Einfall 
Gefällt mir! Die Gedanken ſtehen ihm nicht niedrig. 
Grüfin. 
Weil du ſo viele Gunſt ihm ſtets bezeugt, 
So — 


Dritter Aufzug. 4. Auftritt 255 


Wallenſtein. 
— Will er mich auch endlich noch beerben. 
1605 Nun ja! Ich lieb' ihn, halt' ihn wert; was aber 
Hat das mit meiner Tochter Hand zu ſchaffen? 
Sind es die Töchter, ſind's die einz'gen Kinder, 
Womit man ſeine Gunſt bezeugt? 


Herzogin. 
Sein adeliger Sinn und ſeine Sitten — 


Wallenſtein. 
1810 Erwerben ihm mein Herz, nicht meine Tochter. 


Herzogin. 
Sein Stand und ſeine Ahnen — 
Wallenſtein. 
Ahnen! Was! 
Er iſt ein Untertan, und meinen Eidam 
Will ich mir auf Europens Thronen ſuchen. 


Herzogin. N 
O lieber Herzog! Streben wir nicht allzuhoch 
1816 Hinauf, daß wir zu tief nicht fallen mögen. 


Wallenſtein. 
Ließ ich mir's ſo viel koſten, in die Höh 
Zu kommen, über die gemeinen Häupter 
Der Menſchen weg zu ragen, um zuletzt 
Die große Lebensrolle mit gemeiner 
1820 Verwandtſchaft zu beſchließen? — Hab' ich darum — 
(Plötzlich hält er inne, ſich faſſend.) 
Sie iſt das Einzige, was von mir nachbleibt 
Auf Erden; eine Krone will ich ſehn 
Auf ihrem Haupte, oder will nicht leben. 
Was? Alles — Alles! ſetz' ich dran, um ſie 
1652s Recht groß zu machen — ja in der Minute, 
Worin wir ſprechen — 
(Er beſinnt ſich.) 


1530 


1535 


1540 


1545 


56 Wallenſteins Tod 


Und ich ſollte nun, 
Wie ein weichherz'ger Vater, was ſich gern hat 
Und liebt, fein bürgerlich zuſammengeben? 
Und jetzt ſoll ich das tun, jetzt eben, da ich 
Auf mein vollendet Werk den Kranz will ſetzen — 
Nein, ſie iſt mir ein langgeſpartes Kleinod, 
Die höchſte, letzte Münze meines Schatzes, 
Nicht niedriger fürwahr gedenk' ich ſie 
Als um ein Königszepter loszuſchlagen — 


Herzogin. 
O mein Gemahl! Sie bauen immer, bauen 
Bis in die Wolken, bauen fort und fort 
Und denken nicht dran, daß der ſchmale Grund 
Das ſchwindelnd ſchwanke Werk nicht tragen kann. 


Wallenſtein (zur Gräfin). 
Haſt du ihr angekündigt, welchen Wohnſitz 
Ich ihr beſtimmt? 
Grüſin. 
Noch nicht. Entdeckt's ihr ſelbſt. 
Herzogin. 
Wie? Gehen wir nach Kärnten nicht zurück? 
Wallenſtein. 
Nein. 
Herzogin. 
Oder ſonſt auf keines Ihrer Güter? 
Wallenſtein. 
Sie würden dort nicht ſicher ſein. 
Herzogin. 
Nicht ſicher 
In Kaiſers Landen, unter Kaiſers Schutz? 
Wallenſtein. 
Den hat des Friedlands Gattin nicht zu hoffen. 


Dritter Aufzug. 5. Auftritt 257 


Herzogin. 
O Gott, bis dahin haben Sie's gebracht! 
Wallenſtein. 
In Holland werden Sie Schutz finden. 
Herzogin. 
Was? 
Sie ſenden uns in lutheriſche Länder? 


Wallenſtein. 
Der Herzog Franz von Lauenburg wird Ir 
1550 Geleitsmann dahin fein. 


Herzogin. 
Der Lauenburger? 
Der's mit dem Schweden hält, des Kaiſers Feind? 


Wallenſtein. 
Des Kaiſers Feinde ſind die meinen nicht mehr. 


Herzogin (ſieht den Herzog und die Gräfin ſchreckensvoll an). 
Iſt's alſo wahr? Es iſt? Sie ſind geſtürzt? 
Sind vom Kommando abgeſetzt? O Gott 
16 Im Himmel! 


Griifin (ſeitwärts zum Herzog). 
Laſſen wir ſie bei dem Glauben. 
Du ſiehſt, daß ſie die Wahrheit nicht ertrüge. 


5. Auftritt 
Graf Terzky. Vorige. 
Gräfin. 
Terzky! Was iſt ihm? Welches Bild des Schreckens! 
Als hätt' er ein Geſpenſt geſehn! 
Terzky (Wallenſtein bei Seite führend, heimlich). 


Iſt's dein Befehl, daß die Kroaten reiten? 
Schillers Werke. V. 17 


258 Wallenſteins Tod 


1560 


1565 


Wallenſtein. 
Ich weiß von nichts. 
Terzky. 
Wir ſind verraten! 
Wallenſtein. 
Was? 
Terzky. 
Sie ſind davon, heut' Nacht, die Jäger auch, 
Leer ſtehen alle Dörfer in der Runde. 


Wallenſtein. 
Und Iſolan? 
Terzky. 
Den haſt du ja verſchickt. 
Wallenſtein. 
Ich? 
Terzky. 


Nicht? Du haſt ihn nicht verſchickt? Auch nicht 
Den Deodat? Sie ſind verſchwunden beide. 


6. Auftritt 
Illo. Vorige. 


Illo. 
Hat dir der Terzky — 


Terzky. 
Er weiß alles. 


Allo. 
Auch daß Maradas, Eſterhazy, Götz, 
Colalto, Kaunitz dich verlaſſen? — 
Terzky. 
Teufel! 
Wallenſtein (winkt). 
Still! 
Gräfin (hat fie von weitem ängſtlich beobachtet, tritt hinzu). 


Terzky! Gott! Was gibt's? Was iſt geſchehen? 


Dritter Aufzug. 6. Auftritt 259 


Wallenſtein (im Begriff aufzubrechen). 
1570 Nichts! Laßt uns gehen. 
Terzky (will ihm folgen). 
Es iſt nichts, Thereſe. 
Gräfin (hält ihn). 

Nichts? Seh' ich nicht, daß alles Lebensblut 
Aus euren geiſterbleichen Wangen wich, 

Daß ſelbſt der Bruder Faſſung nur erkünſtelt? 


Page (kommt). 
Ein Adjutant fragt nach dem Grafen Terzky. 
(Ab. Terzky folgt dem Pagen.) 
Wallenſtein. 
1675 Hör', was er bringt — 
(Zu Illo.) 
Das konnte nicht ſo heimlich 


Geſchehen ohne Meuterei — Wer hat 
Die Wache an den Toren? 
Allo. 
Tiefenbach. 
Wallenſtein. 

Laß Tiefenbach ablöſen unverzüglich 

Und Terzkys Grenadiere aufziehn — Höre! 
isso Haft du von Buttlern Kundſchaft? 


Allo. 
Buttlern traf ich. 
Gleich iſt er ſelber hier. Der hält dir feſt. 
(Illo geht. Wallenſtein will ihm folgen.) 
Grifin. 
Laß ihn nicht von dir, Schweſter! Halt ihn auf — 
Es iſt ein Unglück — 
Herzogin. 
Großer Gott! Was iſt's? 
(Hängt ſich an ihn.) 


260 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein l(erwehrt ſich ihrer). 
Seid ruhig! Laßt mich! Schweſter! liebes Weib, 
1588 Wir ſind im Lager! Da iſt's nun nicht anders, 
Da wechſeln Sturm und Sonnenſchein geſchwind, 
Schwer lenken ſich die heftigen Gemüter, 
Und Ruhe nie beglückt des Führers Haupt — 
Wenn ich ſoll bleiben, geht! Denn übel ſtimmt 
1590 Der Weiber Klage zu dem Tun der Männer. 
(Er will gehen. Terzky kömmt zurück.) 
Terzky. 
Bleib hier. Von dieſem Fenſter muß man's ſehn. 
Wallenſtein (zur Gräfin). 
Geht, Schweſter! 
Grüfin. 
Nimmermehr! 


Wallenſtein. 
Ich will's. 
Terzk 


(führt ſie bei Seite, mit einem bedeutenden Wink auf die Herzogin). 
Thereſe! 
Herzogin. 
Komm, Schweſter, weil er es befiehlt. 
(Gehen ab.) 


7. Auftritt 
Wallenſtein. Graf Terzky. 


Wallenſtein (aus Fenſter tretend). 
Was gibt's denn? 
Terzky. 
Es iſt ein Rennen und Zuſammenlaufen 
1898 Bei allen Truppen. Niemand weiß die Urſach, 
Geheimnisvoll, mit einer finſtern Stille, 
Stellt jedes Korps ſich unter ſeine Fahnen, 


1600 


1605 


1610 


1615 


1620 


Dritter Aufzug. 7. Auftritt 261 


Die Tiefenbacher machen böſe Mienen, 
Nur die Wallonen ſtehen abgeſondert 
In ihrem Lager, laſſen niemand zu 
Und halten ſich geſetzt, ſo wie ſie pflegen. 
Wallenſtein. 
Zeigt Piccolomini ſich unter ihnen? 
Terzky. 
Man ſucht ihn, er iſt nirgends anzutreffen. 
Wallenſtein. 
Was überbrachte denn der Adjutant? 
Terzky. 
Ihn ſchickten meine Regimenter ab, 
Sie ſchwören nochmals Treue dir, erwarten 
Voll Kriegesluſt den Aufruf zum Gefechte. 
Wallenſtein. 
Wie aber kam der Lärmen in das Lager? 
Es ſollte ja dem Heer verſchwiegen bleiben, 
Bis ſich zu Prag das Glück für uns entſchieden. 
Terzky. 
O daß du mir geglaubt! Noch geſtern Abends 
Beſchwuren wir dich, den Octavio, 
Den Schleicher, aus den Toren nicht zu laſſen, 
Du gabſt die Pferde ſelber ihm zur Flucht — 
Wallenſtein. 
Das alte Lied! Einmal für allemal, 
Nichts mehr von dieſem törigten Verdacht! 
Terzky. 
Dem Iſolani haſt du auch getraut, 
Und war der erſte doch, der dich verließ. 
Wallenſtein. 
Ich zog ihn geſtern erſt aus ſeinem Elend. 
Fahr hin! Ich hab' auf Dank ja nie gerechnet. 


262 Wallenſteins Tod 


Terzky. 
Und ſo ſind alle, einer wie der andre. 
Wallenſtein. 
Und tut er Unrecht, daß er von mir geht? 
Er folgt dem Gott, dem er ſein Lebenlang 
Am Spieltiſch hat gedient. Mit meinem Glücke 


1626 Schloß er den Bund und bricht ihn, nicht mit mir. 
War ich ihm was, er mir? Das Schiff nur bin ich, 


Auf das er ſeine Hoffnung hat geladen, 
Mit dem er wohlgemut das freie Meer 
Durchſegelte; er ſieht es über Klippen 

1630 Gefährlich gehn und rettet ſchnell die Ware. 
Leicht wie der Vogel von dem wirtbarn Zweige, 
Wo er geniſtet, fliegt er von mir auf, 
Kein menſchlich Band iſt unter uns zerriſſen. 

Ja, der verdient, betrogen ſich zu ſehn, 

1635 \ Der Herz geſucht bei dem Gedankenloſen! 
Mit ſchnell verlöſchten Zügen ſchreiben ſich 
Des Lebens Bilder auf die glatte Stirne, 
Nichts fällt in eines Buſens ſtillen Grund, 
Ein muntrer Sinn bewegt die leichten Säfte, 

1640 Doch keine Seele wärmt das Eingeweide. 


Terzky. 
Doch möcht' ich mich den glatten Stirnen lieber 
Als jenen tiefgefurchten anvertrauen. 


8. Auftritt 
Wallenſtein. Terzky. Illo kömmt wütend. 


Allo. 
Verrat und Meuterei! 


Terzky. 
Ha! was nun wieder? 


1645 


1650 


1655 


Dritter Aufzug. 8. Auftritt 263 


Allo. 
Die Tiefenbacher, als ich die Ordre gab, 
Sie abzulöſen — Pflichtvergeßne Schelmen! 
Terzky. 
Nun? 


Wallenſtein. 
Was denn? 


Allo. 
Sie verweigern den Gehorſam. 
Terzky. 
So laß ſie niederſchießen! O gib Ordre! 
Wallenſtein. 
Gelaſſen! Welche Urſach geben ſie? 
Allo. 
Kein andrer ſonſt hab' ihnen zu befehlen 
Als Generalleutnant Piccolomini. 
Wallenſtein. 
Was — Wie iſt das? 
Allo. 
So hab' er's hinterlaſſen 
Und eigenhändig vorgezeigt vom Kaiſer. 
Terzky. 
Vom Kaiſer — Hörſt du's, Fürſt! 
Allo. 
Auf ſeinen Antrieb 
Sind geſtern auch die Oberſten entwichen. 
Terzky. 
Hörſt du's! 
Allo. 
Auch Montecuculi, Caraffa 
Und noch ſechs andre Generale werden 
Vermißt, die er beredt hat, ihm zu folgen. 
Das hab' er alles ſchon ſeit lange ſchriftlich 


264 Wallenſteins Tod 


Bei ſich gehabt vom Kaiſer und noch jüngſt 
1660 Erſt abgeredet mit dem Queſtenberger. 
(Wallenſtein ſinkt auf einen Stuhl und verhüllt ſich das Geſicht.) 
Terzky. 
O hätteſt du mir doch geglaubt! 


9. Auftritt 
Gräfin. Vorige. 


Grifin, 
Ich kann die Angſt — ich kann's nicht länger tragen, 
Um Gotteswillen, ſagt mir, was es iſt. 
Allo. 
Die Regimenter fallen von uns ab. 
1666 Graf Piccolomini ijt ein Verräter. 
Grüfin. 
O meine Ahnung! 
(Stürzt aus dem Zimmer.) 
Terzky. 
Hätt' man mir geglaubt! 
Da ſiehſt du's, wie die Sterne dir gelogen! 
Wallenſtein (richtet ſich auf). 
Die Sterne lügen nicht, das aber iſt 
Geſchehen wider Sternenlauf und Schickſal. 
1670 Die Kunſt iſt redlich, doch dies falſche Herz 
Bringt Lug und Trug in den wahrhaft'gen Himmel. 
N Nur auf der Wahrheit ruht die Wahrſagung; 
Wo die Natur aus ihren Grenzen wanket, 
Da irret alle Wiſſenſchaft. War es 
1675 Ein Aberglaube, menſchliche Geſtalt 
Durch keinen ſolchen Argwohn zu entehren, 
O nimmer ſchäm' ich dieſer Schwachheit mich! 
Religion iſt in der Tiere Trieb, 


1680 


1685 


Dritter Aufzug. 10. Auftritt 265 


Es trinkt der Wilde ſelbſt nicht mit dem Opfer, 
Dem er das Schwert will in den Buſen ſtoßen. 
Das war kein Heldenſtück, Octavio! 

Nicht deine Klugheit ſiegte über meine, 

Dein ſchlechtes Herz hat über mein gerades 

Den ſchändlichen Triumph davon getragen. 

Kein Schild fing deinen Mordſtreich auf, du führteſt 
Ihn ruchlos auf die unbeſchützte Bruſt, 

Ein Kind nur bin ich gegen ſolche Waffen. 


10. Auftritt 
Vorige. Buttler. 
Terzky. 
O ſieh da! Buttler! Das iſt noch ein Freund! 
Wallenſtein 


(geht ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen und umfaßt ihn mit Herz⸗ 


1690 


1695 


1700 


lichteit). 
Komm an mein Herz, du alter Kriegsgefährt'! 
So wohl tut nicht der Sonne Blick im Lenz 
Als Freundes Angeſicht in ſolcher Stunde. 


Buttler. 
Mein General — Ich komme — 


Wallenſtein (ſich auf ſeine Schultern lehnend). 
Weißt du's ſchon? 

Der Alte hat dem Kaiſer mich verraten. 
Was ſagſt du? Dreißig Jahre haben wir 
Zuſammen ausgelebt und ausgehalten. 
In einem Feldbett haben wir geſchlafen, 
Aus einem Glas getrunken, einen Biſſen 
Geteilt, ich ſtützte mich auf ihn, wie ich 
Auf deine treue Schulter jetzt mich ſtütze; 
Und in dem Augenblick, da liebevoll 


1705 


1710 


1715 


1720 


266 Wallenfteins Tod 


Vertrauend meine Bruſt an ſeiner ſchlägt, 
Erſieht er ſich den Vorteil, ſticht das Meſſer 
Mir liſtig lauernd, langſam in das Herz! 
(Er verbirgt das Geſicht an Buttlers Bruſt.) 
Buttler. 
Vergeßt den Falſchen. Sagt, was wollt Ihr tun? 


Wallenſtein. 
Wohl, wohl geſprochen. Fahre hin! Ich bin 
Noch immer reich an Freunden, bin ich nicht? 
Das Schickſal liebt mich noch, denn eben jetzt, 
Da es des Heuchlers Tücke mir entlarvt, 
Hat es ein treues Herz mir zugeſendet. 
Nichts mehr von ihm. Denkt nicht, daß ſein Verluſt 
Mich ſchmerze, o! mich ſchmerzt nur der Betrug. 
Denn wert und teuer waren mir die beiden, 
Und jener Max, er liebte mich wahrhaftig, 
Er hat mich nicht getäuſcht, er nicht — Genug, 
Genug davon! Jetzt gilt es ſchnellen Rat — 
Der Reitende, den mir Graf Kinsky ſchickt 
Aus Prag, kann jeden Augenblick erſcheinen. 
Was er auch bringen mag, er darf den Meutern 
Nicht in die Hände fallen. Drum geſchwind, 
Schickt einen ſichern Boten ihm entgegen, 
Der auf geheimem Weg ihn zu mir führe. 
Illo will gehen.) 
Buttler (hält ihn zurück). 
Mein Feldherr, wen erwartet Ihr? 
Wallenſtein. 
Den Eilenden, der mir die Nachricht bringt, 
Wie es mit Prag gelungen. 
Buttler. 
Hum! 


Wallenſtein. Was iſt Euch? 


1725 


1730 


Dritter Aufzug. 10. Auftritt 267 


Buttler. 
So wißt Ihr's nicht? 
Wallenſtein. 
Was denn? 
Buttler. 
Wie dieſer Lärmen 
Ins Lager kam? — 
Wallenſtein. 
Wie? 
Buttler. 
Jener Bote — 
Wallenſtein (erwartungsvoll). 
Nun? 
: Buttler. 
Er iſt herein. 
Terzky und Allo. 
Er iſt herein? 
Wallenſtein. 


Mein Bote? 
Buttler. 


Seit mehrern Stunden. 
Wallenſtein. 
Und ich weiß es nicht? 
Buttler. 
Die Wache fing ihn auf. 
Allo (ſtampft mit dem Fuß). 
Verdammt! 


Buttler. 
Sein Brief 


Iſt aufgebrochen, läuft durchs ganze Lager — 
Wallenſtein (geſpannt). 
Ihr wißt, was er enthält? 
Buttler (bedenklich). 
Befragt mich nicht! 


268 Wallenſteins Tod 


Terzky. 
O — Weh uns, Illo! Alles ſtürzt zuſammen! 
Wallenſtein. 
Verhehlt mir nichts. Ich kann das Schlimmſte hören. 
Prag iſt verloren? Iſt's? Geſteht mir's frei. 
Buttler. 
1735 Es iſt verloren. Alle Regimenter 
Zu Budweis, Tabor, Braunau, Königingrätz, 
Zu Brünn und Znaym haben Euch verlaſſen, 
Dem Kaiſer neu gehuldiget — Ihr ſelbſt 
Mit Kinsky, Terzky, Illo ſeid geächtet. 


(Terzky und Illo zeigen Schrecken und Wut. Wallenſtein bleibt feſt und 
gefaßt ſtehen.) 


Wallenſtein (nach einer Pauſe). 
1740 Es iſt entſchieden, nun iſt's gut — und ſchnell 
Bin ich geheilt von allen Zweifelsqualen, 
Die Bruſt iſt wieder frei, der Geiſt iſt hell: 
Nacht muß es ſein, wo Friedlands Sterne ſtrahlen. 
Mit zögerndem Entſchluß, mit wankendem Gemüt 
1745 Zog ich das Schwert, ich tat's mit Widerſtreben, 
Da es in meine Wahl noch war gegeben! 
Notwendigkeit iſt da, der Zweifel flieht, 
Jetzt fecht' ich für mein Haupt und für mein Leben. 
(Er geht ab. Die andern folgen.) 


11. Auftritt 
Gräfin Terzky kommt aus dem Seitenzimmer. 

Nein! ich kann's länger nicht — Wo ſind ſie? Alles 
1780 Iſt leer. Sie laſſen mich allein — allein 

In dieſer fürchterlichen Angſt — Ich muß 

Mich zwingen vor der Schweſter, ruhig ſcheinen 

Und alle Qualen der bedrängten Bruſt 

In mir verſchließen — Das ertrag' ich nicht! 


Dritter Aufzug. 12. Auftritt 269 


1758 —- Wenn es uns fehl ſchlägt, wenn er zu dem Schweden 

Mit leerer Hand, als Flüchtling, müßte kommen, 

Nicht als geehrter Bundsgenoſſe, ſtattlich, 

Gefolgt von eines Heeres Macht — Wenn wir 

Von Land zu Lande wie der Pfalzgraf müßten wandern, 
1760 Ein ſchmählich Denkmal der gefallnen Größe — 

Nein, dieſen Tag will ich nicht ſchaun! und könnt' 

Er ſelbſt es auch ertragen, ſo zu ſinken, 

Ich trüg's nicht, ſo geſunken ihn zu ſehn. 


12. Auftritt 
Gräfin. Herzogin. Thekla. 


Thekla (will die Herzogin zurückhalten). 
O liebe Mutter, bleiben Sie zurück! 


Herzogin. 

1766 Nein, hier ijt noch ein ſchreckliches Geheimnis, 
Das mir verhehlt wird — Warum meidet mich 
Die Schweſter? Warum ſeh' ich ſie voll Angſt 
Umhergetrieben, warum dich voll Schrecken? 

Und was bedeuten dieſe ſtummen Winke, 
1770 Die du verſtohlen heimlich mit ihr wechſelſt? 
Thekla. 
Nichts, liebe Mutter! 
Herzogin. 
Schweſter, ich will's wiſſen. 
Grüſin. 
Was hilft's auch, ein Geheimnis draus zu machen! 
Läßt ſich's verbergen? Früher, ſpäter muß 
Sie's doch vernehmen lernen und ertragen! 

1775 Nicht Zeit iſt's jetzt, der Schwäche nachzugeben, 

Mut iſt uns not und ein gefaßter Geiſt, 


270 Wallenſteins Tod 


Und in der Stärke müſſen wir uns üben. 
Drum beſſer, es entſcheidet ſich ihr Schickſal 
Mit einem Wort — Man hintergeht Euch, Schweſter. 
1780 Ihr glaubt, der Herzog ſei entſetzt — der Herzog 
Iſt nicht entſetzt — er iſt — 
Thekla (zur Gräfin gehend). 
Wollt Ihr ſie töten? 
Grifin. 
Der Herzog ijt — 
Thekla (die Arme um die Mutter ſchlagend). 
O ſtandhaft, meine Mutter! 


Gräfin. 
Empört hat ſich der Herzog, zu dem Feind 
Hat er ſich ſchlagen wollen, die Armee 
1786 Hat ihn verlaſſen, und es ijt mißlungen. 


(Während dieſer Worte wankt die Herzogin und fällt ohnmächtig in die 
Arme ihrer Tochter.) 


Ein großer Saal beim Herzog von Friedland. 
13. Auftritt 


Wallenſtein (im Harniſch). 


Du haſt's erreicht, Oetavio — Faſt bin ich 
Jetzt ſo verlaſſen wieder, als ich einſt 
Vom Regenſpurger Fürſtentage ging. 
Da hatt' ich nichts mehr als mich ſelbſt — doch was 
1790 3 Mann kann wert ſein, habt ihr ſchon erfahren. 
en Schmuck der Zweige habt ihr abgehauen, 
a ſteh' ich, ein entlaubter Stamm! Doch innen 
Im Marke lebt die ſchaffende Gewalt, 
Die ſproſſend eine Welt aus ſich geboren. 
1705 Schon einmal galt ich euch ſtatt eines Heers, 


1800 


1805 


1810 


1815 


1820 


Dritter Aufzug. 13. Auftritt 271 


Ich einzelner. Dahin geſchmolzen vor 
Der ſchwed'ſchen Stärke waren eure Heere, 
Am Lech ſank Tilly, euer letzter Hort; 
Ins Bayerland, wie ein geſchwollner Strom, 
Ergoß ſich dieſer Guſtav, und zu Wien 
In ſeiner Hofburg zitterte der Kaiſer. 
Soldaten waren teuer, denn die Menge 
Geht nach dem Glück — Da wandte man die Augen 
Auf mich, den Helfer in der Not, es beugte ſich 
Der Stolz des Kaiſers vor dem Schwergekränkten: 
Ich ſollte aufſtehn mit dem Schöpfungswort 
Und in die hohlen Läger Menſchen ſammeln. 
Ich tat's. Die Trommel ward gerührt. Mein Name 
Ging wie ein Kriegsgott durch die Welt. Der Pflug, 
Die Werkſtatt wird verlaſſen, alles wimmelt 
Der altbekannten Hoffnungsfahne zu — 
— Noch fühl' ich mich denſelben, der ich war! 
Es iſt der Geiſt, der ſich den Körper baut, 
Und Friedland wird ſein Lager um ſich füllen. 
Führt eure Tauſende mir kühn entgegen, 
Gewohnt wohl ſind ſie, unter mir zu ſiegen, 
Nicht gegen mich — Wenn Haupt und Glieder ſich trennen, 
Da wird ſich zeigen, wo die Seele wohnte. 
Illo und Terzky treten ein. 
Mut, Freunde, Mut! Wir ſind noch nicht zu Boden. 
Fünf Regimenter Terzky ſind noch unſer 
Und Buttlers wackre Scharen — Morgen ſtößt 
Ein Heer zu uns von ſechzehntauſend Schweden. 
Nicht mächt'ger war ich, als ich vor neun Jahren 
Auszog, dem Kaiſer Deutſchland zu erobern. 


1825 


1830 


272 Wallenſteins Tod 


14. Auftritt 


Vorige. Neumann, der den Grafen Terzky bei Seite führt und mit ihm 
ſpricht. 


Terzky (zu Neumann). 

Was ſuchen Sie? 
Wallenſtein. 
Was gibt's? 
Terzky. 
Zehn Küraſſiere 

Von Pappenheim verlangen dich im Namen 
Des Regiments zu ſprechen. 


Wallenſtein (ſchnell zu Neumann). 
Laß ſie kommen. 
(Neumann geht hinaus.) 
Davon erwart' ich etwas. Gebet Acht, 
Sie zweifeln noch und ſind noch zu gewinnen. 


15. Auftritt 


Wallenſtein. Terzky. Illo. Zehn Küraſſiere, von einem Ge— 
freiten geführt, marſchieren auf und ſtellen ſich nach dem Kommando in 
einem Glied vor den Herzog, die Honneurs machend. 


Wallenſtein 
(nachdem er ſie eine Zeitlang mit den Augen gemeſſen, zum Gefreiten). 
Ich kenne dich wohl. Du biſt aus Brügg' in Flandern, 
Dein Nam' iſt Mercy. 

Gefreiter. 

Heinrich Mercy heiß' ich. 

Wallenſtein. 
Du wurdeſt abgeſchnitten auf dem Marſch, 
Von Heſſiſchen umringt und ſchlugſt dich durch, 
Mit hundertachtzig Mann durch ihrer tauſend. 


Dritter Aufzug. 15. Auftritt 213 


Gefreiter. 
1835 So iſt's, mein General. 


Wallenſtein. 
Was wurde dir 
Für dieſe wackre Tat? 


Gefreiter. 
Die Ehr', mein Feldherr, 
Um die ich bat, bei dieſem Korps zu dienen. 


Wallenſtein (wendet ſich zu einem andern). 

Du warſt darunter, als ich die Freiwilligen 
Heraus ließ treten auf dem Altenberg, 

1840 Die ſchwed'ſche Batterie hinweg zu nehmen. 


Zweiter Küraſſier. 
So iſt's, mein Feldherr. 


Wallenſtein. 
Ich vergeſſe keinen, 
Mit dem ich einmal Worte hab' gewechſelt. 
Bringt eure Sache vor. 


Gefreiter (kommandiert). 
Gewehr in Arm! 


Wallenſtein (zu einem dritten gewendet). 
Du nennſt dich Risbeck, Köln iſt dein Geburtsort. 


Dritter Küraſſier. 
isis Risbeck aus Köln. 
Wallenſtein. 
Den ſchwed'ſchen Oberſt Dübald brachteſt du 
Gefangen ein im Nürenberger Lager. 


Dritter Küraſſier. 


Ich nicht, mein General. 
Schillers Werke. V. 18 


1850 


1855 


1860 


1865 


274 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein. 
Ganz recht! Es war 
Dein ältrer Bruder, der es tat — du hatteſt 
Noch einen jüngern Bruder, wo blieb der? 


Dritter Küraſſier. 
Er ſteht zu Olmütz bei des Kaiſers Heer. 


Wallenſtein (zum Gefreiten). 
Nun ſo laß hören. 
Gefreiter. 
Ein kaiſerlicher Brief kam uns zu Handen, 
Der uns — 
Wallenſtein (unterbricht ihn). 
Wer wählte euch? 


Gefreiter. 
Jedwede Fahn' 
Zog ihren Mann durchs Los. 
Wallenſtein. 
Nun denn zur Sache! 


Gefreiter. 
Ein kaiſerlicher Brief kam uns zu Handen, 
Der uns befiehlt, die Pflicht dir aufzukünden, 
Weil du ein Feind und Landsverräter ſeiſt. 


Wallenſtein. 
Was habt ihr drauf beſchloſſen? 

Gefreiter. 

Unſre Kameraden 

Zu Braunau, Budweis, Prag und Olmütz haben 
Bereits gehorcht, und ihrem Beiſpiel folgten 
Die Regimenter Tiefenbach, Toscana. 
— Wir aber glauben's nicht, daß du ein Feind 
Und Landsverräter biſt, wir halten's bloß 
Für Lug und Trug und ſpaniſche Erfindung. 


1870 


1875 


1880 


1885 


1890 


Dritter Aufzug. 15. Auftritt 275 


(Treuherzig.) 
Du ſelber ſollſt uns ſagen, was du vor haſt, 
Denn du biſt immer wahr mit uns geweſen, 
Das höchſte Zutraun haben wir zu dir, 
Kein fremder Mund ſoll zwiſchen uns ſich ſchieben, 
Den guten Feldherrn und die guten Truppen. 
Wallenſtein. 
Daran erkenn' ich meine Pappenheimer. 
Gefreiter. 
Und dies entbietet dir dein Regiment: 
Iſt's deine Abſicht bloß, dies Kriegeszepter, 
Das dir gebührt, das dir der Kaiſer hat 
Vertraut, in deinen Händen zu bewahren, 
Oſtreichs rechtſchaffner Feldhauptmann zu fein, 
So wollen wir dir beiſtehn und dich ſchützen 
Bei deinem guten Rechte gegen jeden — 
Und wenn die andern Regimenter alle 
Sich von dir wenden, wollen wir allein 
Dir treu ſein, unſer Leben für dich laſſen. 
Denn das iſt unſre Reiterpflicht, daß wir 
Umkommen lieber, als dich ſinken laſſen. 
Wenn's aber ſo iſt, wie des Kaiſers Brief 
Beſagt, wenn's wahr iſt, daß du uns zum Feind 
Treuloſer Weiſe willſt hinüber führen, 
Was Gott verhüte! ja, ſo wollen wir 
Dich auch verlaſſen und dem Brief gehorchen. 
Wallenſtein. 
Hört, Kinder — 
Gefreiter. 
Braucht nicht viel Worte. Sprich 
Ja oder nein, ſo ſind wir ſchon zufrieden. 
Wallenſtein. 
Hört an. Ich weiß, daß ihr verſtändig ſeid, 
Selbſt prüft und denkt und nicht der Herde folgt. 


1895 


1900 


1905 


1910 


1915 


1920 


276 Wallenſteins Tod 


Drum hab' ich euch, ihr wißt's, auch ehrenvoll 
Stets unterſchieden in der Heereswoge; 

Denn nur die Fahnen zählt der ſchnelle Blick 
Des Feldherrn, er bemerkt kein einzeln Haupt, 
Streng herrſcht und blind der eiſerne Befehl, 
Es kann der Menſch dem Menſchen hier nichts gelten — 
So, wißt ihr, hab' ich's nicht mit euch gehalten; 
Wie ihr euch ſelbſt zu faſſen angefangen 

Im rohen Handwerk, wie von euren Stirnen 
Der menſchliche Gedanke mir geleuchtet, 

Hab' ich als freie Männer euch behandelt, 

Der eignen Stimme Recht euch zugeſtanden — 


Gefreiter. 
Ja, würdig haſt du ſtets mit uns verfahren, 
Mein Feldherr, uns geehrt durch dein Vertraun, 
Uns Gunſt erzeigt vor allen Regimentern. 
Wir folgen auch dem großen Haufen nicht, 
Du ſiehſt's! Wir wollen treulich bei dir halten. 
Sprich nur ein Wort, dein Wort ſoll uns genügen, 
Daß es Verrat nicht ſei, worauf du ſinnſt, 
Daß du das Heer zum Feind nicht wolleſt führen. 


Wallenſtein. 
Mich, mich verrät man! Aufgeopfert hat mich 
Der Kaiſer meinen Feinden, fallen muß ich, 
Wenn meine braven Truppen mich nicht retten. 
Euch will ich mich vertrauen — Euer Herz 
Sei meine Feſtung! Seht, auf dieſe Bruſt 
Zielt man! Nach dieſem greiſen Haupte! — Das 
Iſt ſpan'ſche Dankbarkeit, das haben wir 
Für jene Mordſchlacht auf der alten Feſte, 
Auf Lützens Ebnen! Darum warfen wir 
Die nackte Bruſt der Partiſan' entgegen, 
Drum machten wir die eisbedeckte Erde, 


1926 


1930 


1935 


1940 


1945 


1950 


Dritter Aufzug. 15. Auftritt 277 


Den harten Stein zu unſerm Pfühl; kein Strom 
War uns zu ſchnell, kein Wald zu undurchdringlich 
Wir folgten jenem Mansfeld unverdroſſen 

Durch alle Schlangenkrümmen ſeiner Flucht, 
Ein ruheloſer Marſch war unſer Leben, 

Und wie des Windes Sauſen, heimatlos, 
Durchſtürmten wir die kriegbewegte Erde. 

Und jetzt, da wir die ſchwere Waffenarbeit, 

Die undankbare, fluchbeladene, getan, 

Mit unermüdet treuem Arm des Krieges Laſt 
Gewälzt, ſoll dieſer kaiſerliche Jüngling 

Den Frieden leicht wegtragen, ſoll den Olzweig, 
Die wohlverdiente Zierde unſers Haupts, 

Sich in die blonden Knabenhaare flechten — 


Gefreiter. 
Das ſoll er nicht, ſo lang' wir's hindern können. 
Niemand als du, der ihn mit Ruhm geführt, 
Soll dieſen Krieg, den fürchterlichen, enden. 
Du führteſt uns heraus ins blut'ge Feld 
Des Todes, du, kein andrer, ſollſt uns fröhlich 
Heimführen in des Friedens ſchöne Fluren, 
Der langen Arbeit Früchte mit uns teilen — 


Wallenſtein. 
Wie? denkt ihr euch im ſpäten Alter endlich 
Der Früchte zu erfreuen? Glaubt das nicht. 
Ihr werdet dieſes Kampfes Ende nimmer 
Erblicken! Dieſer Krieg verſchlingt uns alle. 
Oſtreich will keinen Frieden; darum eben, 
Weil ich den Frieden ſuche, muß ich fallen. 
Was kümmert's Oſtreich, ob der lange Krieg 
Die Heere aufreibt und die Welt verwüſtet, 
Es will nur wachſen ſtets und Land gewinnen. 
Ihr ſeid gerührt — ich ſeh' den edeln Zorn 


1956 


1960 


1965 


1970 


1975 


1980 


1985 


278 Wallenſteins Tod 


Aus euren kriegeriſchen Augen blitzen. 

O daß mein Geiſt euch jetzt beſeelen möchte, 

Kühn, wie er einſt in Schlachten euch geführt! 

Ihr wollt mir beiſtehn, wollt mich mit den Waffen 

Bei meinem Rechte ſchützen — das iſt edelmütig! 

Doch denket nicht, daß ihr's vollenden werdet, 

Das kleine Heer! Vergebens werdet ihr 

Für euren Feldherrn euch geopfert haben. 
(Zutraulich.) 

Nein! Laßt uns ſicher gehen, Freunde ſuchen, 

Der Schwede ſagt uns Hilfe zu, laßt uns 

Zum Schein ſie nutzen, bis wir, beiden furchtbar, 

Europens Schickſal in den Händen tragen 

Und der erfreuten Welt aus unſerm Lager 

Den Frieden ſchön bekränzt entgegen führen. 


Gefreiter. 
So treibſt du's mit dem Schweden nur zum Schein? 
Du willſt den Kaiſer nicht verraten, willſt uns 
Nicht ſchwediſch machen? — ſieh, das iſt's allein, 
Was wir von dir verlangen zu erfahren. 

Wallenſtein. 
Was geht der Schwed' mich an? Ich haſſ' ihn, wie 
Den Pfuhl der Hölle, und mit Gott gedenk ich ihn 
Bald über ſeine Oſtſee heimzujagen. 
Mir iſt's allein ums Ganze. Seht! Ich hab' 
Ein Herz, der Jammer dieſes deutſchen Volks erbarmt mich. 
Ihr ſeid gemeine Männer nur, doch denkt 
Ihr nicht gemein, ihr ſcheint mir's wert vor andern, 
Daß ich ein traulich Wörtlein zu euch rede — 
Seht! Fünfzehn Jahr ſchon brennt die Kriegesfackel, 
Und noch iſt nirgends Stillſtand. Schwed' und Deutſcher! 
Papiſt und Lutheraner! Keiner will 
Dem andern weichen! Jede Hand iſt wider 
Die andre! Alles iſt Partei und nirgends 


1990 


1995 


Dritter Aufzug. 16. Auftritt 279 


Kein Richter! Sagt, wo ſoll das enden? wer 
Den Knäul entwirren, der, ſich endlos ſelbſt 
Vermehrend, wächſt — Er muß zerhauen werden. 
Ich fühl's, daß ich der Mann das Schickſals bin, 
Und hoff's mit eurer Hilfe zu vollführen. 


16. Auftritt 


Buttler. Vorige. 


Buttler (in Eifer). 
Das iſt nicht wohl getan, mein Feldherr. 


Wallenſtein. 
Was? 
Buttler. 
Das muß uns ſchaden bei den Gutgeſinnten. 


Wallenſtein. 
Was denn? 
Buttler. 
Es heißt den Aufruhr öffentlich erklären! 


Wallenſtein. 
Was iſt es denn? 
Buttler. 
Graf Terzkys Regimenter reißen 
Den kaiſerlichen Adler von den Fahnen 
Und pflanzen deine Zeichen auf. 


Gefreiter (su den Küraſſieren). 
Rechts um! 
Wallenſtein. 
Verflucht ſei dieſer Rat, und wer ihn gab! 


(Zu den Küraſſieren, welche abmarſchieren.) 


280 Wallenſteins Tod 


Halt, Kinder, halt — Es iſt ein Irrtum — Hört — 

Und ſtreng will ich's beſtrafen — Hört doch! Bleibt. 
2000 Sie hören nicht. 

(Zu Illo.) 
Geh nach, bedeute ſie, 
Bring' ſie zurück, es koſte was es wolle. 
(Illo eilt hinaus.) 

Das ſtürzt uns ins Verderben — Buttler! Buttler! 

Ihr ſeid mein böſer Dämon, warum mußtet Ihr's 

In ihrem Beiſein melden! — Alles war 
2008 Auf gutem Weg — Sie waren halb gewonnen — 

Die Raſenden, mit ihrer unbedachten 

Dienſtfertigkeit! — O grauſam ſpielt das Glück 

Mit mir! Der Freunde Eifer iſt's, der mich 

Zu Grunde richtet, nicht der Haß der Feinde. 


> 
17. Auftritt 
Vorige. Die Herzogin ſtürzt ins Zimmer. Ihr folgt Thekla und 
die Gräfin. Dann Illo. 
Herzogin. 
2010 O Albrecht! Was haſt du getan! 


Wallenſtein. 
Nun das noch! 


Grüſin. 
Verzeih mir, Bruder. Ich vermocht' es nicht, 
Sie wiſſen alles. 
Herzogin. 
Was haſt du getan! 
Grüfin (zu Tergty). 
Iſt keine Hoffnung mehr? Iſt alles denn 
Verloren? 
Terzky. 
Alles. Prag iſt in des Kaiſers Hand, 
2015 Die Regimenter haben neu gehuldigt. 


Dritter Aufzug. 17. Auftritt 281 


Grifin, 
Heimtückiſcher Octavio! — Und auch 
Graf Max iſt fort? 

Terzky. 

Wo ſollt' er ſein? Er iſt 
Mit ſeinem Vater über zu dem Kaiſer. 
(Thekla ſtürzt in die Arme ihrer Mutter, das Geſicht an ihrem Buſen 
verbergend.) 
Herzogin (fie in die Arme ſchließend). 

Unglücklich Kind! Unglücklichere Mutter! 


Wallenſtein (bei Seite gehend mit Terzky). 
2020 Laß einen Reiſewagen ſchnell bereit ſein 
Im Hinterhofe, dieſe wegzubringen. 
(Auf die Frauen zeigend.) 
Der Scherfenberg kann mit, der iſt uns treu, 
Nach Eger bringt er ſie, wir folgen nach. 
(Zu Illo, der wieder kommt.) 
Du bringſt ſie nicht zurück? 
Allo. 
Hörſt du den Auflauf? 
2028 Das ganze Korps der Pappenheimer ijt 
Im Anzug. Sie verlangen ihren Oberſt, 
Den Max zurück, er ſei hier auf dem Schloß, 
Behaupten ſie, du halteſt ihn mit Zwang, 
Und wenn du ihn nicht losgeb'ſt, werde man 
2030 Ihn mit dem Schwerte zu befreien wiſſen. 
(Alle ſtehn erſtaunt.) 
Terzky. 
Was ſoll man daraus machen? 


Wallenſtein. 
Sagt' ich's nicht? 
O mein wahrſagend Herz! Er iſt noch hier. 
Er hat mich nicht verraten, hat es nicht 
Vermocht — Ich habe nie daran gezweifelt. 


282 Wallenſteins Tod 


Gräfin. 
2035 Iſt er noch hier, o dann ijt alles gut, 


Dann weiß ich, was ihn ewig halten ſoll! 
(Thekla umarmend.) 


Terzky. 

Es kann nicht ſein. Bedenke doch! Der Alte 

Hat uns verraten, iſt zum Kaiſer über, 

Wie kann er's wagen, hier zu ſein? 

Illo (zum Wallenſtein). 
Den Jagdzug, 
2040 Den du ihm kürzlich ſchenkteſt, ſah ich noch 
Vor wenig Stunden übern Markt wegführen. 


Grifin, 
O Nichte, dann iſt er nicht weit! 


Thekla (hat den Blick nach der Türe geheftet und ruft lebhaft). 
Da iſt er! 


18. Auftritt 


Die Vorigen. Max Piccolomini. 
Mar (mitten in den Saal tretend). 
Ja! Ja! da iſt er! Ich vermag's nicht länger, 
Mit leiſem Tritt um dieſes Haus zu ſchleichen, 
2018 Den günſt'gen Augenblick verſtohlen zu 
Erlauern — Dieſes Harren, dieſe Angſt 
Geht über meine Kräfte! 
(Auf Thekla zugehend, welche ſich ihrer Mutter in die Arme geworfen.) 
O ſieh mich an! Sieh nicht weg, holder Engel. 
Bekenn' es frei vor allen. Fürchte niemand. 
2050 Es höre, wer es will, daß wir uns lieben. 
Wozu es noch verbergen? Das Geheimnis 


2055 


2060 


2065 


2070 


2075 


2080 


Dritter Aufzug. 18. Auftritt 283 


Iſt für die Glücklichen; das Unglück braucht, 

Das hoffnungsloſe, keinen Schleier mehr, 

Frei unter tauſend Sonnen kann es handeln. 

(Er bemerkt die Gräfin, welche mit frohlockendem Geſicht auf Thekla blickt.) 

Nein, Baſe Terzky! Seht mich nicht erwartend, 

Nicht hoffend an! Ich komme nicht, zu bleiben. 

Abſchied zu nehmen, komm' ich — Es iſt aus. 

Ich muß, muß dich verlaſſen, Thekla — muß! 

Doch deinen Haß kann ich nicht mit mir nehmen. 

Nur einen Blick des Mitleids gönne mir, 

Sag', daß du mich nicht haſſeſt. Sag' mir's, Thekla. 
(Indem er ihre Hand faßt, heftig bewegt.) 

O Gott! — Gott! Ich kann nicht von dieſer Stelle. 

Ich kann es nicht — kann dieſe Hand nicht laſſen. 

Sag', Thekla, daß du Mitleid mit mir haſt, 

Dich ſelber überzeugſt, ich kann nicht anders. 


(Thekla, ſeinen Blick vermeidend, zeigt mit der Hand auf ihren Vater; 
er wendet ſich nach dem Herzog um, den er jetzt erſt gewahr wird.) 


Du hier? — Nicht du biſt's, den ich hier geſucht. 
Dich ſollten meine Augen nicht mehr ſchauen. 
Ich hab' es nur mit ihr allein. Hier will ich, 
Von dieſem Herzen freigeſprochen ſein, 

An allem andern iſt nichts mehr gelegen. 


Wallenſtein. 
Denkſt du, ich ſoll der Tor ſein und dich ziehen laſſen 
Und eine Großmutsſzene mit dir ſpielen? 
Dein Vater iſt zum Schelm an mir geworden, 
Du biſt mir nichts mehr als ſein Sohn, ſollſt nicht 
Umſonſt in meine Macht gegeben ſein. 
Denk' nicht, daß ich die alte Freundſchaft ehren werde, 
Die er ſo ruchlos hat verletzt. Die Zeiten 
Der Liebe ſind vorbei, der zarten Schonung, 
Und Haß und Rache kommen an die Reihe. 
Ich kann auch Unmenſch ſein, wie er. 


284 Wallenſteins Tod 


2085 


2090 


2095 


2100 


2105 


2110 


Mar. 

Du wirſt mit mir verfahren, wie du Macht haſt. 
Wohl aber weißt du, daß ich deinem Zorn 
Nicht trotze, noch ihn fürchte. Was mich hier 
Zurückhält, weißt du! 

(Thekla bei der Hand faſſend.) 
Sieh! Alles — alles wollt' ich dir verdanken, 
Das Los der Seligen wollt' ich empfangen 
Aus deiner väterlichen Hand. Du haſt's 
Zerſtört, doch daran liegt dir nichts. Gleichgültig 
Trittſt du das Glück der Deinen in den Staub, 
Der Gott, dem du dienſt, iſt kein Gott der Gnade. 
Wie das gemütlos blinde Element, 
Das furchtbare, mit dem kein Bund zu ſchließen, 
Folgſt du des Herzens wildem Trieb allein. 
Weh denen, die auf dich vertraun, an dich 
Die ſichre Hütte ihres Glückes lehnen, 
Gelockt von deiner gaſtlichen Geſtalt! 
Schnell, unverhofft, bei nächtlich ſtiller Weile 
Gärt's in dem tück'ſchen Feuerſchlunde, ladet 
Sich aus mit tobender Gewalt, und weg 
Treibt über alle Pflanzungen der Menſchen 
Der wilde Strom in grauſender Zerſtörung. 


Wallenſtein. 
Du ſchilderſt deines Vaters Herz. Wie du's 
Beſchreibſt, ſo iſt's in ſeinem Eingeweide, 
In dieſer ſchwarzen Heuchlers Bruſt geſtaltet. 
O mich hat Höllenkunſt getäuſcht. Mir ſandte 
Der Abgrund den verſteckteſten der Geiſter, 
Den Lügekundigſten herauf und ſtellt ihn 
Als Freund an meine Seite. Wer vermag 
Der Hölle Macht zu widerſtehn! Ich zog 
Den Baſilisken auf an meinem Buſen, 


Dritter Aufzug. 18. Auftritt 285 


Mit meinem Herzblut nährt' ich ihn, er ſog 
Sich ſchwelgend voll an meiner Liebe Brüſten, 
Ich hatte nimmer Arges gegen ihn, 
Weit offen ließ ich des Gedankens Tore 
2116 Und warf die Schlüſſel weiſer Vorſicht weg — 
Am Sternenhimmel ſuchten meine Augen, 
Im weiten Weltenraum den Feind, den ich 
Im Herzen meines Herzens eingeſchloſſen. 
— Wär' ich dem Ferdinand geweſen, was 
2120 Octavio mir war — Ich hätt' ihm nie 
Krieg angekündigt — nie hätt' ich's vermocht. 
Er war mein ſtrenger Herr nur, nicht mein Freund, 
Nicht meiner Treu vertraute ſich der Kaiſer. 
Krieg war ſchon zwiſchen mir und ihm, als er 
2125 Den Feldherrnſtab in meine Hände legte; 
Denn Krieg iſt ewig zwiſchen Liſt und Argwohn, 
Nur zwiſchen Glauben und Vertraun iſt Friede 
Wer das Vertraun vergiftet, o der mordet 
Das werdende Geſchlecht im Leib der Mutter. 


Mar. 

2130 Ich will den Vater nicht verteidigen. 
Weh mir, daß ich's nicht kann! 
Unglücklich ſchwere Taten ſind geſchehn, 
Und eine Frevelhandlung faßt die andre 
In enggeſchloßner Kette grauſend an. 

2136 Doch wie gerieten wir, die nichts verſchuldet, 
In dieſen Kreis des Unglücks und Verbrechens? 
Wem brachen wir die Treue? Warum muß 
Der Väter Doppelſchuld und Freveltat 
Uns gräßlich wie ein Schlangenpaar umwinden? 

2140 Warum der Väter unverſöhnter Haß 
Auch uns, die Liebenden, zerreißend ſcheiden? 

(Er umſchlingt Thekla mit heftigem Schmerz.) 


286 Wallenſteins Tod 


8 Wallenſtein 
(hat den Blick ſchweigend auf ihn geheftet und nähert ſich jetzt). 
Max! Bleibe bei mir. — Geh nicht von mir, Max! 
Sieh, als man dich im Prag'ſchen Winterlager 
Ins Zelt mir brachte, einen zarten Knaben, 
2145 Des deutſchen Winters ungewohnt, die Hand 
War dir erſtarrt an der gewichtigen Fahne, 
Du wollteſt männlich ſie nicht laſſen, damals nahm ich 
Dich auf, bedeckte dich mit meinem Mantel, 
Ich ſelbſt war deine Wärterin, nicht ſchämt' ich 
2150 Der kleinen Dienſte mich, ich pflegte deiner 
Mit weiblich ſorgender Geſchäftigkeit, 
Bis du, von mir erwärmt, an meinem Herzen, 
Das junge Leben wieder freudig fühlteſt. 
Wann hab' ich ſeitdem meinen Sinn verändert? 
2155 Ich habe viele Tauſend reich gemacht, 
Mit Ländereien ſie beſchenkt, belohnt 
Mit Ehrenſtellen — dich hab' ich geliebt, 
Mein Herz, mich ſelber hab' ich dir gegeben. 
Sie alle waren Fremdlinge, du warſt 
2160 Das Kind des Hauſes — Max! du kannſt mich nicht verlaſſen! 
Es kann nicht ſein, ich mag's und will's nicht glauben, 
Daß mich der Max verlaſſen kann. 


Mar. 


Wallenſtein. 
Ich habe dich gehalten und getragen 
Von Kindesbeinen an — Was tat dein Vater 
2168 Für dich, das ich nicht reichlich auch getan? 
Ein Liebesnetz hab' ich um dich geſponnen, 
Zerreiß es, wenn du kannſt — Du biſt an mich 
Geknüpft mit jedem zarten Seelenbande, 
Mit jeder heil'gen Feſſel der Natur, 
2170 Die Menſchen an einander ketten kann. 


O Gott! 


2176 


2180 


2185 


2190 


Dritter Aufzug. 18. Auftritt 287 


Geh hin, verlaß mich, diene deinem Kaiſer, 
Laß dich mit einem goldnen Gnadenkettlein, 
Mit ſeinem Widderfell dafür belohnen, 

Daß dir der Freund, der Vater deiner Jugend, 
Daß dir das heiligſte Gefühl nichts galt. 


Mar lin heftigem Kampf). 
O Gott! Wie kann ich anders? Muß ich nicht? 
Mein Eid — die Pflicht — 


Wallenſtein. 
Pflicht, gegen wen? Wer biſt du? 

Wenn ich am Kaiſer unrecht handle, iſt's 
Mein Unrecht, nicht das deinige. Gehörſt 
Du dir? Biſt du dein eigener Gebieter, 
Stehſt frei da in der Welt, wie ich, daß du 
Der Täter deiner Taten könnteſt ſein? 
Auf mich biſt du gepflanzt, ich bin dein Kaiſer, 
Mir angehören, mir gehorchen, das 
Iſt deine Ehre, dein Naturgeſetz. 
Und wenn der Stern, auf dem du lebſt und wohnſt, 
Aus ſeinem Gleiſe tritt, ſich brennend wirft 
Auf eine nächſte Welt und ſie entzündet, 
Du kannſt nicht wählen, ob du folgen willſt, 
Fort reißt er dich in ſeines Schwunges Kraft 
Samt ſeinem Ring und allen ſeinen Monden. 
Mit leichter Schuld gehſt du in dieſen Streit, 
Dich wird die Welt nicht tadeln, ſie wird's loben, 
Daß dir der Freund das meiſte hat gegolten. 


2195 


2205 


288 Wallenſteins Tod 


19. Auftritt 
Vorige. Neumann. 


Wallenſtein. 
Was gibt's? 

Neumann. 
Die Pappenheimiſchen ſind abgeſeſſen 
Und rücken an zu Fuß; ſie ſind entſchloſſen, 
Den Degen in der Hand das Haus zu ſtürmen, 
Den Grafen wollen ſie befrein. 


Wallenſtein (zu Tergty). 
Man ſoll 
Die Ketten vorziehn, das Geſchütz aufpflanzen. 
Mit Kettenkugeln will ich ſie empfangen. 
(Terzky geht.) 

Mir vorzuſchreiben mit dem Schwert! Geh, Neumann, 
Sie ſollen ſich zurückziehn, augenblicks, 
Iſt mein Befehl, und in der Ordnung ſchweigend warten, 
Was mir gefallen wird zu tun. 

(Neumann geht ab. Illo iſt ans Fenſter getreten.) 


Grifin, 
Entlaß ihn. 
Ich bitte dich, entlaß ihn! 


Illo (am Fenſter). 


Tod und Teufel! 


Wallenſtein. 

Was iſt's? 

Illo. 

Aufs Rathaus ſteigen ſie, das Dach 

Wird abgedeckt, ſie richten die Kanonen 
Aufs Haus — 

Mar. 

Die Raſenden! 


Dritter Aufzug. 20. Auftritt 289 


Allo. 
Sie machen Anſtalt, 
2210 Uns zu beſchießen — 


Herzogin und Gräfin. 
Gott im Himmel! 


Mar (zu Wallenſtein). 
Laß mich 
Hinunter, ſie bedeuten — 
Wallenſtein. 
Keinen Schritt! 


Mar lauf Thekla und die Herzogin zeigend). 
Ihr Leben aber! Deins! 


Wallenſtein. 
Was bringſt du, Terzky? 


20. Auftritt 


Vorige. Terzky kommt zurück. 


Terzky. 

Botſchaft von unſern treuen Regimentern. 
Ihr Mut ſei länger nicht zu bändigen, 

2215 Sie flehen um Erlaubnis, anzugreifen, 
Vom Prager⸗ und vom Mühl⸗Tor ſind fie Herr, 
Und wenn du nur die Loſung wollteſt geben, 
So könnten ſie den Feind im Rücken faſſen, 
Ihn in die Stadt einkeilen, in der Enge 

2220 Der Straßen leicht ihn überwältigen. 


Allo. 
O komm! Laß ihren Eifer nicht erkalten. 


Die Buttleriſchen halten treu zu uns, 
Schillers Werke. V. 19 


— 


290 Wallenſteins Tod 


2225 


2230 


2235 


2240 


2245 


Wir find die größre Zahl und werfen fie 
Und enden hier in Pilſen die Empörung. 
Wallenſtein. 
Soll dieſe Stadt zum Schlachtgefilde werden 
Und brüderliche Zwietracht, feueraugig, 
Durch ihre Straßen losgelaſſen toben? 
Dem tauben Grimm, der keinen Führer hört, 
Soll die Entſcheidung übergeben ſein? 
Hier ijt nicht Raum zum Schlagen, nur zum Würgen; 
Die losgebundnen Furien der Wut 
Ruft keines Herrſchers Stimme mehr zurück. 
Wohl, es mag ſein! Ich hab' es lang' bedacht, 
So mag ſich's raſch und blutig denn entladen. 
(Zu Max gewendet.) 
Wie iſt's? Willſt du den Gang mit mir verſuchen? 
Freiheit zu gehen haſt du. Stelle dich 
Mir gegenüber. Führe ſie zum Kampf. 
Den Krieg verſtehſt du, haſt bei mir etwas 
Gelernt, ich darf des Gegners mich nicht ſchämen, 
Und keinen ſchönern Tag erlebſt du, mir 
Die Schule zu bezahlen. 
Grifin. 
Sit es dahin 
Gekommen? Vetter! Vetter! könnt Ihr's tragen? 


Mar. 
Die Regimenter, die mir anvertraut ſind, 
Dem Kaiſer treu hinwegzuführen, hab' ich 
Gelobt; dies will ich halten oder ſterben. 
Mehr fordert keine Pflicht von mir. Ich fechte 
Nicht gegen dich, wenn ich's vermeiden kann, 
Denn auch dein feindlich Haupt iſt mir noch heilig. 
(Es geſchehn zwei Schüſſe. Illo und Terzky eilen ans Fenſter.) 


Wallenſtein. 
Was iſt das? 


Dritter Aufzug. 20. Auftritt 291 


Terzky. 
2260 Er ſtürzt. 


Wallenſtein. 
Stürzt! Wer? 


Allo. 
Die Tiefenbacher taten 
Den Schuß. 
Wallenſtein. 
Auf wen? 
Allo. 
Auf dieſen Neumann, den 
Du ſchickteſt — 
Wallenſtein (auffahrend). 
Tod und Teufel! So will ich — 
(Will gehen.) 
Terzky. 
Dich ihrer blinden Wut entgegen ſtellen? 


Herzogin und Gräfin. 
Um Gotteswillen nicht! 
Allo. 
Jetzt nicht, mein Feldherr. 
Gräfin. 
2266 O halt ihn! halt ihn! 
Wallenſtein. 
Laßt mich! 


Mar. 
Tu' es nicht, 
Jetzt nicht. Die blutig raſche Tat hat ſie 
In Wut geſetzt, erwarte ihre Reue — 


Wallenſtein. 
Hinweg! Zu lange ſchon hab' ich gezaudert. 
Das konnten ſie ſich freventlich erkühnen, 


2260 


2265 


2270 


2276 


2280 


292 Wallenſteins Tod 


Weil ſie mein Angeſicht nicht ſahn — ſie ſollen 
Mein Antlitz ſehen, meine Stimme hören — 
Sind es nicht meine Truppen? Bin ich nicht 
Ihr Feldherr und gefürchteter Gebieter? 
Laß ſehn, ob ſie das Antlitz nicht mehr kennen, 
Das ihre Sonne war in dunkler Schlacht. 
Es braucht der Waffen nicht. Ich zeige mich 
Vom Altan dem Rebellenheer, und ſchnell 
Bezähmt, gebt Acht, kehrt der empörte Sinn 
Ins alte Bette des Gehorſams wieder. 

(Er geht. Ihm folgen Illo, Terzky und Buttler.) 


21. Auftritt 
Gräfin. Herzogin. Max und Thekla. 


Griifin (sur Herzogin). 
Wenn fie ihn ſehn — Es iſt noch Hoffnung, Schweſter. 


Herzogin. 
Hoffnung! Ich habe keine. 


Mar 
(der während des letzten Auftritts in einem ſichtbaren Kampf von ferne 
geſtanden, tritt näher). 


Das ertrag' ich nicht. 
Ich kam hieher mit feſt entſchiedner Seele, 
Ich glaubte, recht und tadellos zu tun, 
Und muß hier ſtehen, wie ein Haſſenswerter, 
Ein roh Unmenſchlicher, vom Fluch belaſtet, 
Vom Abſcheu aller, die mir teuer ſind, 
Unwürdig ſchwer bedrängt die Lieben ſehn, 
Die ich mit einem Wort beglücken kann — 
Das Herz in mir empört ſich, es erheben 
Zwei Stimmen ſtreitend ſich in meiner Bruſt, 


2285 


2290 


2295 


2300 


2305 


Dritter Aufzug. 21. Auftritt 293 


In mir iſt Nacht, ich weiß das Rechte nicht zu wählen. 
O wohl, wohl haſt du wahr geredet, Vater, 

Zu viel vertraut' ich auf das eigne Herz, 

Ich ſtehe wankend, weiß nicht, was ich ſoll. 


Grüſin. 
Sie wiſſen's nicht? Ihr Herz ſagt's Ihnen nicht? 
So will ich's Ihnen ſagen! 
Ihr Vater hat den ſchreienden Verrat 
An uns begangen, an des Fürſten Haupt 
Gefrevelt, uns in Schmach geſtürzt, daraus 
Ergibt ſich klar, was Sie, ſein Sohn, tun ſollen: 
Gutmachen, was der Schändliche verbrochen, 
Ein Beiſpiel aufzuſtellen frommer Treu, 
Daß nicht der Name Piccolomini 
Ein Schandlied ſei, ein ew'ger Fluch im Haus 
Der Wallenſteiner. 

Mar. 


Wo iſt eine Stimme 
Der Wahrheit, der ich folgen darf? Uns alle 
Bewegt der Wunſch, die Leidenſchaft. Daß jetzt 
Ein Engel mir vom Himmel niederſtiege, 
Das Rechte mir, das unverfälſchte, ſchöpfte 


Am reinen Lichtquell, mit der reinen Hand! 
(Indem ſeine Augen auf Thekla fallen.) 


Wie? Such' ich dieſen Engel noch? Erwart' ich 
Noch einen andern? 
(Er nähert ſich ihr, den Arm um ſie ſchlagend.) 

Hier, auf dieſes Herz, 

Das unfehlbare, heilig reine will 

Ich's legen, deine Liebe will ich fragen, 

Die nur den Glücklichen beglücken kann, 

Vom unglückſelig Schuldigen ſich wendet. 

Kannſt du mich dann noch lieben, wenn ich bleibe? 

Erkläre, daß du's kannſt, und ich bin euer. 


294 Wallenſteins Tod 


Gräfin (mit Bedeutung). 
Bedenkt — 
Mar (unterbricht ſie). 
Bedenke nichts. Sag', wie du's fühlſt. 


Gräfin. 
2310 An Euren Vater denkt — 


Mar (unterbricht ſie). 
Nicht Friedlands Tochter, 
Ich frage dich, dich, die Geliebte frag' ich! 
Es gilt nicht, eine Krone zu gewinnen, 
Das möchteſt du mit klugem Geiſt bedenken. 
Die Ruhe deines Freundes gilt's, das Glück 
2315 Von einem Tauſend tapfrer Heldenherzen, 
Die ſeine Tat zum Muſter nehmen werden. 
Soll ich dem Kaiſer Eid und Pflicht abſchwören? 
Soll ich ins Lager des Octavio 
Die vatermörderiſche Kugel ſenden? 
2320 Denn wenn die Kugel los iſt aus dem Lauf, 
Iſt ſie kein totes Werkzeug mehr, ſie lebt, 
Ein Geiſt fährt in ſie, die Erinnyen 
Ergreifen ſie, des Frevels Rächerinnen, 
Und führen tückiſch ſie den ärgſten Weg. 


ö Thekla. 
2225 O Max — 
Mar (unterbricht fie). 
Nein, übereile dich auch nicht. 
Ich kenne dich. Dem edeln Herzen könnte 
Die ſchwerſte Pflicht die nächſte ſcheinen. Nicht 
Das Große, nur das Menſchliche geſchehe. 
Denk', was der Fürſt von je an mir getan; 
2330 Denk auch, wie's ihm mein Vater hat vergolten, 
O auch die ſchönen, freien Regungen 


Dritter Aufzug. 21. Auftritt 295 


Der Gaſtlichkeit, der frommen Freundestreue 

Sind eine heilige Religion dem Herzen, 

Schwer rächen ſie die Schauder der Natur 
2335 An dem Barbaren, der ſie gräßlich ſchändet. 

Leg' alles, alles in die Wage, ſprich 

Und laß dein Herz entſcheiden. 


Thekla. 
O das deine 
Hat längſt entſchieden. Folge deinem erſten 


Gefühl — 
Grifin. 


Unglückliche! 
Thekla. 
Wie könnte das 

2340 Das Rechte fein, was dieſes zarte Herz 

Nicht gleich zuerſt ergriffen und gefunden? 

Geh und erfülle deine Pflicht. Ich würde 

Dich immer lieben. Was du auch erwählt, 

Du würdeſt edel ſtets und deiner würdig 
2345 Gehandelt haben — aber Reue ſoll 

Nicht deiner Seele ſchönen Frieden ſtören. 


Mar. 
So muß ich dich verlaſſen, von dir ſcheiden! 


Thekla. 

Wie du dir ſelbſt getreu bleibſt, biſt du's mir. 

Uns trennt das Schickſal, unſre Herzen bleiben einig. 
2360 Ein blut'ger Haß entzweit auf ew'ge Tage 

Die Häuſer Friedland, Piccolomini, 

Doch wir gehören nicht zu unſerm Hauſe. 

— Fort! Eile! Eile, deine gute Sache 

Von unſrer unglückſeligen zu trennen. 
2365 Auf unſerm Haupte liegt der Fluch des Himmels, 


296 Wallenſteins Tod 


Es iſt dem Untergang geweiht. Auch mich 

Wird meines Vaters Schuld mit ins Verderben 
Hinabziehn. Traure nicht um mich, mein Schickſal 
Wird bald entſchieden ſein. 


(Max faßt ſie in die Arme, heftig bewegt. Man hört hinter der Szene 

ein lautes, wildes, langverhallendes Geſchrei: „Vivat Ferdinandus!“ von 

kriegriſchen Inſtrumenten begleitet. Max und Thekla halten einander 
unbeweglich in den Armen.) 


22. Auftritt 


Vorige. Terzky. 
Grüſin (ihm entgegen). 


2360 Was war das? Was bedeutete das Rufen? 


Terzky. 
Es iſt vorbei, und alles iſt verloren. 
Grüſtn. 
Wie, und ſie gaben nichts auf ſeinen Anblick? 
Terzky. 
Nichts. Alles war umſonſt. 
Herzogin. 
Sie riefen Vivat. 
Terzky. 
Dem Kaiſer. 
Grüſin. 
O die Pflichtvergeſſenen! 


Terzky. 


2565 Man ließ ihn nicht einmal zum Worte kommen. 


Als er zu reden anfing, fielen ſie 
Mit kriegeriſchem Spiel betäubend ein. 
— Hier kommt er. 


2370 


2375 


Dritter Aufzug. 23. Auftritt 297 


23. Auftritt 


Vorige. Wallenſtein, begleitet von Illo und Buttler. Darauf 
Küraſſiere. 


Wallenſtein (im Kommen). 
Terzky! 
Terzky. 
Mein Fürſt? 


Wallenſtein. 
Laß unſre Regimenter 
Sich fertig halten, heut' noch aufzubrechen, 
Denn wir verlaſſen Pilſen noch vor Abend. 
(Terzky geht ab.) 
Buttler — 
Buttler. 


Mein General? — 


Wallenſtein. 
Der Kommendant zu Eger 
Iſt Euer Freund und Landsmann. Schreibt ihm gleich 
Durch einen Eilenden, er ſoll bereit ſein, 
Uns morgen in die Feſtung einzunehmen — 
Ihr folgt uns ſelbſt mit Euerm Regiment. 


Buttler. 
Es ſoll geſchehn, mein Feldherr. 


Mallenſtein 
(tritt zwiſchen Max und Thekla, welche ſich während dieſer Zeit feſt um- 
ſchlungen gehalten). 


Scheidet! 
Mar. 
Gott! 
(Küraſſiere mit gezogenem Gewehr treten in den Saal und ſammeln ſich 


im Hintergrunde. Zugleich hört man unten einige mutige Paſſagen aus 
dem Pappenheimer Marſch, welche dem Max zu rufen ſcheinen.) 


298 Wallenſteins Tod 


Wallen ſtein (zu den Küraſſieren). 


Hier iſt er. Er iſt frei. Ich halt' ihn nicht mehr. 
(Er ſteht abgewendet und ſo, daß Max ihm nicht beikommen, noch ſich dem 
Fräulein nähern kann.) 


Mar. 

Du haſſeſt mich, treibſt mich im Zorn von dir. 
2380 Zerreißen ſoll das Band der alten Liebe, 

Nicht ſanft ſich löſen, und du willſt den Riß, 

Den ſchmerzlichen, mir ſchmerzlicher noch machen! 

Du weißt, ich habe ohne dich zu leben 

Noch nicht gelernt — in eine Wüſte geh' ich 
2388 Hinaus, und alles, was mir wert iſt, alles 

Bleibt hier zurück — O wende deine Augen 

Nicht von mir weg! Noch einmal zeige mir 

Dein ewig teures und verehrtes Antlitz. 

Verſtoß mich nicht — 


(Er will ſeine Hand faſſen. Wallenſtein zieht ſie zurück. Er wendet ſich 
an die Gräfin.) 


Iſt hier kein andres Auge, 
230 Das Mitleid für mich hatte — Baſe Terzky — 
(Sie wendet ſich von ihm; er kehrt ſich zur . 
Ehrwürd'ge Mutter — 


Herzogin. 
Gehn Sie, Graf, wohin 
Die Pflicht Sie ruft — So können Sie uns einſt 
Ein treuer Freund, ein guter Engel werden 
Am Thron des Kaiſers. 


Mar. 
Hoffnung geben Sie mir, 
2305 Sie wollen mich nicht ganz verzweifeln laſſen. 
O täuſchen Sie mich nicht mit leerem Blendwerk, 
Mein Unglück iſt gewiß, und Dank dem Himmel! 
Der mir ein Mittel eingibt, es zu enden. 


(Die Kriegsmuſik beginnt wieder. Der Saal füllt ſich mehr und mehr mit 
Bewaffneten an. Er ſieht Buttlern daſtehn.) 


2400 


2405 


2410 


Dritter Aufzug. 23. Auftritt 299 


Ihr auch hier, Oberſt Buttler — Und Ihr wollt mir 
Nicht folgen? — Wohl! Bleibt Eurem neuen Herrn 
Getreuer als dem alten. Kommt! Verſprecht mir, 
Die Hand gebt mir darauf, daß Ihr ſein Leben 
Beſchützen, unverletzlich wollt bewahren. 


(Buttler verweigert ſeine Hand.) 


Des Kaiſers Acht hängt über ihm und gibt 

Sein fürſtlich Haupt jedwedem Mordknecht preis, 
Der ſich den Lohn der Bluttat will verdienen; 
Jetzt tät' ihm eines Freundes fromme Sorge, 
Der Liebe treues Auge not — und die 

Ich ſcheidend um ihn ſeh' — 


(Zweideutige Blicke auf Illo und Buttler richtend.) 


Allo. 
Sucht die Verräter 


In Eures Vaters, in des Gallas Lager. 
Hier iſt nur einer noch. Geht und befreit uns 
Von ſeinem haſſenswürd'gen Anblick. Geht. 


(Max verſucht es noch einmal, ſich der Thekla zu nähern. Wallenſtein 
verhindert es. Er ſteht unſchlüſſig, ſchmerzvoll; indes füllt ſich der Saal 
immer mehr und mehr, und die Hörner ertönen unten immer auffor⸗ 


2415 


2420 


dernder und in immer kürzeren Pauſen.) 


Mar. 

Blaſt! Blaſt — O wären es die ſchwed'ſchen Hörner, 
Und ging's von hier gerad ins Feld des Todes, 
Und alle Schwerter, alle, die ich hier 
Entblößt muß ſehn, durchdrängen meinen Buſen! 
Was wollt ihr? Kommt ihr, mich von hier hinweg 
Zu reißen — o treibt mich nicht zur Verzweiflung! 
Tut's nicht! Ihr könntet es bereunl! 

(Der Saal iſt ganz mit Bewaffneten erfüllt.) 
Noch mehr — Es hängt Gewicht ſich an Gewicht, 
Und ihre Maſſe zieht mich ſchwer hinab. — 
Bedenket, was ihr tut. Es iſt nicht wohlgetan, 
Zum Führer den Verzweifelnden zu wählen. 


300 Wallenſteins Tod 


Ihr reißt mich weg von meinem Glück, wohlan, 
2425 Der Rachegöttin weih' ich eure Seelen! 

Ihr habt gewählt zum eigenen Verderben, 

Wer mit mir geht, der ſei bereit zu ſterben! 


(Indem er ſich nach dem Hintergrund wendet, entſteht eine raſche Be— 

wegung unter den Küraſſieren, ſie umgeben und begleiten ihn in wildem 

Tumult. Wallenſtein bleibt unbeweglich. Thekla ſinkt in ihrer Mutter 
Arme. Der Vorhang fällt.) 


Vierter Aufzug 
In des Bürgermeiſters Hauſe zu Eger. 
. 1. Auftritt 


Buttler, der eben anlangt. 


Er iſt herein. Ihn führte ſein Verhängnis, 
Der Rechen iſt gefallen hinter ihm, 

24130 Und wie die Brücke, die ihn trug, beweglich 
Sich niederließ und ſchwebend wieder hob, 
Iſt jeder Rettungsweg ihm abgeſchnitten. 
Bis hieher, Friedland, und nicht weiter! ſagt 
Die Schickſalsgöttin. Aus der böhmiſchen Erde 

2433 Erhub ſich dein bewundert Meteor, 
Weit durch den Himmel einen Glanzweg ziehend, 
Und hier an Böhmens Grenze muß es ſinken! 
— Du haſt die alten Fahnen abgeſchworen, 
Verblendeter, und trauſt dem alten Glück! 

244⁰ Den Krieg zu tragen in des Kaiſers Länder, 
Den heil'gen Herd der Laren umzuſtürzen, 
Bewaffneſt du die frevelhafte Hand. 
Nimm dich in Acht! dich treibt der böſe Geiſt 
Der Rache — daß dich Rache nicht verderbe! 


2445 


2450 


2455 


2460 


2465 


Vierter Aufzug. 2. Auftritt 3 


2. Auftritt 
Buttler und Gordon. 


Gordon. 


Seid Ihr's? O wie verlangt mich, Euch zu hören. 


Der Herzog ein Verräter! O mein Gott! 

Und flüchtig! Und ſein fürſtlich Haupt geächtet! 
Ich bitt' Euch, General, ſagt mir ausführlich, 
Wie alles dies zu Pilſen ſich begeben? 


Buttler. 
Ihr habt den Brief erhalten, den ich Euch 
Durch einen Eilenden vorausgeſendet? 


Gordon. 
Und habe treu getan, wie Ihr mich hießt, 
Die Feſtung unbedenklich ihm geöffnet, 
Denn mir befiehlt ein kaiſerlicher Brief, 
Nach Eurer Ordre blindlings mich zu fügen. 
Jedoch verzeiht! als ich den Fürſten ſelbſt 
Nun ſah, da fing ich wieder an, zu zweifeln. 
Denn wahrlich! nicht als ein Geächteter 
Trat Herzog Friedland ein in dieſe Stadt. 
Von ſeiner Stirne leuchtete wie ſonſt 
Des Herrſchers Majeſtät, Gehorſam fordernd, 
Und ruhig, wie in Tagen guter Ordnung, 
Nahm er des Amtes Rechenſchaft mir ab. 
Leutſelig macht das Mißgeſchick, die Schuld, 
Und ſchmeichelnd zum geringern Manne pflegt 
Gefallner Stolz herunter ſich zu beugen; 
Doch ſparſam und mit Würde wog der Fürſt 
Mir jedes Wort des Beifalls, wie der Herr 
Den Diener lobt, der ſeine Pflicht getan. 


302 Wallenſteins Tod 


2470 


2475 


2480 


2485 


2490 


2495 


Vuttler. 
Wie ich Euch ſchrieb, fo iſt's genau geſchehn. 
Es hat der Fürſt dem Feinde die Armee 
Verkauft, ihm Prag und Eger öffnen wollen. 
Verlaſſen haben ihn auf dies Gerücht 
Die Regimenter alle bis auf fünfe, 
Die Terzky'ſchen, die ihm hieher gefolgt. 
Die Acht iſt ausgeſprochen über ihn, 
Und ihn zu liefern, lebend oder tot, 
Iſt jeder treue Diener aufgefordert. 


Gordon. 
Verräter an dem Kaiſer — ſolch ein Herr! 
So hochbegabt! O was iſt Menſchengröße! 
Ich ſagt' es oft: das kann nicht glücklich enden; 
Zum Fallſtrick ward ihm ſeine Größ' und Macht 
Und dieſe dunkelſchwankende Gewalt. 
Denn um ſich greift der Menſch, nicht darf man ihn 
Der eignen Mäßigung vertraun. Ihn hält 
In Schranken nur das deutliche Geſetz 
Und der Gebräuche tiefgetretne Spur. 
Doch unnatürlich war und neuer Art 
Die Kriegsgewalt in dieſes Mannes Händen; 
Dem Kaiſer ſelber ſtellte ſie ihn gleich, 
Der ſtolze Geiſt verlernte, ſich zu beugen. 
O ſchad' um ſolchen Mann! denn keiner möchte 
Da feſte ſtehen, mein’ ich, wo er fiel. 


Vuttler. 
Spart Eure Klagen, bis er Mitleid braucht, 
Denn jetzt noch iſt der Mächtige zu fürchten. 
Die Schweden ſind im Anmarſch gegen Eger, 
Und ſchnell, wenn wir's nicht raſch entſchloſſen hindern, 
Wird die Vereinigung geſchehn. Das darf nicht ſein! 
Es darf der Fürſt nicht freien Fußes mehr 


2500 


2506 


2510 


2615 


2520 


2526 


Vierter Aufzug. 2. Auftritt 303 


Aus dieſem Platz, denn Ehr' und Leben hab' ich 

Verpfändet, ihn gefangen hier zu nehmen, 

Und Euer Beiſtand iſt's, auf den ich rechne. 
Gordon. 

O hätt' ich nimmer dieſen Tag geſehn! 

Aus ſeiner Hand empfing ich dieſe Würde, 

Er ſelber hat dies Schloß mir anvertraut, 

Das ich in ſeinen Kerker ſoll verwandeln. 

Wir Subalternen haben keinen Willen; 

Der freie Mann, der mächtige allein 

Gehorcht dem ſchönen menſchlichen Gefühl. 

Wir aber ſind nur Schergen des Geſetzes, 

Des grauſamen; Gehorſam heißt die Tugend, 

Um die der Niedre ſich bewerben darf. ‘ 


Buttler, 
Laßt Euch das enggebundene Vermögen 
Nicht leid tun. Wo viel Freiheit, iſt viel Irrtum, 
Doch ſicher iſt der ſchmale Weg der Pflicht. 


Gordon. 
So hat ihn alles denn verlaſſen, ſagt Ihr? 
Er hat das Glück von Tauſenden gegründet, 
Denn königlich war ſein Gemüt, und ſtets 
Zum Geben war die volle Hand geöffnet — 
(Mit einem Seitenblick auf Buttlern.) 
Vom Staube hat er manchen aufgeleſen, 
Zu hoher Ehr' und Würden ihn erhöht 
Und hat ſich keinen Freund damit, nicht einen 
Erkauft, der in der Not ihm Farbe hielt! 
Buttler. 
Hier lebt ihm einer, den er kaum gehofft. 


Gordon. 
Ich hab' mich keiner Gunſt von ihm erfreut. 


304 Wallenſteins Tod 


Faſt zweifl' ich, ob er je in ſeiner Größe 
Sich eines Jugendfreunds erinnert hat — 
Denn fern von ihm hielt mich der Dienſt, ſein Auge 
Verlor mich in den Mauern dieſer Burg, 
2530 Wo ich, von ſeiner Gnade nicht erreicht, 
Das freie Herz im ſtillen mir bewahrte. 
Denn als er mich in dieſes Schloß geſetzt, 
War's ihm noch Ernſt um ſeine Pflicht; nicht ſein 
Vertrauen täuſch' ich, wenn ich treu bewahre, 
2635 Was meiner Treue übergeben ward. 


Buttler, 
So ſagt, wollt Ihr die Acht an ihm vollziehn, 
Mir Eure Hilfe leihn, ihn zu verhaften? 
Gordon 
(nach einem nachdenklichen Stillſchweigen kummervoll). 
Iſt es an dem — verhält ſich's, wie Ihr ſprecht 
Hat er den Kaiſer, ſeinen Herrn, verraten, 

2540 Das Heer verkauft, die Feſtungen des Landes 
Dem Reichsfeind öffnen wollen — Ja, dann iſt 
Nicht Rettung mehr für ihn — Doch es iſt hart, 
Daß unter allen eben mich das Los 
Zum Werkzeug ſeines Sturzes muß erwählen. 

2545 Denn Pagen waren wir am Hof zu Burgau 
Zu gleicher Zeit, ich aber war der ältre. 


Vuttler. 


| 


Ich weiß davon. 
Gordon. 

Wohl dreißig Jahre ſind's. Da ſtrebte ſchon 

Der kühne Mut im zwanzigjähr'gen Jüngling. 
2550 Ernſt über ſeine Jahre war fein Sinn, 

Auf große Dinge männlich nur gerichtet. 

Durch unſre Mitte ging er ſtillen Geiſts, 

Sich ſelber die Geſellſchaft; nicht die Luſt, 


2555 


2560 


2565 


2570 


2575 


Vierter Aufzug. 2. Auftritt 305 


Die kindiſche, der Knaben zog ihn an; 

Doch oft ergriff's ihn plötzlich wunderſam, 

Und der geheimnisvollen Bruſt entfuhr, 

Sinnvoll und leuchtend, ein Gedankenſtrahl, 

Daß wir uns ſtaunend anſahn, nicht recht wiſſend, 
Ob Wahnſinn, ob ein Gott aus ihm geſprochen. 


Nuttler. 
Dort war's, wo er zwei Stock hoch niederſtürzte, 
Als er im Fenſterbogen eingeſchlummert, 
Und unbeſchädigt ſtand er wieder auf. 
Von dieſem Tag an, ſagt man, ließen ſich 
Anwandlungen des Wahnſinns bei ihm ſpüren. 


Gordon. 
Tiefſinn'ger wurd' er, das iſt wahr, er wurde 
Katholiſch. Wunderbar hatt' ihn das Wunder 
Der Rettung umgekehrt. Er hielt ſich nun 
Für ein begünſtigt und befreites Weſen, 
Und keck wie einer, der nicht ſtraucheln kann, 
Lief er auf ſchwankem Seil des Lebens hin. 
Nachher führt' uns das Schickſal auseinander 
Weit, weit! Er ging der Größe kühnen Weg, 
Mit ſchnellem Schritt, ich ſah ihn ſchwindelnd gehn, 
Ward Graf und Fürſt und Herzog und Diktator, 
Und jetzt iſt alles ihm zu klein, er ſtreckt 
Die Hände nach der Königskrone aus 
Und ſtürzt in unermeßliches Verderben! 


Buttler, 
Brecht ab. Er kommt. 


Schillers Werke. V. 20 


306 Wallenſteins Tod 


3. Auftritt 


Wallenſtein im Geſpräch mit dem Bürgermeiſter von Eger. 
Die Vorigen. 


Wallenſtein. 
Ihr wart ſonſt eine freie Stadt? Ich ſeh', 
2880 Ihr führt den halben Adler in dem Wappen. 
Warum den halben nur? 
Bürgermeiſter. 
Wir waren reichsfrei, 
Doch ſeit zweihundert Jahren iſt die Stadt 
Der böhm'ſchen Kron' verpfändet. Daher rührt's, 
Daß wir nur noch den halben Adler führen. 
2585 Der untre Teil iſt kanzelliert, bis etwa 
Das Reich uns wieder einlöſt. 


Wallenſtein. 
Ihr verdientet 
Die Freiheit. Haltet euch nur brav. Gebt keinem 
Aufwieglervolk Gehör. Wie hoch ſeid ihr 
Beſteuert? 
Bürgermeiſter (zuckt die Achſeln). 
Daß wir's kaum erſchwingen können. 
2590 Die Garniſon lebt auch auf unſre Koſten. 


Wallenſtein. 
Ihr ſollt erleichtert werden. Sagt mir an, 
Es ſind noch Proteſtanten in der Stadt? 
(Bürgermeiſter ſtutzt.) 
Ja, ja. Ich weiß es. Es verbergen ſich noch viele 
In dieſen Mauern — ja! geſteht's nur frei — 
2595 Ihr ſelbſt — Nicht wahr? 
(Fixiert ihn mit den Augen. Bürgermeiſter erſchrickt.) 
Seid ohne Furcht. Ich haſſe 

Die Jeſuiten — Läg's an mir, ſie wären längſt 


Vierter Aufzug. 3. Auftritt 307 


Aus Reiches Grenzen — Meßbuch oder Bibel! 
Mir iſt's all eins — Ich hab's der Welt bewieſen — 
In Glogau hab' ich ſelber eine Kirch' 
2600 Den Evangeliſchen erbauen laſſen. 
— Hört, Bürgermeiſter — wie iſt Euer Name? 


Bürgermeiſter. 
Pachhälbel, mein erlauchter Fürſt. 


Wallenſtein. 
Hört — aber ſagt's nicht weiter, was ich Euch 
Jetzt im Vertraun eröffne. 
(Ihm die Hand auf die Achſel legend, mit einer gewiſſen Feierlichkeit.) 
Die Erfüllung 
2605 Der Zeiten ijt gekommen, Bürgermeiſter. 
Die Hohen werden fallen, und die Niedrigen 
Erheben ſich — Behaltet's aber bei Euch! 
Die ſpaniſche Doppel herrſchaft neiget ſich 
Zu ihrem Ende, eine neue Ordnung 
2610 Der Dinge führt ſich ein — Ihr ſaht doch jüngſt 
Am Himmel die drei Monde? 


Biirgermeificr, 
Mit Entſetzen. 


Wallenſtein. 
Davon ſich zwei in blut'ge Dolchgeſtalt 
Verzogen und verwandelten. Nur einer, 
Der mittlere blieb ſtehn in ſeiner Klarheit. 


DBürgermeiſter. 
2615 Wir zogen's auf den Türken. 


Wallenſtein. 
Türken! Was? 
Zwei Reiche werden blutig untergehen 


308 Wallenſteins Tod 


Im Oſten und im Weſten, ſag' ich Euch, 
Und nur der lutheriſche Glaub' wird bleiben. 
(Er bemerkt die zwei andern.) 
Ein ſtarkes Schießen war ja dieſen Abend 
2620 Zur linken Hand, als wir den Weg hieher 
Gemacht. Vernahm man's auch hier in der Feſtung? 


Gordon. 
Wohl hörten wir's, mein General. Es brachte 
Der Wind den Schall gerad von Süden her. 


Buttler. 
Von Neuſtadt oder Weiden ſchien's zu kommen. 


Wallenſtein. 
2625 Das ijt der Weg, auf dem die Schweden nahn. 
Wie ſtark ijt die Beſatzung? 


Gordon. 
Hundertachtzig 
Dienſtfähige Mann, der Reſt ſind Invaliden. 


Wallenſtein. 
Und wieviel ſtehn im Jochimstal? 


Gordon. 
Zweihundert 
Arkebuſierer hab' ich hingeſchickt, 
2630 Den Poſten zu verſtärken gegen die Schweden. 


Wallenſtein. 
Ich lobe Eure Vorſicht. An den Werken 
Wird auch gebaut. Ich ſah's bei der Hereinfahrt. 


Gordon. 
Weil uns der Rheingraf jetzt ſo nah bedrängt, 
Ließ ich noch zwei Paſteien ſchnell errichten. 


2636 


2640 


2645 


2650 


Vierter Aufzug. 4. Auftritt 309 


Wallenſtein. 
Ihr ſeid genau in Eures Kaiſers Dienſt. 


Ich bin mit Euch zufrieden, Oberſtleutnant. 
(Zu Buttlern.) 


Der Poſten in dem Jochimstal ſoll abziehn 
Samt allen, die dem Feind entgegen ſtehn. 
(Zu Gordon.) 
In Euren treuen Händen, Kommendant, 
Laſſ' ich mein Weib, mein Kind und meine Schweſter. 
Denn hier iſt meines Bleibens nicht; nur Briefe 
Erwart' ich, mit dem früheſten die Feſtung 
Samt allen Regimentern zu verlaſſen. 


4. Auftritt 
Vorige. Graf Terzky. 


Terzky. 
Willkommne Botſchaft! Frohe Zeitungen! 
Wallenſtein. 
Was bringſt du? 
Terzky. 


Eine Schlacht iſt vorgefallen 
Bei Neuſtadt, und die Schweden blieben Sieger. 


Wallenſtein. 
Was ſagſt du? Woher kommt dir dieſe Nachricht? 


Terzky. 

Ein Landmann bracht' es mit von Tirſchenreit, 
Nach Sonnenuntergang hab's angefangen, 

Ein kaiſerlicher Trupp von Tachau her 

Sei eingebrochen in das ſchwed'ſche Lager, 
Zwei Stunden hab' das Schießen angehalten, 
Und tauſend Kaiſerliche ſei'n geblieben, 

Ihr Oberſt mit, mehr wußt' er nicht zu ſagen. 


310 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein. 
2655 Wie käme kaiſerliches Volk nach Neuſtadt? 
Der Altringer, er müßte Flügel haben, 
Stand geſtern vierzehn Meilen noch von da; 
Des Gallas Völker ſammeln ſich zu Fraunberg 
Und ſind noch nicht beiſammen. Hätte ſich 
2660 Der Suys etwa fo weit vorgewagt? 


Es kann nicht ſein. 
(Illo erſcheint.) 


Terzky. 
Wir werden's alsbald hören, 
Denn hier kommt Illo fröhlich und voll Eile. 


5. Auftritt 
Illo. Die Vorigen. 


Allo (zu Wallenſtein). 
Ein Reitender iſt da und will dich ſprechen. 


Terzky. 
Hat's mit dem Siege ſich beſtätigt? Sprich! 


Wallenſtein. 
2066 Was bringt er? Woher kommt er? 


Allo. 
Von dem Rheingraf, 


Und was er bringt, will ich voraus dir melden. 
Die Schweden ſtehn fünf Meilen nur von hier, 
Bei Neuſtadt hab' der Piccolomini 
Sich mit der Reiterei auf ſie geworfen, 
2670 Ein fürchterliches Morden ſei geſchehn, 
Doch endlich hab' die Menge überwältigt, 
Die Pappenheimer alle, auch der Max, 
Der ſie geführt — ſei'n auf dem Platz geblieben. 


Vierter Aufzug. 6. Auftritt 311 


Wallenſtein. 
Wo iſt der Bote? Bringt mich zu ihm. 


Will abgehen. Indem ſtürzt Fräulein Neubrunn ins Zimmer, 
ihr folgen einige Bediente, die durch den Saal rennen. 


Neubrunn. 


Hilfe! Hilfe! 
Allo und Terzky. 
2676 Was gibt's? 


Neubrunn. 
Das Fräulein! — 


Wallenſtein und Terzky. 
Weiß ſie's? 
Neubrunn. 


Sie will ſterben. 
(Eilt fort. Wallenſtein und Terzky mit Illo ihr nach.) 


6. Auftritt 
Buttler und Gordon. 


Gordon lerſtaunt). 
Erklärt mir. Was bedeutete der Auftritt? 


Buttler. 
Sie hat den Mann verloren, den ſie liebte, 
Der Piccolomini war's, der umgekommen. 


Gordon. 
Unglücklich Fräulein! 


Buttler. 
2680 Ihr habt gehört, was dieſer Illo brachte, 
Daß ſich die Schweden ſiegend nahn. 


Gordon. 
Wohl hört' ich's. 


312 Wallenſteins Tod 


Buttler. 
Zwölf Regimenter ſind ſie ſtark, und fünf 
Stehn in der Näh', den Herzog zu beſchützen. 
Wir haben nur mein einzig Regiment, 
2685 Und nicht zweihundert ſtark ijt die Beſatzung. 


N Gordon. 

So iſt's. 

Buttler. 

Nicht möglich iſt's, mit ſo geringer Mannſchaft 
Solch einen Staatsgefangnen zu bewahren. 


Gordon. 
Das ſeh' ich ein. 
Buttler. 
2690 Die Menge hätte bald das kleine Häuflein 
Entwaffnet, ihn befreit. 
Gordon. 
Das iſt zu fürchten. 
Buttler (nach einer Pauſe). 
Wißt! Ich bin Bürge worden für den Ausgang, 
Mit meinem Haupte haft' ich für das ſeine, 
Wort muß ich halten, führ's wohin es will, 
2008 Und iſt der Lebende nicht zu bewahren, 
So iſt — der Tote uns gewiß. 


Gordon. 
Verſteh' ich Euch? Gerechter Gott! Ihr könntet — 


Buttler. 
Er darf nicht leben. 
Gordon. 
Ihr vermöchtet's? 


Buttler. 
Ihr oder ich. Er ſah den letzten Morgen. 


2700 


2705 


2710 


Vierter Aufzug. 6. Auftritt 313 


Gordon. 
Ermorden wollt Ihr ihn? 


Buttler. 
Das iſt mein Vorſatz. 
Gordon. 
Der Eurer Treu vertraut! 


Buttler. 
Sein böſes Schickſal! 


Gordon. 
Des Feldherrn heilige Perſon! 


Buttler. 
Das war er! 
Gordon. 
O was er war, löſcht kein Verbrechen aus! 
Ohn' Urtel? 
Buttler. 


Die Vollſtreckung iſt ſtatt Urtels. 


Gordon. 
Das wäre Mord und nicht Gerechtigkeit, 
Denn hören muß ſie auch den Schuldigſten. 


Buttler. 
Klar iſt die Schuld, der Kaiſer hat gerichtet, 
Und ſeinen Willen nur vollſtrecken wir. 
Gordon. 
Den blut'gen Spruch muß man nicht raſch vollziehn, 
Ein Wort nimmt ſich, ein Leben nie zurück. 
Buttler. 
Der hurt'ge Dienſt gefällt den Königen. 
Gordon. 
Zu Henkers Dienſt drängt ſich kein edler Mann. 


314 Wallenſteins Tod 


Buttler. 
Kein mutiger erbleicht vor kühner Tat. 


Gordon. 
Das Leben wagt der Mut, nicht das Gewiſſen. 


Vuttler. 
2715 Was? Soll er frei ausgehn, des Krieges Flamme, 
Die unauslöſchliche, aufs neu entzünden? 


Gordon. 
Nehmt ihn gefangen, tötet ihn nur nicht, 
Greift blutig nicht dem Gnadenengel vor. 
Buttler. 
Wär' die Armee des Kaiſers nicht geſchlagen, 
2720 Möcht' ich lebendig ihn erhalten haben. 


Gordon. 

O warum ſchloß ich ihm die Feſtung auf! 
Buttler. 

Der Ort nicht, ſein Verhängnis tötet ihn. 


Gordon. 
Auf dieſen Wällen wär' ich ritterlich, 
Des Kaiſers Schloß verteidigend, geſunken. 


Vuttler. 
2725 Und tauſend brave Männer kamen um! 


Gordon. 


In ihrer Pflicht — das ſchmückt und ehrt den Mann; 
Doch ſchwarzen Mord verfluchte die Natur. 


Buttler leine Schrift hervorlangend). 
Hier iſt das Manifeſt, das uns befiehlt, 
Uns ſeiner zu bemächtigen. Es iſt an Euch 
2730 Gerichtet, wie an mich. Wollt Ihr die Folgen tragen, 
Wenn er zum Feind entrinnt durch unſre Schuld? 


2735 


2740 


2745 


2750 


Vierter Aufzug. 6. Auftritt 315 


Gordon, 
Ich, der Ohnmächtige, o Gott! 


Buttler. 
Nehmt Ihr's auf Euch. Steht für die Folgen ein! 
Mag werden draus was will! Ich leg's auf Euch. 
Gordon. 
O Gott im Himmel! 

Vuttler. 

Wißt Ihr andern Rat, 
Des Kaiſers Meinung zu vollziehen? Sprecht! 
Denn ſtürzen, nicht vernichten will ich ihn. 


Gordon. 
O Gott! Was ſein muß, ſeh' ich klar wie Ihr, 
Doch anders ſchlägt das Herz in meiner Bruſt. 


Buttler. 
Auch dieſer Illo, dieſer Terzky dürfen 
Nicht leben, wenn der Herzog fällt. 


Gordon. 
O nicht um dieſe tut mir's leid. Sie trieb 
Ihr ſchlechtes Herz, nicht die Gewalt der Sterne. 
Sie waren's, die in ſeine ruh'ge Bruſt 
Den Samen böſer Leidenſchaft geſtreut, 
Die mit fluchwürdiger Geſchäftigkeit 
Die Unglücksfrucht in ihm genährt — Mag ſie 
Des böſen Dienſtes böſer Lohn ereilen! 
Buttler. 
Auch ſollen ſie im Tod ihm gleich voran. 
Verabredt iſt ſchon alles. Dieſen Abend 
Bei eines Gaſtmahls Freuden wollten wir 
Sie lebend greifen und im Schloß bewahren. 
Viel kürzer iſt es ſo. Ich geh' ſogleich, 
Die nötigen Befehle zu erteilen. 


316 Wallenſteins Tod 


2755 


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2775 


7. Auftritt 


Vorige. Illo und Terzky. 
Terzky. 
Nun ſoll's bald anders werden! Morgen ziehn 
Die Schweden ein, zwölftauſend tapfre Krieger. 
Dann grad auf Wien. He! Luſtig, Alter! Kein 
So herb Geſicht zu ſolcher Freudenbotſchaft! 


Allo. 
Jetzt iſt's an uns, Geſetze vorzuſchreiben 
Und Rach' zu nehmen an den ſchlechten Menſchen, 
Den ſchändlichen, die uns verlaſſen. Einer 
Hat's ſchon gebüßt, der Piccolomini. 
Ging's allen ſo, die's übel mit uns meinen! 
Wie ſchwer trifft dieſer Schlag das alte Haupt! 
Der hat fein ganzes Leben lang ſich ab- 
Gequält, ſein altes Grafenhaus zu fürſten, 
Und jetzt begräbt er ſeinen einz'gen Sohn! 


Buttler. 
Schad' iſt's doch um den heldenmüt'gen Jüngling, 
Dem Herzog ſelbſt ging's nah, man ſah es wohl. 


Allo. 
Hört, alter Freund! Das iſt es, was mir nie 
Am Herrn gefiel, es war mein ew'ger Zank, 
Er hat die Welſchen immer vorgezogen. 
Auch jetzo noch, ich ſchwör's bei meiner Seele, 
Säh' er uns alle lieber zehnmal tot, 
Könnt' er den Freund damit ins Leben rufen. 


Terzky. 
Still! Still! Nicht weiter! Laß die Toten ruhn! 
Heut' gilt es, wer den andern niedertrinkt, 
Denn Euer Regiment will uns bewirten. 


2780 


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2790 


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2800 


Vierter Aufzug. 7. Auftritt 317 


Wir wollen eine luſt'ge Faßnacht halten, 
Die Nacht ſei einmal Tag, bei vollen Gläſern 
Erwarten wir die ſchwed'ſche Avantgarde. 


Allo. 
Ja, laßt uns heut' noch guter Dinge ſein, 
Denn heiße Tage ſtehen uns bevor. 
Nicht ruhn ſoll dieſer Degen, bis er ſich 
In öſterreich'ſchem Blute ſatt gebadet. 


Gordon. 
Pfui, welche Red' iſt das, Herr Feldmarſchall, 
Warum ſo wüten gegen Euren Kaiſer — 


Buttler. 
Hofft nicht zu viel von dieſem erſten Sieg. 
Bedenkt, wie ſchnell des Glückes Rad ſich dreht, 
Denn immer noch ſehr mächtig iſt der Kaiſer. 


Allo. 
Der Kaiſer hat Soldaten, keinen Feldherrn, 
Denn dieſer König Ferdinand von Ungarn 
Verſteht den Krieg nicht — Gallas? Hat kein Glück 
Und war von jeher nur ein Heerverderber. 
Und dieſe Schlange, der Octavio, 
Kann in die Ferſen heimlich wohl verwunden, 
Doch nicht in offner Schlacht dem Friedland ſtehn. 
Terzky. 
Nicht fehlen kann's uns, glaubt mir's nur. Das Glück 
Verläßt den Herzog nicht; bekannt iſt's ja, 
Nur unterm Wallenſtein kann Oſtreich fiegen. 
Allo. 
Der Fürſt wird eheſtens ein großes Heer 
Beiſammen haben, alles drängt ſich, ſtrömt 
Herbei zum alten Ruhme ſeiner Fahnen. 


318 Wallenſteins Tod 


Die alten Tage ſeh' ich wiederkehren, 

2805 Der Große wird er wieder, der er war — 
Wie werden ſich die Toren dann ins Aug' 
Geſchlagen haben, die ihn jetzt verließen! 
Denn Länder ſchenken wird er ſeinen Freunden 
Und treue Dienſte kaiſerlich belohnen. 

2810 Wir aber find in ſeiner Gunſt die nächſten. 

(Zu Gordon.) 
Auch Eurer wird er dann gedenken, wird Euch 
Aus dieſem Neſte ziehen, Eure Treu 
In einem höhern Poſten glänzen laſſen. 


Gordon. 
Ich bin vergnügt, verlange höher nicht 
2818 Hinauf: wo große Höh', ijt große Tiefe. 


Allo. 
Ihr habt hier weiter nichts mehr zu beſtellen, 
Denn morgen ziehn die Schweden in die Feſtung. 
Kommt, Terzky. Es wird Zeit zum Abendeſſen. 
Was meint Ihr? Laſſen wir die Stadt erleuchten, 
2820 Dem Schwediſchen zur Chr’, und wer's nicht tut, 
Der iſt ein Spaniſcher und ein Verräter. 


Terzky. 
Laßt das. Es wird dem Herzog nicht gefallen. 


Allo. 

Was! Wird ſind Meiſter hier, und keiner ſoll ſich 
Für kaiſerlich bekennen, wo wir herrſchen. 

2825 — Gut’ Nacht, Gordon. Laßt Euch zum letztenmal 
Den Platz empfohlen ſein, ſchickt Runden aus, 
Zur Sicherheit kann man das Wort noch ändern. 
Schlag zehn bringt Ihr dem Herzog ſelbſt die Schlüſſel, 
Dann ſeid Ihr Eures Schließeramtes quitt, 

2830 Denn morgen ziehn die Schweden in die Feſtung. 


2835 


2840 


2845 


Vierter Aufzug. 8. Auftritt 319 


Terzky (im Abgehen zu Buttler). 
Ihr kommt doch auch aufs Schloß? 


Buttler. 
Zu rechter Zeit. 


(Jene gehen ab.) 


8. Auftritt 
Buttler und Gordon. 


Gordon (ihnen nachſehend). 
Die Unglückſeligen! Wie ahnungslos 
Sie in das ausgeſpannte Mordnetz ſtürzen 
In ihrer blinden Siegestrunkenheit! — 
Ich kann ſie nicht beklagen. Dieſer Illo, 
Der übermütig freche Böſewicht, 
Der ſich in ſeines Kaiſers Blut will baden! 


Buttler, 
Tut, wie er Euch befohlen. Schickt Patrouillen 
Herum, ſorgt für die Sicherheit der Feſtung; 
Sind jene oben, ſchließ' ich gleich die Burg, 
Daß in der Stadt nichts von der Tat verlaute! 


Gordon längſtlich). 
O eilt nicht ſo! Erſt ſagt mir — 
Buttler. 
Ihr vernahmt's, 
Der nächſte Morgen ſchon gehört den Schweden. 
Die Nacht nur iſt noch unſer, ſie ſind ſchnell, 
Noch ſchneller wollen wir ſein — Lebet wohl. 


Gordon. 
Ach Eure Blicke ſagen mir nichts Gutes. 
Verſprechet mir — 
Buttler, 
Der Sonne Licht iſt unter, 


320 Wallenſteins Tod 


Herabſteigt ein verhängnisvoller Abend — 
Sie macht ihr Dünkel ſicher. Wehrlos gibt ſie 
2850 Ihr böſer Stern in unſre Hand, und mitten 
In ihrem trunknen Glückeswahne ſoll 
Der ſcharfe Stahl ihr Leben raſch zerſchneiden. 
Ein großer Rechenkünſtler war der Fürſt 
Von jeher, alles wußt' er zu berechnen, 
asss Die Menſchen wußt' er, gleich des Brettſpiels Steinen, 
Nach ſeinem Zweck zu ſetzen und zu ſchieben, 
Nicht Anſtand nahm er, andrer Ehr' und Würde 
Und guten Ruf zu würfeln und zu ſpielen. 
Gerechnet hat er fort und fort, und endlich 
2860 Wird doch der Kalkul irrig ſein; er wird 
Sein Leben ſelbſt hinein gerechnet haben, 
Wie jener dort in ſeinem Zirkel fallen. 


Gordon. 
O ſeiner Fehler nicht gedenket jetzt! 
An ſeine Größe denkt, an ſeine Milde, 
2865 An ſeines Herzens liebenswerte Züge, 
An alle Edeltaten ſeines Lebens, 
Und laßt ſie in das aufgehobne Schwert 
Als Engel bittend, gnadeflehend fallen. 


Buttler. 
Es iſt zu ſpät. Nicht Mitleid darf ich fühlen, 
2870 Ich darf nur blutige Gedanken haben. 
(Gordons Hand faſſend.) 
Gordon! Nicht meines Haſſes Trieb — Ich liebe 
Den Herzog nicht und hab' dazu nicht Urſach — 
Doch nicht mein Haß macht mich zu ſeinem Mörder. 
Sein böſes Schickſal iſt's. Das Unglück treibt mich, 
2876 Die feindliche Zuſammenkunft der Dinge. 
Es denkt der Menſch die freie Tat zu tun, 
Umſonſt! Er iſt das Spielwerk nur der blinden 


~{Ganalt, die aus der eignen Wahl ihm ſchnell 


2880 


2885 


2890 


2895 


2900 


Vierter Aufzug. 8. Auftritt 321 


Die furchtbare Notwendigkeit erſchafft. 
Was hälf's ihm auch, wenn mir für ihn im Herzen 
Was redete — Ich muß ihn dennoch töten. 

Gordon. 
O wenn das Herz Euch warnt, folgt ſeinem Triebe! 
Das Herz iſt Gottes Stimme, Menſchenwerk 
Iſt aller Klugheit künſtliche Berechnung. 
Was kann aus blut'ger Tat Euch Glückliches 
Gedeihen? O aus Blut entſpringt nicht Gutes! 
Soll ſie die Staffel Euch zur Größe bauen? 
O glaubt das nicht — Es kann der Mord bisweilen 
Den Königen, der Mörder nie gefallen. 


Buttler. 
Ihr wißt nicht. Fragt nicht. Warum mußten auch 
Die Schweden ſiegen und ſo eilend nahn! 
Gern überließ ich ihn des Kaiſers Gnade, 
Sein Blut nicht will ich. Nein, er möchte leben. 
Doch meines Wortes Ehre muß ich löſen. 
Und ſterben muß er, oder — hört und wißt! — 
Ich bin entehrt, wenn uns der Fürſt entkommt. 


Gordon. 
O ſolchen Mann zu retten — 


Buttler (janet). 


N Was? 
Gordon. 


Sit eines Opfers wert — Seid edelmütig! 
Das Herz und nicht die Meinung ehrt den Mann. 


Buttler (falt und ſtolz). 
Er iſt ein großer Herr, der Fürſt — Ich aber 
Bin nur ein kleines Haupt, das wollt Ihr ſagen. 
Was liegt der Welt dran, meint Ihr, ob der niedrig 
Geborene ſich ehret oder ſchändet, 


Wenn nur der Fürſtliche gerettet wird. 
Schillers Werke. V. 2 


. 


2910 


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2920 


2925 


322 Wallenſteins Tod 


= Ein jeder gibt den Wert ſich ſelbſt. Wie hoch ich 
Mich ſelbſt anſchlagen will, das ſteht bei mir. 

So hoch geſtellt iſt keiner auf der Erde, 

Daß ich mich ſelber neben ihm verachte. 

Den Menſchen macht ſein Wille groß und klein, 
Und weil ich meinem treu bin, muß er ſterben. 


Gordon. 
O einen Felſen ſtreb' ich zu bewegen! 
Ihr ſeid von Menſchen menſchlich nicht gezeugt. 
Nicht hindern kann ich Euch, ihn aber rette 


Ein Gott aus Eurer fürchterlichen Hand. 
(Sie gehen ab.) 


9. Auftritt 


Ein Zimmer bei der Herzogin. 


Thekla in einem Seſſel, bleich, mit geſchloßnen Augen. Herzog in und 
Fräulein von Neubrunn um ſie beſchäftigt. Wallenſtein und die 
Gräfin im Geſpräch. 


Wallenſtein. 

Wie wußte jie es denn fo ſchnell? 
Grüſin. 
Sie ſcheint 

Unglück geahnt zu haben. Das Gerücht 
Von einer Schlacht erſchreckte ſie, worin 
Der kaiſerliche Oberſt ſei gefallen. 
Ich ſah es gleich. Sie flog dem ſchwediſchen 
Kurier entgegen und entriß ihm ſchnell 
Durch Fragen das unglückliche Geheimnis. 
Zu ſpät vermißten wir ſie, eilten nach, 
Ohnmächtig lag ſie ſchon in ſeinen Armen. 

Wallenſtein. 
So unbereitet mußte dieſer Schlag 
Sie treffen! Armes Kind! — Wie iſt's? Erholt ſie ſich? 


(Indem er ſich zur Herzogin wendet.) 


2930 


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2940 


Vierter Aufzug. 9. Auftritt 323 


Herzogin. 
Sie ſchlägt die Augen auf. 
Grüfin. 
Sie lebt! 


Thekla (ſich umſchauend). 
Wo bin ich? 
Wallenſtein (tritt zu ihr, ſie mit ſeinen Armen aufrichtend). 
Komm zu dir, Thekla. Sei mein ſtarkes Mädchen! 
Sieh deiner Mutter liebende Geſtalt 
Und deines Vaters Arme, die dich halten. 


Thekla (richtet ſich auß). 
Wo iſt er? Iſt er nicht mehr hier? 


Herzogin. 
Wer, meine Tochter? 
Thekla. 
Der dieſes Unglückswort ausſprach — 
Herzogin. 


O denke nicht daran, mein Kind! Hinweg 
Von dieſem Bilde wende die Gedanken. 
Wallenſtein. 
Laßt ihren Kummer reden! Laßt ſie klagen! 
Miſcht eure Tränen mit den ihrigen. 
Denn einen großen Schmerz hat ſie erfahren; 
Doch wird ſie's überſtehn, denn meine Thekla 
Hat ihres Vaters unbezwungnes Herz. 
Thekla. 

Ich bin nicht krank. Ich habe Kraft, zu ſtehn. 
Was weint die Mutter? Hab’ ich fie erſchreckt? 
Es iſt vorüber, ich beſinne mich wieder. 

(Sie iſt aufgeftanden und ſucht mit den Augen im Zimmer.) 
Wo iſt er? Man verberge mir ihn nicht. 
Ich habe Stärke gnug, ich will ihn hören. 


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324 Wallenſteins Tod 


Herzogin. 
Nein, Thekla! Dieſer Unglücksbote ſoll 
Nie wieder unter deine Augen treten. 
Thekla. 
Mein Vater — 
Wallenſtein. 
Liebes Kind! 


Thekla. 
Ich bin nicht ſchwach, 
Ich werde mich auch bald noch mehr erholen. 
Gewähren Sie mir eine Bitte. 


Wallenſtein. 
Sprich! 
Thekla. 
Erlauben Sie, daß dieſer fremde Mann 
Gerufen werde! daß ich ihn allein 
Vernehme und befrage. 


Herzogin. 
Nimmermehr! 


Gräfin. 
Nein! Das iſt nicht zu raten! Gib's nicht zu! 
Wallenſtein. 
Warum willſt du ihn ſprechen, meine Tochter? 


Thekla. 
Ich bin gefaßter, wenn ich alles weiß. 
Ich will nicht hintergangen ſein. Die Mutter 
Will mich nur ſchonen. Ich will nicht geſchont ſein. 
Das Schrecklichſte iſt ja geſagt, ich kann 
Nichts Schrecklichers mehr hören. 


Grifin und Herzogin (zu Wallenſtein). 
Tu es nicht! 


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Vierter Aufzug. 9. Auftritt 825 


Thekla. 
Ich wurde überraſcht von meinem Schrecken, 
Mein Herz verriet mich bei dem fremden Mann, 
Er war ein Zeuge meiner Schwachheit, ja, 
Ich ſank in ſeine Arme — das beſchämt mich. 
Herſtellen muß ich mich in ſeiner Achtung, 
Und ſprechen muß ich ihn, notwendig, daß 
Der fremde Mann nicht ungleich von mir denke. 
Wallenſtein. 
Ich finde, ſie hat Recht — und bin geneigt, 
Ihr dieſe Bitte zu gewähren. Ruft ihn. 
(Fräulein Neubrunn geht hinaus.) 
Herzogin. 
Ich, deine Mutter, aber will dabei ſein. 
Thekla. 
Am liebſten ſpräch' ich ihn allein. Ich werde 
Alsdann um ſo gefaßter mich betragen. 
Wallenſtein (zur Herzogin). 
Laß es geſchehn. Laß ſie's mit ihm allein 
Ausmachen. Es gibt Schmerzen, wo der Menſch 
Sich ſelbſt nur helfen kann, ein ſtarkes Herz 
Will ſich auf ſeine Stärke nur verlaſſen. 
In ihrer, nicht an fremder Bruſt muß ſie 
Kraft ſchöpfen, dieſen Schlag zu überſtehn. 
Es iſt mein ſtarkes Mädchen; nicht als Weib, 
Als Heldin will ich ſie behandelt ſehn. 
(Er will gehen.) 
N Grüſin (hält ihn). 
Wo gehſt du hin? Ich hörte Terzky ſagen, 
Du denkeſt morgen früh von hier zu gehn, 
Uns aber hier zu laſſen. 
Wallenſtein. 
Ja, ihr bleibt 
Dem Schutze wackrer Männer übergeben. 


326 Wallenſteins Tod 


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3000 


Grüſin. 

O nimm uns mit dir, Bruder! Laß uns nicht 
In dieſer düſtern Einſamkeit dem Ausgang 
Mit ſorgendem Gemüt entgegen harren. 
Das gegenwärt'ge Unglück trägt ſich leicht, 
Doch grauenvoll vergrößert es der Zweifel 
Und der Erwartung Qual dem weit Entfernten. 

Wallenſtein. 
Wer ſpricht von Unglück? Beßre deine Rede. 
Ich hab' ganz andre Hoffnungen. 

Gräfin. 

So nimm uns mit. O laß uns nicht zurück 
In dieſem Ort der traurigen Bedeutung, 
Denn ſchwer iſt mir das Herz in dieſen Mauern, 
Und wie ein Totenkeller haucht mich's an, 
Ich kann nicht ſagen, wie der Ort mir widert. 
O führ' uns weg! Komm, Schweſter, bitt' ihn auch, 
Daß er uns fortnimmt! Hilf mir, liebe Nichte. 

Wallenſtein. 
Des Ortes böſe Zeichen will ich ändern: 
Er ſei's, der mir mein Teuerſtes bewahrte. 


Neubrunn (kommt zurück). 
Der ſchwed'ſche Herr! 
Wallenſtein. 
Laßt ſie mit ihm allein. (Ab.) 
Herzogin (zu Thekla). 
Sieh, wie du dich entfärbteſt! Kind, du kannſt ihn 
Unmöglich ſprechen. Folge deiner Mutter. 
Thekla. 


Die Neubrunn mag denn in der Nähe bleiben. 
(Herzogin und Gräfin gehen ab.) 


Vierter Aufzug. 10. Auftritt 327 
10. Auftritt 


Thekla. Der ſchwediſche Hauptmann. Fräulein Neubrunn. 


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Hauptmann (naht ſich ehrerbietig). 
Prinzeſſin — ich — muß um Verzeihung bitten, 
Mein unbeſonnen raſches Wort — Wie konnt' ich — 
Thekla (mit edelm Anſtand). 
Sie haben mich in meinem Schmerz geſehn, 
Ein unglücksvoller Zufall machte Sie 
Aus einem Fremdling ſchnell mir zum Vertrauten. 


Hauptmann. 
Ich fürchte, daß Sie meinen Anblick haſſen, 
Denn meine Zunge ſprach ein traurig Wort. 
Thekla. 

Die Schuld iſt mein. Ich ſelbſt entriß es Ihnen, 
Sie waren nur die Stimme meines Schickſals. 
Mein Schrecken unterbrach den angefangnen 
Bericht. Ich bitte drum, daß Sie ihn enden. 


Hauptmann (bedenklich). 
Prinzeſſin, es wird Ihren Schmerz erneuern. 
Thekla. 
Ich bin darauf gefaßt — Ich will gefaßt ſein. 
Wie fing das Treffen an? Vollenden Sie. 
Hauptmann. 
Wir ſtanden, keines Überfalls gewärtig, 
Bei Neuſtadt ſchwach verſchanzt in unſerm Lager, 
Als gegen Abend eine Wolke Staubes 
Aufſtieg vom Wald her, unſer Vortrab fliehend 
Ins Lager ſtürzte, rief: der Feind ſei da. 
Wir hatten eben nur noch Zeit, uns ſchnell 
Aufs Pferd zu werfen, da durchbrachen ſchon, 
In vollem Roſſeslauf daher geſprengt, 
Die Pappenheimer den Verhack; ſchnell war 


328 Wallenſteins Tod 


Der Graben auch, der ſich ums Lager zog, 
Von dieſen ſtürm'ſchen Scharen überflogen. 
Doch unbeſonnen hatte ſie der Mut 
3030 Vorausgeführt den andern, weit dahinten 
War noch das Fußvolk, nur die Pappenheimer waren 
Dem kühnen Führer kühn gefolgt. — 


(Thekla macht eine Bewegung. Der Hauptmann hält einen Augenblick 
inne, bis ſie ihm einen Wink gibt, fortzufahren.) 


Von vorn und von den Flanken faßten wir 
Sie jetzo mit der ganzen Reiterei 
3035 Und drängten fie zurück zum Graben, wo 
Das Fußvolk, ſchnell geordnet, einen Rechen 
Von Piken ihnen ſtarr entgegenſtreckte. 
Nicht vorwärts konnten ſie, auch nicht zurück, 
Gekeilt in drangvoll fürchterliche Enge. 
3040 Da rief der Rheingraf ihrem Führer zu, 
In guter Schlacht ſich ehrlich zu ergeben, 
Doch Oberſt Piccolomini — 
(Thekla ſchwindelnd, faßt einen Seſſel ) 
ihn machte 
Der Helmbuſch kenntlich und das lange Haar, 
Vom raſchen Ritte war's ihm losgegangen — 
20% Zum Graben winkt er, ſprengt, der erſte, ſelbſt 
Sein edles Roß darüber weg, ihm ſtürzt 
Das Regiment nach — doch — ſchon war's geſchehen! 
Sein Pferd, von einer Partiſan durchſtoßen, bäumt 
Sich wütend, ſchleudert weit den Reiter ab, 
300 Und hoch weg über ihn geht die Gewalt 
Der Roſſe, keinem Zügel mehr gehorchend. 
(Thekla, welche die letzten Reden mit allen Zeichen wachſender Angſt be— 


gleitet, verfällt in ein heftiges Zittern, ſie will ſinken, Fräulein Neubrunn 
eilt hinzu und empfängt ſie in ihren Armen.) 


Neubrunn. 
Mein teures Fräulein — 


Hauptmann (gerührt). 
Ich entferne mich. 


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Vierter Aufzug. 10. Auftritt 329 


f Thekla. 
Es iſt vorüber — Bringen Sie's zu Ende. 
Hauptmann. 
Da ergriff, als ſie den Führer fallen ſahn, 
Die Truppen grimmig wütende Verzweiflung. 
Der eignen Rettung denkt jetzt keiner mehr, 
Gleich wilden Tigern fechten ſie, es reizt 
Ihr ſtarrer Widerſtand die Unſrigen, 
Und eher nicht erfolgt des Kampfes Ende, 
Als bis der letzte Mann gefallen iſt. 
Thekla (mit zitternder Stimme). 
Und wo — wo iſt — Sie ſagten mir nicht alles. 
Hauptmann (nach einer Pauſe). 
Heut' früh beſtatteten wir ihn. Ihn trugen 
Zwölf Jünglinge der edelſten Geſchlechter, 
Das ganze Heer begleitete die Bahre. 
Ein Lorbeer ſchmückte ſeinen Sarg, drauf legte 
Der Rheingraf ſelbſt den eignen Siegerdegen. 
Auch Tränen fehlten ſeinem Schickſal nicht, 
Denn viele ſind bei uns, die ſeine Großmut 
Und ſeiner Sitten Freundlichkeit erfahren, 
Und alle rührte ſein Geſchick. Gern hätte 
Der Rheingraf ihn gerettet, doch er ſelbſt 
Vereitelt' es; man ſagt, er wollte ſterben. 


Neubrunn 
(gerührt zu Thekla, welche ihr Angeſicht verhüllt hat). 


Mein teures Fräulein — Fräulein, ſehn Sie auf! 
O warum mußten Sie darauf beſtehn! 
Thekla. 
— Wo iſt ſein Grab? 
Hauptmann. 
In einer Kloſterkirche 
Bei Neuſtadt iſt er beigeſetzt, bis man 
Von ſeinem Vater Nachricht eingezogen. 


3080 


3085 


330 Wallenſteins Tod 


Thekla. 
Wie heißt das Kloſter? 
Hauptmann. 
Sankt Kathrinenſtift. 
Thekla. 
Iſt's weit bis dahin? 
Hauptmann. 
Sieben Meilen zählt man. 
Thekla. 
Wie geht der Weg? 
Hauptmann. 
Man kommt bei Tirſchenreit 
Und Falkenberg durch unſre erſten Poſten. 


Thekla. 
Wer kommandiert ſie? 
Hauptmann. 
Oberſt Seckendorf. 
Thekla 
(tritt an den Tiſch und nimmt aus dem Schmuckkäſtchen einen Ring). 
Sie haben mich in meinem Schmerz geſehn 
Und mir ein menſchlich Herz gezeigt — Empfangen Sie 
(indem ſie ihm den Ring gibt) 
Ein Angedenken dieſer Stunde — Gehn Sie. 
; Hauptmann (beſtürzt). 
Prinzeſſin — 
(Thekla winkt ihm ſchweigend, zu gehen, und verläßt ihn. Hauptmann 


zaudert und will reden. Fräulein Neubrunn wiederholt den Wink. Er 
geht ab.) 


11. Auftritt 
Thekla. Neubrunn. 
Thekla (fäut der Neubrunn um den Hals). 
Jetzt, gute Neubrunn, zeige mir die Liebe, 
Die du mir ſtets gelobt, beweiſe dich 


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Vierter Aufzug. 11. Auftritt 331 


Als meine treue Freundin und Gefährtin! 

— Wir müſſen fort, noch dieſe Nacht. 
Neubrunn. 

Fort, und wohin? 

Thekla. 

Wohin? Es iſt nur ein Ort in der Welt! 

Wo er beſtattet liegt, zu ſeinem Sarge! 
Neubrunn. 

Was können Sie dort wollen, teures Fräulein? 


Thekla. 

Was dort, Unglückliche! So würdeſt du 

Nicht fragen, wenn du je geliebt. Dort, dort 

Iſt alles, was noch übrig iſt von ihm, 

Der einz'ge Fleck iſt mir die ganze Erde. 

— O halte mich nicht auf! Komm und mach' Anſtalt. 

Laß uns auf Mittel denken, zu entfliehen. 
Neubrunn. 

Bedachten Sie auch Ihres Vaters Zorn? 
Thekla. 

Ich fürchte keines Menſchen Zürnen mehr. 
Neubrunn. 

Den Hohn der Welt! des Tadels arge Zunge! 

Thekla. 

Ich ſuche einen auf, der nicht mehr iſt. 

Will ich denn in die Arme — o mein Gott! 

Ich will ja in die Gruft nur des Geliebten. 
Neubrunn. 

Und wir allein, zwei hilflos ſchwache Weiber? 
Thekla. 

Wir waffnen uns, mein Arm ſoll dich beſchützen. 
Neubrunn. 

Bei dunkler Nachtzeit? 


332 Wallenſteins Tod 


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3120 


Thekla. 
Nacht wird uns verbergen. 


Neubrunn. 
In dieſer rauhen Sturmnacht? 
Thekla. 
Ward ihm ſanft 
Gebettet, unter den Hufen ſeiner Roſſe? 
Neubrunn. 
O Gott! — und dann die vielen Feindespoſten! 
Man wird uns nicht durchlaſſen. 
Thekla. 5 
Es ſind Menſchen, 
Frei geht das Unglück durch die ganze Erde! 
Neubrunn. 
Die weite Reiſe — 
Thekla. 
Zählt der Pilger Meilen, 
Wenn er zum fernen Gnadenbilde wallt? 
Neubrunn. 
Die Möglichkeit, aus dieſer Stadt zu kommen? 
Thekla. 
Gold öffnet uns die Tore. Geh nur, geh! 
Neubrunn. 
Wenn man uns kennt? 
Thekla. 
In einer Flüchtigen, 
Verzweifelnden ſucht niemand Friedlands Tochter. 
Neubrunn. 
Wo finden wir die Pferde zu der Flucht? 
Thekla. 
Mein Kavalier verſchafft ſie. Geh und ruf ihn. 


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3135 


Vierter Aufzug. 11. Auftritt 
Neubrunn. 
Wagt er das ohne Wiſſen ſeines Herrn? 
Thekla. 
Er wird es tun. O geh nur! Zaubdre nicht. 
Neubrunn. 


Ach! und was wird aus Ihrer Mutter werden, 
Wenn Sie verſchwunden ſind? 


Thekla (ſich beſinnend und ſchmerzvoll vor ſich hinſchauend). 


O meine Mutter! 
Neubrunn. 
So viel ſchon leidet ſie, die gute Mutter, 
Soll ſie auch dieſer letzte Schlag noch treffen? 


Thekla. 

Ich kann's ihr nicht erſparen! — Geh nur, geh. 
Neubrunn. 

Bedenken Sie doch ja wohl, was Sie tun. 
Thekla. 

Bedacht iſt ſchon, was zu bedenken iſt. 
Neubrunn. 

Und ſind wir dort, was ſoll mit Ihnen werden? 
Thekla. 

Dort wird's ein Gott mir in die Seele geben. 
Neubrunn. 


Ihr Herz iſt jetzt voll Unruh, teures Fräulein, 
Das iſt der Weg nicht, der zur Ruhe führt. 
Thekla. 


Zur tiefen Ruh, wie er ſie auch gefunden. 
— O eile! geh! Mach' keine Worte mehr! 


333 


Es zieht mich fort, ich weiß nicht, wie ich's nenne, 


Unwiderſtehlich fort zu ſeinem Grabe! 
Dort wird mir leichter werden, augenblicklich! 


334 Wallenſteins Tod 


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Das herzerſtickende Band des Schmerzens wird 
Sich löſen — Meine Tränen werden fließen. 
O geh, wir könnten längſt ſchon auf dem Weg ſein. 
Nicht Ruhe find' ich, bis ich dieſen Mauern 
Entrunnen bin — ſie ſtürzen auf mich ein — 
Fortſtoßend treibt mich eine dunkle Macht 

Von dannen — Was iſt das für ein Gefühl! 
Es füllen ſich mir alle Räume dieſes Hauſes 
Mit bleichen, hohlen Geiſterbildern an — 

Ich habe keinen Platz mehr — Immer neue! 
Es drängt mich das entſetzliche Gewimmel 

Aus dieſen Wänden fort, die Lebende! 


Neubrunn. 


Sie ſetzen mich in Angſt und Schrecken, Fräulein, 
Daß ich nun ſelber nicht zu bleiben wage. 
Ich geh' und rufe gleich den Roſenberg. Gebt ab.) 


12. Auftritt 
Thekla. 

Sein Geiſt iſt's, der mich ruft. Es iſt die Schar 
Der Treuen, die ſich rächend ihm geopfert. 
Unedler Säumnis klagen ſie mich an. 
Sie wollten auch im Tod nicht von ihm laſſen, 
Der ihres Lebens Führer war — Das taten 
Die rohen Herzen, und ich ſollte leben! 
— Nein! Auch für mich ward jener Lorbeerkranz, 
Der deine Totenbahre ſchmückt, gewunden. 
Was iſt das Leben ohne Liebesglanz? 
Ich werf' es hin, da ſein Gehalt verſchwunden. 
Ja, da ich dich, den Liebenden gefunden, 
Da war das Leben etwas. Glänzend lag 


Vierter Aufzug. 13. Auftritt 335 


Vor mir der neue goldne Tag! 
Mir träumte von zwei himmelſchönen Stunden. 
Du ſtandeſt an dem Eingang in die Welt, 
3170 Die ich betrat mit klöſterlichem Zagen, 
Sie war von tauſend Sonnen aufgehellt; 
Ein guter Engel ſchienſt du hingeſtellt, 
Mich aus der Kindheit fabelhaften Tagen 
Schnell auf des Lebens Gipfel hinzutragen. 
3175 Mein erſt Empfinden war des Himmels Glück, 
In dein Herz fiel mein erſter Blick! 
(Sie ſinkt hier in Nachdenken und fährt dann mit Zeichen des Grauens auf.) 
— Da kommt das Schickſal — Roh und kalt 
Faßt es des Freundes zärtliche Geſtalt 
Und wirft ihn unter den Hufſchlag ſeiner Pferde — 
2180 — Das iſt das Los des Schönen auf der Erde! 


13. Auftritt 
Thekla. Fräulein Neubrunn mit dem Stallmeiſter. 


Neubrunn. 
Hier iſt er, Fräulein, und er will es tun. 


Thekla. 
Willſt du uns Pferde ſchaffen, Roſenberg? 
Stallmeiſter. 
Ich will ſie ſchaffen. 
Thekla. 
Willſt du uns begleiten? 


Stallmeiſter. 
Mein Fräulein, bis ans End' der Welt. 


Thekla. 
Du kannſt 
sis Zum Herzog aber nicht zurück mehr kehren. 


3190 


3195 


336 Wallenſteins Tod 


Stallmeiſter. 
Ich bleib' bei Ihnen. 
Thekla. 
Ich will dich belohnen 
Und einem andern Herrn empfehlen. Kannſt du 
Uns aus der Feſtung bringen unentdeckt? 
Stallmeiſter. 
Ich kann's. 
Thekla. 
Wann kann ich gehn? 


Stallmeiſter. 
In dieſer Stunde. 


— Wo geht die Reiſe hin? 
Thekla. 
Nach — ſag's ihm, Neubrunn! 
Neubrunn. 


Nach Neuſtadt. 
Stallmeiſter. 


Wohl, ich geh', es zu beſorgen. (Ab.) 
Neubrunn. 
Ach, da kommt Ihre Mutter, Fräulein. 


Thekla. 
Gott! 


14. Auftritt 
Thekla. Neubrunn. Die Herzogin. 
Herzogin. 
Er iſt hinweg, ich finde dich gefaßter. 
Thekla. 
Ich bin es, Mutter — Laſſen Sie mich jetzt 
Bald ſchlafen gehen und die Neubrunn um mich ſein. 
Ich brauche Ruh. 


Fünfter Aufzug. 1. Auftritt 337 


Herzogin. 
8 Du ſollſt ſie haben, Thekla. 
Ich geh' getröſtet weg, da ich den Vater 


Beruhigen kann. 
Thekla. 


Gut' Nacht denn, liebe Mutter. 


(Sie fällt ihr um den Hals und umarmt ſie in großer Bewegung.) 


Herzogin. 
Du biſt noch nicht ganz ruhig, meine Tochter. 
2200 Du zitterſt ja fo heftig, und dein Herz 
Klopft hörbar an dem meinen. 


Thekla. 
Schlaf wird es 
Beſänftigen — Gut' Nacht, geliebte Mutter! 


(Indem ſie aus den Armen der Mutter ſich losmacht, fällt der Vorhang.) 


Fünfter Aufzug 
Buttlers Zimmer. 
1. Auftritt 
Buttler. Major Geraldin. 


Buttler. 
Zwölf rüſtige Dragoner ſucht Ihr aus, 
Bewaffnet ſie mit Piken, denn kein Schuß 
2205 Darf fallen — An dem Eßſaal nebenbei 
Verſteckt Ihr ſie, und wenn der Nachtiſch auf⸗ 
Geſetzt, dringt ihr herein und ruft: Wer iſt 
Gut kaiſerlich? — Ich will den Tiſch umſtürzen — 
Dann werft ihr euch auf beide, ſtoßt ſie nieder. 
3210 Das Schloß wird wohl verriegelt und bewacht, 


Daß kein Gerücht davon zum Fürſten dringe. 
Schillers Werke. V. 22 


338 Wallenſteins Tod 


Geht jetzt — Habt Ihr nach Hauptmann Deveroux 
Und Macdonald geſchickt? 
Geraldin. 
Gleich ſind ſie hier. 
(Geht ab.) 
Vuttler. 
Kein Aufſchub iſt zu wagen. Auch die Bürger 
21s Erklären ſich für ihn, ich weiß nicht, welch 
Ein Schwindelgeiſt die ganze Stadt ergriffen. 
Sie ſehn im Herzog einen Friedensfürſten 
Und einen Stifter neuer goldner Zeit. 
Der Rat hat Waffen ausgeteilt; ſchon haben 
220 Sich ihrer hundert angeboten, Wache 
Bei ihm zu tun. Drum gilt es, ſchnell zu ſein, 
Denn Feinde drohn von außen und von innen. 


2. Auftritt 
Buttler. Hauptmann Deveroux und Macdonald. 


Macdonald. 
Da ſind wir, General. 


Deverour. 
Was iſt die Loſung? 


Buttler. 
Es lebe der Kaiſer! 


Beide (treten zurück). 


Wie? 
Buttler. 
Haus Oſtreich lebe! 
Deverour. 
2225 Iſt's nicht der Friedland, dem wir Treu geſchworen? 
Macdonald. 


Sind wir nicht hergeführt, ihn zu beſchützen? 


3230 


3235 


3240 


Fünfter Aufzug. 2. Auftritt 339 


Vuttler. 
Wir einen Reichsfeind und Verräter ſchützen? 
Deverour. 
Nun ja, du nahmſt uns ja für ihn in Pflicht. 
Macdonald. 
Und biſt ihm ja hieher gefolgt nach Eger. 
Buttler. 
Ich tat's, ihn deſto ſichrer zu verderben. 
Deverour. 
Ja ſo! 
Macdonald. 


Das iſt was anders. 


Buttler (zu Deveroux). 
Elender! 
So leicht entweichſt du von der Pflicht und Fahne? 


Deverour. 
Zum Teufel, Herr! Ich folgte deinem Beiſpiel: 
Kann der ein Schelm ſein, dacht' ich, kannſt du's auch. 


Mardonald. 
Wir denken nicht nach. Das iſt deine Sache! 
Du biſt der General und kommandierſt, 
Wir folgen dir, und wenn's zur Hölle ginge. 
Buttler (beſänftigt). 
Nun gut! Wir kennen einander. 


Macdonald. 
Ja, das denk' ich. 
Deverour. 
Wir ſind Soldaten der Fortuna, wer 
Das meiſte bietet, hat uns. 


Macdonald. 
Ja, ſo iſt's. 


340 Wallenſteins Tod 


Buttler. 
Jetzt ſollt ihr ehrliche Soldaten bleiben. 


Deverour. 
Das ſind wir gerne. 
Buttler. 
Und Fortüne machen. 


Mardonald. 
Das iſt noch beſſer. 
Buttler. 
Höret an. 
Beide. 
Wir hören. 
Buttler. 
Es iſt des Kaiſers Will' und Ordonanz, 
3216 Den Friedland, lebend oder tot, zu fahen. 


Deverour. 
So ſteht's im Brief. 
Macdonald. 
Ja, lebend oder tot! 


Buttler. 
Und ſtattliche Belohnung wartet deſſen 
An Geld und Gütern, der die Tat vollführt. 


Deverour. 

Es klingt ganz gut. Das Wort klingt immer gut 
3250 Von dorten her. Ja, ja! Wir wiſſen ſchon! 

So eine guldne Gnadenkett' etwa, 
Ein krummes Roß, ein Pergament und ſo was. 
— Der Fürſt zahlt beſſer. 

Macdonald. 

Ja, der iſt ſplendid. 
Buttler. 

Mit dem iſt's aus. Sein Glücksſtern iſt gefallen. 


3255 


3260 


Fünfter Aufzug. 2. Auftritt 341 


Macdonald. 
Iſt das gewiß? 
Buttler. 


Ich ſag's euch. 


Deverour. 


Mit ſeinem Glück? 
Buttler. 
Vorbei auf immerdar. 
Er iſt ſo arm wie wir. 
Macdonald. 
So arm wie wir? 


Iſt's vorbei 


Deverour. 
Ja, Macdonald, da muß man ihn verlaſſen! 


Buttler. 
Verlaſſen iſt er ſchon von zwanzigtauſend. 
Wir müſſen mehr tun, Landsmann. Kurz und gut! 
— Wir müſſen ihn töten. 
(Beide fahren zurück.) 
Beide. 
Töten! 
Buttler. 
Töten, ſag' ich. 
— Und dazu hab' ich euch erleſen. 


Beide. 


Buttler. 
Euch, Hauptmann Deveroux und Macdonald. 


Uns? 


Deverour (nach einer Pauſe). 
Wählt einen andern. 


Macdonald. 
Ja, wählt einen andern. 


342 Wallenſteins Tod 


3265 


3270 


3275 


8280 


Buttler (zu Deveroux). 
Erſchreckt's dich, feige Memme? Wie? Du haſt 
Schon deine dreißig Seelen auf dir liegen — 


Deverour. 

Hand an den Feldherrn legen — das bedenk'! 
Macdonald. 

Dem wir das Jurament geleiſtet haben! 

Buttler. 

Das Jurament iſt null mit ſeiner Treu. 
Deverour, 

Hiv’, General! Das dünkt mir doch zu gräßlich. 
Macdonald. 

Ja, das iſt wahr! Man hat auch ein Gewiſſen. 
Deverour. 


Wenn's nur der Chef nicht wär', der uns ſo lang' 
Gekommandiert hat und Reſpekt gefordert. 
Vuttler. 


Iſt das der Anſtoß? 
Deverour. 


Ya! Hiv! Wen du ſonſt willſt! 
Dem eignen Sohn, wenn's Kaiſers Dienſt verlangt, 
Will ich das Schwert ins Eingeweide bohren — 
Doch ſieh, wir ſind Soldaten, und den Feldherrn 
Er morden, das iſt eine Sünd' und Frevel, 
Davon kein Beichtmönch abſolvieren kann. 

Buttler. 
Ich bin dein Papſt und abſolviere dich. 
Entſchließt euch ſchnell. 

Deverour (ſteht bedeuklich). 
Es geht nicht. 


Macdonald. 
Nein, es geht nicht. 


3285 


8290 


8295 


Fünfter Aufzug. 2. Auftritt 343 


Butler, 
Nun denn, fo geht — und — ſchickt mir Peſtalutzen. 


Deverour (ttutzt). 
Den Peſtalutz — Hum! 
Macdonald. 
Was willſt du mit dieſem? 
Buttler. 
Wenn ihr's verſchmäht, es finden ſich genug — 
Deverour. 
Nein, wenn er fallen muß, ſo können wir 
Den Preis ſo gut verdienen als ein andrer. 
— Was denkſt du, Bruder Macdonald? 
Macdonald. 
Ja wenn 
Er fallen muß und ſoll, und 's iſt nicht anders, 
So mag ich's dieſem Peſtalutz nicht gönnen. 
Deverour (nach einigem Beſinnen). 
Wann ſoll er fallen? 
Buttler. 
Heut', in dieſer Nacht, 
Denn morgen ſtehn die Schweden vor den Toren. 


Deverour. 

Stehſt du mir für die Folgen, General? 
Buttler. 

Ich ſteh' für alles. 
Deverour. 


Iſt's des Kaiſers Will'? 
Sein netter, runder Will'? Man hat Exempel, 
Daß man den Mord liebt und den Mörder ſtraft. 


Buttler. 
Das Manifeſt ſagt: lebend oder tot. 
Und lebend iſt's nicht möglich, ſeht ihr ſelbſt — 


344 Wallenſteins Tod 


Deverour. 
Tot alſo! Tot — Wie aber kommt man an ihn? 
Die Stadt iſt angefüllt mit Terzkyſchen. 


Macdonald. 
3300 Und dann iſt noch der Terzky und der Illo — 


Buttler. 
Mit dieſen beiden fängt man an, verſteht ſich. 


Deverour. 
Was? Sollen die auch fallen? 


Buttler. 
Die zuerſt. 
Macdonald. 
Hör', Deveroux — das wird ein blut'ger Abend. 


Deverour. 
Haſt du ſchon deinen Mann dazu? Trag's mir auf. 


Buttler. 
23os Dem Major Geraldin iſt's übergeben. 
Es iſt heut' Faßnacht, und ein Eſſen wird 
Gegeben auf dem Schloß, dort wird man ſie 
Bei Tafel überfallen, niederſtoßen — 
Der Peſtalutz, der Leßley ſind dabei — 


Deverour. 
3310 Hör', General! Dir kann es nichts verſchlagen. 
Hör' — laß mich tauſchen mit dem Geraldin. 


Buttler. 
Die kleinere Gefahr iſt bei dem Herzog. 
Deverour. 
Gefahr! Was, Teufel! denkſt du von mir, Herr? 
Des Herzogs Aug', nicht ſeinen Degen fürcht' ich. 
Buttler. 
3315 Was kann fein Aug' dir ſchaden? 


3320 


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3335 


Fünfter Aufzug. 2. Auftritt 345 


Deverour. 
Alle Teufel! 


Du kennſt mich, daß ich keine Memme bin. 

Doch ſieh, es ſind noch nicht acht Tag', daß mir 

Der Herzog zwanzig Goldſtück reichen laſſen 

Zu dieſem warmen Rock, den ich hier anhab' — 

Und wenn er mich nun mit der Pike ſieht 

Daſtehn, mir auf den Rock ſieht — ſieh — ſo — ſo — 
Der Teufel hol' mich! ich bin keine Memme. 


Buttler. 
Der Herzog gab dir dieſen warmen Rock, 
Und du, ein armer Wicht, bedenkſt dich, ihm 
Dafür den Degen durch den Leib zu rennen. 
Und einen Rock, der noch viel wärmer hält, 
Hing ihm der Kaiſer um, den Fürſtenmantel. 
Wie dankt er's ihm? Mit Aufruhr und Verrat. 


Deverour. 
Das iſt auch wahr. Den Danker hol' der Teufel! 
Ich — bring' ihn um. 
Buttler. 
Und willſt du dein Gewiſſen 
Beruhigen, darfſt du den Rock nur ausziehn, 
So kannſt du's friſch und wohlgemut vollbringen. 


Mardonald. 
Ja! da iſt aber noch was zu bedenken — 
Buttler. 
Was gibt's noch zu bedenken, Macdonald? 


Macdonald. 
Was hilft uns Wehr und Waffe wider den? 
Er iſt nicht zu verwunden, er iſt feſt. 


Buttler (fährt auf). 
Was wird er — 


3340 


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3355 


346 Wallenſteins Tod 


Macdonald. 
Gegen Schuß und Hieb! Er iſt 
Gefroren, mit der Teufelskunſt behaftet, 
Sein Leib iſt undurchdringlich, ſag' ich dir. 


Deverour. 
Ja, ja! In Ingolſtadt war auch ſo einer, 
Dem war die Haut ſo feſt wie Stahl, man mußt' ihn 
Zuletzt mit Flintenkolben niederſchlagen. 


Macdonald. 
Hört, was ich tun will! 


Deverour. 
Sprich. 
Macdonald. 
Ich kenne hier 
Im Kloſter einen Bruder Dominikaner 
Aus unſrer Landsmannſchaft, der ſoll mir Schwert 
Und Pike tauchen in geweihtes Waſſer 
Und einen kräft'gen Segen drüber ſprechen, 
Das iſt bewährt, hilft gegen jeden Bann. 
Buttler, 

Das tue, Macdonald. Jetzt aber geht. 
Wählt aus dem Regimente zwanzig, dreißig 
Handfeſte Kerls, laßt ſie dem Kaiſer ſchwören — 
Wenn's eilf geſchlagen — wenn die erſten Runden 
Paſſiert ſind, führt ihr ſie in aller Stille 
Dem Hauſe zu — Ich werde ſelbſt nicht weit ſein. 

Deverour. 
Wie kommen wir durch die Hartſchiers und Garden, 
Die in dem innern Hofraum Wache ſtehn? 

Buttler. 

Ich hab' des Orts Gelegenheit erkundigt. 
Durch eine hintre Pforte führ' ich euch, 


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Fünfter Aufzug. 2. Auftritt 347 


Die nur durch einen Mann verteidigt wird. 

Mir gibt mein Rang und Amt zu jeder Stunde 
Einlaß beim Herzog. Ich will euch vorangehn, 
Und ſchnell mit einem Dolchſtoß in die Kehle 
Durchbohr' ich den Hartſchier und mach' euch Bahn. 


Deverour. 
Und ſind wir oben, wie erreichen wir 
Das Schlafgemach des Fürſten, ohne daß 
Das Hofgeſind' erwacht und Lärmen ruft? 
Denn er iſt hier mit großem Komitat. 


Buttler. 

Die Dienerſchaft iſt auf dem rechten Flügel, 

Er haßt Geräuſch, wohnt auf dem linken ganz allein. 
Deverour. 


Wär's nur vorüber, Macdonald — Mir iſt 
Seltſam dabei zu Mute, weiß der Teufel. 


Macdonald. 
Mir auch. Es iſt ein gar zu großes Haupt. 
Man wird uns für zwei Böſewichter halten. 
Buttler. 


In Glanz und Ehr' und Überfluß könnt ihr 
Der Menſchen Urteil und Gered' verlachen. 


Deverour. 
Wenn's mit der Ehr' nur auch ſo recht gewiß iſt. 


Buttler. 
Seid unbeſorgt. Ihr rettet Kron' und Reich 
Dem Ferdinand. Der Lohn kann nicht gering ſein. 


Deverour. 
So iſt's ſein Zweck, den Kaiſer zu entthronen? 


Buttler. 


3380 Das iſt er! Kron' und Leben ihm zu rauben! 


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348 Wallenſteins Tod 


Deverour. 
So müßt' er fallen durch des Henkers Hand, 
Wenn wir nach Wien lebendig ihn geliefert? 


Buttler. 
Dies Schickſal könnt' er nimmermehr vermeiden. 


Deverour. 
Komm, Macdonald! Er ſoll als Feldherr enden 


Und ehrlich fallen von Soldatenhänden. 
(Sie gehen ab.) 


3. Auftritt 


Ein Saal, aus dem man in eine Galerie gelangt, die ſich 
weit nach hinten verliert. 

Wallenſtein ſitzt an einem Tiſch. Der ſchwediſche Hauptmann 
ſteht vor ihm. Bald darauf Gräfin Terzky. 
Wallenſtein. 

Empfehlt mich Eurem Herrn. Ich nehme teil 

An ſeinem guten Glück, und wenn Ihr mich 

So viele Freude nicht bezeigen ſeht, 

Als dieſe Siegespoſt verdienen mag, 

So glaubt, es iſt nicht Mangel guten Willens, 
Denn unſer Glück iſt nunmehr eins. Lebt wohl! 
Nehmt meinen Dank für Eure Müh. Die Feſtung 
Soll ſich euch auftun morgen, wenn ihr kommt. 


(Schwediſcher Hauptmann geht ab. Wallenſtein ſitzt in tiefen Gedanken, 

ſtarr vor ſich hinſehend, den Kopf in die Hand geſenkt. Gräfin Terzky 

tritt herein und ſteht eine Zeitlang vor ihm unbemerkt, endlich macht er 
eine raſche Bewegung, erblickt ſie und faßt ſich ſchnell.) 


Kommſt du von ihr? Erholt ſie ſich? Was macht ſie? 
Grifin. 

Sie foll gefaßter ſein nach dem Geſpräch, 

Sagt mir die Schweſter — Jetzt iſt ſie zu Bette. 


3400 


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8415 


Fünfter Aufzug. 3. Auftritt 349 


Wallenſtein. 
Ihr Schmerz wird ſanfter werden. Sie wird weinen. 
Grüſin. 
Auch dich, mein Bruder, find' ich nicht wie ſonſt. 
Nach einem Sieg erwartet' ich dich heitrer. 
O bleibe ſtark! Erhalte du uns aufrecht, 
Denn du biſt unſer Licht und unſre Sonne. 
Wallenſtein. 
Sei ruhig. Mir iſt nichts — Wo iſt dein Mann? 
Grüſin. 
Zu einem Gaſtmahl ſind ſie, er und Illo. 
Wallenſtein (ſteht auf und macht einige Schritte durch den Saal). 
Es iſt ſchon finſtre Nacht — Geh auf dein Zimmer. 
Grifin, 
Heiß mich nicht gehn, o laß mich um dich bleiben. 
Wallenſtein liſt ans Fenſter getreten). 
Am Himmel iſt geſchäftige Bewegung, 
Des Turmes Fahne jagt der Wind, ſchnell geht 
Der Wolken Zug, die Mondesſichel wankt, 
Und durch die Nacht zuckt ungewiſſe Helle. 
— Kein Sternbild iſt zu ſehn! Der matte Schein dort, 
Der einzelne, iſt aus der Kaſſiopeia, 
Und dahin ſteht der Jupiter — Doch jetzt 
Deckt ihn die Schwärze des Gewitterhimmels! 
(Er verſinkt in Tiefſinn und ſieht ſtarr hinaus.) 
Gräfin (die ihm traurig zuſieht, faßt ihn bei der Hand). 
Was ſinnſt du? 
Wallenſtein. 
Mir deucht, wenn ich ihn ſähe, wär' mir wohl. 
Es iſt der Stern, der meinem Leben ſtrahlt, 
Und wunderbar oft ſtärkte mich ſein Anblick. 
(Pauſe.) 
Grüſin. 
Du wirſt ihn wiederſehn. 


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3435 


350 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein 
(iſt wieder in eine tiefe Zerſtreuung gefallen, er ermuntert ſich und wendet 
ſich ſchnell zur Gräfin). 


Ihn wiederſehn? — O niemals wieder! 


Griifin. 
Wie? 
Wallenſtein. 
Er iſt dahin — iſt Staub! 
Grifin. 
Wen meinft du denn? 
Wallenſtein. 


Er iſt der Glückliche. Er hat vollendet. 

Für ihn iſt keine Zukunft mehr, ihm ſpinnt 
Das Schickſal keine Tücke mehr — ſein Leben 
Liegt faltenlos und leuchtend ausgebreitet, 

Kein dunkler Flecken blieb darin zurück, 

Und unglückbringend pocht ihm keine Stunde. 
Weg iſt er über Wunſch und Furcht, gehört 
Nicht mehr den trüglich wankenden Planeten — 
O ihm iſt wohl! Wer aber weiß, was uns 

Die nächſte Stunde ſchwarz verſchleiert bringt! 


Grüſin. 

Du ſprichſt von Piccolomini. Wie ſtarb er? 
Der Bote ging juſt von dir, als ich kam. 

(Wallenſtein bedeutet ſie mit der Hand, zu ſchweigen.) 
O wende deine Blicke nicht zurück! 
Vorwärts in hellre Tage laß uns ſchauen. 
Freu' dich des Siegs, vergiß, was er dir koſtet. 
Nicht heute erſt ward dir der Freund geraubt; 
Als er ſich von dir ſchied, da ſtarb er dir. 


Wallenſtein. 
Verſchmerzen werd' ich dieſen Schlag, das weiß ich, 
Denn was verſchmerzte nicht der Menſch! Vom Höchſten 


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Fünfter Aufzug. 3. Auftritt 3 


Wie nom Gemeinſten lernt er ſich entwöhnen, 


Denn ihn beſiegen die gewalt'gen Stunden. 
Doch fühl' ich's wohl, was ich in ihm verlor. 
Die Blume iſt hinweg aus meinem Leben, 

Und kalt und farblos ſeh' ich's vor mir liegen. 
Denn er ſtand neben mir wie meine Jugend, 
Er machte mir das Wirkliche zum Traum, 

Um die gemeine Deutlichkeit der Dinge 

Den goldnen Duft der Morgenröte webend — 
Im Feuer ſeines liebenden Gefühls 

Erhoben ſich, mir ſelber zum Erſtaunen, 

Des Lebens flach alltägliche Geſtalten. 

— Was ich mir ferner auch erſtreben mag, 

Das Schöne iſt doch weg, das kommt nicht wieder, 
Denn über alles Glück geht doch der Freund, 
Der's fühlend erſt erſchafft, der's teilend mehrt. 


Grüſin. 
Verzag' nicht an der eignen Kraft. Dein Herz 
Iſt reich genug, ſich ſelber zu beleben. 
Du liebſt und preiſeſt Tugenden an ihm, 
Die du in ihm gepflanzt, in ihm entfaltet. 


Wallenſtein (an die Türe gehend). 
Wer ſtört uns noch in ſpäter Nacht? — Es iſt 


Der Kommendant. Er bringt die Feſtungsſchlüſſel. 


Verlaß uns, Schweſter, Mitternacht iſt da. 


Gräfin. 
O mir wird heut' ſo ſchwer, von dir zu gehn, 
Und bange Furcht bewegt mich. 

Wallenſtein. 
Furcht! Wovor? 

Grüſin. 
Du möchteſt ſchnell wegreiſen dieſe Nacht, 
Und beim Erwachen fänden wir dich nimmer. 


— 


352 Wallenſteins Tod 


allenſtein. 
Einbildungen! . 
Grüfin. 
O meine Seele wird 
Schon lang' von trüben Ahnungen geängſtigt, 
Und wenn ich wachend ſie bekämpft, ſie fallen 
3470 Mein banges Herz in düſtern Träumen an. 
— Ich ſah dich geſtern Nacht mit deiner erſten 
Gemahlin, reich geputzt, zu Tiſche ſitzen — 
Wallenſtein. 
Das iſt ein Traum erwünſchter Vorbedeutung, 
Denn jene Heirat ſtiftete mein Glück. 


Grifin. 
3475 Und heute träumte mir, ich ſuchte dich 
In deinem Zimmer auf — Wie ich hineintrat, 
So war's dein Zimmer nicht mehr, die Kartauſe 
Zu Gitſchin war's, die du geſtiftet haſt 
Und wo du willſt, daß man dich hin begrabe. 
Wallenſtein. 
2480 Dein Geiſt ijt nun einmal damit beſchäftigt. 


Grüſin. 
Wie? Glaubſt du nicht, daß eine Warnungsſtimme 
In Träumen vorbedeutend zu uns ſpricht? 


Wallenſtein. 
Dergleichen Stimmen gibt's — Es iſt kein Zweifel! 
Doch Warnungsſtimmen möcht' ich ſie nicht nennen, 
5436 Die nur das Unnermeidliche verkünden. 
Wie ſich der Sonne Scheinbild in dem Dunſtkreis 
Malt, eh' ſie kommt, ſo ſchreiten auch den großen 
Geſchicken ihre Geiſter ſchon voran, 
Und in dem Heute wandelt ſchon das Morgen. 
3490 Es machte mir ſtets eigene Gedanken, 
Was man vom Tod des vierten Heinrichs lieſt. 


3495 


3500 


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3510 


Funfter Aufzug. 3. Auftritt 353 


Der König fühlte das Geſpenſt des Meſſers 
Lang' vorher in der Bruſt, eh' ſich der Mörder 
Ravaillac damit waffnete. Ihn floh 

Die Ruh, es jagt' ihn auf in ſeinem Louvre, 
Ins Freie trieb es ihn; wie Leichenfeier 

Klang ihm der Gattin Krönungsfeſt, er hörte 
Im ahnungsvollen Ohr der Füße Tritt, 

Die durch die Gaſſen von Paris ihn ſuchten — 


Gräfin. 
Sagt dir die innre Ahnungsſtimme nichts? 


Wallenſtein. 
Nichts. Sei ganz ruhig! 


Gräfin (in düſtres Nachſinnen verloren). 

Und ein andermal, 
Als ich dir eilend nachging, liefſt du vor mir 
Durch einen langen Gang, durch weite Säle, 
Es wollte gar nicht enden — Türen ſchlugen 
Zuſammen, krachend — keuchend folgt' ich, konnte 
Dich nicht erreichen — plötzlich fühlt' ich mich 
Von hinten angefaßt mit kalter Hand, 
Du warſt's und küßteſt mich, und über uns 
Schien eine rote Decke ſich zu legen — 


Wallenſtein. 
Das iſt der rote Teppich meines Zimmers. 


Gräfin (ign betrachtend). 
Wenn's dahin ſollte kommen — Wenn ich dich, 
Der jetzt in Lebensfülle vor mir ſteht — 


(Sie ſinkt ihm weinend an die Bruſt.) 


Wallenſtein. 
Des Kaiſers Achtsbrief ängſtigt dich. Buchſtaben 
Verwunden nicht, er findet keine Hände. 
Schillers Werke. V. 23 


3515 


3520 


8525 


8530 


354 Wallenſteins Tod 


Grifin. 
Fänd' er fie aber, dann iſt mein Entſchluß 
Gefaßt — ich führe bei mir, was mich tröſtet. 
(Geht ab.) 


4. Auftritt 


Wallenſtein. Gordon. Dann der Kammerdiener. 


Wallenſtein. 
Iſt's ruhig in der Stadt? 
Gordon. 
Die Stadt iſt ruhig. 
Wallenſtein. 
Ich höre rauſchende Muſik, das Schloß iſt 
Von Lichtern hell. Wer ſind die Fröhlichen? 
Gordon. 
Dem Grafen Terzky und dem Feldmarſchall 
Wird ein Bankett gegeben auf dem Schloß. 


Wallenſtein (vor ſich). 
Es iſt des Sieges wegen — Dies Geſchlecht 
Kann ſich nicht anders freuen als bei Tiſch. 


(Klingelt. Kammerdiener tritt ein.) 

Entkleide mich, ich will mich ſchlafen legen. 

(Er nimmt die Schlüſſel zu ſich.) 
So ſind wir denn vor jedem Feind bewahrt 
Und mit den ſichern Freunden eingeſchloſſen; 
Denn alles müßt' mich trügen, oder ein 
Geſicht wie dies 

(auf Gordon ſchauend) 
iſt keines Heuchlers Larve. 


(Kammerdiener hat ihm den Mantel, Ringkragen und die Feldbinde abs 
genommen.) 


Gib Acht! Was fällt da? 


Kammerdiener. 
Die goldne Kette iſt entzwei geſprungen. 


3535 


3540 


3545 


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Fünfter Aufzug. 4. Auftritt 355 


Wallenſtein. 

Nun, ſie hat lang' genug gehalten. Gib. 

(Indem er die Kette betrachtet.) 
Das war des Kaiſers erſte Gunſt. Er hing ſie 
Als Erzherzog mir um, im Krieg von Friaul, 
Und aus Gewohnheit trug ich ſie bis heut'. 
— Aus Aberglauben, wenn Ihr wollt. Sie ſollte 
Ein Talisman mir ſein, ſo lang' ich ſie 
An meinem Halſe glaubig würde tragen, 
Das flücht'ge Glück, des erſte Gunſt ſie war, 
Mir auf zeitlebens binden — Nun es ſei! 
Mir muß fortan ein neues Glück beginnen, 
Denn dieſes Bannes Kraft iſt aus. 


(Kammerdiener entfernt ſich mit den Kleidern. Wallenſtein ſteht auf, 
macht einen Gang durch den Saal und bleibt zuletzt nachdenkend vor 
Gordon ſtehen.) 


Wie doch die alte Zeit mir näher kommt. 

Ich ſeh' mich wieder an dem Hof zu Burgau, 
Wo wir zuſammen Edelknaben waren. 

Wir hatten öfters Streit, du meinteſt's gut 
Und pflegteſt gern den Sittenprediger 

Zu machen, ſchalteſt mich, daß ich nach hohen Dingen 
Unmäßig ſtrebte, kühnen Träumen glaubend, 
Und prieſeſt mir den goldnen Mittelweg. 

— Ei, deine Weisheit hat ſich ſchlecht bewährt, 
Sie hat dich früh zum abgelebten Manne 
Gemacht und würde dich, wenn ich mit meinen 
Großmüt'gern Sternen nicht dazwiſchen träte, 
Im ſchlechten Winkel ſtill verlöſchen laſſen. 


Gordon. 
Mein Fürſt! Mit leichtem Mute knüpft der arme Fiſcher 
Den kleinen Nachen an im ſichern Port, 
Sieht er im Sturm das große Meerſchiff ſtranden. 


3560 


3565 


3570 


3575 


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356 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein. 
So biſt du ſchon im Hafen, alter Mann? 
Ich nicht. Es treibt der ungeſchwächte Mut 
Noch friſch und herrlich auf der Lebenswoge, 
Die Hoffnung nenn' ich meine Göttin noch, 
Ein Jüngling iſt der Geiſt, und ſeh' ich mich 
Dir gegenüber, ja, ſo möcht' ich rühmend ſagen, 
Daß über meinem braunen Scheitelhaar 
Die ſchnellen Jahre machtlos hingegangen. 


(Er geht mit großen Schritten durchs Zimmer und bleibt auf der ent— 
gegengeſetzten Seite, Gordon gegenüber, ſtehen.) 


Wer nennt das Glück noch falſch? Mir war es treu, 
Hob aus der Menſchen Reihen mich heraus 

Mit Liebe, durch des Lebens Stufen mich 

Mit kraftvoll leichten Götterarmen tragend. 

Nichts iſt gemein in meines Schickſals Wegen 

Noch in den Furchen meiner Hand. Wer möchte 
Mein Leben mir nach Menſchenweiſe deuten? 

Zwar jetzo ſchein' ich tief herabgeſtürzt, 

Doch werd' ich wieder ſteigen, hohe Flut 

Wird bald auf dieſe Ebbe ſchwellend folgen — 


Gordon. 
Und doch erinnr' ich an den alten Spruch: 
Man ſoll den Tag nicht vor dem Abend loben. 
Nicht Hoffnung möcht ich' ſchöpfen aus dem langen Glück, 
Dem Unglück iſt die Hoffnung zugeſendet. 
Furcht ſoll das Haupt des Glücklichen umſchweben, 


Denn ewig wanket des Geſchickes Wage. 


Wallenſtein (lächelnd). 
Den alten Gordon hör' ich wieder ſprechen. 
— Wohl weiß ich, daß die ird'ſchen Dinge wechſeln, 
Die böſen Götter fordern ihren Zoll: 
Das wußten ſchon die alten Heidenvölker, 


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3595 


3600 


Fünfter Aufzug. 5. Auftritt 357 


Drum wählten ſie ſich ſelbſt freiwill'ges Unheil, 
Die eiferſücht'ge Gottheit zu verſöhnen, 
Und Menſchenopfer bluteten dem Typhon. 

(Nach einer Pauſe, ernſt und ſtiller.) 
Auch ich hab' ihm geopfert — Denn mir fiel 
Der liebſte Freund, und fiel durch meine Schuld. 
So kann mich keines Glückes Gunſt mehr freuen, 
Als dieſer Schlag mich hat geſchmerzt — Der Neid 
Des Schickſals iſt geſättigt, es nimmt Leben 
Für Leben an, und abgeleitet iſt 
Auf das geliebte reine Haupt der Blitz, 
Der mich zerſchmetternd ſollte niederſchlagen. 


5. Auftritt 


Vorige. Seni. 
Wallenſtein. 
Kommt da nicht Seni? Und wie außer ſich! 
Was führt dich noch ſo ſpät hieher, Baptiſt? 
sent, 
Furcht deinetwegen, Hoheit. 


Wallenſtein. 
Sag', was gibt's? 
Seni. 
Flieh, Hoheit, eh' der Tag anbricht. Vertraue dich 
Den Schwediſchen nicht an. 


Wallenſtein. 
Was fällt dir ein? 


Seni (mit ſteigendem Ton). 
Vertrau' dich dieſen Schweden nicht! 


Wallenſtein. 
Was iſt's denn? 


358 Wallenſteins Tod 


3605 


Seni. 
Erwarte nicht die Ankunft dieſer Schweden! 
Von falſchen Freunden droht dir nahes Unheil, 
Die Zeichen ſtehen grauſenhaft, nah, nahe 


Umgeben dich die Netze des Verderbens. 


3610 


3615 


3620 


Wallenſtein. 
Du träumſt, Baptiſt, die Furcht betöret dich. 


Seni. 
O glaube nicht, daß leere Furcht mich täuſche. 
Komm, lies es ſelbſt in dem Planetenſtand, 
Daß Unglück dir von falſchen Freunden droht. 


Wallenſtein. 
Von falſchen Freunden ſtammt mein ganzes Unglück. 
Die Weiſung hätte früher kommen ſollen, 
Jetzt brauch' ich keine Sterne mehr dazu. 


Seni. 
O komm und ſieh! Glaub' deinen eignen Augen. 
Ein greulich Zeichen ſteht im Haus des Lebens, 
Ein naher Feind, ein Unhold lauert hinter 
Den Strahlen deines Sterns — O laß dich warnen! 
Nicht dieſen Heiden überliefre dich, 
Die Krieg mit unſrer heil'gen Kirche führen. 


Wallenſtein (lächelnd). 
Schallt das Orakel daher? — Ja! Ja! Nun 
Beſinn' ich mich — Dies ſchwed'ſche Bündnis hat 
Dir nie gefallen wollen — Leg' dich ſchlafen, 
Baptiſta! Solche Zeichen fürcht' ich nicht. 


Gordon 


(der durch dieſe Reden heftig erſchüttert worden, wendet ſich zu Wallen— 


3625 


ſtein). 
Mein fürſtlicher Gebieter! Darf ich reden? 
Oft kommt ein nützlich Wort aus ſchlechtem Munde. 


3630 


3635 


3640 


3645 


3650 


Fünfter Aufzug. 5. Auftritt 359 


Sprich frei! e 
Gordon. 


Mein Fürſt! Wenn's doch kein leeres Furchtbild wäre, 
Wenn Gottes Vorſehung ſich dieſes Mundes 
Zu Ihrer Rettung wunderbar bediente! 

Wallenſtein. 
Ihr ſprecht im Fieber, einer wie der andre. 
Wie kann mir Unglück kommen von den Schweden? 
Sie ſuchten meinen Bund, er iſt ihr Vorteil. 

Gordon. 

Wenn dennoch eben dieſer Schweden Ankunft — 
Gerade die es wär', die das Verderben 


Beflügelte auf Ihr ſo ſichres Haupt — 


(vor ihm niederſtürzend) 
O noch iſt's Zeit, mein Fürſt — 
Seni (tuiet nieder). 
O hör' ihn! hör' ihn! 
Wallenſtein. 
Zeit, und wozu? Steht auf — Ich will's, ſteht auf. 
Gordon (ſteht auf). 
Der Rheingraf iſt noch fern. Gebieten Sie, 
Und dieſe Feſtung ſoll ſich ihm verſchließen. 
Will er uns dann belagern, er verſuch's. 
Doch ſag' ich dies: Verderben wird er eher 
Mit ſeinem ganzen Volk vor dieſen Wällen, 
Als unſres Mutes Tapferkeit ermüden. 
Erfahren ſoll er, was ein Heldenhaufe 
Vermag, beſeelt von einem Heldenführer, 
Dem's Ernſt iſt, ſeinen Fehler gut zu machen. 
Das wird den Kaiſer rühren und verſöhnen, 
Denn gern zur Milde wendet ſich ſein Herz, 
Und Friedland, der bereuend wiederkehrt, 
Wird höher ſtehn in ſeines Kaiſers Gnade, 
Als je der Niegefallne hat geſtanden. 


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360 Wallenſteins Tod 


Wallenſtein 
(betrachtet ihn mit Befremdung und Erjtaunen und ſchweigt eine Zeitlang, 
eine ſtarke innre Bewegung zeigend). 


Gordon — des Eifers Wärme führt Euch weit, 
Es darf der Jugendfreund ſich was erlauben. 
— Blut iſt gefloſſen, Gordon. Nimmer kann 
Der Kaiſer mir vergeben. Könnt' er's, ich, 

Ich könnte nimmer mir vergeben laſſen. 

Hätt' ich vorher gewußt, was nun geſchehn, 
Daß es den liebſten Freund mir würde koſten, 
Und hätte mir das Herz wie jetzt geſprochen — 
Kann ſein, ich hätte mich bedacht — kann ſein 
Auch nicht — Doch was nun ſchonen noch? Zu ernſthaft 
Hat's angefangen, um in nichts zu enden. 


Hab' es denn ſeinen Lauf! 

(Indem er ans Fenſter tritt.) 
Sieh, es iſt Nacht geworden, auf dem Schloß 
Iſt's auch ſchon ſtille — Leuchte, Kämmerling. 


(Kammerdiener, der unterdeſſen ſtill eingetreten und mit ſichtbarem Anteil 
in der Ferne geſtanden, tritt hervor, heftig bewegt, und ſtürzt ſich zu des 
Herzogs Füßen.) 


Du auch noch? Doch ich weiß es ja, warum 
Du meinen Frieden wünſcheſt mit dem Kaiſer. 
Der arme Menſch! Er hat im Kärntnerland 
Ein kleines Gut und ſorgt, ſie nehmen's ihm, 
Weil er bei mir iſt. Bin ich denn ſo arm, 
Daß ich den Dienern nicht erſetzen kann? 
Nun! Ich will niemand zwingen. Wenn du meinſt, 
Daß mich das Glück geflohen, ſo verlaß mich. 
Heut' magſt du mich zum letztenmal entkleiden 
Und dann zu deinem Kaiſer übergehn — 

Gut' Nacht, Gordon! 

Ich denke einen langen Schlaf zu tun, 

Denn dieſer letzten Tage Qual war groß. 
Sorgt, daß ſie nicht zu zeitig mich erwecken. 


(Er geht ab. Kammerdiener leuchtet. Seni folgt. Gordon bleibt in der 

Dunkelheit ſtehen, dem Herzog mit den Augen folgend, bis er in dem 

äußerſten 84 verſchwunden iſt; dann drückt er durch Gebärden ſeinen 
Schmerz aus und lehnt ſich gramvoll an eine Säule.) 


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Fünfter Aufzug. 6. Auftritt 361 
6. Auftritt 


Gordon. Buttler, anfangs hinter der Szene. 
Buttler. 
Hier ſtehet ſtill, bis ich das Zeichen gebe. 
Gordon (fährt auf). 
Er iſt's, er bringt die Mörder ſchon. 
e Die Lichter 
Sind aus. In tiefem Schlafe liegt ſchon alles. 
Gordon. 
Was ſoll ich tun? Verſuch' ich's, ihn zu retten? 
Bring' ich das Haus, die Wachen in Bewegung? 
Buttler lerſcheint hinten). 
Vom Korridor her ſchimmert Licht. Das führt 
Zum Schlafgemach des Fürſten. 
Gordon. 
Aber brech' ich 
Nicht meinen Eid dem Kaiſer? Und entkommt er, 
Des Feindes Macht verſtärkend, lad' ich nicht 
Auf mein Haupt alle fürchterlichen Folgen? 
Buttler (etwas näher kommend). 
Still! Horch! Wer ſpricht da? 
Gordon. 
Ach, es iſt doch beſſer, 
Ich ſtell's dem Himmel heim. Denn was bin ich, 
Daß ich ſo großer Tat mich unterfinge? 
Ich hab' ihn nicht ermordet, wenn er umkommt, 
Doch ſeine Rettung wäre meine Tat, 
Und jede ſchwere Folge müßt' ich tragen. 
Buttler (herzutretend). 
Die Stimme kenn' ich. 
Gordon. 
Buttler! 


3700 


3705 


362 Wallenſteins Tod 


Buttler. 
Es iſt Gordon. 
Was ſucht Ihr hier? Entließ der Herzog Euch 
So ſpät? 
Gordon. 
Ihr tragt die Hand in einer Binde? 


Buttler. 
Sie iſt verwundet. Dieſer Illo focht 
Wie ein Verzweifelter, bis wir ihn endlich 
Zu Boden ſtreckten — 


Gordon (ſchauert zuſammen). 
Sie ſind tot! 


Buttler. 


Es iſt geſchehn. 
— Iſt er zu Bett? i 


Gordon. 
Ach Buttler! 


Buttler (dringend). 
Iſt er? Sprecht! 
Nicht lange kann die Tat verborgen bleiben. 


Gordon. 
Er ſoll nicht ſterben. Nicht durch Euch! Der Himmel 


Will Euren Arm nicht. Seht, er iſt verwundet. 
Buttler. 

Nicht meines Armes braucht's. 
Gordon. 


Die Schuldigen 
Sind tot; genug iſt der Gerechtigkeit 
Geſchehn! Laßt dieſes Opfer ſie verſöhnen! 
(Kammerdiener kommt den Gang her, mit dem Finger auf dem Mund 
Stillſchweigen gebietend.) 


Er ſchläft! O mordet nicht den heil'gen Schlaf! 


Fünfter Aufzug. 6. Auftritt 363 


Buttler. 
3710 Nein, er ſoll wachend ſterben. (Wil gehen.) 


Gordon. 
Ach, ſein Herz iſt noch 
Den ird'ſchen Dingen zugewendet, nicht 
Gefaßt iſt er, vor ſeinen Gott zu treten. 
Buttler. 
Gott ijt barmherzig! (Win gehen.) 


Gordon (halt ihn). 
Nur die Nacht noch gönnt ihm. 


Buttler. 
Der nächſte Augenblick kann uns verraten. 
(Will fort.) 
Gordon (hält ihn). 


3715 Nur eine Stunde! 
Buttler. 


Laßt mich los! Was kann 
Die kurze Friſt ihm helfen? 
Gordon. 
O die Zeit iſt 
Ein wundertät'ger Gott. In einer Stunde rinnen 
Viel tauſend Körner Sandes, ſchnell wie ſie 
Bewegen ſich im Menſchen die Gedanken. 
3720 Nur eine Stunde! Euer Herz kann ſich, 
Das ſeinige ſich wenden — Eine Nachricht 
Kann kommen — ein beglückendes Ereignis 
Entſcheidend, rettend, ſchnell vom Himmel fallen — 
O was vermag nicht eine Stunde! 
Buttler. 
Ihr erinnert mich, 


3725 Wie koſtbar die Minuten find. 
(Er ſtampft auf den Boden.) 


364 Wallenſteins Tod 
7. Auftritt 


Macdonald, Deveroux mit Hellebardierern treten hervor. Dann 
Kammerdiener. Vorige. 
Gordon (fics) zwiſchen ihn und jene werfend). 
Nein, Unmenſch! 
Erſt über meinen Leichnam ſollſt du hingehn, 
Denn nicht will ich das Gräßliche erleben. 
Buttler (ihn wegdrängend). 
Schwachſinn'ger Alter! 
(Man hört Trompeten in der Ferne.) 
Macdonald und Deverour. 
Schwediſche Trompeten! 
Die Schweden ſtehn vor Eger! Laßt uns eilen! 
Gordon. 


3730 Gott! Gott! 
Buttler. 


An Euren Poſten, Kommendant! 
(Gordon ſtürzt hinaus.) 
Kammerdiener (eilt herein). 
Wer darf hier lärmen? Still, der Herzog ſchläft! 
Deverour (mit lauter, fürchterlicher Stimme). 
Freund! Jetzt iſt's Zeit, zu lärmen! 


Kammerdiener (Geſchrei erhebend). 
Hilfe! Mörder! 
Buttler. 
Nieder mit ihm! 
Kammerdiener (von Deveroux durchbohrt, ſtürzt am Eingang der Galerie). 
Jeſus Maria! 


Buttler. 
Sprengt die Türen! 
(Sie ſchreiten über den Leichnam weg den Gang hin. Man hört in der 


Ferne zwei Türen nach einander ſtürzen — Dumpfe Stimmen — Waffen: 
getöſe — dann plötzlich tiefe Stille.) 


Fünfter Aufzug. 9. Auftritt 365 
8. Auftritt 


Gräfin Terzky mit einem Lichte. 

Ihr Schlafgemach iſt leer, und ſie iſt nirgends 

3736 Zu finden, auch die Neubrunn wird vermißt, 
Die bei ihr wachte — Wäre ſie entflohn? 
Wo kann ſie hingeflohen ſein! Man muß 
Nacheilen, alles in Bewegung ſetzen! 
Wie wird der Herzog dieſe Schreckenspoſt 

340 Aufnehmen! — Wäre nur mein Mann zurück 
Vom Gaſtmahl! Ob der Herzog wohl noch wach iſt? 
Mir war's, als hört' ich Stimmen hier und Tritte. 
Ich will doch hingehn, an der Türe lauſchen. 
Horch! wer iſt das? Es eilt die Trepp' herauf. 


9. Auftritt 
Gräfin. Gordon. Dann Buttler. 
Gordon (eilfertig, atemlos hereinſtürzend). 
3746 Es iſt ein Irrtum — es ſind nicht die Schweden. 
Ihr ſollt nicht weiter gehen — Buttler — Gott! 
Wo iſt er? 


(Indem er die Gräfin bemerkt.) 
Gräfin, ſagen Sie — 
Gräfin. 
Sie kommen von der Burg? Wo iſt mein Mann? 
Gordon lentſetzt). 
Ihr Mann! — O fragen Sie nicht! Gehen Sie 
3750 Hinein — (Will fort.) 
Gräfin (hält ihn). 
Nicht eher, bis Sie mir entdecken — 
Gordon (heftig dringend). 
An dieſem Augenblicke hängt die Welt! 
Um Gotteswillen, gehen Sie — Indem 


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8765 


366 Wallenſteins Tod 


Wir ſprechen — Gott im Himmel! 
(Laut ſchreiend.) 
Buttler! Buttler! 


Grifin. 


Der iſt ja auf dem Schloß mit meinem Mann. 
(Buttler kommt aus der Galerie.) 


Gordon (der ihn erblickt). 
Es war ein Irrtum — Es ſind nicht die Schweden — 
Die Kaiſerlichen ſind's, die eingedrungen — 
Der Generalleutnant ſchickt mich her, er wird 
Gleich ſelbſt hier ſein — Ihr ſollt nicht weiter gehn — 
Buttler. 
Er kommt zu ſpät. 


Gordon (ſtürzt an die Mauer). 
Gott der Barmherzigkeit! 


Gräfin (ahnungsvoll). 
Was iſt zu ſpät? Wer wird gleich ſelbſt hier ſein? 
Octavio in Eger eingedrungen? 
Verräterei! Verräterei! Wo iſt 


Der Herzog? 
9 809 (Eilt dem Gange zu.) 


10. Auftritt 


Vorige. Seni. Dann Bürgermeiſter. Page. Kammerfrau. 
Bediente rennen ſchreckensvoll über die Szene. 


Sent (der mit allen Zeichen des Schreckens aus der Galerie kommt). 
O blutige, entſetzensvolle Tat! 


Grifin. 
Was ijt 
Geſchehen, Seni? 
Page (herauskommend). 
O erbarmenswürd'ger Anblick! 
(Bediente mit Fackeln.) 


Fünfter Aufzug. 10. Auftritt 367 


Gräfin. 
Was iſt's? Um Gotteswillen! 


Seni. 
Fragt Ihr noch? 
Drinn liegt der Fürſt ermordet, Euer Mann iſt 
Erſtochen auf der Burg. 
(Gräfin bleibt erſtarrt ſtehen.) 


Kammerfrau leilt herein). 
Hilf'! Hilf' der Herzogin! 
Biirgermeifier (rommt ſchreckenvoll). 
Was für ein Ruf 
2770 Des Jammers weckt die Schläfer dieſes Hauſes? 


Gordon. 
Verflucht iſt Euer Haus auf ew'ge Tage! 
In Eurem Hauſe liegt der Fürſt ermordet. 


Bürgermeiſter. 
Das wolle Gott nicht! 
(Stürzt hinaus.) 


Erſter Bedienter. 
l Flieht! Flieht! Sie ermorden 
ns alle! 


Zweiter Bedienter (Silbergerät tragend). 
Da hinaus. Die untern Gänge ſind beſetzt. 
(Hinter der Szene wird gerufen:) 
375 Platz! Platz dem Generalleutnant! 


(Bei dieſen Worten richtet ſich die Gräfin aus ihrer Erſtarrung auf, faßt 
ſich und geht ſchnell ab.) 
(Hinter der Szene:) 


Beſetzt das Tor! Das Volk zurückgehalten! 


368 Wallenſteins Tod 


11. Auftritt 


Vorige ohne die Gräfin. Octavio Piccolomini tritt herein mit 
Gefolge. De veroux und Macdonald kommen zugleich aus dem Hinter= 
grunde mit Hellebardierern. Wallenſteins Leichnam wird in einem roten 
Teppich hinten über die Szene getragen. 
Octavio (raſch eintretend ).. 
Es darf nicht ſein! Es iſt nicht möglich! Buttler! 
Gordon! Ich will's nicht glauben. Saget nein. 


Gordon 
(ohne zu antworten, weiſt mit der Hand nach hinten. Octavio ſieht hin 
und ſteht von Entſetzen ergriffen). 
Deverour (zu Buttler). 
Hier iſt das goldne Vlies, des Fürſten Degen! 


Macdonald. 
avso Befehlt Ihr, daß man die Kanzlei — 


Buttler (auf Octavio zeigend). 
Hier ſteht er, 
Der jetzt allein Befehle hat zu geben. 
(Deveroux und Macdonald treten ehrerbietig zurück; alles verliert ſich ſtill, 
daß nur allein Buttler, Octavio und Gordon auf der Szene bleiben.) 


Octavio (zu Buttlern gewendet). 
War das die Meinung, Buttler, als wir ſchieden? 
Gott der Gerechtigkeit! Ich hebe meine Hand auf. 
Ich bin an dieſer ungeheuren Tat 
3785 Nicht ſchuldig. 
Buttler. 
Eure Hand iſt rein. Ihr habt 

Die meinige dazu gebraucht. 

Octavio. 

: Ruchloſer! 

So mußteſt du des Herrn Befehl mißbrauchen 


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Fünfter Aufzug. 11. Auftritt 369 


Und blutig grauenvollen Meuchelmord 
Auf deines Kaiſers heil'gen Namen wälzen? 


Buttler (gelaſſen). 
Ich hab' des Kaiſers Urtel nur vollſtreckt. 


Octavio. 
O Fluch der Könige, der ihren Worten 
Das fürchterliche Leben gibt, dem ſchnell 
Vergänglichen Gedanken gleich die Tat, 
Die feſt unwiderrufliche, ankettet! 
Mußt' es ſo raſch gehorcht ſein? Konnteſt du 
Dem Gnädigen nicht Zeit zur Gnade gönnen? 
Des Menſchen Engel iſt die Zeit — die raſche 
Vollſtreckung an das Urteil anzuheften, 
Ziemt nur dem unveränderlichen Gott! 


Buttler. 
Was ſcheltet Ihr mich? Was iſt mein Verbrechen? 
Ich habe eine gute Tat getan, 
Ich hab' das Reich von einem furchtbarn Feinde 
Befreit und mache Anſpruch auf Belohnung. 
Der einz'ge Unterſchied iſt zwiſchen Eurem 
Und meinem Tun: Ihr habt den Pfeil geſchärft, 
Ich hab' ihn abgedrückt. Ihr ſätet Blut 
Und ſteht beſtürzt, daß Blut iſt aufgegangen. 
Ich wußte immer, was ich tat, und ſo 
Erſchreckt und überraſcht mich kein Erfolg. 
Habt Ihr ſonſt einen Auftrag mir zu geben? 
Denn ſtehnden Fußes reiſ' ich ab nach Wien, 
Mein blutend Schwert vor meines Kaiſers Thron 
Zu legen und den Beifall mir zu holen, 
Den der geſchwinde, pünktliche Gehorſam 
Von dem gerechten Richter fordern darf. 

Geht ab.) 


Schillers Werke. v. 24 


370 Wallenſteins Tod 


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3835 


12. Auftritt 


Vorige ohne Buttler. Gräfin Terzky tritt auf, bleich und entftellt. 


Ihre Sprache iſt ſchwach und langſam, ohne Leidenſchaft. 


Octavio (ifr entgegen). 
O Gräfin Terzky, mußt' es dahin kommen? 
Das ſind die Folgen unglückſel'ger Taten. 


Grifin. 
Es find die Früchte Ihres Tuns — Der Herzog 
Iſt tot, mein Mann iſt tot, die Herzogin 
Ringt mit dem Tode, meine Nichte iſt verſchwunden. 
Dies Haus des Glanzes und der Herrlichkeit 
Steht nun verödet, und durch alle Pforten 
Stürzt das erſchreckte Hofgeſinde fort. 
Ich bin die Letzte drin, ich ſchloß es ab 
Und liefre hier die Schlüſſel aus. 


Octavio (mit tiefem Schmerz). 
O Gräfin, 
Auch mein Haus iſt verödet! 


Grifin. 

Wer ſoll noch 
Umkommen? Wer ſoll noch mißhandelt werden? 
Der Fürſt iſt tot, des Kaiſers Rache kann 
Befriedigt ſein. Verſchonen Sie die alten Diener! 
Daß den Getreuen ihre Lieb' und Treu 
Nicht auch zum Frevel angerechnet werde! 
Das Schickſal überraſchte meinen Bruder 
Zu ſchnell, er konnte nicht mehr an ſie denken. 


Octavio. 
Nichts von Mißhandlung! Nichts von Rache, Gräfin! 
Die ſchwere Schuld iſt ſchwer gebüßt, der Kaiſer 
Verſöhnt, nichts geht vom Vater auf die Tochter 
Hinüber als ſein Ruhm und ſein Verdienſt. 


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Fünfter Aufzug. 12. Auftritt 371 


Die Kaiſerin ehrt Ihr Unglück, öffnet Ihnen 
Teilnehmend ihre mütterlichen Arme. 

Drum keine Furcht mehr! Faſſen Sie Vertrauen 
Und übergeben Sie ſich hoffnungsvoll 

Der kaiſerlichen Gnade. 


Griifin (mit einem Blick zum Himmel). 
Ich vertraue mich 

Der Gnade eines größern Herrn — Wo ſoll 
Der fürſtliche Leichnam ſeine Ruhſtatt finden? 
In der Kartauſe, die er ſelbſt geſtiftet, 
Zu Gitſchin ruht die Gräfin Wallenſtein; 
An ihrer Seite, die ſein erſtes Glück 
Gegründet, wünſcht' er, dankbar, einſt zu ſchlummern. 
O laſſen Sie ihn dort begraben ſein! 
Auch für die Reſte meines Mannes bitt' ich 
Um gleiche Gunſt. Der Kaiſer iſt Beſitzer 
Von unſern Schlöſſern, gönne man uns nur 
Ein Grab noch bei den Gräbern unſrer Ahnen. 


Octavio. 
Sie zittern, Gräfin — Sie verbleichen — Gott! 
Und welche Deutung geb' ich Ihren Reden? 


Grifin 
(ſammelt ihre letzte Kraft und ſpricht mit Lebhaftigkeit und Adel). 
Sie denken würdiger von mir, als daß Sie glaubten, 
Ich überlebte meines Hauſes Fall. 
Wir fühlten uns nicht zu gering, die Hand 
Nach einer Königskrone zu erheben — 
Es ſollte nicht ſein — Doch wir denken königlich 
Und achten einen freien, mut'gen Tod 
Anſtändiger als ein entehrtes Leben. 


— Ich habe Gift — — — 


Octavio. 
O rettet! helft! 


372 Wallenſteins Tod 


Gräfin. 
, Es ijt zu ſpät. 
In wenig Augenblicken iſt mein Schickſal 
3865 Erfüllt. 
Sie geht ab.) 
Gordon. 
O Haus des Mordes und Entſetzens! 


Ein Kurier kommt und bringt einen Brief. 


Gordon (tritt ihm entgegen). 
Was gibt's? Das iſt das kaiſerliche Siegel. 
(Er hat die Aufſchrift geleſen und übergibt den Brief dem Octavio mit 
einem Blick des Vorwurfs.) 


Dem Fürſten Piccolomini. 
(Octavio erſchrickt und blickt ſchmerzvoll zum Himmel.) 
(Der Vorhang fällt.) 


— 2 — 


Anmerkungen 


In den folgenden Anmerkungen werden „Wallenſteins 
Lager“, „Die Piccolomini“ und „Wallenſteins Tod“ durch 
L, P und T mit zugefügter Verszahl bezeichnet. 

XV mit zugefügter Seitenzahl bedeutet den fünfzehnten 
Band dieſer Ausgabe, enthaltend Schillers „Geſchichte des 
Dreißigjährigen Kriegs“. 


Über die Quellen zum „Dreißigjährigen Krieg“, die 
Schiller (jf. Einleitung S. IX und XI) auch für den „Wallen⸗ 
ſtein“ wieder herangezogen hat, ſ. XV 447 ff. Für den 
„Wallenſtein“ benutzte er am meiſten Murrs „Beiträge zur 
Geſchichte des Dreißigjährigen Krieges“, Nürnberg 1790. 
Dieſes Werk enthält in ſeinem zweiten Teil „Urkunden 
zur Geſchichte Wallenſteins“, unter denen namentlich zwei 
Berichte der Gegner (1634) für Schiller von Wichtigkeit ge⸗ 
weſen ſind: 1. das Chaos perduellionis, wahrſcheinlich von 
Slawata, dem erbitterten Gegner Wallenſteins, in latei— 
niſcher Sprache abgefaßt, und 2. der „Ausführliche Ge- 
richt“ (von Murr fälſchlich als Chaos perd. II bezeichnet), 
die offizielle, vom Wiener Hof anſtatt des Urteiles ver⸗ 
öffentlichte Rechtfertigungsſchrift, die das Chaos faſt ganz 
ausſchöpft und deutſch wiedergibt. Dieſe beiden Berichte 
waren ſchon für Khevenhiller und das Theatrum Europaeum 
die wichtigſte Quelle; direkt und ausgiebig hat ſie Schiller, 
namentlich den „Ausführlichen Bericht“, der als ſeine Haupt⸗ 
quelle bezeichnet werden kann, erſt für die Dichtung benutzt. 
Bei Murr fand Schiller auch die lateiniſche Erzählung von 
der Ermordung Wallenſteins aus dem Itinerarium des Feld⸗ 
predigers Carve und eine Menge von Murr ziemlich kritiklos 
zuſammengetragenen biographiſchen Materials, das er ſtark 
ausnutzte. In den Namensformen ſchließt er ſich ganz an 
Murr an. In zweiter Linie kommt für die Dichtung Her⸗ 
chenhahns „Geſchichte Albrechts von Wallenſtein“ (3 Teile, 
Altenburg 1790 f.) in Betracht, aus welcher er namentlich 
den Bericht Seſynas benutzte. 

Die hiſtoriſche Literatur, die ſeit Rankes epochemachen— 
dem Werke namentlich durch die Publikationen Hallwichs 
über Wallenſteins Ende Licht verbreitet hat, kommt für uns 


376 Anmerkungen 


nur ſo weit in Betracht, als Schiller ſie gekannt hat. Man 
vergleiche Paul Schweizer, Die Wallenſtein-Frage in der 
Geſchichte und im Drama, Zürich 1899. 


Prolog. 

Der Prolog zum „Lager“, der um die Wende der Monate 
September und Oktober 1798 entſtanden iſt, wurde bei der 
erſten Aufführung am 12. Oktober 1798 von dem Schau⸗ 
ſpieler Vohs im Koſtüme des Max Piccolomini zwiſchen dem 
fünfaktigen Schauſpiel „Die Corſen“ von Kotzebue und dem 
„Lager“ geſprochen. 

Vers 1. Thalia und Melpomene werden mit Masken 
abgebildet. 

V. 5. Die Beſchreibung des von dem Stuttgarter Bau⸗ 
meiſter Thouret umgeſtalteten Theaters ſ. Goethes Werke, 
Jub.⸗Ausg. Bd. 37. 

20. Die Hoffnung, Schröder als Wallenſtein auf der 
Weimarer Bühne zu ſehen, erfüllte ſich nicht. In dieſem 
Abſatz (10—31) hat Goethe die Hand im Spiele gehabt und 
etliche Verſe hinzugefügt; ſ. an Schiller, 6. Okt. 1798. 

24. „Kreis“: vom Zuſchauerraum; vgl. 8 und 28. 

32 ff. Über die Vergänglichkeit der Schauſpielkunſt haben 
ſich Garrick im Prolog zur „Heimlichen Heirat“, Leſſing in der 
Ankündigung der „Dramaturgie“ und Forſter in Schillers 
„Thalia“ ganz ähnlich geäußert. 

48 f. Ahnliche Sentenzen bei Horaz (Epist. I 17, 35) und 
in Marcellinus' „Leben des Thukydides“, wie auch V. 60 bei 
Tacitus im Dialogus de oratoribus 37 vorkommt. 

50 ff. Genau dieſelben Hoffnungen knüpft Schiller im 
Brief an Goethe vom 31. Aug. 1798 an den Theaterbau. 
Man vergleiche auch die Xenien „Shakeſpeares Schatten“ 
(Bd. 1, S. 129 f.). 

61 ff. Die Beziehungen auf die Zeitgeſchichte hat man 
neuerdings mit Unrecht geleugnet. Goethe im Brief an 
Meyer (6. Juni 1797) verweiſt ausdrücklich auf Dumouriez; 
und in Wien wurde der „Wallenſtein“ wegen ſolcher Ausdeu⸗ 
tungen verboten. 

72. Der Weſtfäliſche Friede (XV 4. 442 f.). 


zu Wallenſteins Lager 377 


79 f. Die Handlung ſpielt Februar 1634, alſo in der 
Mitte des großen Krieges (1618—48); in P 482 und T 1981: 
fünfzehn Jahre. 

85. Magdeburg wurde von Tilly am 10. Mai 1631 zer⸗ 
ſtört (XV 178 ff. 224). 

109 f. Man beachte, daß der Prolog entſtanden iſt, ehe 
die aſtrologiſchen Stellen in den beiden Dramen fertig waren 
(Einleitung S. XIX). 


Wallenſteins Lager. 

Vers 11 f. hat Goethe eingefügt, aber weniger, wie er 
ſpäter glaubte (zu Eckermann, 25. Mai 1831), um zu mo⸗ 
tivieren, wie der Bauer in den Beſitz der Würfel gekommen 
ſei, was in der Tat überflüſſig geweſen wäre, als um zu 
zeigen, wie der durch den Krieg verdorbene Bauer die Sol⸗ 
daten mit ihren eigenen Waffen bekriegt. 

V. 32. Nach der Schlacht bei Breitenfeld 1631 hatten 
die Sachſen unter Arnim (bei Schiller „Arnheim“ im Ge⸗ 
ſchichtswerk wie in der Dichtung) Böhmen im Auftrag Guſtav 
Adolfs beſetzt; XV 206. 212. 214. 249 ff. 252. 257. 267. 

37. Karabiniere = reitende Schützen, mit Karabiner 
(Feuerwaffe) bewaffnet. 

54 f. iſt kein Widerſpruch mit L 881 und P 1149 f.; 
denn wie die Generale die Regimenter aus ihren eigenen 
Kaſſen ſtellten (L 816 ff.), fo ſtreckten fie auch die Löhnung vor. 

57 f. In der Geſchichte weilte die Herzogin mit ihrer 
Tochter damals in Bruck an der Leitha. 

71. Queſtenberg. 

105. Konſtabler = Kanonier, Artilleriſt. 

112. Die Einnahme von Regensburg (15. Nov. 1633) 
fällt nicht nur geſchichtlich einige Monate voraus; ſie wird 
auch in P 1071 ff. vor längerer Zeit angeſetzt, während ſie 
hier der ſtärkeren Wirkung wegen als Neuigkeit mitgeteilt 
wird. Vgl. XV 245 f. 248. 341 ff. 

114 f. Der Kurfürſt Maximilian von Bayern, dem der 
Kaiſer den Sieg am Weißen Berge bei Prag verdankte, hatte 
1630 am meiſten Wallenſteins Abſetzung in Regensburg be- 
trieben; XV 86 f. 99. 142 ff. 267. 


378 Anmerkungen 


122. Der General von Holk (+ 1633) hatte in den Jahren 
1632 f. auf Wallenſteins Befehl Voigtland, das Erzgebirge 
und den ganzen Meißener Kreis, auch Leipzig, erobert und 
geplündert; vgl. L 184 f. und XV 296. 351. 

123. D. h. haben ſie nicht gekauft und bezahlt, ſondern 
geraubt. 

125 ff. Als Guſtel von Blaſewitz ſoll Schiller Johanna 
Juſtine Segedin, die Tochter der Beſitzerin des Schenkgutes 
in Blaſewitz, verewigt haben, wo er während ſeines Dres⸗ 
dener Aufenthaltes einzukehren pflegte. Ihr Schattenriß 
in Könneckes Bilderatlas. Auch dem Peter von Itzehö (in 
Holſtein) will Fr. Förſter 1814 begegnet ſein. 

128. „goldene Füchſe“: Goldſtücke. 

139 ff. Wallenſtein verfolgte den Grafen von Mansfeld 
nach dem Sieg an der Deſſauer Brücke (25. April 1626) bis 
nach Ungarn; XV 73 f. 80. 111 ff. 125 ff. 128. 

142. Nach dem Sieg über die Dänen beherrſchte Wallen⸗ 
ſtein im Frühjahr 1628 ganz Norddeutſchland und die Oſt⸗ 
ſee, nur Stralſund leiſtete Widerſtand. Vgl. L 604 f. T 225. 
XV 133 ff. 

144. Im mantuaniſchen Erbfolgekrieg; XV 144 f. 

145 f. XV 340 und 238. Spaniſche Truppen zogen da⸗ 
mals aus den ſpaniſchen Beſitzungen: Mailand und den 
Niederlanden, wiederholt an den Rhein, um den Einfluß 
der ſpaniſchen Politik geltend zu machen. Wallenſtein und 
Guftav Adolf ſuchten die Spanier immer wieder hinaus⸗ 
zutreiben (XV 238. 348 f.). 

162. Feldſchule: XV 289. 

183. „galant“: von der Kleidung; ſauber, elegant. 

208 f. Dieſe berühmten Verſe ſind eine Reminiſzenz 
aus Moliere, Les femmes savantes I 1. 

256 ff. Ein ſolches Wechſeln der Fahne wie bei dem 
erſten Jäger, der einmal der Partei, dann gleich darauf 
der Gegenpartei dient, war in jener Zeit nichts Seltenes; 
XV 162. Zum Dienſt bei Guftav Adolf: XV 155f. 158. 164. 

265. Natürlich nicht um Kirchenbuße zu tun, ſondern 
um zu heiraten, XV 289; es war im Dreißigjährigen Kriege 
gewöhnlich, Weiber und Kinder mitzuſchleppen. 


gu Wallenfteins Lager 379 


267. Schon bei Lebzeiten Guftav Adolfs und mehr noch 
nach ſeinem Tode nahm die Diſziplin ab; XV 292 f. 336 ff. 

268. Liga, der Verein der katholiſchen Fürſten, 1609 
geſtiftet, deren Führer Kurfürſt Maximilian von Bayern 
und deren berühmteſter Feldherr Tilly war, XV 56 f. 86. 168. 

280. Sieg Guſtav Adolfs über Tilly bei Leipzig (Brei⸗ 
tenfeld) 7. Sept. 1631, XV 198 ff. 

291 ff. widerſprechen nur ſcheinbar L 31 f.: das Land 
war den Soldaten zur Plünderung preisgegeben, aber das 
kaiſerliche Eigentum mußten fie ſchonen, XV 254 f. Über 
das ſchwankende Verhältnis des Kurfürſten von Sachſen, 
der Guftav Adolf nur unfreiwillig und unſicher anhing, ver⸗ 
gleiche man Schillers von Widerſpruch nicht freies Urteil 
XV 87. 96. 171 f. 193 ff. 297 ff. 329. 

355. „feſt“ kugelfeſt, T 3336 ff.; Freytag, Bilder aus 
der deutſchen Vergangenheit Bd. III, Kap. 2. Wallenſtein trägt 
auch in den Quellen ein Wams von Elenshaut; ein undurch⸗ 
dringliches aber wird nur Terzky zugeſchrieben (L 365 f.). 

373. Graumännlein iſt Beiname des Teufels. 

442 ff. Buttler war kein Emporkömmling; er gehörte 
einem iriſchen Rittergeſchlecht an und hat ſein Regiment ſchon 
1633, nicht auf Empfehlung Wallenſteins, erhalten; er war 
Oberſt, nie Generalmajor. Er erſcheint auch nur bei Herchen⸗ 
hahn (III 259) nachträglich als in Pilſen anweſend erwähnt, 
was allerdings der Geſchichte entſpricht, denn er hat den 
Revers unterzeichnet, aber in Schillers Quellen nicht deut⸗ 
lich wird, in denen er erſt in Eger hervortritt. Auch aus 
Murr konnte Schiller über ihn und ſeine Herkunft nichts 
erfahren als die unrichtige Angabe, daß er eine Gräfin 
von Fondana in Eger heiratete. XV 369 führt ihn Schiller 
als Kommandanten von Eger ein. 

458 ff. Den Aufenthalt Wallenſteins an der im 17. Jahr⸗ 
hundert vielbeſuchten Univerſität Altdorf (bei Nürnberg) und 
die Studentenſtreiche erzählt Schiller nach Murr. 

484 ff. Bei der Kapuzinerpredigt iſt zu beachten, daß die 
Kapuziner auch ſonſt im Stücke (P 173. 2589) als Gegner 
Wallenſteins eine Rolle ſpielen; auch der Pater Quiroga 
(P 2127), der in der Geſchichte an Stelle des Schilleriſchen 


380 Anmerfungen 


Queſtenberg im Januar 1634 die Forderungen des Hofes 
überbrachte, war ein Kapuziner. Für die draſtiſche Form der 
Rede hat Schiller den Traktat von Abraham a Santa Clara 
„Auff, auff ihr Chriſten!“ aus dem Werke „Reim dich, oder 
ich ließ dich“ (Ausg. Luzern 1687) ausgenutzt, das ihm Goethe 
zuſandte. Abraham benutzt den Türkenkrieg dazu, um gegen 
die Sünden ſeiner Zuhörer zu zetern, die an dem Kriegs⸗ 
unglück alle Schuld haben. 

486. Lieblingswendung Abrahams: „Seid ihr Chriſten?“ 

487. „Antibaptiſten“: wohl abſichtliche Verſchmelzung 
von Anabaptiſten und Antipapiſten. 

488 ff. Abraham: „Lebt man doch allerſeits, als hätte 
der allmächtige Gott das Chiragra und könne nicht mehr 
dreinſchlagen.“ Chiragra = Gicht in den Händen. 

493. Quid hic statis toto die otiosi (Matth. 20, 6) ijt 
auch das Thema einer Predigt Abrahams, worin er die 
trägen Soldaten zum Kampf gegen die Türken auffordert. 

495. „Kriegsfuri“: P 1159. XV 230. 

496. Als Bollwerk Bayerns galt Regensburg ſeit dem 
Vermächtnis Tillys, die Stadt zu beſetzen, um Herr der 
Donau zu bleiben, XV 245. 341. 

500 f. Abraham: „Soldaten, die lieber haben Krüg als 
Krieg. Soldaten, die lieber mit der Sabinl, als mit dem 
Säbel umbſpringen.“ 

503. Oxenſtierna, ſchwediſcher Kanzler, ſeit Guſtav 
Adolfs Tode Leiter der ſchwediſchen Politik und des Krieges 
in Deutſchland; XV 156. 158. 214. 231 f. 239. 326 f. 

507. Auch Abraham verweiſt gern auf die bibliſchen 
„Zeichen und Wunder“. Vgl. T 2610 f. 

510 f. Abraham: „Der Comet mag wohl ein Ruthen 
geweſt ſein, die uns Gott in diß große Fenſter geſteckt hat, 
wormit er uns einen harten Streich trohet.“ 

513. Abraham: „die Archen der Katholiſchen Kirchen“. 

514 ff. Abraham: „Von vielen Jahren hero iſt das Rö⸗ 
miſche Reich ſchier Römiſch arm worden durch ſtäte Krieg“; 
„der Rhein⸗Strom iſt ein Peyn⸗Strom worden durch lauter 
Krieg“; „und andere Länder in Elender kehrt worden durch 
lauter Krieg“. 


zu Wallenſteins Lager 381 


523 f. Abraham: „Aber wer verurſacht die Kriegs- 
empörungen, wer? Der: Nein, ſondern die, die Sünd.“ 

531 f. bei Abraham eine beliebte Wendung: „Nach dem 
S im ABC folgt das T, nach der Sünd folgt der Türck;“ 
oder, mit ähnlichem Doppelſinne wie Schillers Weh: „auf 
alles W folgt das X [Kreuz], auf das Weh das zum Kreuz 
kriechen.“ 

533 f. Dem Satz des hl. Gregor von Tours: Et ubi 
erit spes victoriae, si Sanctus Martinus offenditur? ſetzt 
Abraham die Frage an die chriſtlichen Soldaten gegenüber: 
„Et ubi erit victoria, si offenditur Deus, ubi erit spes victo- 
riae, wenn Gott alſo beleydiget wird?“ 

537. Lukas 15, 8. Abraham: „Das Weib in dem Evan⸗ 
gelio hat den verlohrnen Groſchen geſucht und gefunden; der 
Saul hat die Eſel geſucht und gefunden; der Joſeph hat 
ſeine ſaubere Brüder geſucht und gefunden; der aber Zucht 
und Ehrbarkeit bei Soldaten ſucht, der wird nicht viel 
finden.“ 

542. Abraham: „Der Zeit iſt nichts theurers [ſelteners! 
als die Forcht Gottes.“ 

545 ff. Lukas 3, 14. Abraham erzählt dieſe Geſchichte 
öfter, zitiert aber nur in „Judas der Erzſchelm“ das latei⸗ 
niſche Quid faciemus; Schiller ſcheint die lateiniſche Antwort 
des Täufers direkt der Vulgata entlehnt zu haben. Abra⸗ 
ham: „unter andern ſeind auch etliche ſkrupuloſi Soldaten 
zu ihm getreten, ſprechend: was ſolten wir dann thun? 
Worauff Johannes geantwortet: thut niemand Überlaſt noch 
Gewalt! Contenti estote stipendiis vestris und feyet mit 
euerm Sold zufrieden.“ 

559 ff. Abraham knüpft eine längere Erörterung an 
die Frage, wie die chriſtlichen Soldaten die Gebote halten, 
und führt wie Schiller (559 u. 581) die Gebote einzeln 
an: „Es iſt ein Gebott, du ſolleſt den Nahmen Gottes nicht 
eytel nennen: Wer iſt, der mehrer flucht und ſchwört als 
ihr? ... Wann euch ſolte von einem jeden Flucher ein 
Härlein außgehen, ſo würde euch in einem Monath der 
Schedel ſo glat, und ſo er auch deß Abſalons Strobel gleich 
wäre, als wie ein geſottener Kalbskopff; So man zu allen 


382 Anmerkungen 


Wetteren, welche euer Fludh-Zung außbrütet, müßte die 
Glocken leutten, man könnte gleichſamb nicht Meßner gnug 
herbey ſchaffen.“ 

572 f. Joſua und David werden von Abraham gern 
als tapfere und doch gottesfürchtige Soldaten zitiert: „David 
war auch ein Soldat; doch hat dieſer ſtreittbare Kriegsfürſt 
keinem viel tauſend Teuffel auf den Rucken geladen, ich 
vermeine ja nicht, daß man das Maul muß weiter auf⸗ 
ſperren zu dieſem Spruch: Gott helf dir, als der Teuffel 
holl dich.“ 

581 ff. Abraham: „Ein anders Gebott iſt: Du ſolſt 
nicht Ehebrechen; das haltet ihr ſo ſtarck, wie ein Aff die 
warme Nußſchallen.“ „Es iſt mehrmahlen ein Gebott: Du 
ſollſt nit ſtehlen; die Soldaten haben ſtatt des Nit das Mit 
geſetzt: du ſollſt Mitſtehlen! als ſeyen ſie deßwegen Kriegs⸗ 
Leuth genennet, damit ſie allenthalben ſollen etwas kriegen, 
es lige ſolches auff der Bank oder in dem Kaſten. Dann 
wann ſie ein Kuhe ſtehlen, ſo nehmen ſie das Kalb für ein 
Zuewag. Dieſe gute Leuth wollen gar keine Dieb ſeyn 
und treiben unterdeſſen ſtäts die freye Kunſt, ob ihnen ſchon 
der H. Johannes der Tauffer geprediget, ſie ſollen mit ihrem 
Sold zufrieden ſeyn.“ 586: „und vor euch nicht ſicher iſt 
das Geld in der Truhen.“ 

598 ff. Abraham führt aus, daß unter der Regierung 
der götzendieneriſchen Könige Jerobeam und Nahab ſteter 
Krieg geweſen ſei, wegen ihres Abfalls von Gott. 

604 ff. Die ſagenhafte Außerung fand Schiller in ſeinen 
Quellen; XV 133 ff. 

619. „muffig“ =ftinfend; Abraham: „mufft und ſtincket“. 

625—636 genau nach den Quellen, auch der Vergleich 
mit dem Löwen; XV 149. T 3369. 

653. Arkebuſiere ſind Infanteriſten mit Pickelhaube, 
Degen und großer Gabelbüchſe. 

674 ff. Ein walloniſches Küraſſierregiment hatte Wallen⸗ 
ſtein nach dem Theatrum Europaeum I 114 u. 116 ſchon 
1620 geworben; daher nennen ſich die Wallonen T 1872 (im 
Gegenſatz zu L 195) Wallenſteins Regiment. Später ſtehen 
ſie unter der Führung Pappenheims und werden im Ge⸗ 


gu Wallenfteins Lager 383 


ſchichtswerk, anders als im Drama, als ſehr mordluſtig und ge⸗ 
walttätig geſchildert; XV 182 f. Pappenheims entſcheidendes 
Eingreifen und ſeinen Tod in der Schlacht bei Lützen 
(16. Nov. 1632) erzählt Schiller XV 308 ff. Die Wahl des 
Oberſten iſt natürlich erfunden. 

686. Der Oberſte iſt nicht Max, da ja der zweite Kü⸗ 
raſſier einem lombardiſchen Regiment angehört. 

699 ff. Don Fernando, Bruder des Königs von Spanien, 
bisher Statthalter in dem damals ſpaniſchen Mailand, war 
zum Statthalter in den Niederlanden beſtimmt, und Anfang 
Januar 1634 überbrachte Quiroga den Auftrag nach Pilſen, 
den Kardinal⸗Infanten auf dem Wege durch Deutſchland mit 
6000 Reitern zu begleiten, wobei es auch auf eine Schwächung 
der Wallenſteiniſchen Truppen abgeſehen war, XV 348. 356. 
361. Schiller vergrößert, wie faſt immer, die Truppenzahl 
auf 8000 = 8 Regimenter (L 763, P 1226 ff.). 

748 ff. Über die Werbung im däniſchen Krieg 1625 und 
Wallenſteins Grundſatz: „Im Ganzen ſitzt die Macht“ vgl. 
XV 130. Die Worte Wallenſteins (750 ff.) nach Kheven⸗ 
hiller X 802, aber Schiller hat die Differenz (anſtatt: 20000 
und 50 000) vergrößert. 

786 ff. Hibernia = Irland; Buchau: eine Reichsſtadt in 
Schwaben; Wismar: in Mecklenburg. 

828. Der Charakter des Kroatengenerals Iſolani (XV 302) 
iſt erfunden; in den Quellen wird ihm vielmehr Romana 
religio Germanaque fides zugeſchrieben. 

848 ff. Die unumſchränkte Gewalt erhielt Wallenſtein, 
als er zum zweitenmal das Generalat übernahm, im April 
1632; XV 268 ff. 273 ff. 275 ff. 

860 f. „Des Reiches Fürſt“ S Reichsfürſt. 

862. Der Vorfall zu Brandeis fand 1627 oder 1628 
bei der Tafel wirklich ſtatt. 

865. Als die Herzoge von Mecklenburg ſich den Prote⸗ 
ſtanten anſchloſſen, erhielt Wallenſtein das Land als Pfand 
für ſeine Vorſchüſſe; XV 132 f. 

871 f. Münzen mit dem Bilde Wallenſteins fand Schiller 
bei Murr verzeichnet. : 

962. Die Göttin der Gerechtigkeit wird mit Schwert 


384 Anmerfungen 


und Wage abgebildet. Der Sinn iſt: Gerechtigkeit und 
Macht ſind nicht mehr vereinigt. 

999 f. Vgl. XV 130. 

1025. Wie die Soldaten überhaupt in ihrem Charakter 
den Führern angeglichen ſind, ſo iſt das auch beim Lothringer 
der Fall, obwohl der Oberſt gar nicht auftritt. Vgl. XV 215. 
218 f. 230. 249. 272. 

1030. Dieſes Promemoria, auf das T 126 ff. Bezug ge⸗ 
nommen wird, ohne daß die Überreichung durch Max zur 
Motivierung ſeines Auftretens T 474 u. 685 ff. benutzt 
worden wäre, iſt nicht geſchichtlich, wohl aber fand Schiller 
in ſeinen Quellen, daß die Soldaten den erſten Revers der 
Offiziere unterſchrieben hätten. 

1040. Der Kaiſer Ferdinand II. und ſein Sohn Ferdinand, 
König von Ungarn (ſpäter Ferdinand III.). 

Man beachte, wie ſich gegen den Schluß der Ton un⸗ 
vermerkt hebt. Der Küraſſier gehört ebenſowenig wie ſein 
Oberſt Max zur rohen Soldateska des Dreißigjährigen 
Krieges! Das Lied ſchildert uns zuerſt ganz allgemein das 
Soldatenleben und ſteht in Stil und Ton ſo hoch über dem 
Dialog und dem Geſichtskreis der Perſonen, daß 1089 ſogar 
von Minneſold die Rede iſt. — Eine ſpäter hinzugefügte 
Strophe ſ. Bd. 1, S. 300; eine gelegenheitliche Erweiterung 
des Vorſpiels durch Goethe: Jub.⸗Ausg. Bd. 9 S. 255 f. 424. 


Die Piccolomini. 

Perſonen: Generaliſſimus war Wallenſteins offizieller 
Titel, XV 72. 110. 133. 348. 

Schillers eilige Schlußredaktion ijt ſchuld, daß eine WAn- 
gabe des Schauplatzes in den Drucken fehlt. Das Stück 
ſpielt zu Pilſen, am ſelben Tage wie das „Lager“. 

Vers 1 ff. Die Vorausſetzungen entſprechen nicht ganz 
dem „Lager“; dort ſcheinen die Kroaten längſt eingezogen zu 
fein. Wie L 90 (vgl. 9), führen ſich die Kroaten auch hier 
mit einem Raube ein. 

V. 15. „dreißig Regimentern“ entſpricht P 2192 „dreißig 
Namen“; XV 358 ſind es nur zwanzig. 

17 ff. Auch für die Nebenfiguren der Generale hat 


zu den Piccolomini 385 


Schiller aus der Geſchichte nur die Namen entlehnt, ganz un⸗ 
bekümmert darum, daß Colalto ſchon 1630 geſtorben war. 
Götz (XV 256. 310. 353), Tiefenbach (XV 198. 252. 256) und 
der Spanier Maradas (P 2135. XV 252 f.) werden im Ge⸗ 
ſchichtswerk nur bei anderer Gelegenheit erwähnt; den nur 
hier genannten Hinnerſam fand er bei Murr. 

21 ff. In dem Geſchichtswerk (XV 296. 342. 358. 363 ff.) 
bleibt Gallas auf die erſte Einladung Wallenſteins aus, erſt 
der zweiten, dringlicheren folgt er, um als Augenzeuge die 
Pilſener Vorgänge zu beobachten; aus der Gefahr, in der 
er ſich als Anhänger des Kaiſers und Empfänger des Pa⸗ 
tentes gegen Wallenſtein befindet (S Schillers Octavio), befreit 
er ſich, indem er ſich erbietet, den Altringer, ſeinen Schwager, 
zu holen. Im Drama, das zu einem ſpäteren Zeitpunkt 
einſetzt und die Ereigniſſe zuſammendrängt, kommt er über⸗ 
haupt nicht, ſondern bleibt zu Frauenberg, wo ſich in der 
Geſchichte nicht Gallas, ſondern der Altringer aufhält 
(P 2580 ff. T 664 ff.). Denn Altringer kämpft in dem Ge⸗ 
ſchichtswerk, durch Wallenſteins Gegenbefehle zur bloßen 
Verteidigung gezwungen, im Elſaß und in Schwaben gegen 
die Schweden, muß ſich aber ſpäter nach dem feſten Schloß 
Frauenberg im ſüdlichen Böhmen bei Budweis zurückziehen, 
wo er trotz Wallenſteins Einladung unter dem Vorwand 
einer Krankheit liegen bleibt; dort kommt nun Gallas zu 
ihm (XV 198. 217. 225. 243. 335 f. 340. 348. 354. 358. 363). 

24 f. Die Schlacht an der Deſſauer Brücke (25. April 1626) 
fand vor 8 Jahren ſtatt; Octavio hat an ihr nicht teilge⸗ 
nommen. 

41. 53. Vgl. T 1066. 1159 ff. 

60 ff. Die Tatſache, daß Wallenſtein von königlicher 
Freigebigkeit war und die Offiziere gern zu ſeinen Schuld⸗ 
nern machte (XV 131. 271. 273), wird von Schiller, gegen 
die Geſchichte, an Iſolani aufgezeigt. 

67—78. Dieſelben Mitteilungen macht Illo in dem Ge⸗ 
ſchichtswerk: XV 360 f. 

82 ff. Octavio Piccolomini iſt in der Geſchichte 35 Jahre 
alt und General der Kavallerie, ſeit 1. Februar 1634 Feld⸗ 
marſchall. Bei Schiller iſt er im Alter Wallenſtein genähert 

Schillers Werke. V. 25 


386 Anmerkungen 


(„der Alte“ heißt er aber auch im Gegenſatz zu dem jungen 
Piccolomini) und Generalleutnant, was in der Geſchichte 
Gallas war, deſſen Funktionen Schillers Octavio auch ſonſt 
übernimmt. Schiller, der ihn ſchon im Geſchichtswerk als 
nächſten Vertrauten Wallenſteins hinſtellt (XV 309 f. 352. 
357 ff.), hat nicht unrichtig geſehen, als er ihm auf Grund 
des „Ausführlichen Berichtes“ vor Gallas und Altringer 
den Vorzug gab; nach Hallwichs neueſten Forſchungen iſt 
er wirklich der den Ausſchlag gebende Verleumder geweſen, 
der zuerſt von Wallenſtein abfiel. 

86 ff. In Queſtenberg faßt Schiller die zahlreichen Ge⸗ 
ſandten zuſammen, die der Hof nach Pilſen ſchickte und 
unter denen der „Ausführliche Bericht“ Queſtenberg beſonders 
hervorhebt. Dieſer war aber kein Feind, ſondern ein Gönner 
Wallenſteins, der freilich zuletzt wie alle anderen ver— 
ſtummte und in letzter Zeit nicht mehr im Lager erſchien; 
die dem Schilleriſchen Queſtenberg zugeſchriebenen Forde— 
rungen hat vielmehr der Kapuziner Quiroga im Januar 
1634 überbracht. 

98 ff. Die Vorſtellung iſt eine ſpätere Anderung (an 
Goethe, 9. Nov. 1798). 

105 ff. über die von Queſtenberg und Werdenberg mit 
Wallenſtein in Znaim geführten Unterhandlungen zur neuer— 
lichen übernahme des Kommandos: XV 269 ff. 

125. Feindes, d. h. der Sachſen; vgl. zu L 32. 

134. „Sie“ iſt zu betonen. 

136. Dieſelbe Sentenz XV 129. 

146. „Blutigel“: Jeſuiten und Miniſter; XV 361. 

151. Slawata und Martinitz: vgl. 2109 und XV 68 f. 

167. „Remonte“ = Ergänzung der Pferde. 

169. „Antecamera“ = Vorzimmer, bei Murr öfters. 

197 ff. Der geiſtig nicht ſehr gewandte Iſolani will nur 
ſagen: Er ſtößt uns in die Wüſte, wo die Raubtiere ſich 
aufhalten. Dieſer Vergleich iſt ſehr ungeſchickt, weil es 
dann nahe liegt, die Truppen mit Raubtieren zu vergleichen. 
Daher die höhnende Antwort Queſtenbergs, der ſich ironiſch 
verwahrt, ein auf die Armee ſo gut paſſendes, aber für ſie 
ſo wenig ſchmeichelhaftes Gleichnis gemacht zu haben. 


zu den Piccolomini 387 


208. Der Sohn des Kaiſers, König Ferdinand von 
Ungarn, war damals 25 Jahre alt. 

210. Präſident des Hofkriegsrates war vielmehr Schlick. 

211. „kantonieren“ = im Lager liegen. Die Anzahl 
und Verteilung der Truppen iſt nur ungefähr richtig, hier 
und ſonſt im „Wallenſtein“. Eine genaue Vorſtellung von 
dem Stand der Regimenter im kritiſchen Zeitpunkt konnte 
Schiller nicht haben, weil er weder im Geſchichtswerk noch 
im Drama die Chronologie ſcharf beachtete. 

229 f. Die Wappen Oſterreichs, Schwedens und Frank⸗ 
reichs. 

235. Dieſen früh (Morgenblatt 1812, Nr. 290) beobach- 
teten Anachronismus (der Blitzableiter iſt erſt 1732 von 
Franklin erfunden) ſucht Fr. Weißer (Werke IV 176 ff.) durch 
den Hinweis zu beheben, daß nach dem Orientaliſten Mi— 
chaelis ( 1791) ſchon der Tempel Salomos mit Blitzableitern 
verſehen geweſen ſein ſoll. 

265 ff. Erfindung Schillers. 

274 f. Auf die bedeutungsvolle Verſammlung der Offi- 
ziere wird dreimal (274 f. 603. 795) aufmerkſam gemacht. 

346 ff. Ebenſo 2430-38. 

355 ff. Dem Traum Octavios, den Schiller erſt ſpäter 
(an Goethe, 9. Nov. 1798) ausgeführt hat, entſpricht der Traum 
Wallenſteins T 897 ff. Octavios Teilnahme an der Schlacht 
bei Lützen iſt hiſtoriſch; bei dem Doppeltraum aber hat 
Schiller, wie auch ſonſt, auf die hiſtoriſche Situation, in der 
für Schlaf und Träume kaum Zeit war, keine Rückſicht ge— 
nommen. XV 213. 301 ff. 309 f. 

383. Max Piccolomini ijt keine hiſtoriſche Figur. Oc- 
tavio hatte keinen Sohn; von ſeinem Neffen Max, den 
Octavio adoptiert hat und der erſt 1645 in einer Schweden⸗ 
ſchlacht fiel, hat Schiller nichts gewußt. Bei Khevenhiller 
und Herchenhahn iſt von einem Vetter Wallenſteins, der 
Maximilian heißt, die Rede: er begleitet die Gemahlin 
Wallenſteins einmal bei drohender Kriegsgefahr nach Wien 
und iſt vor der Kataſtrophe bemüht, Wallenſtein von der 
guten Geſinnung des Kaiſers zu überzeugen und ihn mit 
dem Hof zu verſöhnen; ohne Erfolg, denn Wallenſtein ver— 


388 Anmerkungen 


ſchließt ſich voll Mißtrauen gegen ihn, und Illo und Terzky 
wollen ihn durch Drohungen vom Kaiſer abbringen. 

482 f. entſpricht wohl T 2143, wonach Max ſeit der 
Prager Schlacht (1620) dem Heere angehört, aber nicht P 1704, 
wonach er erſt 10 Jahre unter Wallenſteins Augen lebt. 

570 f. Die Länderſucht Oſterreichs (T 1951 ff., vgl. „Tell“ 
2729) betrachtet Schiller auch XV 52 als Urſache des Krieges. 

593. „Zu ihr!“ hat Schiller erſt im Manuſkript ge⸗ 
ändert, anſtatt des früheren: „Zu dieſem Fräulein!“ Dieſer 
ganz unverſtändliche Entſchluß Octavios, der auch ohne 
Folge bleibt, iſt ein ſehr unglücklicher Zug. 

607 ff. Die Einführung Senis (XV 148. 300) in der 
Maske eines italieniſchen Doktors — vgl. 1348; des dottore 
der Stegreifkomödie, auch der deutſche Hanswurſt war ja 
als verrückter Sternſeher und Kalendermacher eine beliebte 
Figur — ſtammt aus der Zeit, wo Schiller die aſtrologiſche 
„Fratze“ noch nicht ernſt genommen hat. Wegen der ernſten 
Szenen im „Tod“ hat er Iffland (24. Dez. 1798) nahe gelegt, 
ihn nicht karikieren zu laſſen. 

613. „ſcheren“ = ihnen Mühe und Beſchwerden machen. 

629. Nicht 3 (17 2), denn in der Zahlenmyſtik gilt 
die 1 nicht als Zahl, da ſie in jeder andern enthalten iſt. 

634. Die Schwiegertochter des Kaiſers, Gemahlin des 
Königs von Ungarn, Tochter Philipps III. von Spanien. 

635. Die zweite Gemahlin Ferdinands II., eine man- 
tuaniſche Prinzeſſin aus dem Hauſe Gonzaga. 

640. Es iſt die Frage, ob die Gräfin Wallenſteins Ab⸗ 
ſichten kennt, wenn ſie das Verlöbnis als ein vorgeſpiegeltes 
bezeichnet (1395 f. T 1512 f.); nach Khevenhiller und Herchen⸗ 
hahn war die Tochter Wallenſteins dem däniſchen Prinzen 
Ulrich beſtimmt. 

646. Wallenſteins zweite Gemahlin, eine geborene 
Gräfin Harrach, hieß Iſabella. 

680. „Der kaiſerliche Günſtling und Miniſter, Fürſt 
von Eggenberg, Wallenſteins ſtandhafter Freund und Ver— 
fechter“ XV 269. 

682. Graf Ognate, XV 355. 

689. Pater Lamormain, Beichtvater des Kaiſers, Jeſuit, 


zu den Piccolomini 389 


den Schiller XV 146 zitiert. — In der Szene mit der Her⸗ 
zogin hat Schiller die Erzählung ſeines Geſchichtswerkes 
dialogiſiert. Dort findet man (XV 267. 355) den Abfall der 
Freunde am Hofe, die Vorwürfe der Gegner am Hofe 
(XV 347f. 355) und die zweite ſchimpflichere Abſetzung (XV 
356. 361). 

717. Goethe an Schiller (10. Nov. 1798): „Die Familien⸗ 
ſzenen ſind ſehr glücklich und von der Art, die mich rührt.“ — 
Wallenſteins Tochter hieß Maria Eliſabeth und war damals 
ein Kind. Den Namen Thekla ſoll ihr Schiller (Böttiger, 
„Minerva“ 1811, S. 42) nach der „Gräfin Thekla von Thurn“, 
einem Roman der B. Naubert, gegeben haben. Über ihr 
Alter ſchwankte Schiller hin und her, indem er 737 erſt 
acht, dann fünf, dann ſechs, zuletzt wieder acht ſchrieb. Im 
Jahre 1625 war fie nach 724 f. ein zartes Kind; mit 8 Jah⸗ 
ren hat ſie nach 737 den Vater zuletzt geſehen; als dieſer 
vom Feldzug aus Pommern (ſ. zu 2165) heimkehrte, war ſie 
ſchon im Kloſter, ſie dürfte alſo 17 Jahre alt ſein. Nach den 
Theatermanuſkripten tritt fie „reich mit Brillanten geſchmückt“ 
auf, was zum Verſtändnis von 780 u. 1527 ff. notwendig 
ijt. — Die Gräfin Terzky, eine Schweſter der Herzogin, heißt 
in der Geſchichte Maximiliane, bei Schiller (T 1570) Thereſe; 
mit der Politik hat dieſe Dame nichts zu tun, ſie weckt Wallen⸗ 
ſtein in der Mordnacht durch ihr Wehgeſchrei aus dem Schlafe. 
Wohl aber haben ſich die Mutter und die Schweſter Terzkys 
mit Politik befaßt. Die letztere war mit dem Grafen Wil⸗ 
helm Kinsky (zu 2374), einem der eifrigſten Anhänger 
Wallenſteins, verheiratet und wußte um deſſen Vorhaben. 

739 f. Wallenſtein war 50 Jahre alt: XV 375; vgl. T3512. 
3562 ff. T 1918 widerſpricht natürlich nicht; ſeine rötlichen 
kurzen Haare (XV 150) erſcheinen im Drama braun (T 3564). 

751. Bei ſtreng logiſcher Interpretation muß das zweite 
„es“ wie das erſte auf „Leben“ bezogen werden, wozu aber 
„flechten“ nicht paßt; man hat daher das zweite „es“ durch 
„ihn“ (den Kranz) erſetzen wollen, doch ſoll es wohl nicht 
das Wort „Leben“ ſelbſt wieder aufnehmen, ſondern mit 
poetiſcher Freiheit den im Bild des Kranzes vorgeſtellten 
Gewinn des Lebens bezeichnen. 


390 Anmerkungen 


757. Die Venus: T 4 ff. 

800 iſt keine Vorausnahme von 2503 ff.; denn ſchon 
lange vor dem Patent gegen Wallenſtein war davon die 
Rede; vgl. 207 und XV 150. 260 f. 269. 360 f. 

810. Schiller meint offenbar die mit dem Infanten aus 
Mailand kommende ſpaniſche Armee (zu L 699 ff.); der 
heimliche Widerſtand, den Altringer, der übrigens nicht in 
Tirol, ſondern erſt in Schwaben zu den Spaniern ſtieß, 
dieſen leiſten ſollte, bezieht ſich in den Quellen aber auf die 
frühere ſpaniſche Armee unter Feria (zu L 144 und Herchen⸗ 
hahn III 142). Altringers Anweſenheit in Tirol iſt weder 
mit P 2580 ff. noch mit T 664, wonach der Altringer in Linz 
oder Frauenberg iſt, zu vereinigen (ſ. zu 21ff.). 

812 ff. Der Unterhändler Seſin (2565 ff. T 99) kommt 
im Geſchichtswerk noch gar nicht vor; Murr (S. 316) ver⸗ 
weiſt bloß auf Khevenhiller. Daß ihn Schiller erſt aus 
Herchenhahn kennen lernte, der den Bericht des Seſyna 
genauer als Khevenhiller verwertet, ergibt ſchon die Form 
des Namens, der ſonſt meiſtens Jaroslav Seſyma Raſchin 
von Rieſenburg heißt. Herchenhahn nennt auch als letzte 
Verrichtung Seſynas in Friedländiſchen Angelegenheiten 
die Reiſe nach Halberſtadt zum Oxenſtierna (III, Vorrede und 
223 ff.). Dieſe fand aber ſchon im Dezember 1633 ſtatt und 
iſt von Schiller nur gewaltſam, wenn auch mit Übertragung 
auf den Grafen von Thurn, benutzt worden; denn nach 
V. 2565 ff. iſt Seſin ja auf dem Weg zu den Schweden, was 
Wallenſtein wiſſen muß. 

816. Der Konvent der norddeutſchen proteſtantiſchen 
Stände (vgl. XV 330). Im übrigen entſpricht der ganze 
Dialog mit Terzky dem Geſchichtswerke: die Geſinnung 
gegenüber den Schweden (826 f. T 362 ff. XV 266. 317 ff. 
351. Herchenhahn III 67), die auch XV 159. 320 mit Murr 
als Goten bezeichnet werden; die Zweifel der Sachſen und 
Schweden an ſeiner Aufrichtigkeit (849 f. XV 350); die 
Vermeidung handſchriftlicher Abmachungen (854. 2575. T 62. 
XV 355). Das Spielen mit dem Gedanken der Rache an 
dem Kaiſer (865 ff.) nach Murr. 

872 ff. Ebenſo bringt dieſe Szene mit Illo nur die Er— 


zu den Piccolomini 391 


zählung des Geſchichtswerks in Dialog. XV 360: „Illo über⸗ 
nahm es, die Geſinnungen der Kommandeurs zu erforſchen 
und ſie vorzubereiten“ u. ſ. w. 881: XV 356. 

884 ff. Auch die Verblendung in Betreff des Octavio 
entſpricht dem Geſchichtswerk XV 357 f.; aber die Vor⸗ 
geſchichte iſt erdichtet: Octavio wurde erſt 1627 zu Wallen⸗ 
ſtein geſchickt, iſt nicht ſechzehnmal mit ihm zu Feld ge- 
zogen (886 f.) und hat nicht 30 Jahre mit ihm gelebt (T 1694 f.). 

894. Im Geſchichtswerk (XV 361 f.) ſenden die Offiziere, 
als Illo ihnen im Auftrage Wallenſteins die Forderungen 
des Hofes und ſeine Abſicht, das Kommando niederzulegen, 
mitteilen läßt, eine aus vier Mitgliedern beſtehende Depu- 
tation zu ihm, der ſich der Herzog erſt beim zweiten Male 
ergibt, indem er als Gegengefälligkeit (895 f.) den Revers 
verlangt; erſt am Tag nach dem Bankett beruft er ſie zu 
ſich und wiederholt ihnen Illos Vortrag (XV 363). Im 
Drama iſt von der Deputation nicht weiter die Rede, weil 
Schiller an Stelle derſelben die Audienz geſetzt hat, in der 
die Offiziere die Forderungen des Hofes auch noch von 
Queſtenberg ſelber erfahren und ihre Geſinnung zum Aus⸗ 
druck bringen können. Dieſe Einführung Wallenſteins iſt 
eine prächtige Erfindung Schillers. 

903 f. Im Geſchichtswerk XV 362 gibt Illo das Bankett. 

958. Ebenſo XV 356. 

962. Siehe Einl. S. XXIX ff.; ich ſtelle hier die Stellen, 
wo vom Schickſal die Rede iſt, zuſammen: L 404; P 962. 
1835 40. 1900 ff. 2525; T 184 ff. 655 f. 918— 22. 1667 f. 1707. 
2433 ff. 2701. 2722. 2743 f. 2850. 2873 ff. 2883. 2909. 3177 

964. Venus und Jupiter ſind glückbringende, der Saturn 
und Mars unglückbringende Sterne. Auch dieſe Stelle, wie 
1594 ff. und T 1 ff., dürfte ein ſpäterer Zuſatz fein. 

971 f. Saturn, der in der Chemie das Blei bedeutete. 

986 f. Dieſe Stelle iſt durch Goethes Brief vom 8. Dez. 
1798 hervorgerufen und beeinflußt. 

995 ff. Der Himmel wird beim Stellen des Horoſkopes 
durch zwölf Kreiſe in gleiche Abſchnitte geteilt, welche Häuſer 
heißen und dort, wo ſich die Kreiſe ſchneiden, Winkel bilden, 
die Ecken genannt werden. Der Ein- und Austritt, ſowie 


892 Anmerkungen 


der Stand der Planeten innerhalb dieſer Häuſer iſt von 
aſtrologiſcher Bedeutung. Aber auch die Häuſer ſelber ſind 
von ungleicher Vorbedeutung: es gibt ein Haus des Lebens 
(T 3615) und fallende Häuſer (T 24), wo die Geſtirne ihre 
Macht verlieren. In einer ſpäter geſtrichenen Stelle (T 21) 
redete Schiller von einem Eckhaus, das jeden Segen doppelt 
kräftig macht. 

1005 f. Von den Generalen Forgatſch, Deodati, Caraffa 
hat Schiller nur die Namen den Quellen entlehnt. 

1011 ff. Schiller legt dem Queſtenberg in dieſer Szene 
alle Anſchuldigungen in den Mund, die in dem „Ausführlichen 
Bericht“, der offiziellen Rechtfertigungsſchrift des Wiener Hofes, 
nach Wallenſteins Tode gegen ihn erhoben wurden; Queſten⸗ 
berg ſelber hatte nur die Forderung, Böhmen zu räumen, ge⸗ 
bracht, die übrigen Forderungen wurden im Januar durch 
Quiroga vertreten. Vgl. zu L 699 ff. P 86 ff. Schiller gibt 
eine knappe überſicht über die Vorgänge während dem gan- 
zen zweiten Generalat von Wallenſtein, alſo ſeit April 1632, 
vielleicht erſt dem Wunſche Goethes (10. Nov. 1798) ent⸗ 
ſprechend, der in der Audienzſzene einige hiſtoriſche Punkte 
deutlicher ausgeſprochen wünſchte. Er benutzt dabei natür⸗ 
lich auch fein Geſchichtswerk, wenn auch nur aus der Er— 
innerung; er hat die Ereigniſſe zuſammengedrängt, gekürzt, 
überſprungen, wie es Queſtenbergs und ſeinen eigenen 
Zwecken entſprach. 

1031 ff. Ebenſo XV 283 ff. 288. 

1038 ff. XV 213. 241 ff. 281 f. 

1047 ff. XV 289 f. 

1051. „Verhack“ (T 3026, Herchenhahn II 193 u. ö.) = 
Verſchanzung mittels Bäumen und Geſträuch. 

1064. Der Gedankenſtrich überſpringt Wallenſteins Zug 
nach Sachſen; XV 295 ff. 

1066. XV 344. 

1068. Herzog Bernhard von Weimar; XV 335 f. 

1073 ff. In dem Geſchichtswerk wird das zweimal er⸗ 
zählt, vor und nach der Schlacht bei Lützen: XV 279 f. u. 342. 

1082. Nach dem Fall von Regensburg (XV 341 ff.) zieht 
Wallenſtein in dem Geſchichtswerk (XV 343) zuerſt dem 


gu den Piccolomini 393 


Weimarer entgegen, und dann erſt verſchwindet er (XV 343 f.) 
in Böhmen (1066 f.). 

1085 ff. Aus Schleſien hatte Wallenſtein die Schweden 
unter Thurn und die Sachſen unter Arnheim zu ſchlagen 
(XV 295. 345 ff.). Die ſchonende Behandlung der Feinde von 
ſeiten Wallenſteins, die Schiller nach dem „Ausführlichen 
Bericht“ erzählt, erklärt ſich daraus, daß er ſeine Verhand⸗ 
lungen mit den Schweden durch Thurn (XV 263 f.), die mit 
den Sachſen (XV 265 f. 278) durch Arnheim führte. Als die 
fluchbeladene Fackel des Krieges (zu P 2108 ff.) wird Thurn 
auch in dem Geſchichtswerk wiederholt genannt (XV 255. 
352); dort iſt auch der Ausfall auf die Schauluſt der Wiener 
(1123 ff.) ſchon vorhanden. 

1114. Die Schlacht bei Steinau: XV 351 f. 

1129. Von Bernhard von Weimar, gegen den ſich Wallen⸗ 
ſtein im Geſchichtswerk zum zweitenmal wendet (XV 354 f.). 

1154 ff. Im Jahre 1625 bei ſeinem erſten Generalat, 
als der däniſche König Chriſtian IV. als Verteidiger des 
niederſächſiſchen Kreiſes gegen den Kaiſer auftrat, erbot ſich 
Wallenſtein, ein Heer von 40000 (XV 268) oder 50000 Mann 
(XV 123 ff.) zu ſtellen und durch ſich ſelbſt zu erhalten. 

1164. Vgl. XV 270 u. 459. 

1165 ff. Auf dem Regensburger Fürſtentag (1630) wurden 
allenthalben Klagen erhoben über die Bedrückung der deut⸗ 
ſchen Länder durch Wallenſtein (XV 142 ff.). Der Beutel, 
aus dem er gewirtſchaftet hatte, war der der Fürſten und 
Völker, auf deren Koſten er die Armee des Kaiſers unterhielt. 

1175. Vgl. T 2252; der hiſtoriſche Wallenſtein liebte 
ſolche Flüche; „Tod und Hölle!“ läßt ihn Herchenhahn (III 5) 
nach Seſynas Manuſkript ausrufen. 

1185 ff. Dieſe Forderungen Queſtenbergs gibt Schiller 
genau in der Reihenfolge des „Ausführlichen Berichtes“. 

1196 ff. Schiller hat hier den Bericht der Quellen (XV 356) 
geſchickt ins Gegenteil verkehrt: Suys hat in Wirklichkeit 
nicht dem Hofe, ſondern Wallenſtein gehorcht. 

1220 ff. Ebenſo XV 259. 

1261 ff. Dieſelbe Komödie ſpielt Wallenſtein in dem 
Geſchichtswerk zweimal (XV 272 f. u. 361); denn auch nach⸗ 


394 Anmerkungen 


dem er 1632 das zweite Heer geworben, verweigerte er die 
Übernahme des Kommandos, um dem Kaiſer übertriebene 
Bedingungen abzuzwingen. 

1269. Ebenſo XV. 272. 

1290. Der goldene Schlüſſel des Kammerherrn; T 509 f. 

1297 ff. Ein allgemeines Geſchrei, daß man den General 
nicht ziehen laſſen dürfe, unterbricht im Geſchichtswerk (XV 361) 
den Illo, der die Abdankungsabſicht den Generalen mitteilt. 

1303 ff. Die Geſchichte mit dem Reverſe und die Bankett⸗ 
ſzene (1913 ff.) ganz in übereinſtimmung mit dem „Ausführ⸗ 
lichen Bericht“ und mit dem Geſchichtswerk (XV 362 f.). 

1346 f. Hinweis auf T 1 ff. 

1359. Das war auch ,unjdhuldig” (T 768 ff.), denn der 
Kaiſer hatte eine förmliche frühzeitige Aufkündigung zugeſagt, 
wenn man Wallenſtein zum zweitenmal des Generalates 
entſetzen wollte (XV 276). 

1383 (2312). „Geheimnis“: die Liebe des Max zur Thekla. 

1391 ff. Dieſes ungeſchickte a parte ijt von theaterkun⸗ 
digen Bearbeitern mit Glück und Recht in einen Monolog 
verwandelt worden. 

1401. „Schweſter“ herzlicher für „Schwägerin“, wie 
„Bruder“ für „Schwager“. Vgl. J. Peterſen, Schiller und 
die Bühne 1904, S. 44. 

1451 ff. Eine oft beanſtandete Stelle: ſollte Max nichts 
davon bemerkt haben? auch nach der Audienzſzene nicht? 

1462 u. 1488 f. Erfundene Lokalitäten; Nepomuk ſüd⸗ 
öſtlich von Pilſen. 

1518 ff. An den Liebesſzenen finden wir Schiller nach den 
Briefen an Goethe arbeitend: 7. Febr. 1797, 12. Dez. 1797, 
9. Nov. 1798, 31. Dez. 1798; nach Humboldts Vorerinnerung 
zum Briefwechſel (3. Aufl., S. 16) waren es die erſten Szenen 
in Verſen. Goethe (2. Jan. 1799): „Die zärtlichen Szenen 
ſind ſehr gut geraten und die Einleitung der Aſtrologie in 
denſelben äußerſt glücklich“; (15. Sept. 1804 an Eichſtädt 
gegenüber Bernhardi, der Schiller die Lieblichkeit durchaus 
abſprechen wollte): „ſollte nicht z. B. im ‚Wallenſtein“ ſich das 
Verhältnis zwiſchen Max und Thekla, und was daher ent— 
ſpringt, in ſehr wünſchenswerter Anmut darſtellen?“ Vgl. 


zu den Piccolomini 395 


ferner Goethes Aufſätze über „Wallenſtein“ und „Die tra— 
giſchen Tetralogien der Griechen“ (Jub.⸗Ausg. Bd. 37): 
„dieſe zarte himmliſche Liebe“. 

1557. Dürfte doch eher auf die Eindrücke, die ſie in der 
Kindheit von dem Kriegsleben erfahren hat und die ihr im 
Kloſter als ſchöner Traum erſchienen, als auf 1493 f. gehen. 

1577. Als Symbol geheimer Wiſſenſchaft. 

1594 ff. Späterer Zuſatz: an Iffland, 24. u. 28. Dez. 1798. 
Vgl. die ſzeniſchen Angaben zu T 1 ff. 

1619 ff. Durch Goethes Brief vom 8. Dez. 1798 beeinflußt. 

1621. Der Stolz, mit höheren Weſen in Verkehr zu ſtehn. 

1656 f. Das iſt auch Wallenſteins Abſicht, in der Geſchichte 
(XV 377) und in der Dichtung (P 572 ff. 2333 ff. T 1935). 

1661 ff. liegt die Schilderung des Privatlebens Wallen- 
ſteins nach der erſten Abſetzung im Geſchichtswerk (XV 148 f.) 
zu Grunde, freilich von Max ganz ins Idylliſche überſetzt. 

1684 f. Sie verbinden andere Zwecke, als das Glück 
der Liebenden, mit der Begünſtigung ihrer Liebe (vgl. an 
Goethe, 12. Dez. 1797). 

1744. „überall“ = überhaupt. 

Nach 1756. Die Gitarre war das Lieblingsinſtrument zur 
Begleitung der Singſtimme am Ende des 18. Jahrhunderts; 
Amalia und die Prinzeſſin Eboli haben noch die Laute. 

1757 ff. Siehe Bd. 1, S. 20. 293. 

1767 ff. Auch dieſer Auftritt gehört zu den „neuen Sze— 
nen“: an Goethe, 31. Dez. 1798. 

1776. Octavio ſtammte aus Siena und gehörte der be— 
rühmten Familie der Piccolomini an; war aber nicht ver— 
heiratet. 

1781. Nämlich einem Korbe. 

1900. Faſt derſelbe Vers bei Schiller noch zweimal: 
„Zerſtörung von Troja“ 447. „Macbeth“ 2187. 

1903. Das Glück der Liebe, in der himmliſchen Geftalt 
perſonifiziert. 

1907 ff. Der Schluß dieſes Kaſſandramonologes will 
ſagen: Wenn ein Haus zum Untergang beſtimmt iſt, findet 
das Schickſal immer ein wirkſames Mittel: entweder ein 
Gewitter, oder einen Blitz aus heiterem Himmel, oder unter⸗ 


396 Anmerkungen 


irdiſche Flammen; aber ſogar durch das Glück der Liebe 
kann das Schickſal des Hauſes beſiegelt werden. 

1913. „Was wir lieben!“ Spruch beim Zutrinken. 

1915. Terzkys Mutter (2037), eine geborene Lobkowitz, 
ſ. zu 717 u. T 444 ff. 

1916. Anſpielung auf die luxuriöſe Hofhaltung des Pfalz⸗ 
grafen Friedrich V. oder auf das berühmte Heidelberger Faß. 

1919 f. Nicht bloß die Güter der Gegner Wallenſteins, 
ſondern auch der Gönner, die ihn wie Eggenberg fallen ge— 
laſſen haben, werden feilgeboten. Zu Eggenberg und Slawata, 
die Schiller bei Murr fand, hat er die Namen zweier be- 
kannter öſterreichiſcher u. böhmiſcher Geſchlechter hinzugefügt. 

1928. In den Quellen Worte Illos, von Schiller als 
Motto benutzt. 

Nach 1931. Den Wortlaut des vom 12. Jan. 1634 da⸗ 
tierten Reverſes fand Schiller bei Murr; er hat ihn aus der 
indirekten Rede in die direkte überſetzt, etwas moderniſiert, 
verkürzt und an der Hauptſtelle verſtärkt. Dieſe lautet 
nämlich dort: „ſo lange er [Friedland] in Ihrer Kaiſerlichen 
Majeſtät Dienſten verbleiben und zu Beförderung Deroſelben 
Dienſten ſie gebrauchen würde“ (ähnlich XV 362). Von dem 
zweiten Revers (20. Febr. 1634) weiß Schiller auch im Ge⸗ 
ſchichtswerk nichts, wo nur der erſte, weil die meiſten Namen un⸗ 
leſerlich gekritzelt waren, zweimal ausgefertigt wird (XV 363). 
Im Drama wäre er ſchon der zeitlichen Konzentration wegen 
unbrauchbar geweſen. 

1936. Neumann iſt nicht, wie Körner (Geiger IV, 128) 
glaubte, der Name eines Dresdener Bekannten Schillers, 
ſondern einer geſchichtlichen Perſon (XV 371); die (nach 
neueren Forſchungen unhiſtoriſche) Verwechſlung der Doku— 
mente nach dem „Ausführlichen Bericht“ (ebenſo XV 362). 

Vor 1943. Die ſzeniſche Angabe wird nur aus den Thea- 
termanuſkripten klar, nach denen die offenſtehende Mitteltür 
den Ausblick auf eine vierte in einem zweiten Zimmer oder 
gar auf eine Reihe von Zimmern mit mehreren Tafeln er— 
öffnen ſollte. 

1953. Da Murr die Unterſchriften des Reverſes nicht 
anführt, griff Schiller aufs Geratewohl ſonſt vorkommende 


zu den Piccolomini 397 


Namen von Generalen heraus und dabei nicht ſelten fehl: 
Montecuculi war ſchon 1633 geſtorben. 

1954 f. Die Loſung „nach Wien!“ auch P 2420 f. T 2757 
(nach Murr; XV 357 u. 264). 

1997. Offiziere als Gläubiger Wallenſteins XV 273. 

2017. Über den Wechſel des Beſitzes XV 250 f. 255 f. 

2018. Bezieht ſich auf den Markgrafen Georg Friedrich 
von Baden, der ſein Land ſeinem Sohn übergab, um für 
den Winterkönig zu kämpfen; XV 114. 

2021. Die Schweden. 

2022 f. Über das Herzogtum Franken, das Bernhard von 
Weimar anſtrebte, XV 338 f. 

2024 ff. Graf Ernſt von Mansfeld (XV 111 ff.) und Herzog 
Chriſtian von Braunſchweig, Adminiſtrator des Bistums 
Halberſtadt, die nach der Schlacht am Weißen Berge bei 
Prag zuerſt für den Winterkönig, dann auf eigene Fauſt 
das Schwert führten, aber ſchon 1626 ſtarben. Schiller nennt 
ſie auch XV 114 ff. 125 f. 128 nebeneinander. 

2032. Zu T 3309. 

2036 ff. Schiller hat den Schauplatz in Gedanken ver⸗ 
ſchoben: als ob die Szene auf dem Schloſſe Terzkys und 
nicht in dem Lager zu Pilſen ſpielte. 

2045. Siehe zu 1943. 

2039 u. 2046. „Leutnant“ = Offizier; Neumann iſt Ritt⸗ 
meiſter, der Kellermeiſter verſteht ſich nicht aufs Militär. 

2047 u. 2054. Tiefenbach und Palffy waren nicht in 
Pilſen anweſend; ſ. zu 1953. 

2058 ff. Die Krönung des Pfalzgrafen Friedrich V. zum 
König von Böhmen: XV 82. 84. „Meiſter Wilhelm“ ijt ein 
erdichteter Künſtlername. 

2060. Die Beute nach dem Sieg am Weißen Berg bei 
Prag über den Winterkönig am 8. Nov. 1620 (XV 91 f.). 

2076. Vgl. L 861 ff.; „Tell“. 

2085. Utraquiſten: die das Abendmahl in beiderlei Ge⸗ 
ſtalten nehmen (XV 31 f.). 

2089 f. Der Majeſtätsbrief Rudolfs II.: XV 35 f. 

2094. Ferdinand II., früher Erzherzog von Steiermark, 
aus der ſteiriſchen Linie des Hauſes Habsburg: XV 65. 75. 


398 Anmerkungen 


2100. Ebenſo XV 93. 

2103 f. Die extremſte Richtung der Huſſiten, die zuerſt 
unter Ziska, dann unter Prokop kämpften. Die Umſtellung 
iſt metriſch beachtenswert. 

2108 ff. Die berühmte Szene, die den Ausgangspunkt 
des großen Krieges bildet: XV 68 f. Sehr geſchickt hat 
Schiller an dieſes Requiſit, den Becher, die älteſten geſchicht— 
lichen Vorausſetzungen angeknüpft; die Stelle (2055 —2118) 
iſt ein ſpäterer Zuſatz. 

2122 f. In den Quellen tut es der betrunkene Octavio, 
der ſich einen Augenblick vergißt (XV 362). 

2127. Nach Khevenhiller hat der Kapuziner Quiroga, 
Beichtvater der Königin von Ungarn, bei Gelegenheit ſeiner 
Sendung (vgl. zu L 699 ff. P 86 ff. 1011 ff.) das Geheimnis 
von Wallenſteins Verrat durch Geiſtliche ausgekundſchaftet. 

2135. Maradas und Götz (2145) waren nicht in Pilſen, 
Colalto (2143) im Jahre 1630 geſtorben; ſ. zu 1953. 

2150 ff. Der Schluß der Szene ijt, von Octavios Ver: 
halten abgeſehen, ganz in übereinſtimmung mit den Quellen 
und mit dem Geſchichtswerk XV 362 f., nur daß Illo dort der 
Wirt und Terzky der Ungeſtümere iſt, der die Zaudernden 
mit dem Schwerte bedroht. Aber dort gibt das Bankett 
dem Wallenſtein doch ein Zeichen von „ganz unerwarteter 
Widerſetzung der Kommandeurs“, während im Drama bloß 
Max Widerſtand leiſtet, was Wallenſtein (T 122 ff.) zwar 
beachtet, aber leicht nimmt, während er im Geſchichtswerk 
die widerſetzlichen Generale ſehr gereizt zurechtweiſt. 

2164. Pommern war ſowohl im däniſchen Kriege (wo 
die Schweden die Dänen unterſtützten) als ſpäter im ſchwedi— 
ſchen der Schauplatz des Krieges (XV 128. 163 ff. 353). Vgl. 727. 

2189. „Die Quartiere aufſchlagen“ erklärt Schiller XV 423 
ſelber mit „unvermutet überfallen“, „eine in dieſem Kriege 
ſehr beliebte Art von Expeditionen“. 

2192. In übereinſtimmung mit P 15; XV 358 find es 
nur 20, bei Murr und Pelzel 50, in Wirklichkeit 40. 

2193. Unhiſtoriſch, Tiefenbach war kein Analphabet. 

2198. Anſpielung auf die Don Juan-Sage, die Schiller 
als Ballade behandeln wollte; vgl. Bd. 8, S. 310. 


gu den Piccolomini 399 


2221. Ebenſo XV 363. 

2236. Als Gedanke Wallenfteins und Illos wird die 
Bibelſtelle (Luk. 11, 23) auch bei Murr zitiert. 

2245 f., 2250 ff., 2258 u. 2261. Ebenſo XV 362 f. 

2256 f. Erfunden. „Piſtolen“ ſind Goldmünzen. 

2263 ff. An dieſer Szene ſcheint Schiller 1. März 1797 
(an Goethe) zu arbeiten. 

2320. Als Märchen der dem Wallenſtein feindlichen 
Mönche betrachtet Schiller auch XV 376 Wallenſteins Verrat. 

2333 ff. Hier und öfters in dieſer Szene hat Schiller 
dem Octavio die Vorwürfe des Hofes im „Ausführlichen 
Bericht“ in den Mund gelegt; als bloßer Vorwand erſcheint 
der Friede auch XV 355. 

2371. Den Grafen Schafgotſch, einen ihm ſehr an— 
hänglichen Untergeneral, hatte Wallenſtein in Schleſien zu— 
rückgelaſſen; XV 353. 368. 

2374. Graf Wilhelm Kinsky war der Mann von Terzkys 
Schweſter, alſo mit Wallenſtein verſchwägert; vgl. zu 717. 
Im Geſchichtswerk (XV 349. 356. 371) ſteht er immer mit 
den Terzky und Illo an Wallenſteins Seite; im Drama 
dagegen (T 50. 1716. 1739) iſt er in Prag, das er für 
Wallenſtein zu behaupten ſucht. 

2417. Dieſe Unterredung mit Wallenſtein und Octavios 
Verhalten dabei ganz nach XV 357 f.; vgl. P 346 ff. Die 
Gefährlichkeit der Situation (2508 ff.) von Gallas auf Oc- 
tavio übertragen; vgl. XV 364 f. 

2469 f. XV 358. 

2472. Der „goldne Zirkel“ iſt die Krone. 

2478 ff. Ein verunglücktes Bild, in dem die Rache ein- 
mal hinter, dann vor dem Helden gedacht wird. 

2499 f. Das geheime Patent vom 24. Jan. 1634, das 
bloß die Verfügungen in Betreff der Armee enthielt, iſt in 
den Quellen an Gallas gerichtet, dem es auch proviſoriſch 
den Oberbefehl überträgt. Es iſt in der Geſchichte eine 
Wirkung des Reverſes; im Drama dagegen, wo ſich die 
Ereigniſſe zuſammendrängen, hat es Octavio ſchon lange 
bei ſich (T 1658); es ijt alſo nicht von Queſtenberg gebracht, 
wie man nach P 2481 ff. annehmen möchte, ſondern bloß 


400 Anmerkungen 


mit ihm beſprochen worden, ob und wann davon Gebrauch 
zu machen ſei (P 2538 ff.). Von einem zweiten, ſpäteren 
Patent vom 18. Febr. 1634, in dem der Fürſt erſt abgeſetzt 
(bei Schiller verſtärkt: geächtet) wurde, weiß Schiller weder 
im Geſchichtswerk noch im Drama. Dort (KV 364) er⸗ 
gehen vielmehr geheime Befehle an die vornehmſten Befehls⸗ 
haber, den Herzog und ſeine Getreuen zu ergreifen oder im 
Notfalle zu töten; an Gallas aber ergeht gleichzeitig ein 
offenes, ſpäter zu verwertendes Patent, das den Offizieren 
dieſe kaiſerliche Verfügung mitteilt und das Heer an Gallas 
übergibt. Den Inhalt dieſer beiden Patente faßt Schiller 
im Drama in einem zuſammen, das zwar an Octavio 
gerichtet, aber doch zur ſpäteren Veröffentlichung beſtimmt 
iſt (T 1650 f. = XV 366 zweimal). Octavio zeigt den Brief 
(wie Gallas XV 366) auch dem Iſolani (T 1002 ff.), wobei 
wir den Wortlaut zum Teil erfahren, der aber nicht ganz zu 
unſerer Stelle ſtimmt. Denn Iſolani erfährt nicht, daß der 
Fürſt, wie Schiller in Übereinſtimmung mit dem Geſchichts⸗ 
werk ſagt, „geächtet“ ſei; er lieſt nur, daß die Truppen an 
Octavio gewieſen ſind, was Max erſt beim Weiterleſen 
findet. Ebenſowenig iſt T 1649 ff. von der Achtung die Rede, 
die Wallenſtein erſt aus Prag erfährt (T 1739), wohin alſo, 
wie im Geſchichtswerk, der gleiche Befehl ergangen ſein 
muß. Wenn Manx aber ſagt, der Fürſt fet „verurteilt“, fo 
iſt das Wort „Urteil“ von der „Achtung“ hier ebenſo ge⸗ 
braucht wie XV 368 u. 370, obwohl Schiller hier ausdrücklich 
ſagt, daß Wallenſtein mit ſeinen Getreuen verhaftet werden 
ſollte, damit ſie gehört werden und ſich verantworten könnten. 
Ein Urteil nach der Verantwortung meinen Gordon und 
Buttler (T 2704; ebenſo XV 364: „Dennoch wollte man nicht 
mit Vollziehung des Urteils beginnen“), während Buttler 
T 3790 wieder die Achtung meint. 

2537. Octavio hat es z. B. V. 2330 ff. getan. 

2556 ff. Die Nachricht von der Gefangennahme des 
Seſin trifft echt dramatiſch in dem Augenblick ein, wo 
Octavio einen unwiderſprechlichen Beweis für den Hochver⸗ 
rat verlangt (2538 ff.), und ſie antwortet mit echter tragiſcher 
Ironie auf die letzten Worte von Max (2552 ff.). 


zu Wallenſteins Tod 401 


2559. Vgl. T 888 f. 

2560. „Kornet“ = Fähnrich. 

2565 ff. Die Gefangennehmung Seſins, die (vorgeſtern, 
2567) zwei Tage vor Beginn des Stückes fallen müßte und 
mit 812 ff. nicht in übereinſtimmung zu bringen iſt, iſt die 
wichtigſte und glücklichſte Erfindung Schillers zur Schürzung 
des Knotens. Im „Ausführlichen Bericht“ (Murr 263 f.) wird 
von den drei Boten, die Wallenſtein unmittelbar vor der Kata⸗ 
ſtrophe an Bernhard von Weimar nach Regensburg, an Oxen⸗ 
ſtierna und an Schafgotſch nach Schleſien ſchickt, der letztere, 
Anton Schlieff, in Prag angehalten und in Arreſt ge⸗ 
nommen. Die angebliche Gefangennehmung des Herzogs 
von Lauenburg mit Depeſchen an den Herzog Bernhard von 
Weimar in Regensburg in Schillers Geſchichtswerk aber 
iſt ein bloßes Mißverſtändnis der Stellen XV 368 u. 374 
von ſeiten Lilienerons und Schweizers. Dokumente, die 
Wallenſteins Verrat beweiſen können, darf man allerdings 
auch bei Schillers Seſin nicht ſuchen; denn der Verrat ge⸗ 
ſchieht ja erſt durch den Abſchluß mit Wrangel zwiſchen 
T Akt I und I. 

2589. Vgl. die Verräterei der Kapuziner XV 279. 

2632 ff. Dieſe Rede des Max bezeichnet Schiller im 
Brief an Iffland vom 15. Okt. 1798 als Epilog, der den Über⸗ 
gang zum dritten Stück bildet. An einen ſpäteren Zuſatz iſt 
deshalb nicht notwendig zu denken; denn wenn auch der troſt⸗ 
loſe Ausblick in die Zukunft mit 2610 —13 in Widerſpruch 
ſteht, ſo iſt ein ſolcher Umſchlag in der erregten und unklaren 
Situation nicht unmöglich. Er ſagt ja deutlich genug, daß 
er fürchtet, erſt die Politik werde den Herzog zum Verrat 
treiben, und daß er nicht ſchuldig ſei, ſondern ſchuldig werde. 


Wallenſteins Tod. 


Die erſten zwei Akte ſpielen am zweiten Tag (vgl. 
P 1347 ff.) und beruhen, wie der letzte Akt der „Piccolomini“, 
weit mehr auf Erfindung als auf geſchichtlichen Tatſachen. 
Daher auch Goethes Urteil (18. März 1799): „Das letzte Stück 
hat den Vorzug, daß alles aufhört politiſch zu ſein und bloß 
menſchlich wird, ja das Hiſtoriſche ſelbſt iſt nur ein leichter 

Schillers Werke. V. 26 


402 Anmerkungen 


Schleier, wodurch das Reinmenſchliche durchblickt. Die Wir⸗ 
kung aufs Gemüt wird nicht gehindert noch geſtört.“ 

Die erſte Szene iſt ein ſpäterer Zuſatz, wie ſich aus 
den Briefen an Goethe (4., 7., 11., 24. Dez. 1798) und Iff⸗ 
land (24. und 28. Dez. 1798) ergibt. Erſt auf Goethes Rat 
hin (an Schiller, 5. und 8. Dez. 1798) hat Schiller die Aſtro⸗ 
logie ernſt genommen und auf die Geſtirne zurückgegriffen, 
während er in einer noch vorhandenen Szene ein Buch— 
ſtabenorakel, das einer ähnlichen Prophezeiung Keplers 
nachgebildet war, an ihre Stelle ſetzen wollte. Auch einem 
Briefe Körners (14. März 1797) verdankte er Anregung und 
den Hinweis auf Quellen. 

Den Schauplatz ſchildert Schiller mehr in Überein⸗ 
ſtimmung mit P 966 u. 1598 ff. in den Theatermanu⸗ 
ſkripten. Er dachte ſich ſieben koloſſale Göttergeſtalten, die 
ſieben Planeten der damaligen Zeit vorſtellend, jede mit 
einem transparenten Stern von verſchiedener Farbe über 
dem Haupte, im Halbkreis ſtehend. 

Vor Vers 1 u. 9. Der Planetenaſpekt, die Stellung 
der Geſtirne. 

V. 2. Nicht auf den Planetenaſpekt bezüglich, ſondern 
auf das wirkliche Leben, den Tag; hier herrſcht Mars, und 
den Herzog rufen die Kriegsgeſchäfte. 

17 ff. „Geviertſchein“ = Abſtand im Winkel von 90°; 
„Doppelſchein“ = im Winkel von 180°; im erſten Fall treffen 
die Strahlen ſenkrecht, im zweiten ſchräg. Mars hat ein 
rotes Licht: 18, vgl. P 1608 fl. „in cadente domo” (24) = im 
fallenden Hauſe, ſ. zu P 995 ff. 

25 ff. Die Verbindung der Aſtrologie mit der antiken 
Mythologie, in der Saturnus von Jupiter entthront wird, 
fiel Schiller in ſeinen Quellen auf (an Körner, 7. April 1797). 

39. Nur in den Theatermanuſkripten wird Senis Ab— 
gang verzeichnet, der die ſchwarze Tafel fortträgt. 

50. Kein Widerſpruch mit P 2574 („ſechs Pakete“), denn 
auch hier ſind mehrere Adreſſen genannt. Vgl. P 812 ff. 

70 f. Seſyna hat wirklich nach Wallenſteins Tod als 
Preis für ſeine Begnadigung ein Manuſkript über ſeine 
Beziehungen zu Wallenſtein angeboten. 


zu Wallenſteins Tod 403 


92. Natürlich kein Widerſpruch mit 136. 943 f. 958. 

139 ff. Den großen Monolog nennt Goethe die Achſe 
des Stückes. 

161. „Doppelſinn“ = Zweideutigkeit der Handlungen, die 
eine doppelte Auslegung möglich machen. 

162. Taten, die auf den Frieden zielten; zu P 2535. 

187. Vgl. 2320 ff. 

192 ff. Hier hat Schiller dem Helden dieſelben Ge— 
danken in den Mund gelegt, die er im Geſchichtswerk (XV 
359) als Hiſtoriker äußert und die der hiſtoriſche Wallenſtein 
dort verblendet überſieht. 

223 ff. In den Quellen unterhandelt Wallenſtein zwar 
indirekt mit den Schweden; Schiller ſagt aber im Geſchichts⸗ 
werk (XV 358) ausdrücklich, daß Wallenſtein im Januar 
1634 Schweden und Sachſen zu heimlichen Unterhandlungen 
nach Pilſen geladen habe. Unſere Szene iſt zweifellos auch 
durch den Bericht Seſynas bei Herchenhahn (III 223 ff.) her⸗ 
vorgerufen: hier erhält Seſyna von Terzky den Auftrag, 
zu Oxenſtierna nach Halberſtadt zu reiſen und ihm zu ſagen, 
er ſolle einen ſeiner vornehmſten Offiziere, welcher der Sache 
gewachſen ſei und auf den man ſein Vertrauen ſetzen könne, 
nach Pilſen ſenden. Oxenſtierna aber mißtraut Wallenſtein, 
der Guſtav Adolf und Arnheim ebenſo betrogen habe und 
mit dem er ſich nicht ferner einlaſſen wolle. Erſt als 
Seſyna ihn überzeugt, daß es Wallenſtein dieſes Mal Ernſt 
ſei, ſagt der Kanzler: „So lange Wallenſtein vom Kaiſer nicht 
öffentlich abfällt (340 ff.), ſo lange will ich ihm nichts glauben 
und niemanden zu ihm ſchicken; wann er hingegen die 
Waffen gegen den Kaiſer ergreift, fo kann er ſich dann ver- 
ſichert halten, daß ich nicht nur einen Bevollmächtigten zu 
ihm ſenden werde, ſondern ich will in Perſon zu ihm kommen 
und mit ihm über ſein Begehren mich vergleichen.“ Auf 
der Rückreiſe erfährt Seſyna Wallenſteins Ermordung. — 
Die Perſon Wrangels ijt erdichtet, nur der Name hiſtoriſch; 
im Geſchichtswerk treten nach Wallenſteins Tode zwei 
Wrangel auf: Hermann (XV 408 f. 418) und Guftav (XV 
432), aber auch der letztere („kein unwürdiger Nachfolger 
Baneérs und Torſtensſons“) hat Wallenſtein nie zu Geſicht 


404 Anmerkungen 


bekommen und ihm bei Stralſund ebenſowenig wie der 
Sturm geſchadet. Schiller ſucht durch den Namen und die 
erfundene Heldentat dem Charakter von vornherein Bedeu— 
tung zu geben, den er ſich als „einfachen, ſchlichten und recht⸗ 
lichen Krieger, als bedenklichen, vorſichtigen Negociateur, als 
religiöſen, bibelkundigen Proteſtanten, als mißtrauiſchen, zu⸗ 
gleich aber kühnen und ſich ſelbſt fühlenden Schweden“ (Bd. 16, 
S. 116) vorſtellt. 

224. Die ſchwediſchen Regimenter wurden nach den 
Farben bezeichnet (KV 309); Südermannland iſt ein ſchwe⸗ 
diſcher Verwaltungsbezirk. 

232. Bildlich zu verſtehen; Wallenſtein hatte den Titel 
eines Generals des ozeaniſchen und baltiſchen Meeres. 

233. Worte des Grafen von Thurn in Seſynas Bericht 
(Herchenhahn III 63). 

236 f. „Gewiß, dieſes Schreiben hat Hände und Füße, 
Oxenſtiern muß ein verſtändiger Mann ſein,“ ſagt Wallen⸗ 
ſtein zu Seſyna (Herchenhahn III 40). 

238 ff. „Ich weiß, ſchrieb Oxenſtiern in ſeinem Briefe 
an Wallenſtein, daß eben dies meines Königs Wille geweſen 
iſt“ (a. a. O. 60; XV 350). 

248 ff. Natürlich kein Widerſpruch mit P 823 ff. und 
T 1973 ff., ſondern diplomatiſche Lüge. 

249. Vgl. zu P 1047 und 1085 ff. 

258. Siehe zu 223; XV 350. 

277. „Die Konkurrenz“ = Sujammentreffen der Umſtände. 

283. Die Ziffer ſchwankt zwiſchen 16000, 15000 und 
12000 Mann: T 333. 1822. 2756. Die Anzahl der Regimenter 
bleibt zwölf (337. 2682). Im „Ausführlichen Bericht“ ſind es 
15000, ebenſoviel verlangt Wallenſtein XV 264 von Guſtav 
Adolf, von Oxenſtierna XV 368 aber nur 4000 Sachſen und 
6000 Schweden. 

291 ff. Derſelbe Zweifel in einem Briefe Oxenſtiernas 
an Thurn und XV 350. Bei der diplomatiſchen Antwort 
Wallenſteins iſt der Widerſpruch mit dem Monolog 193 ff. 
wohl zu beachten. 

332. Der Rheingraf Otto Ludwig (von Salm) ſtand 
damals, wie Schiller wohl bekannt war (XV 160. 231. 335), 


zu Wallenſteins Tod 405 


im Elſaß. Die ſchwediſchen Truppen, die Wallenſtein er⸗ 
wartete, wurden von dem Herzog Bernhard von Weimar 
und dem Pfalzgrafen Chriſtian von Birkenfeld angeführt 
(XV 368). Da Schiller den Herzog von Weimar doch ſonſt als 
Feind des Kaiſers nennt (P 2022. 2119), iſt der Grund der 
Abweichung nicht erſichtlich. 

340 ff. Zu 223 ff. 

359 ff. Das Reich gerettet gegenüber dem Kaiſer. 

363 ff. Wrangel errät alſo auch die wahre Geſinnung 
Wallenſteins. Die Gefahr, die dem Deutſchen Reich von 
den Schweden drohte, und ihre Abſichten, die nicht auf Geld, 
ſondern auf Landbeſitz gingen, find im Geſchichtswerk (XV 317 ff. 
326. 391) oft geſchildert. Wenn ihnen Wallenſtein (J 375 f.) 
Pommern verſpricht (das ſie ja im Frieden 1648 wirklich 
erhielten), ſo iſt das wieder diplomatiſche Lüge (P 823 ff.). 

377 ff. Auch die Abſicht Wallenſteins, ſich mit den 
Sachſen gegen die Schweden zu verbinden, iſt hiſtoriſch: 
XV 265 f. 278. 

398. Die Altſtadt auf dem rechten, Hradſchin und 
Kleinſeite auf dem linken Ufer der Moldau. Die Preisgebung 
der rechten Hälfte von Prag an die Schweden iſt unhiſtoriſch. 

401. „Konjunktion“ für Truppenvereinigung fand Schiller 
in den Quellen wiederholt. 

405. Nur ungefähr der „Geſchichte“ entſprechend, wo 
Wallenſtein nach ſeiner erſten Abſetzung ſchon als Privat⸗ 
mann mit Guftav Adolf unterhandelt (XV 263 f.). 

419. Der Connétable Karl von Bourbon, von der 
Mutter Franz' I. von Frankreich beleidigt, diente Karl V. 
im Krieg gegen Frankreich. 

444 ff. Vgl. zu P 717. Die Gräfin nimmt hier ganz 
die Züge an, welche in der Geſchichte die Mutter Terzkys 
trägt. In Seſynas Bericht ſagt Wallenſtein von ihr: „Ich 
wollte vieles darum geben, wenn ſie ein Mann, oder 
ihr Mann [der alte Terzky] fo witzig wäre wie fie”; und 
ſie ſchreibt dem Seſyna über Wallenſtein: „Der Fürſt 
hat ſich ſo ſehr vermeſſen, dem Kaiſer nicht mehr zu 
dienen, itzt kriecht er zurück wie ein Krebs. Ich ſehe es 
ungern, daß dasjenige, was er mit dem Könige von Schwe⸗ 


406 Anmerkungen 


den angefangen hat, nicht ausgeführt wird, und ich habe 
des Fürſten letzten Schritt nicht erwartet“ (Herchenhahn III 
47. 56). Sie war es auch, die bei der Wahl des Pfalz⸗ 
grafen zum König von Böhmen ihre Hand im Spiele ge— 
habt hat (zu P 2058 ff.), der jetzt ſeit 14 Jahren flüchtig war 
(T 1759 f.). 

448. Vor 16 Jahren; Schiller denkt ſich alſo die Gräfin 
älter, als ſie gewöhnlich dargeſtellt wird; ſie ſoll älter als 
die Herzogin fein (an Goethe, 31. Dez. 1798). 

479. Seine Liebesangelegenheit meint ſie. 

491 ff. Denſelben Rat gibt dem Wallenſtein in den 
Quellen (XV 368 f.) unmittelbar vor der Kataſtrophe einer 
aus ſeinem Gefolge. 

507 ff. Hier ſchwebt wiederum die Schilderung des 
Privatlebens nach der Abſetzung im Geſchichtswerk vor 
(XV 149. 456), wie namentlich die Anſpielungen auf die 
Kammerherrnſchlüſſel zeigen, die einige dem Kaiſer zurück— 
geben, um ſie von Wallenſtein zu empfangen. 

576. „die Not“: XV 268. 

590 f. „ihre“ = der Natur; „ſeine“ des Geſchlechts (584). 

603. Zu P 1154 f. 

623. Ebenſo nennt Schiller XV 131 Wallenſteins Brand- 
ſchatzung der deutſchen Provinzen im Dienſt des Kaiſers. 

644. Die Boten gehen, nachdem der Vertrag mit den 
Schweden (zwiſchen dem 1. und 2. Aufzug) geſchloſſen iſt, 
nach Prag zu Wilhelm Kinsky und nach Eger (832. 1076), 
um die Aufnahme der Schweden anzuordnen. 

645. „ſein“ = des Kaiſers. 

647 f. Dasſelbe Bild gebraucht Schiller XV 309 f. 369 
zweimal von Wallenſtein. 

649 f. Aus der Saat von Drachenzähnen entſtehen in 
der Sage von Kadmus wehrhafte Männer, die ſich gegen— 
ſeitig töten. Das lauernde Unheil kündigt der Dichter 
ironiſch an, indem Wallenſtein gleichzeitig mit Wrangel den 
Octavio kommen läßt, der dann auch, nachdem Wrangel 
und die Boten verabſchiedet ſind, im nächſten Akte erſcheint. 

664. Der Akt beginnt (wie die meiſten) mitten im Ge⸗ 
ſpräch über den Altringer (P 2580 ff. XV 363, wo Linz 


zu Wallenfteins Tod 407 


ſpäter 366 als der Ort bezeichnet iſt, wohin Wallenſtein den 
Octavio bringen läßt). Auch im Geſchichtswerk (XV 363) will 
ſich Wallenſtein der Perſonen der in Pilſen ausgebliebenen 
Generale bemächtigen. Auch dort ſchickt er, allerdings auf 
deſſen eigenes Anerbieten, den Octavio ab, um Gallas (nicht 
den Altringer) zurückzuholen. Auch dort geht Octavio, wie 
früher ſchon Gallas, mit des Herzogs eigenen Pferden davon 
(681. 1184. 1614; vgl. XV 365 f.). Dagegen ſtehen die ſpaniſchen 
Truppen dort (XV 340. 348 f.) nicht unter dem Kommando 
Wallenſteins; auch im Drama (P 810 f.) ſind ſie noch nicht 
in Deutſchland, und hier ſoll ſie der Altringer nicht herein⸗ 
laſſen, während er dort mit Verſtärkung zu ihnen zu ſtoßen 
genötigt wird. 

684 kündigt 1190 ff. an. 

685 ff. Über die Entſtehungszeit der Szene ſ. zu 2445 ff. 

740 f. Vgl. 2386 ff. 

816 ſtimmt ganz zu L 1037. 

845. Das letzte Schwanken Wallenſteins. 

854 f. Kein Widerſpruch mit 668; der Kardinal⸗Infant 
verſtärkte in Mailand ſeine Landsleute mit geworbenen 
Italienern (Herchenhahn III 142). 

857 ff. Im Geſchichtswerk ijt Terzky der Warner, XV 358. 

873. Vgl. 2772. Der Vorwurf auch bei Murr. 

885. Vgl. P 1009 f. 

888. Vgl. P 2561. 

893. Vgl. 1667. 

897 ff. Der Traum Wallenſteins korreſpondiert mit dem 
Octavios P 359 ff. Auch hier hat Schiller auf die geſchicht⸗ 
liche Situation keine Rückſicht genommen. Wallenſtein hatte 
keine Zeit, in der Nacht ſich gedankenvoll an einen Baum 
zu lehnen (XV 303), Baner hat nicht an der Schlacht teil⸗ 
genommen, das Pferd iſt Wallenſtein in der Nürnberger 
Affäre unter dem Leib erſchoſſen worden (XV 291); Tat⸗ 
ſache iſt nur, daß Octavio in der Schlacht heldenmütig ge⸗ 
kämpft hat und daß ein Graf Bertold von Wallenſtein an der 
in der Schlacht erhaltenen Wunde ſtarb (Khevenhiller XII 195). 

955. „Mikrokosmus“, die Welt im kleinen in der Bruſt 
des Menſchen, iſt von denſelben Geſetzen abhängig wie der 


408 Anmerkungen 


Makrokosmus, das Weltganze. Ganz ähnlich ſchreibt 
Humboldt 18. Aug. 1795 an Schiller: „Das geheime Leben 
und die innere Kraft jedes Weſens, von welcher ſeine ſicht⸗ 
baren Veränderungen nur unvollkommene und vorüber⸗ 
gehende Erſcheinungen ſind und auf deren unmittelbarem 
und inſofern unerkanntem Wirken dasjenige beruht, was 
wir Schickſal nennen ...“ Vgl. die Einleitung S. XXIX ff. 

964. Schon in L 880 angedeutet. 

985. Genauer: geſtern. 

988 ff. Die Deutſchen ſind wie im „Fiesco“ kaiſertreu. 
Die Namen der Offiziere ſind den Quellen entnommen, 
wo auch Iſolani trotz allen Beſtechungen treu bleibt. 

1032. So geſchieht es T 1561. 

1053 bezieht ſich auf P 2168 ff., wo aber Schiller ein 
paar Verſe geſtrichen hat, in denen Octavio den Buttler 
auffordert, zu ihm zu ziehen, was Buttler mit einer kalten 
Verbeugung ablehnt. 

1099. Im „Chaos“ ſchimpft Illo, XV 357 Wallenſtein 
ſelbſt über die Undankbarkeit des Hauſes Oſterreich. 

1100 ff. Die Geſchichte mit dem Grafentitel wird in 
den Quellen von Illo oder Iſolani, im Geſchichtswerk (XV 
356 f. 460) von Illo erzählt; vgl. die Einleitung S. XXVIII; 
über Wallenſteins Verhältnis zu Buttler vgl. 1440 ff. (die 
Stelle ſtand nach dem Brief an Goethe vom 31. Dez. 1798 
urſprünglich in T I 3) 1580. 1689 ff. 2003 f.; aber in einer ſpäter 
geſtrichenen Stelle der Handſchrift erkundigte ſich Wallenſtein 
ſchon P 878 nach Buttler, worauf Illo antwortete: 

„Was haſt du mit dem ſtillen Mann gemacht? 

Der kommt hieher, ganz Ernſt für dich und Eifer. 
W.: Er ijt der Unſre, und ich weiß warum“ — 
was mit Octavios Worten über Buttler korreſpondiert 
(P 285 f.): vith weiß, 

Wie dieſer böſe Geiſt zu bannen ijt.” 

Ahnliche Lügen Wallenſteins 1436 ff. und XV 342. 354. 

1159 ff. P 43 ff. 

1177 ff. Dieſes Ehrenwort kann ſich nach der Situation 
und Octavios „Ich darf Euch traun“ (1179) natürlich nur 
darauf beziehen, daß er nichts gegen den Kaiſer unternehmen 


zu Wallenſteins Tod 409 


wird. Da ihm Octavio das Manifeſt gezeigt hat, das den 
Fürſten in Acht erklärt, kann er ſich wohl denken, daß Buttler 
im Notfalle den Auftrag vollziehen könnte, den es enthält. 
Aber dieſer Auftrag ergeht an alle Gutgeſinnten (1083. 
2729 f.); einen beſonderen Auftrag hat Buttler weder offen 
noch ſtillſchweigend von Octavio erhalten. 

1196 ff. Gegen die Geſchichte und das Geſchichtswerk 
(XV 356), wo Wallenſtein Illo und Terzky erſt für ſeinen 
Verrat gewinnen muß, erſcheinen ſie in der Dichtung in den 
Reden der Piccolomini und Gordons (P 2405 ff. u. T 2744 ff.) 
als ſeine Verführer. In einer ſpäter geſtrichenen Stelle 
der Handſchrift (P 282 ff.) ſagt Octavio gar, daß Illo den 
Wallenſtein zum Werkzeug einer alten Rache brauche, die 
er Oſterreich unverſöhnlich geſchworen habe, da man ihn 
Verbrechens halber aus dem Heere gejagt habe. 

1266 ff. D. h. dieſe kaiſertreuen Regimenter hat er nicht 
veranlaßt, heut' Nacht aus Pilſen zu fliehen (1172 f.). 

1280 beginnt der dritte Tag der Handlung. Die letzte 
Szene mit Max (P 1684 ff.) hat wirklich vorgeſtern geſpielt. 

1347 ſtimmt mit P 1895 ff. überein. 

1387. Die Herzogin hält alſo die Verlobung für Wahr⸗ 
heit; ſie wird freilich auch ſonſt über die wahren Vorgänge 
ſchonend in Unkenntnis gehalten. 

1427 ff. In dieſer und den folgenden Szenen hat Schiller 
die Erzählung des Geſchichtswerkes (XV 367) in Dialog und 
Handlung umgeſetzt, oft mit wörtlicher Übereinſtimmung 
(142830). 

1460 u. 1559. Stärkſte Ironie: er will mit demſelben 
den Anfang machen, mit dem Octavio den Anfang ge⸗ 
macht hat. 

1547 ff. Nicht hiſtoriſch. Auch hier benutzt Schiller (1549) 
nur den Namen des Herzogs Franz Albert von Lauenburg, 
eines entſchiedenen Anhängers Wallenſteins (XV 315 f. 
368. 374), den er wohl mit dem Herzog Julius Heinrich 
von Sachſen⸗Lauenburg verwechſelt hat, der im „Ausführ⸗ 
lichen Bericht“ (S. 269) den Wallenſtein von Pilſen nach 
Eger begleitet, während Franz als Bote auf dem Weg nach 
Regensburg war. Vgl. zu P 2565 ff. 


410 Anmerkungen 


1565. Graf Deodati ging nach dem „Ausführlichen 
Bericht“ in Pilſen heimlich durch. 

1567 f. Vgl. 989 u. 1655 f. Schiller häuft hier die 
Namen, um die Vorſtellung eines immer allgemeiner wer— 
denden Abfalls zu erwecken; er nennt auch hier Colalto 
und Montecuculi, die tot, und Götz, der nicht in Pilſen war. 

1574. Vgl. 1604. 

1579. Die anachroniſtiſche Waffengattung der Grenadiere 
hat Schiller im „Lager“ ſpäter durch Arkebuſiere erſetzt, hier 
aber ſind ſie ſtehen geblieben. 

1580 f. Neue Regung des Mißtrauens gegenüber Buttler; 
hier iſt (im Gegenſatz zu Octavio) Wallenſtein im Recht und 
Illo der Kurzſichtige. 

1608 ff. Wallenſtein muß den Lärm im Lager, da er 
von Octavios Verrat nichts weiß, natürlich ſo erklären, daß 
ſeine Abſicht zu früh (1428—39) verraten worden fei. In 
Wahrheit hat Octavios Manifeſt (1853) dieſen Lärm ver⸗ 
urſacht. Gleich darauf veranlaßt die Ankunft des Prager 
Boten einen zweiten Lärm (1726). 

1619. „geſtern“ nicht wörtlich zu verſtehen, = neulich. 

1620. Dieſer von Otto Ludwig ſo ſcharf angegriffene 
Vers war natürlich auch von Schiller nicht ernſt gemeint; 
vgl. XV 349: „Im Begriff, ein nie erlebtes Beiſpiel des Un⸗ 
danks gegen den Schöpfer ſeines Glücks aufzuſtellen, baute 
er ſeine ganze Wohlfahrt auf die Dankbarkeit, die man an 
ihm beweiſen ſollte.“ 

1649 f. u. 1651 f. Genau wie Gallas XV 366. 

1661 u. 1666 f. Vor Octavio hat auch Terzky 856 ge⸗ 
warnt, vor der Sternkunſt aber nur Illo; vgl. XV 366 f.: 
„Doch auch jetzt glaubt er noch an die Wahrhaftigkeit der 
Sterne und an die Treue der Armee.“ Der Wallenſtein 
der Dichtung gibt aber doch die Sternkunſt auf: 3613. 

1678. Die Tiere befolgen das Sittengeſetz aus bloßem 
Inſtinkt. (Vgl. Bd. 12, S. 159 f.) 

1688. Auch bei Carve verbirgt Buttler ſeine wahre Ge— 
ſinnung. 

1692 und 2604. Eine Lieblingspoſe des geſchichtlichen 
Wallenſtein. 


zu Wallenſteins Tod 411 


1729 f. Natürlich nicht Zufall, ſondern Buttlers Werk. 

1734 ff. Den Verluſt von Prag und den von Budweis 
und Tabor erzählt Schiller genau nach den Quellen auch 
XV 366 f., wo Wallenſtein aber wie in den Quellen von dem 
kaiſerlichen Patent und der darin enthaltenen „Achtung“ erſt 
in Eger erfährt (XV 370). Die übrigen Städtenamen hat er 
zur Verſtärkung der Wirkung hinzugefügt und die Frage nicht 
aufgeworfen, ob Wallenſteins Abfall ſeit geſtern ſo weit in 
der Ferne bekannt geworden ijt. Im Geſchichtswerk wird 
der Herzog mit vier ſeiner Vertrauten (der vierte kann nicht 
Buttler ſein, der dort Kommandant von Eger iſt; Schiller 
dachte wohl an Neumann) für vogelfrei erklärt. In dem 
Monolog 1740 ff. läßt der Dichter den Wallenſtein wieder 
nur ſelber ausſprechen, was er als Hiſtoriker XV 367 f. über 
ihn geſagt hat. 

1786 ff. Auch zu dieſem Monolog gibt das Geſchichts⸗ 
werk den Grundgedanken (XV 367) und die hiſtoriſchen Vor⸗ 
ausſetzungen: die Regensburger Abſetzung (die Wallenſtein in 
Memmingen erfuhr, XV 147 f.; 1788 iſt alſo bildlich zu ver⸗ 
ſtehen), die übermacht der Schweden (XV 211 ff.), die Nieder⸗ 
lage Tillys am Lech (die geſchichtlich, 16. April 1632, nach 
Wallenſteins Werbung fällt, aber auch XV 241 ff. vor dieſer 
erzählt wird), die Gefahr des Kaiſers (KV 248) und die 
Werbung Wallenſteins (XV 259 ff.). 1799 f. ſtimmt auch 
im Bilde mit XV 244, 21—24 überein. 

1813. Vgl. XV 259; ein Lieblingsbild Schillers (vgl. auch 
XV 213), ſeinen mediziniſchen Studien entlehnt (Bd. 11, S. 73). 

1819 ff. Die Stärke der ihm treu gebliebenen Truppen 
nach dem „Ausführlichen Bericht“; ſie ſtimmt zu dem Beginn 
ſeiner Werbung im Jahre 1625: XV 124 beginnt er mit 
20000, bald ſind es 40000 (XV 272). 

Vor 1830. Die „Honneurs“ find in den Theaterhand- 
ſchriften ausführlicher angegeben: „Er nimmt den Hut ab 
und bedeckt ſich gleich wieder.“ In den Geſprächen mit den 
Soldaten, die dem „Egmont“ nachgebildet ſind, greift Schiller 
wieder in die Kriegsgeſchichte hinein, ohne die Situation 
genau zu kennzeichnen oder feſtzuhalten. 

1831 ff. Landgraf Wilhelm von Heſſen⸗Kaſſel war der 


412 Anmerkungen 


erſte entſchiedene Anhänger Guftav Adolfs: XV 211. 215 ff. 
230. Wo? wird nicht klar. 

1838 ff. Der Altenberg bei Nürnberg, wo es ſich aber 
nicht um Angriff handelte, ſondern Wallenſtein ſich auf Wider⸗ 
ſtand beſchränkte; XV 291 u. P 1036 ff. 

1843 f. Die ausführlicheren Kommandos in den Theaters 
handſchriften laſſen keinen Zweifel, daß Schiller die Küraſ— 
ſiere wirklich mit einem Gewehr, nicht mit dem Säbel kommen 
läßt wie 2377, während ſie 2198 mit dem „Degen“ das Haus 
ſtürmen und 2208 ſogar über Kanonen verfügen. Wie mir 
Hallwich ſagt, hatten die Küraſſiere im Dreißigjährigen Krieg 
wirklich Stutzen. — In den Handſchriften wird auch die Frage 
aufgeworfen, warum nicht Oberſt Max für ſie das Wort 
führe, wie es Brauch iſt. Die ſchwache Antwort: „Weil 
wir erſt wiſſen wollen, wem wir dienen,“ war wohl die 
Urſache, warum Schiller die Stelle geſtrichen hat. 

1844 f. Risbeck (aber nicht aus Köln) ijt ein Schrift⸗ 
ſtellername des 18. Jahrhunderts; einen Oberſt Dübald 
kennen die Quellen. 

1851. Die Brüder können ſich alſo im Kampf gegen⸗ 
überſtehen, wenn Wallenſtein den Kaiſer bekriegt. 

1860. Olmütz kommt hier zu den abgefallenen Städten 
hinzu, vgl. 1734 ff. und zu 1567 f. 

1862. Vgl. 1267 f., wo auch Lothringen genannt iſt. 

1872. In Übereinſtimmung mit ihrem Oberſt Max (zu 
770 ff.), mit dem der Gefreite auch die Friedensſehnſucht ge— 
mein hat (1943 f.; vgl. P 534 ff.), die mit dem Küraſſier des 
„Lagers“ (L 975 ff.) ganz in Widerſpruch ſteht. 

1991. Natürlich in verſtelltem Eifer; Buttler ſtört abſicht⸗ 
lich die Verhandlung. Pſychologiſch ganz richtig kehrt Wallen⸗ 
ſteins eben zurückgedrängter (1689 ff.) Argwohn zurück (2003). 
Das Abreißen der Adler ſcheint eine Erfindung Schillers zu 
ſein, die zwar nahe lag, aber ſehr glücklich verwendet iſt. 

2010. Nur hier redet die Herzogin ihren Gemahl mit 
„Du“ an. 

2022. Gottfried von Scherffenberg erſcheint bei Kheven— 
hiller u. a. als Wallenſteins damaliger Oberhofmeiſter; die 
Reiſe nach Eger ſteht natürlich nicht mit der nach Holland 


zu Wallenſteins Tod 413 


(1547) in Widerſpruch, die erſt nach der Trennung von 
Wallenſtein in Ausſicht genommen iſt. 

2026. Der vermißt wird, vgl. 1602 f. 

2031. Was ſoll man davon halten? Wallenſtein hat 
es 1713 ff. geſagt. 

2039. Vgl. P 768. 

2143 ff. Die Schlacht bei Prag am 8. Nov. 1620 hat 
Wallenſtein als Oberſt mitgemacht (XV 91. 124); Max lebt 
alſo nicht 10, ſondern 14 Jahre unter ſeinen Augen (P 1704. 482). 
Schiller denkt ſich ihn etwa 25 Jahre alt, gibt aber von ihm 
ebenſowenig als von Thekla eine genaue Vorſtellung. 

2173. Dem Goldenen Vlies, das übrigens damals nicht 
der Kaiſer, ſondern der König von Spanien zu verleihen 
hatte (Payer). 

2186 f. Ebenſo XV 263 von Wallenſtein: „Erſt nachdem 
man ihn gewaltſam aus ſeinem Kreiſe ſtieß, verwirrte er 
das Syſtem, dem er angehörte, und ſtürzte ſich zermalmend 
auf ſeine Sonne.“ 

2201. „Kettenkugeln“ ſind durch eine Kette zuſammen⸗ 
gehaltene Halb⸗ oder Voll⸗Kugeln. 

2216. Die Pilſener Lokalitäten entnahm Schiller Merians 
Topographie von Böhmen. 

2249 f. Erfunden, wie die ganze Auflehnung der Pilſener 
Truppen gegen Wallenſtein, von der die Quellen nichts 
wiſſen. Neumann ſtarb in der Mordnacht zugleich mit Illo 
und Terzky (XV 371). 

2254 f. Hier iſt alſo die Gräfin nicht der einzige Mann 
im Hauſe Wallenſtein, wie Otto Ludwig behauptet hat; eben⸗ 
ſowenig im letzten Akt. 

2258 ff. Vgl. XV 367: „Auch jetzt noch glaubt er an die 
Treue der Armee.“ 

2309. Die Gräfin will ihm vorhalten, was ſie 1315 ff. 
geſagt hat. 

2334. jie” iſt Objett, „die e Subjekt. 

2355. Vgl. P 1899 ff. 

Nach 2359. Der Ruf „Vivat Ferdinandus!“ ertönt in 
den Quellen bei dem Blutbad in der Mordnacht: XV 371. 

2369 f. Wallenſtein zieht nach Eger, da er ſich in Pilſen 


414 Anmerkungen 


unter den kaiſertreuen Regimentern nicht behaupten kann, 
und um den Schweden näher zu ſein und die Vereinigung 
mit ihnen zu erleichtern: XV 368. 

2372. Gordon, der Kommandant von Eger, und Buttler 
werden in den Quellen nur halbe Landsleute genannt, da 
Buttler Irländer, Gordon Schotte iſt; aber XV 369 nennt 
Schiller beide Schottländer, während Buttler im Drama 
(P 2006) Irländer iſt. Daß Buttler den Wallenſtein mit 
ſeinem Dragonerregiment von Pilſen nach Eger begleitet 
hat (2376), ijt zwar unhiſtoriſch, aber ein Irrtum der Quelle 
(Herchenhahn III 259). 

2403/4. Buttlers Verweigern der Hand iſt doppelſinnig. 

2428 ff. beginnt der vierte Tag. Wallenſtein kommt 
nach Schiller am nächſten, in der Geſchichte erſt am zweiten 
Tage in Eger an. Bei Murr wohnt er im großen Pach— 
hälbeliſchen Hauſe (der aber nicht Bürgermeiſter war, vgl. 
zu 2602). Buttler tritt hier immer mehr an die Stelle Leß— 
leys, der im Geſchichtswerk (XV 369 f.) Irländer, im Drama 
(P 2032, T 3309) Schotte ijt und hier zu einer bloß beiläufig 
genannten Nebenfigur wird, während im Geſchichtswerk um— 
gekehrt Buttler, der dort Kommandant von Eger iſt, die 
zweite Rolle ſpielt. 

2428. XV 370: „Sein böſer Genius hat ihn von ſelbſt in 
die Hände der Rache geliefert.“ 

2429. Das Fallgitter der Feſtung. 

2441. „Laren“: die Hausgötter, die den Herd und auch 
das Vaterland bewachen. 

2444. Als Tat der Rache wird Wallenſteins Beginnen 
XV 262. 265 hingeſtellt; XV 369 unterliegt der Undankbare 
unter den Streichen des Undanks. 

2445 ff. An dieſer Szene (und nicht an 685 ff.) ſcheint 
Schiller am 27. Febr. 1798 zu arbeiten, wo er an Goethe 
ſchreibt, daß er das ganz gemeine moraliſche Urteil über 
Wallenſteins Verbrechen auszuſprechen habe (vgl. Bd. 6, 
S. XVII). Das ſtimmt genau mit dem Brief an Iffland 
(24. Dez. 1798), wo er für dieſe ſehr bedeutende Rolle, die 
an den wichtigſten Szenen teilnehme und „die Empfindung, 
ich möchte ſagen die Moral des Stückes“ ausſpreche, einen 


zu Wallenſteins Tod 415 


guten Schauſpieler wünſcht. Er nennt Gordon, den Körner 
mit dem griechiſchen Chor vergleicht, einen gutherzigen füh⸗ 
lenden Mann, der weit mehr Schwäche als Charakter hat. 
Von dem Geſchichtswerk entfernt ſich Schiller hier ſehr: dort 
(XV 369 f.) überredet Leßley die Schotten Buttler und Gor⸗ 
don und findet in ihnen ſogleich zwei Männer, die eines 
Entſchluſſes fähig waren. Es ſcheint, daß Schiller hier wieder 
Herchenhahn (III 259 ff.) folgt, wo Buttler zuerſt die beiden 
Schotten Gordon und Leßley zu gewinnen ſucht, die in 
Eger als Oberſt und Oberſtwachtmeiſter kommandieren. 
Mit Leßley hat er leichtes Spiel, aber nicht mit Gordon, 
der von Wallenſtein vom gemeinen Soldaten zum Oberſt⸗ 
leutnant, vor drei Tagen auch zum Oberſten befördert wurde; 
er zaudert, ſich an ſeines Wohltäters Leben zu wagen, und 
ficht einen Kampf mit ſeinem Gewiſſen, welches ihm Gehor⸗ 
ſam in des Kaiſers Dienſt befiehlt. Erſt nachdem ſie ihm 
die Gefahr zeigen, läßt er ſich endlich überreden. 

2450. Vgl. 2373. Aber Buttler hat in dem Briefe nicht 
bloß die Ankunft Wallenſteins, ſondern auch ſeinen Verrat 
mitgeteilt. 

2454 f. Auch dieſer kaiſerliche Brief kommt raſch, da 
geſtern Wallenſtein ſelbſt noch nichts von der Reiſe nach 
Eger wußte. 

2496 ff. entſpricht genau XV 370. Aber 2500 ff. wird 
zum erſtenmal (wie ſpäter 2692 ff. 2894 ff.) vorausgeſetzt, 
daß Buttler einen beſonderen Auftrag erhalten und Ehre 
und Leben dafür verpfändet habe; während das kaiſerliche 
Patent ſich an jedermann wendet (2405. 2728 ff.; XV 364). 
Hier iſt nun offenbar Herchenhahn Schiller in die Quere 
gekommen, bei dem (III 259) Gallas dem Buttler des Kaiſers 
„Befehle“ anvertraut, ihm für Ferdinands Frommen zu 
wachen gebietet und ihm auch das Verhaftspatent (III 264) 
übergibt, das Schillers Buttler von Octavio wenigſtens nicht 
erhalten hat. Bei Herchenhahn redet aber Buttler dann auch 
in der Einzahl von „dem vom Gallas erhaltenen kaiſerlichen 
Befehl“ wie von einem beſonderen Auftrag; Buttler und 
Leßley „hören die Stimme der Ehre und Treue“ rufen 
(UI 261. 264). Herchenhahn führt hier auf eigene Hand die 


416 Anmerkungen 


Stelle des „Ausführlichen Berichtes“ (Murr 274) aus, wo 
Buttler dem Leßley das kaiſerliche Patent und die von Gallas 
„inmittelſt darüber empfangene Ordinantz“ vorweiſt. 

2527. Als Jugendfreund Wallenſteins erſcheint Gordon 
in Carves Itinerar. 

2545. Vgl. 3543. Schiller hat hier ſeine Quelle mißver⸗ 
ſtanden. Wallenſtein war nicht Page in Burgau, ſondern 
Page des Markgrafen von Burgau in Innsbruck, eines 
Sohnes des Erzherzogs Ferdinand von Tirol. Gordon, 
den Schotten, der als Soldat unter Wallenſtein diente, hat 
Schiller etwas gewaltſam an den „Hof zu Burgau“ verſetzt. 

2560 —66 ganz nach Murr. 

2574. Diktator nennt ihn Schiller auch XV 277. 

2579 ff. Die Beſchreibung des Wappens von Eger nach 
Merians Topographie. 

2582. Vielmehr ſeit dem Jahre 1315. 

2585. „kanzelliert“ = mit roten und weißen Streifen 
vergittert. 

2592. Wallenſteins Toleranz gegenüber den Proteſtanten 
iſt hiſtoriſch: XV 272. 328. 376; ebenſo ſeine Abneigung gegen 
die Jeſuiten (2596): XV 347. 352. 376. Der Kirchenbau in 
dem Fürſtentum Glogau, das Wallenſtein als Erſatz für 
das von den Herzogen inzwiſchen wieder eroberte Mecklen⸗ 
burg erhielt, wird auch bei Murr als Zeichen ſeiner Toleranz 
erwähnt (2599 f.). 

2602. Den Namen Pachhälbel fand Schiller bei Murr, 
aber in dem Hauſe des Bürgermeiſters Wolfgang Adam 
Pachhälbel hat Wallenſtein nur 1630 gewohnt; ſeitdem war 
dieſer ſeines lutheriſchen Glaubens wegen ausgewandert. 
Bei ſeinem Tode wohnte Wallenſtein in dem Hauſe der 
Witwe Alexander Pachhälbels, der nie Bürgermeiſter war. 
Schiller beſuchte das Haus im Jahre 1791. Die Verwechſlung 
fällt Murr (338 u. 343) zur Laſt, der noch in ſeiner Schrift 
vom Jahre 1806 („Die Ermordung Wallenſteins“ S. 40) 
den Bürgermeiſter Alexander Pachhälbel als Eigentümer 
nennt, während er 1790 keinen Taufnamen angibt. Den 
Pachhälbel der Dichtung nennt Schiller einen Philiſter (an 
Iffland, 24. Dez. 1798). 


zu Wallenſteins Tod 417 


2604 ff. Wallenſtein redet mit dem Evangeliſchen im 
Ton der Bibel: vgl. Markus 1, 15; Lukas 1, 52. 

2610. Der Habsburger in Spanien und Deutſchland. 

2613. Nebenmonde löſen ſich bald auf. 

2616. Oſterreich und Spanien. 

2619. Ein offenbares Verſehen Schillers, es muß heißen 
„geſtern Abend“; denn Max iſt heute früh ſchon beſtattet 
worden (3062). Das Treffen bei Neuſtadt iſt ganz Schillers 
Erfindung. 

2624. Beide Orte liegen in Bayern, ſüdlich von Eger, 
ungefähr 7 Stunden von ihm entfernt. Bis Weiden kam 
Bernhard von Weimar nach Wallenſteins Ermordung. 

2628. Nordöſtlich von Eger, an der ſächſiſchen Grenze. 
Die Stärke der Beſatzung (vgl. 2685) nach Murr. 

2631. Den Feſtungswerken. 

2635 f. Den harmloſen Gordon läßt Wallenſtein ge⸗ 
währen, während er ſich in der Geſchichte in Eger Anhänger 
erwartet (XV 370). Den Befehl, die Poſten einzuziehen, gibt 
er auch in den Quellen. 

2648. Zwiſchen Eger und Neuſtadt (Murr 281). 

2650. Südöſtlich von Eger. 

2660. Suys (ogl. P 1196 ff.) eilte damals nach Prag 
(XV 366). 

2667. Dieſelbe Nachricht durch einen Eilboten XV 370, 
ebenſo bei Murr. 

2698. Auch in den Quellen ändern die Verſchworenen 
ihren Entſchluß, als die Nachricht von der Annäherung der 
Schweden kommt, und beſchließen, den Herzog zu ermorden 
(XV 370). Im Drama iſt Buttlers „Er darf nicht leben“ 
leider keine Steigerung, da er ſchon 1169 geſagt hat: „O! 
er ſoll nicht leben!“ Das Motiv der Rache iſt hier nicht 
einmal als Unterſtrömung fühlbar. 

2749 f. Obwohl Buttler eben erſt erfahren hat, daß die 
Schweden nahen, hat er doch ſchon Verabredung für die 
Ergreifung getroffen! Hier iſt Schiller mit der Zeit am 
gewaltſamſten umgegangen. In der Geſchichte (XV 370 f. 
u. 372 f.) treten die Verſchworenen in allen Quellen mehr⸗ 
mals zuſammen. — Dort wird das Gaſtmahl im „Ausführ⸗ 

Schillers Werke. V. 27 


418 Anmerkungen 


lichen Bericht“ von Illo, Terzky und Kinsky gegeben, bei 
Herchenhahn von Gordon als dem Kommandanten; als ſolcher 
gibt es im Geſchichtswerk (XV 371) Buttler. Im Drama 
iſt die Sache nicht ganz klar; denn 2778 kann ſowohl auf 
Illos als auf Buttlers Regiment bezogen werden. Nach 2751, 
2831 u. 3306 f. ſcheint es, daß nicht Buttlers, ſondern Illos 
Regiment gemeint iſt, was zu deſſen wüſtem Charakter ſtimmt. 

2779 (= 3306). Nach Murr war die Mordnacht (25. Febr. 
1634) Faſchingsſonnabend. Schiller verſtärkt die Wirkung 
durch den Kontraſt. 

2784 f. Dieſe Außerung wird in den Quellen einmal 
Illo, dann wieder Neumann (XV 371) zugeſchrieben. Sie 
gibt auch im „Ausführlichen Bericht“ (wie hier 2835 ff.) den 
Ausſchlag zur Ermordung Wallenſteins. 

2793 ff. In den gehäſſigen (und unhiſtoriſchen) Urteilen 
über die bedeutenden Feldherren zeigt ſich Illos ganze Ro⸗ 
heit und Wildheit; dieſe bei ſeinem letzten Auftreten noch 
ſtark aufleuchten zu laſſen und Gordon zum Mord zu be⸗ 
ſtimmen, ijt ja der Zweck dieſer Szene (vgl. XV 373, 8 ff.). 

2827. „Wort“ = Parole. 

2828 ſtimmt nicht zu 3352 und 3460 f. Auch in den 
Quellen wird die Zeit der Morde verſchieden angegeben; 
nach dem „Ausführlichen Bericht“ (Murr 278 f.) werden 
ſeine Getreuen zwiſchen 7 und 8, Wallenſtein ſelber zwiſchen 
9 und 10 Uhr ermordet. 

2830. Der Vers 2817 abſichtlich wiederholt, vgl. 2843. 

2862. Wie Archimedes den Tod über ſeinen Rechnungen 
überſah. 

2871 ff. Dieſe Stelle macht die Motivierung Buttlers nur 
noch unklarer, und der Leſer und Schauſpieler werden nach 
der ſtarken Betonung des Rachegefühles 1169 u. 2444 
immer verſucht ſein, alle anderen Motive als bloße Vor— 
wände zu betrachten. Auch ſtimmt 2876 ff. ſchlecht mit 2908 f. 
überein. Auch der Monolog, den Schiller auf Körners Tadel 
hin vor dem Druck ſtrich, hat an der Schwäche dieſer Moti⸗ 
vierung nichts geändert; mit Recht hat Körner den Buttler 
finſterer und verſchloſſener durchgeführt ſehen wollen, der 
Wortreichtum hat den vortrefflich angelegten Charakter um⸗ 
gebracht. 

2927. Vgl. 2977. 1299. 

2965. „ungleich“ = unbillig, unrecht. 

3006 = 3083. 


zu Wallenſteins Tod 419 


3018 ff. Ludwig v. Wolzogen, der jüngſte Bruder Wil⸗ 
Helms v. Wolzogen, beſuchte Schiller 1798, der von ihm ver⸗ 
langte, daß er ihm ein treues Bild von einer Schlacht des 
Dreißigjährigen Krieges liefern möchte, woraus Schiller 
die Grundfarben für die Schilderung des Todes von Max 
Piccolomini entlehnen wollte. Als aber Wolzogen mit Kar⸗ 
taunen, Kolubrinen und Bombarden kam, ſchlug Schiller die 
Hände über dem Kopf zuſammen und rief: „Wie können 
Sie nur verlangen, daß ich eine Szene, welche den höchſten 
tragiſchen Eindruck auf die Zuſchauer zu machen berechtigt 
iſt, mit ſo viel Knall und Dampf anfüllen ſoll? Max kann 
nicht durch eine Kugel enden; auch muß ſein Tod nur er⸗ 
zählt, nicht dargeſtellt werden, ähnlich wie Theramen in 
der ‚Phädra“ Hippolyts Ende berichtet!“ Er ſann lange hin 
und her, wie er Max aus der Welt haben wollte, jeden Tag 
brachte Wolzogen ein neues Projekt dazu, das Schiller als 
viel zu kriegswiſſenſchaftlich immer wieder verwarf. Endlich 
hatte er ſeinen Entſchluß gefaßt: „Ich hab's,“ ſagte er, 
„Max darf nicht durch Feindeshand, er muß unter dem Huf⸗ 
ſchlag ſeiner eigenen Roſſe an der Spitze ſeines Küraſſier⸗ 
regiments des Todes Opfer werden.“ (Auch darin war ihm 
das Ende des Hippolyt in der „Phädra“ von Racine Vor⸗ 
bild.) Bei dem Begräbnis aber (3062 ff.) ſchwebte ihm die 
Leichenfeier Ewalds v. Kleiſt vor, dem auch der feindliche 
Offizier den Degen auf den Sarg legte und von dem es 
auch hieß, daß er ſterben wollte. 

3078 u. 3082 ſind erfundene Namen. 

3121. Der ihr zur Dienſtleiſtung zugewieſene Ehren⸗ 
kavalier, oder für „Stallmeiſter“? 

3180. Schiller (an Goethe, 17. März 1799) wünſchte hier 
Aktſchluß bei der Aufführung, und Goethe (an Schiller, 
18. März 1799) ſtimmte zu. 

3202. Auf wiederholte Fragen, was denn aus Thekla 
werde, antwortete Schiller geärgert: „Die Leute ſind doch ſehr 
unbeſchnittenen Herzens und Ohres.“ Als die Fragen nicht 
aufhörten, dichtete er „Thekla. Eine Geiſterſtimme“ (Böttiger, 
„Minerva“ 1811, S. 63); vgl. Bd. 1, S. 18. 293. 

3203 ff. Dieſe Szene iſt ein ſpäterer Zuſatz (an Goethe, 
7. März 1799), nach dem Muſter der Shakeſpeareſchen Mörder⸗ 
ſzenen. Geraldin, der ſonſt in den Quellen als Oberſt⸗ 
wachtmeiſter erſcheint, wird nach Murr als Major ein⸗ 
geführt. Der Auftrag zur Ermordung Illos und Terzkys 


420 Anmerfungen 


entſpricht genau den Angaben, die Schiller in den Quellen 
über den vollzogenen Mord fand, der in der Geſchichte auch 
Kinsky und Neumann traf (XV 371; den Ruf „Vivat Ferdi⸗ 
nandus!“ den er ſchon nach 2359 benutzt hatte, vertauſchte er 
mit einem anderen, 3224, den er auch in den Quellen fand). 

3212 f. Die Namen der Mörder, von denen Macdonald 
bei Murr nur flüchtig erwähnt wird, nach den Quellen. 
(XV 373 nur ein Mörder genannt, der Irländer Deveroux.) 

3214 ff. In den Quellen ſollen die Bürger mit Gewalt 
gezwungen werden, dem Friedland zu ſchwören. Bei Schiller 
hat offenbar das Geſpräch mit dem Bürgermeiſter 2579 ff. 
die Folge gehabt, daß ſich die proteſtantiſchen Einwohner 
freiwillig für ihn erklären. Eine ausgezeichnete Wendung! 

3239. Von dieſem Ausdruck, deſſen ſich im „Ausführlichen 
Bericht“ Buttler, Gordon und Leßley gegenüber Illo be— 
dienen, als er ſie zum Abfall vom Kaiſer verleiten will, 
hat Schiller einen ſehr freigebigen Gebrauch gemacht: L 421. 
715. P 2011. In demſelben Geſpräch bedient fic) Illo der⸗ 
ſelben Wendung wie 3251 ff., wo Schiller nur das Pergament 
hinzugefügt hat, worunter natürlich nicht die ſolchen Leuten 
ſtets willkommene Standeserhöhung, ſondern ein unfrucht⸗ 
bares Belobungsdekret verſtanden iſt. 

3268 f. Auch bei Murr berufen ſich in dem eben zitierten 
Geſpräch die Offiziere auf das „Jurament“. 

3269. Der Eid iſt hinfällig, ſobald er (Wallenſtein) die 
Treue bricht. 

3277 ff. Dieſelben Erwägungen der Mörder XV 373. 

3282 u. 3309. Nur die Namen aus den Quellen; 
Leßley (P 2032 Leßly, beide Formen bei Murr) ſpielt im Ge⸗ 
ſchichtswerk (XV 369 ff.) und in den Quellen eine größere Rolle. 

3336 u. 3338. Durch Höllenzauber unverwundbar; L 355. 

3350 f. Genau nach den Quellen. 

3352 f. Spätere Zeitangabe als 2826—28. 

3355. „Hartſchier“ = Wache, mit Hellebarde; „Garde“ = 
Wache. 

3360 f. paßt weniger auf den vom Herzog gefürchteten 
Buttler als im Geſchichtswerk auf Deveroux (XV 373). 

3367. „Komitat“ = Gefolge. 

3369. Vgl. L 630. 

3380. Daß er dem Kaiſer das Leben rauben wolle, iſt 
abſichtliche übertreibung Buttlers; das Stärkſte, was Schiller 
ihm ſonſt zuſchreibt, iſt die Vertreibung des Kaiſers (XV 264). 


zu Wallenſteins Tod 421 


3406 ff. Der Sturm in der Mordnacht (vgl. 3109) iſt 
hiſtoriſch. Das Gewitter im Februar (3413) eine Erfindung 
Schillers, die nicht unmöglich iſt und die Abſicht hat, die 
Nacht zu einer ganz ungewöhnlichen zu ſtempeln. 

3410 f. Sternbild aus fünf Sternen beſtehend, die ein W 
bilden, in der Milchſtraße. Daß der Stand der Geſtirne der 
aſtronomiſchen Wahrheit nicht entſpricht, iſt gleichgültig. 

3436. Geſtern alſo. 

3460 ff. Vgl. 2828 u. 3352 f. 

3471 f. (vgl. 3846 f.). Die erſte Gemahlin Wallenſteins, 
die bald ſtarb und den Grund zu ſeinem Reichtum und ſeiner 
Macht legte, war eine Witwe, Lukretia Nikeſch. Die Kartauſe 
Waltitz bei Gitſchin (3477 f.) im Königgrätzer Kreiſe (Murr 358). 

3486— 89. Dieſe vier Verſe ſind aus der verworfenen 
Szene im aſtrologiſchen Turm gerettet, ſ. zu 1 ff.; unſere 
Stelle iſt alſo erſt geſchrieben, nachdem ſich Schiller für die 
jetzige Szene entſchieden hatte. 

3490 ff. Schiller las das in der noch immer unter ſeinem 
Namen gehenden Memoirenſammlung (II. Abt., Bd. 14, S. 217 
bis 236), wo er (S. 196. 203) auch Anregung für die Träume 
der Gräfin Terzky fand. 

3510. In den wie bei Murr Wallenſteins Leiche (vor 
3777) geſchlagen wird. 

3516. Vgl. 3863. 

3522 f. Herchenhahn II 10: „Ofters erklärte er die⸗ 
jenigen ihres Daſeins unwürdig, welche ganz allein ihrem 
Bauche frönen;“ vgl. L 52. Im Geſchichtswerk (XV 371) 
lehnt Wallenſtein die Einladung ab. 

3525 f. Dasſelbe Gefühl der Sicherheit hat Wallenſtein 
XV 370 unter der Beſatzung von Eger; in den Quellen wird 
betont, daß die Beſatzung aus einem Terzkyſchen Regiment 
beſtand und daß die Kommandeure Ausländer waren. 

3527 f. Bei Herchenhahn (III 260) vertraut er Gordon 
wegen der Wohltaten, die er ihm erwieſen. Bei Schiller 
vertraut er ihm, trotzdem er in ihm einen treuen Diener 
des Kaiſers erkennt (2635 f.), ebenſo wie er nachher den 
Kammerdiener entläßt (3666 ff.). Gordon ſoll alſo die Ent⸗ 
ſchuldigung haben, das Kommando nur gezwungen den 
Schweden übergeben zu haben. 

3532 ff. Wallenſtein verpflichtete ſich in dem damaligen 
Erzherzog von Steiermark klugerweiſe den künftigen Kaiſer, 
indem er ihm im Krieg gegen Venedig ler heißt auch bei 


422 Anmerkungen 


Herchenhahn I 19 f. friauliſcher Krieg, weil dort der Kriegs⸗ 
ſchauplatz war) auf eigene Koſten 200 Reiter ſtellte; er er⸗ 
warb ſich zwar keine Ehrenkette (eine goldene Kette hängt 
der Kaiſer bei Murr 396 dem Buttler nach der Ermordung 
Wallenſteins um), „allein Ferdinands Gunſt war ihm zum 
Lohn geworden“. Es fällt auf, daß Schiller nur in L und in 
den letzten Akten von T auf Wallenſteins Jugend zurückgreift. 

3584 f. Nach der auch im „Ring des Polykrates“ poetiſch 
dargeſtellten antiken Anſchauung, ſ. Bd. 1, S. 305. 

3588. „Typhon“: ein ägyptiſcher Gott. 

3597 ff. Bei Murr hat Wallenſtein mit Seni vor der 
Ermordung aſtrologiſche Debatten, und Seni tritt heraus, 
als die Mörder eintreten; im Geſchichtswerk folgt ihm Schil⸗ 
ler (XV 373): dort warnt Seni vor Gefahr, der Herzog aber 
erklärt die Gefahr vorüber. Im Drama iſt die prophetiſche 
Stimme Senis beibehalten, aber Wallenſtein hat ſich von 
der Aſtrologie abgewendet. 

3611. Von Octavio und den übrigen abgefallenen 
Generalen. 

3621 f. Nach Seſynas Bericht (bei Herchenhahn II 38) 
war Seni gegen den Abfall vom Kaiſer, und Wallenſteins 
oftmaliges Abbrechen der Unterhandlungen mit den Feinden, 
ſeine Unentſchiedenheit und Schwäche iſt eine Folge von 
Senis Einfluß geweſen; dieſer, vom Hofe wohl bezahlt, habe 
Wallenſtein, der eine Maſchine in ſeiner Hand war, gedreht 
und gelenkt, wie er wollte. Schiller führt die Abneigung 
gegen die Schweden auf religiöſe Motive zurück (3618 f.) 
und läßt Senis Warnung nicht aus Untreue, ſondern aus 
treuem Herzen kommen. 

3624 ff. Gordons Warnung iſt erfunden; er war bei 
der Ermordung nicht im Hauſe anweſend. Aber eine letzte 
Warnungsſtimme hört Wallenſtein auch in den Quellen 
(XV 368 f.) aus ſeinem Gefolge; ſ. zu 491 ff. 

3654. Nur im Drama, in der erdichteten Schlacht bei 
Neuſtadt. 

3664 f. Andeutung des an Illo und Terzky vollzogenen 
Mordes. 

3680. Auch Buttler war beim Morde nicht anweſend. 

3699. Ebenſo XV 372 nach den Quellen, in denen aber 
bald Illo, bald Terzky den ſtärkſten Widerſtand leiſtet. 

Vor 3709. Die Gebärde des Kammerdieners iſt hiſtoriſch 
(XV 373), ebenſo die Vorgänge in der folgenden Szene 


zu Wallenſteins Tod 423 


3731-33 (XV 373 f.). Nur das Dazwiſchentreten Gordons 
und die trügeriſchen Trompeten (3726—29) find erfunden. 

3716 f. Vgl. 3797. 

3730. Sehr geſchickt hat Schiller den Gordon entfernt, 
indem er durch ſeine Pflicht als Kommandant abberufen wird, 
ehe er den Herzog aus dem Schlafe wecken kann. 

3734. Bei Murr weckt die Gräfin Terzky Wallenſtein 
aus dem Schlafe. Vgl. zu P 717. 

3756 f. Die Rückkehr Octavios an der Spitze von kaiſer⸗ 
lichen Truppen kommt allerdings früh, denn er hat ja Pilſen 
erſt vorgeſtern verlaſſen; ſie iſt aber nicht unhiſtoriſch. Auch 
im Geſchichtswerk (XV 366 f.) kommt er an der Spitze einer 
Armee in eilfertigem Anmarſch, um den Herzog, noch in Pilſen, 
zu überfallen, was auch der Wahrheit entſpricht (Schweizer 
270). Schiller hat alſo nur die Zeit verkürzt und die nicht ſehr 
wahrſcheinliche Verwechſlung der Trompetenſignale eingeführt, 
die er doch kaum als Betrug der Kaiſerlichen gemeint hat. 
Es ſcheint ſich wirklich um einen Zufall zu handeln. 

3774. Der bei Murr überlieferte Zug, daß das Haus⸗ 
geſinde die Verwirrung zum Stehlen, beſonders des Silber⸗ 
geſchirres, benutzt, wird durch dieſe ſzeniſche Anweiſung kaum 
verſtändlich. Jeder nicht unterrichtete Zuſchauer wird an 
Bergung des Gerätes denken, das Wallenſtein allerdings 
auf ſeinen Reiſen mit ſich führte (XV 149). 

3780 deutet die Sperrung der Wallenſteiniſchen Kanzlei 
an, die in den Quellen nach ſeinem Tode ſogleich angeordnet 
wird. 

3782 ff. iſt nicht einfache Lüge und Heuchelei, denn Octa- 
vio wollte die Tat ja verhindern, ehe fie geſchehen iſt (3757 f.). 

3791. Dieſe an Shakeſpeare („Johann“ IV 2, gegen 
Ende, und „Richard II.“ V 5) erinnernde Stelle iſt 2911 u. 
2888 f. angedeutet; vgl. auch „Maria Stuart“ 3960 ff. 

3804 ff. Dieſe Vorwürfe Buttlers ſtimmen nicht ganz 
zu den Vorausſetzungen und ſind eine Folge der ſchwanken⸗ 
den Motivierung ſeines Charakters. Octavio hat nur inſo⸗ 
fern den Pfeil geſchärft und Blut geſät, als er ſich in den 
Beſitz des kaiſerlichen Patentes, das die Ergreifung oder 
Ermordung Wallenſteins befahl, ſetzte oder ſetzen ließ und 
indem er Buttlers Rachegefühl durch die Eröffnung der 
Wahrheit reizte. Mit Recht aber könnte ſich Buttler auf das 
Patent berufen, das die Entſcheidung darüber, wann der 
Notfall eintrete, jedem beliebigen überließ. Anſtatt Octavio 


424 Anmerkungen 3 


follte er vielmehr den Zufall anklagen, der in der Ver⸗ 
wechſlung der Signale ſeine Rolle geſpielt hat. Geſchichtlich 
iſt freilich, daß nach Wallenſteins Ermordung jeder dem 
anderen die Schuld beimaß, und wenn man Buttlers Worten 
auch hier keine andere Bedeutung zuſchreiben wollte, als daß 
ſeine hin und her greifenden Reden bloße Vorwände ſind, 
die das eigentliche Motiv, die Rachſucht, verdecken und die 
Verantwortung von ihm abwälzen ſollen, wäre die Einheit des 
Charakters zu retten; ich zweifle aber, ob damit Schillers 
Abſicht getroffen wäre. Geſchichtlich iſt auch (3811 ff.), daß 
Buttler ſich ſeine Belohnung in Wien holte, Graf wurde 
und die Wallenſteiniſche Herrſchaft Friedberg erhielt, aber 
noch vor Ende des Jahres ſtarb (nach Murr; ganz allge⸗ 
mein iſt XV 375 von der Belohnung der Mörder die Rede). 

3824 f. Bildlich zu verſtehen; da es ſich ja nicht um 
Wallenſteins Haus handelt. 

3867. Die Erhebung des Octavio zum Fürſten, die 
2765 f. durch den unlauteren und unzuverläſſigen Mund 
Illos angedeutet wird, erfolgt bei Schiller wiederum ſehr 
raſch, noch ehe man in Wien von Wallenſteins Abfall Kunde 
haben konnte. In der Geſchichte erfuhr Octavio die Standes- 
erhöhung ſehr viel ſpäter: 1639 erhielt er von ſeiten Spaniens 
den Fürſtentitel, 1654 wurde er in den Reichsfürſtenſtand 
erhoben, beides aber nicht für ſein Vorgehen gegen Wallenſtein, 
für das er nur durch die Terzkyſche Herrſchaft Nachod belohnt 
wurde. Es iſt die Frage, ob Schiller von dieſen ſpäteren 
Erhebungen gewußt, ob er den Fürſtentitel nicht erfunden 
hat. Goethe ſchreibt (an Schiller, 18. März 1799): „Der Schluß 
des Ganzen durch die Adreſſe des Briefs erſchreckt eigentlich, 
beſonders in der weichen Stimmung, in der man ſich befindet. 
Der Fall iſt auch wohl einzig, daß man, nachdem alles, was 
Furcht und Mitleiden zu erregen fähig iſt, erſchöpft war, 
mit Schrecken ſchließen konnte.“ 


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